Projekte, Ideen für Kolloquien


Intermedialität: Das Bild deutet den Text — Der Text erklärt das Bild

In etlichen Gattungen kommen beide Medien simultan vor und unterstützen sich gegenseitig.

• Illustrationen seltsamer narrativer Texte

Beispiel: Ovid, Metamorphosen, der von Diana in einen Hirsch verwandelte Actaeon

aus der Ovid-Ausgabe Meintz: Ivo Schöffer 1545
> http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10139926-7

• Illustration philosophischer Essays

Kleines Bild links: Die personifizierte Philosophie verweist Boethius auf die im mittleren Bild visualisierte Szene; recht ornamentale Füllung. Thema ist die Frage der Vereinbarkeit von göttlicher Vorsehung und menschlicher Willensfreiheit.

Plura etenim, dum fiunt, subiecta oculis intuemur, ut ea, quae in quadrigis moderandis atque flectendis facere spectantur aurigae, atque ad hunc modum cetera. Num igitur quicquam illorum ita fieri necessitas ulla compellit?

Wir sehen nämlich mehrere Dinge, während sie vor unsern Augen geschehen, so wie man etwa die Wagenlenker [< auriga] sieht, wie sie ihr Viergespann [< quadriga] lenken und umwenden und alles andere; zwingt nun dieses irgend eine Notwendigkeit, daß es so geschehe?

Boetius de Philosophico consolatu siue de consolatione philosophiae: cum figuris ornatissimis nouiter expolitus, Straßbug: Grüninger 1501.
> https://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/boethius1501

• Bande dessinée / Comic strip

Am Ast des Baums hängen kann visualisiert werden; aber der Gesang kann nur als Text thematisiert werden:

Max und Moritz, eine Bubengeschichte in sieben Streichen von Wilhelm Busch, 1865.
> http://www.deutschestextarchiv.de/book/view/busch_max_1865?p=7

• Flugblätter der Frühen Neuzeit

Heinrich Vogtherr d. Ä., Zähmung des Löwen 1524
> http://www.zeno.org/nid/20004356640

Literaturhinweis: Alfred Messerli / Michael Schilling (Hgg.), Die Intermedialität des Flugblatts in der Frühen Neuzeit, Stuttgart: Hirzel 2015.

• Erbauungsbilder

Hostienmühle auf dem Altar der Kirche Retschow (Mecklenburg)

• Allegorien

Herrad von Landsberg, »Hortus deliciarum« (ed. Green / Evans / Bischoff / Curschmann, London / Leiden 1979: Abb. 339 = Fol. 255 verso)
Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Cod. Aug. perg. 60
> urn:nbn:de:bsz:31-39404

Mehr dazu hier

• Mnemotechnik

So merkt man sich, was im Johannesevangelium steht. Beispiele:

  • Die Laute mit Nummer 2 erinnert an die Hochzeit von Kana (Joh 2,1ff.); die drei Geldbeutel an die Vertreibung der Wechsler (Joh. 2,12ff.).
  • Die Gebärmutter bei 3 bezieht sich auf Nikodemus, der im Gespräch mit Jesus die geistige Wiedergeburt als ein leibliches Geschehen missversteht (Joh. 3,1).

Petrus von Rosenheim, O.S.B. [um 1380–1433], Rationarium euangelistarum omnia in se euangelia prosa, versu, ymaginibusque quam mirifice complectens, [Pforzheim] 1507.

Mehr dazu hier

• Hieroglyphenkunde

Comment ilz signifioient chose impossible a faire:

ORVS APOLLO DE ÆGYPTE De la signification des notes hieroglyphiques des Aegyptiens, c'est à dire des figures par les quelles ilz escripvoient leurs mystères secretz, et les choses sainctes et divines / Nouvellement traduict ... [par Jean Martin], Paris: Jacques Kerver 1543
> https://archive.org/details/..../page/n10/mode/2up

• Emblematik

Die Last macht’s leicht. — Dazu das Bild einer Uhr. — ???

Des hoch-erleuchteten Theologi, Herrn Johann Arndts, ... Samtliche Sechs Geistreiche Bücher Vom Wahren Christenthum […], Zürich, in Bürcklischer Truckerey getruckt 1746. — Zum 2. Buch, 47. Kapitel.

Erläuterungen hierzu auf der Seite zur Emblematik

• Allegorisches auf Buchtiteln

Warum sind auf dem Buch mit Martials Epigrammen zwei Satyrn abgebildet?

• Umsetzung einer erzählten Raumdarstellung in ein Bild

Aufstieg von Lucifero bis Jerusalem. [Was ist falsch an dieser Darstellung?]

Quelle: Jane Siegel, “Illustrations from Early Printed Editions of the Commedia.” Digital Dante. New York, NY: Columbia University Libraries, 2017.
> https://digitaldante.columbia.edu/image/digitized-images/

• Billdiche Rekonstruktion eines unrealistischen Geschehens aufgrund von Texten


Antiope aus: Carl Gottfried Wilhelm Vollmer, Wörterbuch der Mythologie aller Völker; 3.Auflage neu bearbeitet von W. Binder, Stuttgart: Hoffmann'sche Verlagsbuchhandlung 1874.
> http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb11184170-0

• Billdiche Repräsentation einer Sache, die kaum als Text darstellbar wäre

Die Burka kann beschrieben werden, aber die arabischen Schriftzeichen?

Bernhard von Breydenbach: Peregrinatio in terram sanctam, Mainz: Erhard Reuwich 1486.
> https://www.digitale-sammlungen.de/en/view/bsb00051697?page=159

• Umsetzung von statistischen Daten in ein Bild

Prominent zu nennen ist hier Otto Neurath (1882–1945); vgl. dazu die Ausführungen auf dieser Website hier

Otto Neurath, Gesellschaft und Wirtschaft. Bildstatistisches Elementarwerk, Leipzig 1930. > Digitalisat

• Wissenschaftiche Illustration – Information Graphics

Diese Bild-Text-Verbünde snid freilich nicht symbolisch im engeren Sinne.

Vgl. dazu die externe Website zur Visualisierung von Wissen
> http://www.enzyklopaedie.ch/dokumente/viswis.htm

• usw.

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Damit gerieten wir in die schon von 1766 Lessing (»Laokoon oder Über die Grenzen der Malerei und Poesie«) erörterte und seit Ende des 20.Jhs. intenstiv betriebene Paragone-Diskussion. vgl.

Claudia Benthien / Brigitte Weingart, Handbuch Literatur & Visuelle Kultur, De Gruyter 2014.

Weitere Ideen willkommen!


Karikaturen — Furor <> Humor

 

Erste Überlegungen dazu auf dieser Seite

Thomas Theodor Heine, in »Simplicissimus« 1901 [?]


Darstellung des Nicht-Darstellbaren

GottesbilderSeelenbildergeheime BotschaftenZeitDiabolisches — Tabuisiertes (vgl. S.Freud, C.G.Jung) — usw. —

Techniken: ProjektionenPersonifikationen — usw.


Entscheid- und Steuerungsprämissen im Vorfeld einer symbolischen Auslegung

 

Immer wieder (vgl. die Zusammenstellung hier) haben wir

• die Leistungen von "Signifiants" untersucht: der Raum, Kleider, der Leib, der Spiegel, das Buch usw;

• oder wir haben gefragt, wie ein "Signifié" symbolisch repräsentiert werden kann: Darstellung von Identität, von Emotionen, von sozialen Gruppen;

• einige Kolloquien führten zu theoretischen Aspekten: Missgeschicke beim Symbolgebrauch, Projektionen, Allegorie.

 

Aufgrund von welchem Vorverständnis* wird etwas überhaupt als Symbol wahrgenommen – und dann interpretiert – oder als nicht-symbolisch aufgefasst?

*) Begriff der Hermeneutik, Vgl. H.G-Gadamer, Wahrheit und Methode II,1,a) (3.Aufl. 1972, S. 250ff.)

Anders gesagt: Was sind die "Trigger" (oder: was ist ein "élément déclencheur") / was sind die "Inhibitoren" einer Deutung? Was veranlasst bzw. was verhindert eine symbolische Deutung?

Beispiele: Soziokulturelle Auslöser bzw. Blockaden? "Tiefenpsychologisch" angelegte Auslöser (vgl. C.G.Jungs Archetypen)? Durch Bildung antrainierte Auslöser bzw. Blockaden? Von den Erzeugern geforderte Blockaden oder nahegelegte Auslöser?

Deux erreurs: 1° prendre tout littéralement; 2° prendre tout spirituellement. (Blaise PASCAL, Pensées, Nr. 648 [Brunschvicg])

Was geschieht bei der Ablehnung des symbolischen Verstehens? Und was, wenn man alles als symbolisch auffasst?

Das Wort Symbol haben wie im Wettstreit heute alle sich zum Gegenstande des Gebrauchs genommen, die aus der Mitte unserer Landsleute sich nur in der Anwendung dieses einen Wortes klug vorkommen.
Friedrich Creuzer 1808

Alles was geschieht ist Symbol, und, indem es vollkommen sich selbst darstellt, deutet es auf das Uebrige. In dieser Betrachtung scheint mir die höchste Anmaßung und die höchste Bescheidenheit zu liegen.
Goethe an Carl Ernst Schubarth 2. April 1818
> http://www.zeno.org/Literatur/M/Goethe,+Johann+Wolfgang/Briefe/1818

Das soll nicht im luftleeren Raum, sondern anhand konkreter Beispiele diskutiert werden. Nach gewalter Diskussion wissen wir vielleicht mehr über dieses seltsame Phänomen namens "Symbol".

  • Ursprung der Fundamentalismen aller Schriftreligionen und Folgen für die Gläubigen
  • Programm-Musik vs. Ornament (Hanslick: Musik besteht aus tönend bewegten Formen.)
  • Wörtlichnehmen von Mythen: Was für ein Fisch verschlang den Jonas? Zu welcher Jahreszeit begann die Sintflut? (Was ist mit der Beantwortung dieser Fragen gewonnen?)
  • Allegorische Auslegung antiker Mythen, der Bibel sowie moderner literar. Texte, von Märchen (z.B. Eugen Drewermann)
  • Traumdeutung von Artemidor bis Freud – Chiromantie – Mantik – Astrologie
  • Ein Testfall wäre die "gegenstandslose" Kunst, z.B. Kasimir Malevitsch, Schwarzes Quadrat (1915) oder Barnett Newman, Vir Heroicus Sublimis (1950): Welche Deutungen werden damit provoziert? Sind das Projektionen (vgl. unsere Tagung 2010) oder kann man sie als eine Art von Pareidolie begreifen?

Einige Texte dazu:

• Auslöser für eine symbolische/allegorische Deutung ist die Schwerverständlichkeit einer Textstelle: Obscurus locus est, et acrius attendemus (Hieronymus, Migne PL 26,407A).

Studien zu diesem Thema:

Julia Frick, Pluralisierung von Sinn. Obscuritas als textinterpretative Kategorie in Kommentar und Übersetzung der Frühen Neuzeit

Carmen Cardelle de Hartmann, Obscuritas bei Augustin

beides in: Wolfram-Studien XXV, hg. Susanne Köbele / Julia Frick, Berlin, E.Schmidt-Verlag 2018.

• Der Text der Bibel ist nie obskur.

Luther: per sese certissima, facillima, apertissima, sui ipsius interpres (WA, 7. Band, Schriften 1520/21).

• Für (profane) Gesetzestexte gilt nach alter Auffassung:

Interpretatio est, quae exponit id, quod dictum vel scriptum est aliis verbis, quae idem valeant.(Interpretation bedeutet die Erklärung von Gesagtem oder Geschriebenem durch andere Worte, welche das Gleiche bedeuten)

Simplex interpretatio est adhibenda, si ex verbis legis tam aperta sit legislatoris voluntas, ut de ea dubitari non possit. (Die einfache Interpretation ist anzuwenden, wenn aus den Worten des Gesetzes der Wille des Gesetzgebers so deutlich hervorgeht, dass darüber nicht gezweifelt werden kann.)

Beide Zitate aus: Clausdieter Schott, "Interpretatio cessat in claris". Auslegungsfähigkeit und Auslegungsbedürftigkeit in der juristischen Hermeneutik. In: "Theorie der Interpretation vom Humanismus bis zur Romantik – Rechtswissenschaft, Philosophie, Theologie", hg. von Jan Schröder, Stuttgart 2001, S. 155–189.

• Bei den rabbinischen Auslegungsregeln (Middot) gibt es eine zum Thema der allegorischen Exegese (Maschal). Hier wird strikt verboten, Bibeltexte, welche Gebote und Gesetze formulieren, allegorisch auszulegen.

In den 32 Interpretationsregeln des R. Eliezer ben Jose ha-Gelili [2. Jh. CE] steht in Nr. 26: "This method can only be used in interpreting passages of the Scriptures which do not express laws, but in those passages of the Scripture that contain laws and commandments you cannot interpret the words in a figurative and allegorical sense, …"
Jacob Z. Lauterpach, The Ancient Jewish Allegorists in Talmud and Midrash, in: The Jewish Quarterly Review , Jan., 1911, Vol. 1, No. 3 (Jan., 1911), pp. 291–333 (Zitat auf S. 329).


Handwerk, Technik, Maschinen als Modelle für Lebendiges

Beispiele: Unkraut jäten für Aszese • Iatromechanik • die mystische Mühle • Wahlverwandtschaften • der rasende Webstuhl der Zeit • Überdruckventil der Emotionen • Hardware/Software im Gehirn • Gleichschaltung • ...


Psychoanalytische Deutungen von Narrativen

Anregungen (chronologisch):

  • Sigmund FREUD, Der Wahn und die Träume in W. Jensens Gradiva, Leipzig und Wien: Heller 1907.
  • Carl Gustav JUNG, Psychologie und Alchimie, Zürich: Rascher 1944.
  • Linda FIERZ-DAVID, Der Liebestraum des Poliphilo. Ein Beitrag zur Psychologie der Renaissance und der Moderne, Zürich: Rhein-Verlag 1947. [Zusammenfassung und Kommentar der »Hypnerotomachia« im Lichte der Psychologie von C.G.Jung]
  • Antoinette FIERZ-MONNIER, Initiation und Wandlung, Zürcher Diss., Bern 1951. [zum Artusroman aus Sicht von C.G.Jung]
  • Hedwig VON BEIT, Symbolik des Märchens, Bern: Francke 1952.
  • Emma JUNG / Marie-Louise VON FRANZ, Die Graalslegende in psychologischer Sicht, Zürich 1960.
  • Eugen DREWERMANN, Tiefenpsychologie und Exegese, Olten: Walter (2 Bände) 1984/85.
  • Aron Ronald BODENHEIMER, Der Waldgänger. Wenn die Melancholie dichtet, Wien: Passagen-Verlag 1993.
  • Brigitte BOOTHE, Das Narrativ. Biografisches Erzählen im psychotherapeutischen Prozess, Stuttgart: Schattauer 2010.
  • Peter VON MATT, Literaturwissenschaft und Psychoanalyse, Freiburg/Br.: Rombach 1972.
  • Freiburger Arbeitskreis Literatur und Psychoanalyse: http://www.litpsych.uni-freiburg.de/wp/
  • Frauke Berndt, Eckart Goebel (Hgg.), Handbuch Literatur & Psychoanalyse, Handbücher zur kulturwissenschaftlichen Philologie 5, De Gruyter 2017.

 

Exkursionen

Embleme der Wallfahrtskirche Hergiswald. Link

Die romanische Bilderdecke der Kirche St. Martin in Zillis. Link

Die Felszeichnungen von Crap Carschenna. Link

Führung durch das Money Museum (Zürich) Link

 


Im Aufbau … Holzschnitt des Petrarkameisters, aus: Officia M. T. C. Ein Buch So Marcus Tullius Cicero der Römer zu seynem Sune Marco. Von den tugentsamen ämptern vnd zugehörungen eynes wol vnd rechtlebenden Menschen ..., Augspurg: Steyner, 1531, fol. XLVIverso