Fahrzeuge — Wagen — Karossen, ihre Lenker und Lenkerinnen

 

Die Erfindung des Rads und der Übergang vom Schlitten zum Wagen im Neolithikum war eine kolossale Revolution. Nicht nur zum Transport von Lasten dienten die Fahrzeuge. König Salomo führte Kriegswagen in Israel ein, es sollen 1’400 gewesen sein (1. Könige 10,26).

Die Fahrt auf einem Wagen bekam dann über das Praktische hinaus symbolische Bedeutung. Herrscher und Feldherren, selbst Gott und Göttinnen, Personifikationen (vor allem von Lastern) lenken Wagen; auch die Seele fährt in einem (Platon, Phaidros 246a), und Tote wurden in ihrem Wagen bestattet.

Anlass für solche Fahrten waren triumphale Siege, Krönungen, Feste am Hof (oder an der Fasnacht), allgemein: Machtdemonstrationen. Sodann wurden Wagenfahrten imaginiert in der Predigt, in Emblemen, in symbolischen Gedichten. – Eine Palinodie gleichsam ist der Heuwagen von Hieronymus Bosch.

Die Wagen sind prachtvoll ausgestattet; die ›Planches‹ in der Encyclopédie (Tome IX, 1771) geben einen Eindruck davon. Nicht nur Pferde werden als Zugtiere verwendet, sondern allerlei allegorisch gedeutete Tiere: Löwen und Pfauen oder dumme Esel, Hirsche; auch Bauern kommen unters Joch. Die Lenker/innen vermögen die Wagen gelegentlich auch zu meistern

Rundfahrt mit Halt an allen Stationen oder Halt auf Verlangen:

  Kriegswagen (Ägypten und später)

  Mächtige Herrscher in der ›Staatskarosse‹

  Satire eines Triumphzugs

  Allegorischer Triumphzug

  Planetengöttinen und -Götter

  Venus kutschiert in der Stadt Magdeburg

  Symbolische Zugtiere

  Keine Zugtiere! Auto-Mobil

  Göttliche Lenkung von Zugtieren

  Die Entführung der Persephone / Proserpina

  Neptun hat einen speziellen ›Wagen‹

  Himmelfahrt in feurigem Wagen

  Himmelfahrt mit starken Zugtieren

  Tullia überfährt ihren toten Vater mit dem Wagen

  Cupido zügelt sogar die Löwen

  Phaëthon vermag den Sonnen-Wagen nicht zu meistern

  Luxuria mit Gefolge

  Die ›Tugend‹ auf einem Sieges- und Ehrenwagen

  Merkwürdige Speichenräder

  Die Prozession der Kirche

  Der Vegetationsgott und die Baumgottheit im Triumphwagen

  Ein Prachts-Schiff auf Rädern

  Der Wagen der Prudentia auf dem Weg zum Himmel

  Ausfahrt in alle Himmelsrichtungen

  Der Seelenwagen mit zwei unterschiedlichen Pferden

  Die Karriere der Faulheit

  Wer Reichtumb liebt / Sich selbst betrübt.

  Toren stoßen oder ziehen einen Wagen

  Der Welt Lauff

  Früh übt sich

  Nach dem Lebensende im Wagen

  Triumphzug der Zeit

  An Schwager Kronos

  Wagen aufwärts zum Himmel … oder abwärts zur Hölle

  Der Staatswagen — Wolstand der Eidgnoßschafft

  Der Staatswagen, schwer zu bremsen

  Der Staatswagen im Sumpf

  Auch ohne Räder fährt man vergnüglich

  Antikes Wagenrennen (curriculum equorum)

 

  Literaturhinweise  

 

Kriegswagen

Der Krieg sei der Vater aller Dinge, sagte Heraklit. Vielleicht sind die Wagen auch Kinder von ihm.

Ramses II. in der Schlacht von Kadesch (Totentempel in Theben, um 1250 v.u.Z.)

Karl Richard Lepsius, Denkmäler aus Ägypten und Äthiopien nach den Zeichnungen der[…] in den Jahren 1842–1845 ausgeführten wissenschaftlichen Expedition, Nicolaische Buchhandlung, Berlin, 1849–1859; Band VI, Tafel 165. (Ausschnitt)
> http://edoc3.bibliothek.uni-halle.de/lepsius/page/abt3/band6/image/03061660.jpg

Eine spätere Idee für einen Kriegswagen:

Flavius Vegetius Renatus / Peter <von Mainz> / Schwarzenberg, Melchior De re militari, [Erfurt, ca. 1512]
> http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00011426/image_1

Mächtige Herrscher in der ›Staatskarosse‹

Sennacherib, der neuassyrische Herrscher (705–681), ›König des Universums‹, vom siegreichen Krieg heimkehrend:

Relief im British Museum, Holzstich aus: Spamers Illustrierte Weltgeschichte, Altertum, 1.  Band, 3. Auflage Leipzig 1893, Abb. 264.

Der biblische Joseph wird, nachdem er die Träume des Pharaos deuten konnte, vom Pharao erhöht: Er wird "Großwesir" über Ägypten (Genesis 41, 37–45). Joseph besteigt den (zweiten) Wagen des Pharaos:

Biblia ectypa. Bildnußen auß Heiliger Schrifft deß Alten Testaments, Erster Theil. in welchen Alle Geschichten u: Erscheinungen deutlich und schriftmäßig zu Gottes Ehre und Andächtiger Seelen erbaulicher beschauung vorgestellet worden. ... hervorgebracht von Christoph Weigel in Regensburg. Anno M.D.C.xcvii, Regensburg: Weigel 1697.

Gerard Hoet I (1648–1733) del. in:
Taferelen der voornaamste geschiedenissen van het Oude en Nieuwe Testament, En andere boeken, bij de heilige schrift gevoegt, door de vermaarde kunstenaars Hoet, Houbraken, en Picart getekent, en van de beste meesters in koper gesneden, en met beschrijvingen uitgebreid. ’s Graavenhaage: Pieter de Hondt 1728.

> https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/picart1728bd1/0127

Der Triumphzug (vermutlich) des Spurius Lucretius Tricipitinus (nach Livius, ab urbe condita III, 10)

[Johann Ludwig Gottfried] Historische Chronica, oder Beschreibung der Fürnemsten Geschichten, so sich von Anfang der Welt, biß auff das Jahr Christi 1619 zugetragen. Erste Auflage Frankfurt/Main, M. Merian 1630; hier aus der Ausgabe MDCLVII; S. 120.

Satire eines Triumphzugs

Das Bild entstand anlässlich der Kriege auf der Iberischen Halbinsel:

Boney and his horse Talley returning to Paris with a Spanish cargo; 14 June 1808

Das Bild mit guten Beschreibungen hier:
> Bodleian Library Curzon b.26(248)
> https://www.britishmuseum.org/collection/object/P_1868-0808-7645

Napoleon fährt die Kutsche, die von einem Pferd mit dem Kopf von Talleyrand* mit triumphierenden Gesichtsausdruck in Richtung Paris gezogen wird. (* T., seit 1799 an der Schaffung des napoleonischen Kaisertums beteiligt; mit allmählich schwindendem Einfluss; der rechte Vorderhuf ähnelt dem Schuh, den T. an seinem lahmen Bein trug.)

Auf dem Vordersitz der Kutsche sitzen neben Napoleon der (senil aussehende) König und die Königin von Spanien. (Napoleon Fuß auf der Krone des Königs: am 6.Juni wurde Napoleons Bruder Joseph König von Spanien.) Hinten sitzen der Prinz von Asturien und Manuel de Godoy (der spanische Staatsmann, der 1806 zum Krieg gegen Frankreich aufgerufen hatte), beide mit eisernen Halsbändern gefesselt.

Das Gepäck – Wertsachen der Spanier – ist mit einem Siegel verschlossen, auf dem der Buchstabe N steht.

Napoleon spricht (Sprechblase!): Depend upon it   I do all für jour Goods

Das Rad der Kutsche fährt über ein Papier auf der Straße: Freundschaftsbekundungen für die königliche Familie von Spanien; darunter ein Dolch.

Allegorischer Triumphzug

Kaiser Maximilian diktierte seinem Sekretär Max Treitzsauerwein 1512, wie er sich das Bild seines Triumphzugs vorstellte. Die Ausführung in Form von Holzschnitten durch die berühmtesten Künstler der Zeit blieb indessen Fragment: Es wurden – der Kaiser starb am 12. Januar 1519 – bis 1526 ›nur‹ 137 Einzelblätter (ca. 37 x 41 cm) teilweise fertiggestellt, die immerhin, hintereinandergereiht, ein 57 Meter langes Bild ergeben. Albrecht Dürer hat die Hauptstücke geschaffen: den Wagen mit der burgundischen Hochzeit Maximilians und den sog. Großen Triumphwagen (8 Blätter):

Diser nachverzeychenter Eren oder Triumph wagen ist dem allerdurchleuchtigisten Großmechtigisten Herrn weylund Keyser Maximilian/ hochlöblicher gedechtnuß vnserem allergnedigisten Hern zuo sonderen eren erfunden vnnd verordent/ vnnd zü vnterthenigem gefallen dem großmechtigisten yetz Regierenten Keyser Karolo etc durch Albrecht Dürer daselbst in das werck gepracht

Diser wagen ist zu Nürmberg erfundn gerissen vnnd gedruckt durch Albrechten Thürer im jar MD xxjj Cum Gratia et Privilegio Cesaree Maiestatis

Gutes Digitalisat > https://www.metmuseum.org/art/collection/search/359787

Das den Bildern beigedruckte Programm stammt von Willibald Pirckheimer (1470–1530): vgl. die späte separate Publikation Theatrum Virtutis & Honoris: Oder TugendBüchlein / Auß etlichen fürtrefflichen Griechischen und Lateinischen Scribenten ins Teutsch gebracht/ Durch Herrn Wilibald Pirckheymern … Nünrberg 1606; S.169–176: Beschreibung desz Triumphwagens/ welchen zu Ehren Keyser Maximilliani I. erfunden hat Bilibald Pirckeymer
> http://diglib.hab.de/drucke/79-eth/start.htm?image=00315

Das Programm ist aufwendig mit Personifikationen und deren Deutungen ausgestattet: Die Räder heißen MAGNIFICENTIA – HONOR – DIGNITAS – GLORIA. Die Zügel sind NOBILITAS und POTENTIA. — Um den Kaiser herum schwirrren über ein Dutzend Tugenden, z.B. CLEMENTIA, VERITAS, LIBERALITAS, ÆQUITAS, VICTORIA usw.usf.

Wenn Victoria später () als FICTORIA gesetzt ist, so ist das nicht zwingend ein Druckfehler. Im Hintergrund könnte die Überlegung gestanden haben, die Tugend des Künstlers ebenfalls zu verewigen: fictoria als Ableitung des lat. Verbs fingere = gestalten, schaffen; tatsächlich existiert das Wort in einem spätantiken Text (Calcidius, Timaios-Kommentar, 4./5. Jh.) für die Bildkunst. (Hinweis von Th.G. in W.)

Es existieren fünf Drucke. In den Nachdrucken ab 1523 sind die Texte mit beweglichen Lettern typographisch gesetzt. Vgl. dazu: Campbell Dodgson, Catalogue of early German and Flemish woodcuts: preserved in the Department of Prints and Drawings in the British Museum, London 1903; # 145 und folgende, Seite 338ff.
> https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/dodgson1903bd1/0366

Der ganze Triumphzug in verkleinerter Reproduktion eines späteren () Drucks, hg. Horst Appuhn, Dortmund 1979 (Die bibliophilen Taschenbücher Band 100). – Hier S. 199–203 der Text von Pirckheimer.

Mehr dazu unten

Planetengöttinen …

Die Planeten (wozu man früher auch Sonne und Mond zählte) ziehen ihren Weg. Was liegt näher, als ihre Personifikationen auf einem Wagen mit bedeutsamen Zugtieren fahren zu lassen? – Die Planeten sind assoziiert mit antiken Göttinnen und Göttern, deren Attribute auf sie übergehen.

Der Wagen von Venus wird von Schwänen gezogen, weil ihre placidità der Liebe ähnlich ist; auf ihnen reiten Amorini:

Vicenzo Cartari († 1569), Le Imagini delli Dei de gl’Antichi, Venedig 1647, S. 275.

Der Wagen von Juno wird von Pfauen gezogen. (Zum Zusammenhang von Juno und dem Pfauenschwanz vgl. Ovid, Metamorphosen I,723)

François Antoine Pomey (1618–1673), Pantheum Mythicum, Seu Fabulosa Deorum Historia, Amsterdam 1741, S. 68.

… und Planetengötter

Mars : Jan Sadler d.Ä. nach Maerten de Vos (1532–1603)
> https://www.europeana.eu/en/item/9200579/kgankeq8

Venus kutschiert in der Stadt Magdeburg

Bildnis der Veneris Myrthiæ, wie sie ehmals zu Magdeburg gestanden/ vnd als eine Göttin geehret worden. Die Abgöttin Venus hat nach den »Annales Magdeburgenses« in einem alten römischen Tempel gestanden und sei von den Völkern der Gegend verehrt worden. Venus wird als ›Magd‹ (mittelhochdeutsch ›maget‹: Mädchen, Jungfrau) bezeichnet, daher der Name der Stadt. Die Myrthe hat die Kraft, die Liebe und den Frieden zwischen Personen zu erhalten. Auf dem Wagen stehen mit verschränkten Armen die drei Gratien: Göttinen der Leutseligkeit/ Holdseligkeit vnd Danckbarkeit. Die Tauben (als Zug-Vögel) werden für ein zeichen der ehelichen liebe und trewe gehalten. Die weißen Schwäne bedeuten zierligkeit vnd reinligkeit/ vnd unbeflecktes Leben.

Johannes Pomarius [Baumgart], Chronica Der Sachsen und Nidersachsen, In welchem fleissig beschrieben wird, was sich von anbeginn der Welt bis anhero in Geistlichen und Weltlichen Hendeln und Sachen […] zugetragen, von jaren zu jaren […], Wittenbergk: Zacharias Krafft 1588, S. 33.

Hier der Holzschnitt vom Meister WB aus der ersten Ausgabe der »Cronecken der sassen«:

Der Textzum Bild spricht von Parthamena – Parthenia (›Jungfrau‹) ist ein Beiname der Diana.

Dusse Kronecke van keysern unde anderen fursten und steden der sassen mit oren wapen het gebrent Peter schoffer van gernsßheim In der eddelen stat Mentz, Mainz: Peter Schöffer 1492. dcc lxxxj
> https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb00025661?page=38

Symbolische Zugtiere

 

••• Amor divinus (Mädchen mit Nimbus) und der Hl. Geist (in Form einer Taube) schweben auf das Kreuz Christi zu; davor liegt Anima mit einem Rosenkranz auf einem Wagen, der von zwei Schildkröten gezogen wird.

Nescit tarda molimina Spiritus sancti gratia (Ambrosius) ≈ Die Gnade des Hl. Geistes kennt keine saumselige Verweilung

Antipathia Amoris Divini et Humani duobus Libris comprehensa, per themata et sententias, insuper et Figuras aeneas, adjectis versibus Gallicis et Hispanicis, illustrata, antehac [1629] Antuerpiae Typis data / Nunc denuo recusa, cum Facultate Superiorum, Salisburgi 1694.
> http://hdl.handle.net/2027/dul1.ark:/13960/t3jw9nx1d

••• Das betrunkene Schwein im Zweispänner (biga) wird gezogen von Hund und Bock

QVO TENDIS ? — Wohin strebst du?

Quid non Ebrietas turpissima perpetrat? Hirco
    Et Cane, Sus, biga ducitur egregia !
[…]

Was vollbringt nicht die Trunkenheit, die gar schlimme? / Vom Bock und vom Hund wird das Schwein gezogen, einem prächtigen Gespann!
    Wird der Verstand im Wein ertränkt, ist übler (fœdior) als Hund und Bock / der Mensch, wenn er zu Venus, wenn zu ihrem Lager hält.

Iacobi â Bruck Angermundt Cogn. Sil. Emblemata moralia & bellica: Nunc recens in lucem edita, Argentorati [Straßburg]: Per Iacobum ab Heyden, Iconographum 1615. Nr. 31.
>https://archive.org/details/iacobiabruckange00bruc/page/n66/mode/2up
Vgl. Henkel /Schöne, Emblemata, Sp.555.

••• Hase und Schnecke ziehen gemeinsam einen (leeren) Wagen. Damit warnen sie vor dem Schaden, der aus Übereile entstehen kann (Hase) oder aus zu großer Zögerlichkeit (Schnecke). – Die deutsche Übersetzung versteht das so, dass man mit Bedachtsamkeit (Schnecke) auch voran kommt.

Nec cunctando, nec festinando nimis

Weder mit zuviel Zugvögeln, noch mit zuviel Eilen

Oft erzeugt das Verweilen ein Übel, oft die Eile.
Eile mit Weile, du wirst schnell genug ankommen.

(Zu festina lente Erasmus, »Adagia« II,i,1 ausführlichst)

Jacobi Bornitii emblemata ethico politica, ingenuâ atque eruditâ interpretatione nunc primùm illustrata per M. Nicolaum Meerfeldt, Moguntiae (Mainz): Bourgeat 1669.
> https://archive.org/stream/jacobibornitiiem00born#page/n3/mode/2up

••• Ob die Zugtiere der nordischen Göttin Freyja auch eine Symbolik haben?

En er hon ferr, þá ekr hon köttum tveim ok sitr í reið. (Snorri Sturluson, »Gylfaginning« ¶ 24: Frá Frey ok Freyju)

Wenn sie ausfährt, sind zwei Katzen vor ihren Wagen gespannt. Sie ist denen gewogen, welche sie anrufen und von ihr hat der Ehrenname den Ursprung, dass man vornehme Weiber ›Frauen‹ (isld. fróvur) nennt. Sie liebt den Minnesang und es ist gut, sie in Liebessachen anzurufen.

Die Nordischen Göttersagen, einfach erzählt von Dr. R. Reusch. Mit Holzschnitten nach Zeichnungen von L. Pietsch, Berlin: Schindler, 1865, S.82.
> http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10445733-1

Briefmarke der Schwedischen Post – In der Vorlage (???) sind es drei Katzen … , was immer die bedeuten mögen.

Derselbe Snorri Sturluson nennt in »Skáldskaparmál« ¶ 28 eine Kenning (poetische Umschreibung), in der Freya als eigandi … fressa umschrieben wird, das kann auch bedeuten: Besitzerin von Bären.

Hinweis > http://www.germanicmythology.com/original/FreyjasCats.html {Februar 2022}

••• Jesus ritt auf einer Eselin, als er in Jerusalem einzog (Matthäus 21,4). Im Himmel fährt er im Triumph, gezogen von den vier Evangelisten-Attributen: Engel, Löwe, Adler und Rind (vgl. Ezechiel 1,4ff. und Apokalypse 4,7f.; mehr dazu auf unserer Website hier).

Auf dem Titelblatt von: Auserlesene Sonntags-Predigten … zusammengetragen von P. Lamberto Maria Stadler, Erster Theil, Augsburg und Innsbruck: Joseph Wolff 1768.

••• Weshalb wird dieser Wagen der Justitia bei Aegidius Albertinus (1560–1620) von alten Frauen gezogen?

Hiren schleifer, München: Niclas Hainrich 1618.
> http://diglib.hab.de/drucke/73-eth-1s/start.htm

Die alten Weisen haben Iustici oder Gerechtigkeit der gestalt gemahlt/ daß sie auff einem Triumphwagen gezogen wird/ nit von Rossen oder Hirschen/ oder Tigerthieren/ sonder nur von zweyen alten Weibern/ welche kaum fortgehen können/ sonder sich an ein Krucken lainen müssen/ vnd ein zerbrochenes Schwerdt in der Hand haben/ zum zeichen/ daß die Richter und Räth im richten/ vrtheilen vnd erkennen/ langsamb seyn/ vnd nit geschwind auff jeglichen Schwetzers delation vnd angeben/ mit der execution vnd thätlichen vollziehung/ befengnuß/ oder entsetzung der Ehren/ oder sonsten anderer Straff verfahren […] (S. 623)

Göttliche Lenkung von Zugtieren

Die sog. Bundeslade ist eine Truhe, in der die steinernen Tafeln mit den 10 Geboten aufbewahrt und von den Israeliten auf ihren Wanderungen und zum Teil auch bei ihren Kriegszügen mitgetragen wurde.

Die Lade wurde einmal von den Philistern in einer Schlacht erobert. Ihr wurde von ihnen die Verantwortung für eine Reihe von Unglücksfällen und Plagen zugeschrieben, so dass sie die Bundeslade zum Volk Israel zurückschaffen wollten.

Sie wurde mit einem Sühnegeschenk aus goldenen Figuren ausgestattet und es wurde ein Wagen verfertigt, vor den zwei säugende Kühe gespannt wurden, denen man die Kälber wegnahm.

Die Kühe gingen entgegen der Natur von ihren Kälbern weg und zogen direkt nach Beth-Semes, einem Gebiet Israels, wodurch erwiesen war, dass sie vom HErrn gelenkt wurden, und dass er es war, der den Philistern das Unheil zugefügt hatte.— 1. Samuel, Kapitel 5 und 6 (Luthers Übersetzung 1545)

Icones biblicæ præcipuas sacræ scripturæ historias eleganter & graphice repræsentantes. Biblische Figuren/ darinnen die Fürnembsten Historien/ in Heiliger und Göttlicher Schrifft begriffen/ Gründtlich und Geschichtsmessig entworffen/ zu Nutz und Belustigung Gottsförchtiger und Kunstverständiger Personen artig vorgebilget [sic] / an Tag gegeben durch Matthaeum Merian von Basel. Mit Versen vnd Reymen in dreyen Sprachen gezieret vnd erkläret. Pars II, Franckfurt am Mayn 1626.

Die Bundeslade auf dem vierrädrigen Wagen wurde im Mittelalter typologisch so gedeutet:

Der Karren, der die Bundeslade trägt, bedeutet, dass die vier Evangelien die heilige Kirche tragen. Die Kühe, die den Karren ziehen, bedeuten die guten Prälaten, die die Mühe und Arbeit haben, die heilige Kirche zu ziehen. […]

Bible moralisée. Codex Vindobonensins 2554 der ÖNB. Kommentar von Reiner Hausherr; Übersetzung der französischen Texte von Hans-Walter Stork, Graz: ADVA 1992. Fol. 36 verso (im Buch Nr. 89) (Ausschnitt)

Keine Zugtiere! Auto-Mobil

••• In London wurden 1825–27 ertmals sog. Dampfdiligencen in Gang gesetzt. Der Erfinder war Sir Goldsworthy Gurney (1793–1875). Sofort bringt Friedrich Johann Justin Bertuch das der Jugend zur Kenntnis:

Bilderbuch für Kinder enthaltend eine angenehme Sammlung von Thieren, Pflanzen, Blumen, Früchten, Mineralien, Trachten und allerhand andern unterrichtenden Gegenständen aus dem Reiche der Natur, der Künste und Wissenschaften; alle nach den besten Originalen gewählt, gestochen, und mit einer kurzen wissenschaftlichen, und den Verstandes-Kräften eines Kindes angemessenen Erklärung begleitet, verfasst von F. J. Bertuch, Herzogl. S. Weimar. Legations-Rath, und mehrerer gelehrter Gesellschaften Mitglied, 12 Bände. Weimar, im Verlage des Industrie-Comptoirs [1790]–1830. — Band XII, No. 5.

Interessant ist, dass die Gestalt der Passagier-Kabine von der damals gebräuchlichen "Mailcoach" übernommen wurde:

(Und man fragt sich: Wie viele alte Muster übernehmen wir unerkannt, wenn wir "etwas ganz Neues" erfinden?)

••• Und das kann passieren, wenn der Wagen "auto-mobil" unterwegs ist: Der Dampfwagen des Erfinders Nicholas Cugnot (1725–1804) rammt (1769?) eine Mauer:

Bild aus »Schatzkästlein« 1939, S.85.

Vgl. Jörg Jochen Berns, Die Herkunft des Automobils aus Himmelstrionfo und Höllenmaschine. Berlin: Verlag Klaus Wagenbach, 1996 (Kleine kulturwissenschaftliche Bibliothek, 54.Band).

Die Entführung der Persephone / Proserpina

Der Gott der Unterwelt (Dīs Pater, Pluto) erbittet sich von Jupiter dessen Tochter Proserpina zur Gemahlin, was dieser ablehnt. Wie Proserpina sich in einem Hain, Blumen pflückend, ergötzt, da erblickt sie Pluto: Paene simul visa est dilectaque raptaque Diti (sie sehen, sie lieben, sie rauben ist fast eines für Pluto).

Proserpina reißt sich das Kleid herunter, sie ruft der Mutter – aber der Räuber beschleunigt die Fahrt, er stachelt die Pferde an (exhortatur equos), schüttelt ihnen die Zügel. Die halb aus dem Wasser ragende Nymphe Cyane versperrt ihm den Weg, indem sie die Arme seitwärts hebt. – Aber der Räuber feuert die Rosse an, und die Erde öffnet den Weg in den Tartarus und empfängt den Wagen in ihrem Schlund. (Ovid, Metamorphosen V, 391–424; ders., Fasti IV, 417–620)

Proserpina wird die Gemahlin des Unterweltsgottes, und Zeus gestattet ihr, eine Hälfte des Jahres in der Oberwelt, die andere bei ihrem Gatten zuzubringen: ut dimidia parte anni apud se, dimidia apud Plutonem esset. (Hygin, Fabulae)

Kupfer von Jean Mathieu (1590–1672) aus: Les Métamorphoses d’Ovide, traduites en prose françoise et […] enrichies de figures à chacune Fable, Paris 1637; t. I, p.139.

Der Meeresgott Neptun hat einen speziellen ›Wagen‹

Neptun hier mit seiner Gattin Amphitrite (Ἀμφιτρίτη) und ihrem Delphine liebenden Söhnchen Palaimon:

Vincenzo Cartari, Le Imagini de i Dei de gli Antichi Nelle Quali Si Contengono gl'Idoli, Riti, ceremonie, & altre cose appartenenti alla Religione de gli Antichi, Venetia: Vincenzo Valgrisi 1571; S. 254; zitiert wird Pausanias, Beschreibung Griechenlands, 2.1.7.

Aber auch Bacchus hat einen speziellen Wagen:

Frans Floris († 1570): Bacchus mit Handkarren (1552)
> https://www.britishmuseum.org/collection/object/P_1871-1209-4622

Himmelfahrt in feurigem Wagen

Der Prophet Elija (Eliajhu), der ein Leben lang für die alleinige Verehrung von JHWH gekämpft hat, bekommt von diesem den Auftrag, Eliša zu seinem Nachfolger zu machen. Eliša wünscht sich, dass dessen Geist über ihn komme. Dadurch, dass Eliša das schauen kann, was menschlichen Augen verwehrt ist: die Himmelfahrt Elijas, gilt seine Bitte als erfüllt.

2. Buch der Könige, 2,1–18: VND da sie mit einander giengen/ vnd er redet/ sihe/ da kam ein fewriger Wagen mit fewrigen Rossen/ vnd scheideten die beide von einander/ vnd Elia fur also im wetter gen Himel. Elisa aber sahe es /vnd schrey/ Mein Vater/ mein Vater/ […]. Vnd sahe jn nicht mehr/ Vnd er fasset seine Kleider vnd zureis sie in zwey stück. VND hub auff den mantel Elia der jm entfallen war […]. (Lutherbibel 1545).

Holzschnitt von Virgil Solis (1514–1562) in: Biblische Figuren des alten vnd Newen Testaments gantz künstlich gerissen durch den weitberühmten Vergilium Solis zu Nürnberg, Getruckt zu Franckfurt am Mayn/ durch Dauid Zephelium/ Johan Raschen/ vnd Sigmund Feyerabent 1560.

Biblia ectypa. Bildnußen auß Heiliger Schrifft deß Alten Testaments, Erster Theil. in welchen Alle Geschichten u: Erscheinungen deutlich und schriftmäßig zu Gottes Ehre und Andächtiger Seelen erbaulicher beschauung vorgestellet worden. ... hervorgebracht von Christoph Weigel in Regensburg. Anno M.D.C.xcvii, Regensburg: Weigel 1697.

Die Himmelfahrt des Elia wird in diesem Missale (um 1555) typologisch bezogen auf die Himmelfahrt Christi:

Stiftsbibliothek St. Gallen, Cod. Sang. 357 – In die ascensionis domini
> http://www.e-codices.unifr.ch/en/csg/0357/163

In der Wallfahrtskirche Hergiswald (Kanton Luzern, Schweiz) hat 1654 Kaspar Meglinger diese Szene auf Maria bezogen:

Per me ascendes (Durch mich, i.e. Maria, wirst du emporsteigen)

Dieter Bitterli, Der Bilderhimmel von Hergiswald. Der barocke Emblemzyklus der Wallfahrtskirche Unserer Lieben Frau in Hergiswald bei Luzern, seine Quellen, sein mariologisches Programm und seine Bedeutung, Basel: Wiese Verlag 1997. Süd-64

Himmelfahrt mit starken Zugtieren

Die Tradition der Alexanderromane (lateinisch und in den Volkssprachen) ist komplex; eine kurze Inhaltszusammenfassung muss genügen:

Alexander gelangt mit seinem Heer ans Rote Meer. Dort erklimmt er einen hohen Berg, und es scheint ihm er wäre im Himmel. Um zu erkunden, was es dort gibt, lässt er einen Wagen bauen, der mit Eisengittern umgeben ist. Er lässt Greife holen und sie mit Ketten an den Wagen schirren, an langen Stangen lockt er sie mit Futter. Da heben ihn die Greife zum Himmel empor, so hoch, dass ihm der Erdkreis wie eine Tenne erscheint, auf der das Getreide gedroschen wird; das Meer scheint um das Festland gewunden wie eine Schlange.

Die Hoch-Fahrt wurde natürlich gerne als Hoffart gedeutet, was aber an den Bildern nicht ablesbar ist:

Bodleian Library MS. Bodl. 264, Fol. 81 recto; Finished by the scribe in 1338 and by the illuminator, Jehan de Grise, in 1344.
> https://digital.bodleian.ox.ac.uk/objects/ae9f6cca-ae5c-4149-8fe4-95e6eca1f73c/

Roman d'Alexandre en prose (1444–1445) Fol. 20verso
> https://www.bl.uk/manuscripts/Viewer.aspx?ref=royal_ms_15_e_vi_fs001r

Hans Leonhard Schäuffelein 1516
> http://www.zeno.org/nid/20004277503

Wolfgang Stammler, Alexander der Große, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. I (1934), Sp. 332–344 > https://www.rdklabor.de/w/?oldid=89392

Hartmut Kugler, Alexanders Greifenflug: eine Episode des Alexanderromans im deutschen Mittelalter, in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur Bd. 12 (1987) S. 1–25.

Tullia überfährt ihren toten Vater mit dem Wagen

Im Jahre 219 nach der Gründung Roms. Die ungestüme und ehrgeizige Königstochter Tullia ist verärgert über ihren Gatten und stiftet ihren Schwager dazu an, ihren Mann und ihre Schwester aus dem Weg zu räumen. Das geschieht, und sie heiratet den Doppelmörder. Nun stiftet sie diesen an, den greisen König Servius Tullius, ihren leiblichen Vater, zu beseitigen, um selbst an die Macht zu kommen. Auch das geschieht. Tullia lässt sich zum Forum kutschieren, um den neuen König – ihren Mann – als erste zu begrüßen. Auf dem Heimweg – am Ende der Cyprischen Gasse, bei der Einmündung zum Esquilinischen Hügel – sieht der Wagenlenker den toten König auf der Straße liegen und will anhalten. Aber Tullia befiehlt, den Leichnam zu überfahren. Livius: Ein abscheuliches, unmenschliches Verbrechen.

Die üble Geschichte wird in der Antike mehrfach ausführlich erzählt: Livius, ab urbe condita I, 46–48; Dionysios Halikarnassos IV, 28–39; Valerius Maximus IX, xi, 1; Ovid, Fasti VI, 587–610.

Romische Historie / Uß Tito Livio gezogen, Mentz: Schoffer 1505, fol. XVIII verso

Cupido zügelt sogar die Löwen

Cupido wird hier als aurīga, (Fuhrmann, vom alten aureae, Gebiss am Zaum – os Mund – agere, lenken) bezeichnet.

Die bildnuß zaygt, wie grosse macht
Hab Cupido der wagenman:
Sich wie er auff die Lewen schlacht,
Die an dem zugel muessen gan,
(im lat.Text: Amor … flectit habenas)
Weyß ist, der sich sein maßen kan:
Dan herscht er so ein gwaltig thier,
Vil ehe macht er im underthan
Die leut, so volgen yer begier.

Holzschnitt von Virgil Solis (1514–1562) zum Emblembuch von Andrea Alciato (1492–1550) aus: Emblemata Andreae Alciati ...: postremo ac ultimo ab ipso authore recognita, imaginibusque, vivis ac lepidis denuo artificiosissime illustrata. […], Francofvrti ad Moenvm 1567. Die deutsche Übersetzung von Wolfgang Hunger steht in der Ausgabe Paris 1542.

Die Ausdrücke zügeln und im Zaum halten und dagegen freien Lauf lassen, die Zügel schießen lassen sind für moralische Aussagen gang und gäbe (vgl. lateinisch etwa: irae frena ponere, voluptati frenos imponere, libidinibus frena permittere, linguae frena relaxare, habenas adducere). Nur zwei Beispiele:

Juvenal, Satiren, 8. Buch, 8. Sat., Vers 85:

pone irae frena modumque (zügle zuerst deinen Jähzorn)

Boethius, Consolatio, 2.Buch, metr 2:

quae iam praecipitem frena cupidinem certo fine retentent …? (Welcher Zügel vermag je das unbezähmte Begehren in sicheren Grenzen zurückzuhalten?)

Phaëthon vermag den Sonnen-Wagen nicht zu meistern

Epaphus, einer der Söhne Jupiters, verspottet Phaëthon (›der Leuchtende‹), dieser sei gar nicht der Sohn von Sol (Phoebus, Apollo, Helios), für den er sich halte. Seine Mutter empfiehlt ihm, sich an den Vater zu wenden (Ovid, »Metamorphosen« I, 747 ff.; dann ausführlich und lesenswert II, 332.)

Phaëthon eilt zum Himmel, zum Palast der Sonne, und erheischt von Sol, einen Tag das Sonnengespann lenken zu dürfen. Vergebens warnt der Vater. Kaum fühlen die Sonnen-Rosse die ungeübte Hand ihres Lenkers, als sie aus ihrer Bahn weichen, das Land mit Glut versengend. Dann – der Wagen wird niedergedrückt – trocknet glühender Brand die Quellen und Flüsse aus, entzündet die Wälder, spaltet durch seine Hitze den Erdball.

Da sendet Zeus einen tötenden Strahl aus dem Himmel, von dem getroffen Phaëthon in einen Fluss sinkt. Die Rosse aber stürmen weiter, es brennen die Wälder, und der Aetna lodert in vollen Flammen. Endlich, nach vielen Bitten, ergreift Helios auf’s Neue die Zügel.

Es wagt des Phoebus Sohn töricht das Viergespann zu versuchen
Und eine Aufgabe, seinen Schultern unangemessen, anzugehen.
Unglücklich wagt Phaeton, was Götter erschreckt.
Solche Begier reisst menschliche Gemüter dahin.

Kupfer zu den Metamophosen Ovids von Crispijn de Passe d. Ä. (1589–1637), erstmals 1602 erschienen.

James Gillray (1756–1815) verwendet das Motiv in einer Karikatur über das Verhältnis (morganatic marriage) von Maria Anne Fitzherbert (née Smythe; 1756–1837) und George IV., dem Prinzen von Wales (1762–1830). Vgl. dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Maria_Fitzherbert

Das Bild ist auf 1788 datiert: Damals war George durch seinen verschwenderischen Lebenswandel verschuldet, und der Skandal drohte aufzufliegen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_IV._(Vereinigtes_Königreich)....

> https://www.loc.gov/resource/ds.06481/

Das Antlitz der Dame ist nicht übel getroffen (1786):

Das Laster der Genuss-Sucht (Luxuria) mit Gefolge

Herrad von [Landsberg, Äbtissin von] Hohenburg, († ca. 1196) beschreibt in ihrer Enzyklopädie eine ganze Reihe von Kämpfen zwischen Tugenden und Lastern (eine Psychomachie gemäß Hiob 7,1: ›Militia est vita hominis super terram‹).

Luxuria, als Kurtisane ausstaffiert, zuvorderst auf dem mit Edelsteinen geschmückten Wagen (gemmatus currus luxuriae), Veilchen und andere Blumen ausstreuend. Auf dem Wagen die Personifikationen vieler Laster in martialischen Ritterrüstungen, aber (außer Amor, der selbstverständlich Pfeil und Bogen braucht) ohne Wafffen, u.a.: Amor, Lascivia, Petulantia (Ausgelassenheit), Blanditiae (Schmeichelei), Turpiloquium (Schmährede), Voluptas, Jocus, Pompa.

Die Tugenden strecken abwehrend die Hände aus: Virtutes extendunt manus suas contra luxuriam …

 

Herrad of Hohenbourg, »Hortus deliciarum«, ed. Rosalie Green, M. Evans, C. Bischoff, M. Curschmann, (Studies of the Warburg Institute 36), 2 vols., London / Leiden 1979. Fol. 201 verso / 202 recto.

Die ›Tugend‹ auf einem Sieges- und Ehrenwagen

Der siegreiche Überwinder fährt auf einem Sieges- und Ehrenwagen von Gold und Elfenbein; vor ihm werden die erbeuteten Schätze getragen; Gefangene umringen gefesselt seinen Wagen. Das mitlaufende Volk ist entzückt ob dieser Wunder.

Tugend wird überall mit ehren gekröhnet.

Moralia Horatiana: Das ist Die Horatzische Sitten-Lehre / Aus der Ernst-sittigen Geselschaft der alten Weise-meister gezogen / und mit 113 in kupfer gestochenen Sinn-bildern / und ebenso viel erklärungen und andern anmärkungen vorgestellet: Itzund aber mit neuen reim-bänden gezieret / und in reiner Hochdeutschen sprache zu lichte gebracht durch Filip von Zesen, Amsterdam: Kornelis de Bruyn 1656; II, 14.

Das Emblem wird (wie alle in diesem Buch) von einem Horaz-Zitat begleitet: Res gerere & captos ostendere civibus hostes, Attinget solium Iovis & caelestia tentat. (Heldentaten vollbringen und den Mitbürgern gefangene Feinde zeigen, das führt zu Jupiters Thron und rührt an den Himmel; Epist. I, 17, 33). Und so schwebt über dem Wagen Jupiter mit seinem Adler in Wolken.

Merk-würdige Speichenräder

Eine märchenhafte Geschichte: Pharao Sesotris habe in seinem Übermut gegenüber den bezwungenen Königen diese wie Pferde vor seinen Wagen gespannt und plötzlich bemerkt, dass einer derselben seine Blicke beständig nach den Rädern des Wagens richtete. Darüber befragt, gab dieser zur Antwort, er sehe, wie dieselbe Speiche bald oben, bald unten sei, ein Bild der Fortuna, die Könige vom Thron auch in Sklaverei herabstoße. Sesotris habe darauf die Bezwungenen befreit. Im Alter sei er erblindet und habe sich das Leben genommen.

nach Carl Philipp Funke, Neues Real-Schullexikon, enthaltend die zur Erklärung der alten Klassiker nothwendigen Hülfswissenschaften, ..., Wien/Prag: Franz Haas 1805–07; leider ohne Angaben antiker Quellen im Artikel "Sesotris", Band 5, S.293

Fortuna volubilis errat **

Von gfangnen Köngen Sesostris/
Auß hochmut/ sich reinführen ließ.
Bald aber/ als sich's Glück nur wand/
Wurd er blind: fiel auch durch sein hand.
    Das glück eim Rad gleich*** sich verkert/
    Und ist nichts bstandthaffts auff der Erd.

Qui minor est armis, victori seruiet. at TU
Rex victor, jungis nos reges instar equorum
Essedo: Age, humanae memor esto condicionis.
[essedum ≈ Streitwagen]
OMNIA Sors rotat***: ima effert premit usque superba.

Peter Isselburg, (Bilder) / Georg Rem (Texte): Emblemata Politica; In aula magna Curiæ Noribergensis depicta; Quæ sacra Virtvtvm suggerunt Monita Prvdenter administrandi Fortiterqve defendendi Rempublicam / [Nürnberg] : Iselburg, 1617; Reprint der 2. Auflage Nürnberg: Endter 1640, hg. Wolfgang Harms 1982.

**) Das Motto des Emblems Fortuna volubilis errat ist Ovid, »Tristia« V,viii,15f. entnommen:

Passibus ambiguis Fortuna volubilis errat,
Et manet in nullo certa, tenaxque, loco.

Ziellos schweift sie umher, die wandelbare Fortuna;
nirgends verharrt sie, kein Ort hält sie auf Dauer fest.

***) Die Beobachtung des Rads der Fortuna kennt man aus Boethius und vielen weiteren Quellen; vgl. Sibylle Appuhn-Radtke, Artikel »Fortuna«, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. X (2005), Sp. 271–401. > http://www.rdklabor.de/w/?oldid=93777 — Darauf bezeiht sich auch der Satz im lat. Epigramm: Omnia Sors rotat ≈ das Schicksal dreht alles herum.

Die Prozession der Kirche

Auf der Spitze des Läuterungsbergs begegnet Dante (»Purgatorio«, 29. Gesang, bes. Vers 107 ff.) einer Prozession. Es gehen voran sieben Flammen und 24 Greise (vgl. Apokalypse 4,4: die 12 Patriarchen und die 12 Apostel oder die 24 Bücher des Alten Testaments; dahinter vier Tiere (die Attribute der Evangelisten, beruhend auf Ezechiels Vision 1,4ff.).

Dann folgt ein Wagen, der die Kirche bedeutet***; die zwei Räder sind das Alte und Neue Testament.

Lo spazio dentro a lor quattro contenne
un carro, in su due rote, trïunfale,
ch’al collo d’un grifon tirato venne.

Gezogen wird er von einem Greif, dessen zwei Naturen (Löwe, Adler) auf Christus verweisen: Seine göttliche Natur ist golden, seine irdische weiss und rot.

Neben dem Wagen tanzen Frauen, die beschrieben werden: rechts die drei geistlichen Tugenden: Glaube, Liebe und Hoffnung, links die vier weltlichen: Klugheit, Gerechtigkeit, Mäßigkeit und Tapferkeit.

Dem Reigen folgen zwei Greise: Der Apostel Lukas als Arzt, Paulus mit dem Schwert --- und weitere Gestalten.

British Library Manuscript Yates Thompson 36 (ca.1444 / 1450)
> http://www.bl.uk/catalogues/illuminatedmanuscripts/ILLUMINBig.ASP?size=big&IllID=56714

La comedia di Dante Aligieri con la noua espositione di Alessandro Vellutello, Impressa in Vinegia, per Francesco Marcolini ad instantia di Alessandro Vellutello 1544.
> https://archive.org/details/ita-bnc-pos-0000012-001/page/n584/mode/1up

***) Die allegorischen Deutungen entspringen den Kommentaren, sie sind von Dante nur insinuiert.

Dante Alighieri, Die göttliche Komödie, Übersetzt und kommentiert von Hermann Gmelin, Stuttgart: Klett 1955.

Deutsche Übersetzung und mit Erläuterungen von Karl Streckfuss (1825)
> http://www.dante-on-the-net.dk/_purgatorio/feg-29.htm

Der Vegetationsgott und die Baumgottheit im Triumphwagen

In dem Francesco Colonna zugeschriebenen Buch erzählt der Protagonist einen Traum, in dem er den Weg zu seiner Geliebten findet. Er durchwandert eine Kunst- und Architekturlandschaft, durch zauberhafte Wälder, Grotten, Ruinen, Triumphbögen, ein Labyrinth; er begegnet Elefanten und Drachen, Göttern und Göttinnen, Personifikationen. Poliphilo und die noch unerkannte Polia begegnen auch mythologischen Triumphzügen, u. a. dem wohlgemut und siegesfrohlockend auf einem Wagen vorbeifahrenden Ehepaar Vertumnus und Pomona (vgl. Ovid, Metamorphosen XIV, 623–772); ein gutes Omen dafür, dass Poliphilo und Polia ein Paar werden.

Hypnerotomachia Poliphili, ubi humana omnia non nisi somnium esse docet, Venedig: Aldus Manutius 1499.

Vgl. Hypnerotomachia Poliphili; übersetzt und kommentiert [und mit Registern versehen] von Thomas Reiser, Wunsiedel [erste Auflage] 2014; Seite 275f.

Ein Prachts-Schiff auf Rädern

Die angebetete Gräfin von Beamunt verspricht dem Mauritius den vorbehaltenen Liebeslohn, wenn er vor den Toren ihrer Stadt ein Turnier ausrichtet und als Minneritter für den Lohn kämpfen wird. Mauritius lässt ein prächtig geschmücktes Schiff auf Rädern bauen, das von unsichtbaren Pferden im Innern bewegt wird, und fährt draufhin vor die Burg der Minneherrin. Der Text schildert die Verfertigung dieses Fahrzeugs (Verse 627ff.; vgl. die Schilderung des Schilds von Achill bei Homer als Herstellung in der Schmiede durch Vulkan):

er hiez ein schif machen
von wunderlîchen sachen,
daz solde gân âne were
[ohne dass man es hätte hindern können]
über velt als ûf einem mere.

Wertvolle Stoffe bedecken die Außenwände; Bug und Heck werden mit Gold beschlagen; das Gefährt wird mit Mast und Ruder ausgestattet, mit Ankern aus Messing an einem seidenen Seil. Dann wird es mit dem Wappen des Ritters geschmückt, und die Seeleute und Steuermänner werden nach diesem Muster gekleidet. Jetzt werden die Pferde (ros) eingebaut:

Er brâht dar în mit liste
daz ez lützel liute wiste
ros diu ez ziehen solten
.

Über die Felder (weil auf den Straßen kein Raum ist) zieht der Schiffwagen quer durch Francrîche; die Mannschaft singt und rudert … Dann ankert man vor der Burg.

Es ist kein rittermäßiger Triumphwagen und spiegelt das illusorische Verhältnis zwischen Minner und Dame, was dann in der Erzählung ausgeführt wird.

Nach dem Turnier verschenkt Mauritius das Schiff an die Knappen (garzûne), die es im Streit demontieren (Verse 1032ff.)

Mauritius von Craûn, herausgegeben von Heimo Reinitzer (Altdeutsche Textbibliothek 113), Tübingen: Niemeyer 2000.

Heimo Reinitzer, Mauritius von Craûn. Kommentar, Stuttgart: Steiner, 1999 (Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur. Beiheft 2). Hier ausführlich S. 81ff.

Moriz von Craûn, Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch (Übersetzung von Albrecht Classen), Stuttgart 1992 (Reclams UB 8796) — dass., übersetzt und kommentiert von Dorothea Klein, daselbst 1999.

Der Wagen der Prudentia auf dem Weg zum Himmel

Alanus ab Insulis († 1202) im »Anticlaudianus« verwendet das Konzept einer Himmelsreise der Prudentia in einem von den Septem Artes hergestellten und den fünf Sinnen gezogenen Wagens.

Die Natur hat beschlossen, ein völlig tadelloses Werk hervorzubringen, und beruft zu diesem Zwecke alle Kräfte des Himmels in ihren Palast. Sie verkündet nun dass sie mit ihrem Beistand das vollkommenste Geschöpf hervorbringen wolle, nämlich den göttlichen Menschen. Die Klugheit (Prudencia) ist mit dem Plane der Natur einverstanden, hält aber ein, dass sie mit der Natur zusammen nur den sinnlichen Teil des Menschen zum Leben erwecken könne, nicht aber den seelischen. Von ihr aufgerufen erscheint die Vernunft (Racio); auch sie lobt den Plan, rät aber wegen der Schwierigkeiten, die Klugheit als Gesandte an Gott zu schicken. Als diese schwankt, tritt die Eintracht (Concordia) auf und ermahnt alle die Himmelskräfte mit Hilfe der in ihr wohnenden ordnenden Kraft zur Einigkeit.

Die Klugheit fügt sich und lässt sich von den sieben freien Künsten, deren Bedeutung und Art ausführlich erläutert wird, einen Wagen bauen. (Die Grammatik entwirft die Deichsel, die Logik die Achse, die Rhetorik sorgt für Schmuck, die vier Disziplinen des Quadriviums formen die vier Räder.) Auf diesem Wagen steigen die Klugheit und die Vernunft – gezogen von den fünf Sinnen – zum Himmel empor, bis sie zum Tierkreis und damit auf die Höhe der Welt gelangen.

Dort aber teilt sich der Weg, doch die Klugheit gewahrt über sich ein herrliches Weib, die Königin des Himmels, und bittet diese, ihr den Weg zu Gott zu zeigen. Die Königin heisst sie, den Wagen und dessen Lenkerin zurückzulassen und das eine Pferd, das Gehör, zu besteigen; so reitet sie hinter der Königin her. Endlich gelangt sie vor die Wohnung Gottes und bittet ihn, ihr bei der Schöpfung des Menschen zu helfen, indem er diesem die Seele gebe. Gott verheisst ihr Erfüllung der Bitte und gebietet Noys, dass er ihm die Idee des menschlichen Geistes bringe. Nun bildet Gott das Einzelwesen, dem die Parzen ein günstiges Geschick weben, und Noys salbt die Seele mit Himmelstau gegen alle Gefahren. Als die Klugheit auf dem Rückweg die Vernunft mit dem von ihr geführten Wagen antrifft, verabschiedet sie sich von den himmlischen Begleiterinnen und gelangt wieder auf die Erde zu den Himmelskräften. Die Natur bildet nun aus den vier Elementen den Körper, den die Eintracht mit der Seele vereinigt. Darauf spenden die Himmelskräfte einzeln ihre Gaben; als aber der Mensch auf solche Weise mit allen Tugenden und Vorzügen ausgestattet ist, beruft Alecto alle bösen Geister zum Kampfe gegen die Schöpfung des Himmels. Doch der Mensch wird durch die Tugenden gewaffnet, […] und gewinnt das Paradies.

(Zusammenfassung basierend auf Max Manitius, Geschichte der lat. Lit. des MA, Band 3, S.798f., hier focussiert auf das Thema des Wagens. Ausführlicher bei P. Ochsenbein, a.a.O., S. 59–64.)

London, Wellcome Institute, Ms. 49, Fol. 68 recto
> https://wellcomecollection.org/works/du9ua6nd/items?canvas=139

Bildquelle: Johan Oosterman
> https://www.pinterest.com/pin/346777240055234218/
Diese Visualisierung setzt den Text nicht genau um.

Alanus ab Insulis, »Anticlaudianus«, Texte critique publié par R. Bossuat, (Textes Philosophiques du Moyen Age 1), Paris: Vrin 1955. [Ältere Ausgabe: Migne PL 210].

Peter Ochsenbein, Studien zum Anticlaudianus des Alanus ab Insulis, Frankfurt/M. und Bern: Lang 1975 (Europäische Hochschulschriften. Reihe 1; Band 114).

Christel Meier-Staubach, Die Rezeption des Anticlaudianus Alans von Lille in Textkommentierung und Illustration, in: Text und Bild. Aspekte des Zusammenwirkens zweier Künste in Mittelalter und früher Neuzeit, hg. von Christel Meier / Uwe Ruberg, Wiesbaden 1980, S. 408–549.

Christine Ratkowitsch, Descriptio picturae.Die literarische Funktion der Beschreibung von Kunstwerken in der lateinischen Grossdichtung des 12. Jahrhunderts, Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1991 (Arbeiten zur mittel- und neulateinischen Philologie 1) — Zu Alanus ab Insulis S. 212–266.

Michael Stolz, Artes-liberales-Zyklen: Formationen des Wissens im Mittelalter, Tübingen: Francke 2004 (Bibliotheca Germanica 47), insbes. Band I, S.189–266 – Band II, Abb. 31–36.

Ausfahrt in alle Himmelsrichtungen

Der Prophet Sacharja hat diese Vision:

Als ich dann abermals aufblickte und hinschaute, sah ich vier Wagen zwischen zwei Bergen hervorkommen; die Berge aber waren von Erz. Am ersten Wagen waren rotbraune Rosse, am zweiten Wagen schwarze Rosse, am dritten Wagen weiße Rosse und am vierten Wagen scheckige Rosse. Als ich nun an den Engel, der mit mir redete, die Frage richtete: »Was haben diese da zu bedeuten, mein Herr?«, gab mir der Engel zur Antwort: »Das sind die vier Winde des Himmels, die ausfahren, nachdem sie sich dem Herrn der ganzen Erde vorgestellt haben. (Kapitel 6, 1ff.)

Biblia ectypa. Bildnußen auß Heiliger Schrifft deß Alten Testaments, Erster Theil. in welchen Alle Geschichten u: Erscheinungen deutlich und schriftmäßig zu Gottes Ehre und Andächtiger Seelen erbaulicher beschauung vorgestellet worden. ... hervorgebracht von Christoph Weigel in Regensburg. Anno M.D.C.xcvii, Regensburg: Weigel 1697.

Die Bibel-Exegeten kennen verschiedene allegorische Deutungen. Hieronymus bezieht die vier Gespanne auf die vier Evangelien, die sich über die ganze Erde verbreiten:

Nonnulli veteres per quatuor quadrigas accipiunt quatuor Evangelia, quadrupliciter a quadruplicibus praeconibus toto orbe promulgata et propagata. (zitiert bei Cornelius a Lapide, zur Stelle)

Der Seelenwagen mit zwei unterschiedlichen Pferden

Platon (428/427 bis 348/347) kennt folgendes Seelenmodell im Dialog »Phaidros«. Sokrates möchte das, womit die Seele (von psyche ist die Rede) eine Ähnlichkeit hat, darstellen; er verwendet also ein (fiktionales) Modell.

(246a) Wir wollen annehmen, sie sei vergleichbar der zusammengewachsenen Kraft eines geflügelten Gespannes und seines geflügelten Lenkers. Bei den Göttern sind Pferde und Wagenlenker alle gut und aus gutem Stammbaum; bei den andern [den Menschen] dagegen gemischt. Und zwar hat bei uns der Lenker ein Zweigespann, das eine seiner Pferde ist hübsch und tüchtig und von entsprechender Abstammung, das andere aber das Gegenteil davon. Also ist die Lenkung bei uns mühsam und beschwerlich.

Das wird weiter ausgeführt und gab zu verschiedenen Überlegungen Anlass. (Mehr dazu auf unserer Website hier).

Les Ailes de l’Ame aus dem Magasin Pittoresque, Tome XXIV, Avril 1856, p.121

Die Karriere der Faulheit

Die Faulheit bequem auf einem von einem Esel gezogenen Wagen — sie verwendet keine Zügel:

Dein süß gesang,  
O Müßiggang!
Macht mich nit vil umbgaffen.  
Der Mensch auf Erd  
Nach seinem Werth
Zur Arbeit ist erschaffen.

Im begleitenden Text: Wer dem Müssiggang ist ergeben, Kan ohne Laster nit wohl leben. – Wer allzeit schlafft bis in den Tag, Spat Ehr und Gut gewinnen mag. – Aber die Himmel zubesteigen, den Weg muss Müh und Arbeit zeigen.

Confusio disposita. Rosis rhetoricò-poëticis fragrans. Sive Quatuor lusus satyrico morales. Autore Josepho Melchiore Francisco à Glarùs. Dicto Tschudi de Greplang, &.c., Augsburg: Labhart 1725. Lusus primus, Scena XIX.

Der faule Narr bei Albert Joseph Conlin (1669–1753; Nachahmer Abraham a Santa Claras hat einen besonderen ›Wagen‹):

Du Schlentzer [≈ Müßiggänger] und Faulentzer/ du wirst ja nicht so faul seyn/ daß du nicht solltest etliche Tritt und Schritt können gehn/ indem dich stinckfaulen Bernheiter [Bärenhäuter ≈ Scheltwort] zwey Beern gar tragen müssen/ ...

Der Christliche Welt-Weise Beweinent Die Thorheit Der neu-entdeckten Narrn-Welt, Welcher die in disem Buch befindliche Narrn zimblich durch die Hächel ziecht, jedoch alles mit sittlicher Lehr und H. Schrifft untermischet: Worin über 200. lustig und lächerliche Begebenheiten, deren sich nit allein die Herrn Pfarrer auf der Cantzel, sondern auch ein jede Privat-Persohn, bey ehrlichen Gesellschafften nutzlich bedienen können. Vorgestellt von Alberto Josepho Loncin von Gominn, Augspurg : Walder [1706|
> https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10223232?page=273

Wer Reichtumb liebt / Sich selbst betrübt.

Die Umschrift übersetzt ≈ Weh, wie ist das Los der Reichen schlüpfrig!

Der Reichtum gesellt sich gern zu jedem, hält aber die Treue nicht.

[Johann Mannich] Sacra Emblemata LXXVI In Quibus Summa Unius Cuiusque Evangelii Rotunde Adumbratur. Das ist Sechsundsibentzig Geistliche Figürlein in welchen eines jeden Evangelii Summa Kürtzlichen wird abgebildet, Norimbergae: Sartorius 1625.

Diese Unbeständigkeit zeigt nur schon der Wagen. Der Pfau in der einen Hand der Dame zeigt diß / wenn der reich muß davon/ Er nichts mit sich nimbt Gut noch Gelt Bleibt alles gwißlich in der Welt.

Sie hat die Augen verbunden, weil sie nicht versteht / Wies mit der lieben Armut geht. (Im Titel des Emblems wird die Geschichte vom Armen Lazarus Lukas 16,19ff. zitiert.)

Die vier Löwen als Zugtiere sind Hoffart/ Versaumnuß/ Schwelgerey/ Unmitleidig[keit]; sie tragen entsprechende Attribute des sündigen Reichtums auf dem Kopf, unter anderem eine Spott-Hand.


Jean Puget de La Serre (1594–1665) verfasste 1630 ein Buch, das in den Bildern jeweils eine Szene aus dem üppigen Leben der Hofleute kontrastiert mit Szenen aus der Passion Jesu.

Wärend Jesus hier auf dem Weg zur selig-machenden Kreuzigung bergaufsteigt, rast der höfische Prasser auf seinem edlen Gefährt musizierend bergab:

Le breviere des courtisans enrichy d'un grand nombre de figures . Par le Sr de La Serre historiographe de France, A Paris, chez Mathurin Henault, Nicolas de La Vigne, Philippes Gaultier, Nicolas de La Coste. M. DC. XXX.
> https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k1512174x

Eine Närrin fährt spazieren

Aus dem Abraham a Sancta Clara (1644–1709) fälschlich zugeschriebenen Buch:

Spazierfahrende Närrin.

Was soll ich mich viel matten ab,
Wan ich Pferd, Knecht und Kutschen hab,
Da setz ich mich mit Lust darein,
Und will Madam gefahren seyn.
Wann man stets also schnurren will,
Erfordert es des Gelds zuviel.

Mala Gallina, Malum Ovum, Das ist: Wie die Alten sungen, so zwitzern die Jungen: Im Zweyten Centi-Folio Hundert Ausbündiger Närrinnen Gleichfalls in Folio, Nach voriger Alapatrit-Pasteten-Art, So vieler Narren Generis Masculini, Anjetzo auch Mit artigen Confecturen, Einer gleichen Anzahl Närrinnen Generis Foeminini, Zum Nach-Tisch, Allen Ehr- und Klugheit-liebenden Frauenzimmer zur lustigen Zeit-Vertreib und wohlgemeinten Warnung In Hundert schönen Kupffern moralisch vorgestellt, Wien, 1713
> https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/abraham1713/0438/image

Toren stoßen oder ziehen einen Wagen


••• Der Wagen zeigt die Grenzen der eigenen Fähigkeiten

Cicero (de officiis I, xxxi, 110ff.) schreibt: Jeder soll nur das tun, wozu er von Natur aus die Fähigkeiten hat, und sich nicht an dem versuchen (sei dieses noch so schicklich), das ihm nicht liegt und ihm daher nicht gelingen wird . Es ist nicht sinnvoll, der Natur zu widerstreiten und ein Ziel zu verfolgen, das du nicht erreichen kannst.

In der deutschen Übersetzung 1531 wird dies so visualisiert: Fünf Männer schieben einen Wagen den Berg hinauf; während hinten ein ebensolcher Wagen abwärts rollt.

Dz leicht gen tal lauft selbs ein wag/
Den man gen berg kaum schieben mag.
Zeigt unser werck/ gar schwer vnd hart
So vns natur helt widerpart.

Officia M. T. C. Ein Buoch/ So Marcus Tullius Cicero der Römer/ zuo seynem Sune Marco. Von den tugentsamen ämptern vnd zuogehörungen eynes wol vnd rechtlebenden Menschen/ in Latein geschriben/ Welchs auff begere Herren Johansen von Schwartzenbergs &c. verteütschet/ Vnd volgens/ Durch jne in zyerlicher Hochteütsch gebracht/ Mit vil Figuren vnnd Teütschen Reymen/ gemeynem nutz zuo guot in Druck gegeben worden. Augspurg: Heynrich Steyner MD.XXXI. Fol. XXVI verso

••• Der Narr zieht den leichten Wagen über Blumenfelder, mit Konsequenzen

Das Bild im »Narrenschiff« von Sebastian Brant (1494) passt nicht genau zum Text, wo es auf die herkulische Zweiwegelehre bezogen wird. Der Narr zieht einen zweirädrigen Wagen über eine Blumenwiese; an diesen ist ein vierrädriger angehängt, dessen Räder am Boden Flammen werfen.

Der ganze Text des 47. Kapitels hier digital.

Geiler von Keisersberg (in seinen Narrenschiff-Predigten Nauicula siue speculum faturoum … 1511, Fol. XVI recto, ¶ 7; vgl. F. Zarnckes Kommentar zu Brant, S.383) interpretiert das Bild in einer Predigt zum NS so: qui hic currum trahit, trahet alibi quadrigam. Currus ist ein zweirädriger Karren, wie er in Triumphzügen und für Wagenrennen verwendet wurde – quadriga eigentlich das Viergespann, metaphorisch für große Anstrengung; also: Wer hier (im Erdenleben) den leichten Wagen zieht, wird anderswo (in der Höllle) einen schweren ziehen. Die Koppelung der Wagen im Bild entspricht somit der gedanklichen logischen Verknüpfung: Kon-sequenz.

Zur Blumenwiese heißt es in Geilers Kommentar (Druck 1574, S. 174): Der Weg der Sünder leßt sich ansehen/ gleich wie ein veldt das voller hüpscher blumen steht/ vnnd wolschmeckenden kreutern. Welche sein nu dise blumen? Der vberfluß/ ehr Reichthumb freud wollust … Disen jagen die menschen allzeit nach … Diß sein kurtzlich die vrsachen warumb der gröste theil dem weg der Hellen zu eilet.

Welt Spiegel/ oder Narren Schiff darinn aller Ständt schandt vnd laster/ vppiges leben/ grobe Narrechte sitten/ vnd der Weltlauff/ gleich als in einem Spiegel gesehen vnd gestrafft werden: alles auff Sebastian Brands Reimen gerichtet; […] Weilandt/ Durch den hochgelerte Johan. Geyler in Lateinischer sprach beschrieben. Jetzt aber mit sonderm fleiß auß dem Latein inn das recht hoch Teutsch gebracht […] Basel: Heinricpetri 1574.

In einem späteren Druck ist die Deutung stark verändert und gleicht eher derjenigen aus dem Buch von Cicero / Schwartzenberg: Thu nicht über dein Vermögen!

Wol-geschliffener Narren-Spiegel. Worinnen Hundert und vierzehen Arten allerley Narren Ihr Eben-Bild und ungestaltes Wesen ersehen/ und sich von ihrer Unsauberkeit vermittelst des klaren Wassers Wahrer Weißheit reinigen können. durch 115. Merianische saubere Kupfer vorgestellet, und mit scherz- und ernsthaften Reimen heraus gegeben / durch Wahrmund Jocoserius. Freystadt — Nach Vorzeichnungen von Wilhelm Stettler (1643–1708).
> http://digital.wlb-stuttgart.de/purl/kxp1760720968

In zwei verschiedene Richtungen

Der oben dargestellte Wagen (angeschrieben mit Dein wil der geschech) fährt auf den Heiland zu;
der unten dargestellte (in dem Eigner wil angeschrieben ist) auf den Höllenschlund:

Lucas Cranach d. Ä., Holzschnitt (30 × 40,7 cm), 1519
größeres Bild > http://www.zeno.org/nid/2000395983X

Falsch angespannt

Kinderzucht.   
Wer den Zuchtwagen spant hinden an/ Der hat spot vnd schand zum Fuhrlan
[mhd. vuorlôn ≈ Lohn des Fuhrmanns].

Katharina, Hanns Weyglin Formschneiderin – offenbar die Gattin von Hans Weigel d.Ä. (ca. 1520 – ca. 1577) verferigte diesen Holzschnitt, die Verse beruhen auf einem Text von Hans Sachs (1494–1576):
Wer den wagen spant hinten an / Verdint schant and nachrew darfon.
Anno salutis 1568, am 15 tag Sepembris.

hg. A.v.Keller / E. Goetze Band XXIII, Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart CCVII, 1895, S.360f.
> https://archive.org/details/hanssachs22sachgoog/page/n363/mode/2up

(Auf dem Bild ist der Wagen nicht falsch angespannt, sondern wird auf beide Seiten hin gezogen, was dem Text genau genommen widerspricht, indessen die beiden Richtungen der Erziehung gut versinnfälligt.)

Text-Auszüge:

Wo aber Frawen oder Man/
Den Wagen spannen hinden an.
Jr Kinder nicht *ziehen noch lehren/
[vgl. lat. educatio ≈ Er-Ziehung!]
Sonder jr zeit Glottloß verzeren. …
Lassen den Kindern jrn mutwillen/
Jr Thorheit nit straffen noch stillen …
Dann lebens … wie wide Thier/ Wolff/ Sew vnd Hundt .
Hoffertig/ Stoltz/ Brechtig vnd Brenckisch/
Widerbellendt/ hadrisch vnd zenckisch.
In Spilsicht/ Faulkeit/ Schlemerey/
In nachrede Neydt und Hurerey.
Auß diesen senschtling Lastern allen/
Sie in Elend vnd vnglück fallen/
Offt endlich in deß Henckers handt.

[siehe den Beinamputierten und den Galgen]

Der Papst und der Sultan

wollen je in eine andere Richtung: Der auf dem siebenköpfigen Monster reitenden "Hure Babylon" aus der Apokalypse (17,1–18; Bild auf der linken Buchseite; hier nicht wiedergeben) wird ein von scheusslichen Monstern gezogener Triumphwagen zur Seite gestellt, in dem in die eine Richtung der Papst und und in die andere der Sultan lenkt; doch beide scheinen am Rücken zusammengewachsen.

Matthias Gerung (ca. 1500 – 1570)

> http://www.zeno.org/Kunstwerke/A/Gerung,+Matthias

Petra Roettig, Reformation als Apokalypse: Die Holzschnitte von Matthias Gerung im Codex germanicus 6592 der Bayerischen Staatsbibliothek in München/Bern: Lang 1991 (Vestigia Bibliae 11/12) – Hierzu die Bilder 21 a/b und der Text S.205–212.

Der Welt Lauff

CVRRUS CURSUS MUNDI (≈ Der Wagen / das Gespann des Laufs der Welt) (1.Hälfte 17.Jh.):

Das ganze Blatt > http://diglib.hab.de/drucke/ie-51/start.htm
Vgl. > https://online.kunstsammlungen-coburg.de.....pdf

Der deutsche Text unter dem Bild in der rechten Spalte ist dem Bauern in der Mitte des Bilds in den Mund gelegt und besagt u.a.:

Ist keinem wol an seinem Ort/
Der ein wil diß/ der ander daß/
Daher entspringtmgroß Zanck und Haß/
Ein jeder doch wil haben recht.

Der Gemein Mann will diß Wagens müssig gehn.

Früh übt sich …

Julius Wilhelm Zincgref (1591–1635) in seinem Emblembuch:

Qui nunquam sic, nunquam melius (Wer nie so [beginnt, lernt es] nie besser)

Kein Mensch so bald vollkommen ist
Jeder findt noch das ihm gebrist/
Das Kind lernet im Kärchlein gahn/
[Karch: Wagen]
All Ding will seinen anfang han.

Sapientia Picta. Das ist/ Künstliche Sinnreiche Bildnussen und Figuren/ darinnen denckwürdige Sprüch vnd nützliche Lehren […] vorgebildet, Franckfurt: Peter Mareschall 1624. Nr. LXXXII.
> http://diglib.hab.de/drucke/li-6643-2/start.htm

Holzschnitt des Petrarcameisters (1532):

Aus den »Pia desideria« von Hermann Hugo S.J. (1588–1629), Zweites Buch, 3. Kapitel. Die (als kleines Mädchen dargestellte) Seele bittet die (als Engelchen mit Gloriole dargestellte) göttliche Liebe: Erhalt meinen gang auff deinen fußsteigen, daß meine tritt nit schlupferen (Psalm 16)

Himmlische Nachtigall, singend gottseelige Begirden, der büssend- heilig- und verliebten Seel, nach denen drey Weegen der Reinigung, Erleuchtung, und Vereinigung mit Gott. In Hoch-Teutscher Sprach verfaßt/ und mit anmuthigen Kupffern gezieret Durch Johann Christoph Hainzmann, Augsburg: Kroniger u. Göbel 1699.

... mit Mobilitätsbeeinträchtigung ...

Stephan Farffler (1633–1689) inventor eines Wagens … darauf er sich, weil er Lahm war, selbsten herumgefahren:

https://de.wikipedia.org/wiki/Stephan_Farfler

… und auch nach dem Lebensende im Wagen

Herodot beschreibt (Historien IV, 73) dass bei den Skythen Verstorbene auf einen Wagen gelegt wurden und vierzig Tage lang von Freund zu Freund herumgefahren und dann begraben wurden. Dass man ihnen einen Wagen im Grab beigegeben hatte, davon spricht er nicht, dies ist aber durch archäologische Funde belegt.

Die Grabkammer im Kurgan (Hügelgrab) bei Krivoj Rog / Krywyj Rih (Ostukraine) ist als Planwagen inszeniert. Der Wagen ist demontiert – ob man Angst hatte, der Tote kehre als Wiedergänger zurück?

Renate Rolle, Städte auf Rädern. Zur Entwicklung des nomadischen Rollwagens, in: Renate Rolle / Petr P. Toločko / Vjačeslav Ju. Murzin, Gold der Steppe. Archäologie der Ukraine, Neumünster: Wachholtz 1991, S. 85–92.

Triumphzug der Zeit

Petrarca (1304–1374) hat sechs »Triumfi« verfasst: Die Liebe, die Keuschheit, der Tod, der Ruhm, die Zeit, die Ewigkeit defilieren an ihm vorbei. Die Texte wurden immer wieder bildlich umgesetzt, dabei wurden sie allegorisch weiter ausgestattet. (Hingewiesen sei auf die Bilder von Pieter Bruegel d.Ä., Maarten van Heemskerk / Philips Galle oder Georg Pencz, alle aus der Mitte des 16. Jhs.).

Hier triumphiert die gefräßige Zeit (tempus edax rerum): ein geflügelter Greis mit Sanduhr und Sense in den Händen, umstanden von mit Kronen, Mitra, Tiara und Lorbeerkränzen gekrönten Herren. Die Vergänglichkeit wird auch durch den vorüberziehenden Sonnenwagen demonstriert.

Georg Pencz (um 1520/30):

TEMPUS.EDAX.RERUM.TUQS.INVIDIOSA.VETUSTAS. OMNIA.DESTRUITIS.QQC.ERANT.AUT.FVERINT.

Aus Ovid, Metamorphosen XV, 234ff.:

Tempus edax rerum, tuque, invidiosa vetustas,
omnia destruitis vitiataque dentibus aevi
paulatim lenta consumitis omnia morte.

(O du gefräßige Zeit, und du o hass-erregendes Alter! Alles reisst ihr herunter, und wenn euer Zahn es verdorben hat, lasst ihr es allmählich vom langsamen Tode zerstören).

Sechs Triumph Francisci Petrarche/ in welcher man fein kurtzweiliger weiß zu grossem lust erspiegeln kan den gemeinen Lauff/ Stand/ Wesen/ vnd Ende des Menschlichen Lebens […]. Sampt einer nohtwendigen Außlegung vnd Erklerung aller fürnemsten sachen …/ vormals inn Teutsch nie auszgangen. [Übers.] durch Danielem Federman. Neben dazu gehörigen künstlichen Figuren […], Basel: Peter Perna 1578. — (Die Vorlage zum Holzschnitt dürfte von Christoph Murer stammen.)

Man fragt sich, weshalb Hirsche den Wagen ziehen.
Der Text dazu besagt: S. 400: Nun ist wohl wahr/ auch mans verstat/ Daß weltlich Ehr vil hörner hat
[Kommentar dazu S. 421:] das ist/ sovil grosse spitz der hohen digniteten/ welche lange zeit wehren: dann bey den Alten haben die hörner hohe ding bdedeutet/ zu gleicherweiß wie auch dagegen bey jnen das wörtlin Vngehörnet verstanden war/ der von einem hohen grad oder von einem hohen wichtigen thun herab gefallen.

Hinweis: Artikel »Chronos« von Lieselotte Möller in RDK III (1953) hier digital

An Schwager Kronos

Spude dich, Kronos
Fort den rasselnden Trott!
Bergab gleitet der Weg
Ekles Schwindeln zögert
Mir vor die Stirne dein Haudern
Frisch den holpernden
Stock Wurzeln Steine den Trott
Rasch in’s Leben hinein!

Nun schon wieder?
Den eratmenden Schritt
Mühsam Berg hinauf.
Auf denn, nicht träge denn!
Strebend und hoffend an.

Weit hoch herrlich der Blick
Rings ins Leben hinein
Vom Gebürg zum Gebürg
Über der ewige Geist
Ewigen Lebens ahndevoll.

Seitwärts des Überdachs Schatten
Zieht dich an
Und der Frischung verheißende Blick
Auf der Schwelle des Mädchens da.
Labe dich – Mir auch, Mädgen
Diesen schäumenden Trunk
Und den freundlichen Gesundheits Blick!

Ab dann, frischer hinab
Sieh, die Sonne sinkt!
Eh sie sinkt, eh mich faßt
Greisen im Moore Nebelduft,
Entzahnte Kiefer schnattern
Und das schlockernde Gebein.

Trunknen vom letzten Strahl
Reiß mich, ein Feuermeer
Mir im schäumenden Aug,
Mich Geblendeten, Taumelnden,
In der Hölle nächtliches Tor

Töne Schwager dein Horn
Raßle den schallenden Trab
Daß der Orkus vernehme: ein Fürst kommt,
Drunten von ihren Sitzen
Sich die Gewaltigen lüften.

Text nach der handschriftlichen Fassung Goethes 1778, die er dann für den Druck 1789 veränderte. — Schwager war in der Studentensprache als Anrede für den Kutscher oder Postillon aufgekommen (F. Kluge 1895 mit Beleg für 1781). — Kronos (einer der Titanen, gilt auch als Gott der Reise) setzt Goethe ineins mit Chronos (Personifikation der Zeit); eine bereits in der Antike vorkommende Gleichsetzung. — haudern: ›Reisende um Lohn fahren‹ (J. Ch. Adelung 1796); die Wagen der Kutscher haben gerüttelt; Goethe ersetzt das Wort dann durch zaudern ›langsam vorankommen‹. — lüften ›sich erheben‹.

Eine Version des Motivs stammt von Rudolf Baumbach (1840–1905): »Hoch auf dem gelben Wagen…«.

Wagen aufwärts zum Himmel … oder abwärts zur Hölle

Der Wagen wird ausführlich allegorisiert. Er muss aus vortrefflichem Holz verfertigt sein: das ist die milt/ gütig/ groß/ überflüsig/ vnergründt barmhertzigkeit gotes. Ein solcher Wagen bricht nicht und ist allezeit bereit. Die Räder werden auf Tugenden hin ausgelegt. Dann: Der Deichselarm (die teüssell, die fürauß geet): ein starcker fürsatz todtsünd zu vermeiden. Die sieben Pferde haben verschiedene Farben, das gelbe zuvorderst z. B. bedeüt demüetigkeit. Auf der Fahne sind biblische Szenen dargestellt.

Herunter in die Finsternis fährt der Höllenwagen; darauf die Weltkinder, die sich freudig mit leibes lust die Zeit vertreiben. Die unbarmhertzigkait Lucifers steht Pate. Bergab wären nicht so viele Pferde nötig wie bergauf; dennoch muss man viele beschreiben und auslegen: vngedult, fluochen, neidisches hertz usw. usf. – Der Verfasser schreibt, er würde nicht lange genug leben, um alle Laster zu beschreiben, sogar zwanzig Schreiber mit je hundert Büchern Papier kämen damit nicht zugange.

[Hans von Leonrodt] Hymelwagen Auff dem, wer wol lebt vnd wol stirbt, fert in das ewig leben, Hellwagen Auff dem, wer übel lebt vnd übel stirbt, fert in die ewigen verdamnuß, Augspurg: Silvan Otmar 1517. Die Holzschnitte sind signiert von Hans Leonhard Schäuffelein (ca. 1480 – ca. 1540).
> http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00009040/image_1

Der Staatswagen — Wolstand der Eidgnoßschafft

Der Tugend und Kunst liebenden Jugend in Zürich ab der Bürgerlichen Bibliothec verehrt, am Neüen Jahrstag 1683. Conrad Meyer fecit.

Auf dem Wagen sitzt (vermutlich) Helvetia, ein Füllhorn (Cornucopia) im Arm; vor ihr, den Wagen lenkend, Concordia mit dem Liktorenbündel. Begleitpersonen: Prudentia mit Spiegel und Schlange; Justitia mit Waage und Schwert, die Personifikation des Glaubens mit Sonne und Bibel. Auf der Pferdecke das Emblem der Treue mit dem Handschlag.

Aus dem Text unter dem Bild:

O Werthe Eidgnoß=schaft! Daß von so vilen Jahren
Im Fridens=Wagen Du beständig können fahren;

[…]
Die Edle Tugendschar, die beÿ dem Wolergehen
Ein Volk erhaltet, Dir lasß stets zur seiten sehen.
Die hässlich Laster=rott, dar durch wird abgekürzet
Der Wolstand eines Lands; die bleib ins Kaat
[Kot] gestürzet.

Der Staatswagen, schwer zu bremsen

Der konservative Politiker Josef Leu von Ebersol (1800–1845) forderte die Berufung der Jesuiten an die Höhere Lehranstalt von Luzern, was 1844 geschah. Damit zog er den Groll der Liberalen auf sich. Im Winter 1844 zogen erste Freischarenzüge gegen Luzern. Die Auseinandersetzungen kulminierten dann 1847 im Sonderbundskrieg.

Martin Disteli (1802–1844) geisselte als Karikaturist – in einer Zeit vehementer Auseinandersetzungen in der Schweiz seit 1830 – immer wieder Personen des konservativen, aristokratischen Regimes. (Das ist indessen nur ein Aspekt seines umfangreichen Werks.) Von 1839 bis zu seinem Lebensende ist er Herausgeber des Schweizerischen Bilderkalenders, den er mit Bildern ausstattet.

Hier zeichnet Disteli den Luzernischen Staatswagen: Darauf prangt die Tiara. (Das Wappen der Jesuiten JHS über demjenigen von Luzern wurde offenbar für diese Ausgabe weggeschnitten.) Im Wagen ein Patrizier der Stadt und ein träger Bürger, eventuell der Buchbinder Alois Hautt. Angespannt ist das bäuerliche Landvolk. Der gut karikierte Josef Leu treibt den Karren mit einem als Peitsche verwendeten Rosenkranz bergab. Liberale Politiker versuchen ihn zu bremsen. – Zeitgenossen mochten in den Gesichtern noch weitere Personen erkannt haben.

Holzschnitt in: Schweizerischer Bilderkalender für das Jahr 1842 von M. Disteli, Solothurn: Jent und Gaßmann [1841], S. 34.

Der Staatswagen im Sumpf

Der liberale Publizist und Politiker Wilhelm Schulz (1797–1860) kam – wegen seiner politischen Haltung verfolgt – 1836 in die Schweiz.

Die Satire »Vom deutschen Michel« beklagt in allegorischer Form die Zersplitterung Deutschlands und den Untertanengeist in den deutschen Kleinstaaten. Martin Disteli hat dafür sechs Karikaturen gezeichnet, die Schulz im Anhang ausführlich witzig erläutert.

Der Kaiser im Wagen des heiligen römisch deutschen Reichs sitzt im Dreck fest. Die Zug-Ochsen stehen am Berg. Der Michel drückt, so gut er kann. Im Sumpf steckt (der Frosch) die deutsche Gelahrtheit, bläst sich auf und schreibt die Geschichte der Befreiung des deutschen Volks …

Die wahrhaftige Geschichte vom deutschen Michel und seinen Schwestern. Nach bisher unbekannten Quellen bearbeitet und durch sechs Bilder von M. Disteli erläutert. Zürich u. Winterthur, Verlag des Literarischen Comptoirs, 1843. – Das dritte Bild

Auch ohne Räder fährt man vergnüglich

Gottfried Keller: »Kleider machen Leute« (1874). (in: Die Leute von Seldwyla)

Strapinski brachte zur Verlobung Brautgeschenke, welche ihn die Hälfte seines zeitlichen Vermögens kosteten; die andere Hälfte verwandte er zu einem Feste, das er seiner Braut geben wollte. Es war eben Fastnachtszeit und bei hellem Himmel ein verspätetes glänzendes Winterwetter. Die Landstraßen boten die prächtigste Schlittenbahn, wie sie nur selten entsteht und sich hält, und Herr von Strapinski veranstaltete darum eine Schlittenfahrt und einen Ball in dem für solche Feste beliebten stattlichen Gasthause, […].

Um diese Zeit geschah es, daß Herr Melchior Böhni in der letzteren Stadt Geschäfte zu besorgen hatte und daher einige Tage vor dem Winterfest in einem leichten Schlitten dahin fuhr, seine beste Cigarre rauchend; und es geschah ferner, daß die Seldwyler auf den gleichen Tag, wie die Goldacher, auch eine Schlittenfahrt verabredeten, nach dem gleichen Orte, und zwar eine kostümirte oder Maskenfahrt.

So fuhr denn der Goldacher Schlittenzug gegen die Mittagsstunde unter Schellenklang, Posthorntönen und Peitschenknall durch die Straßen der Stadt, daß die Sinnbilder der alten Häuser erstaunt herniedersahen, und zum Thore hinaus. Im ersten Schlitten saß Strapinski mit seiner Braut, in einem polnischen Überrock von grünem Sammet, mit Schnüren besetzt und schwer mit Pelz verbrämt und gefüttert.

Nettchen war ganz in weißes Pelzwerk gehüllt; blaue Schleier schützten ihr Gesicht gegen die frische Luft und gegen den Schneeglanz. Der Amtsrat war durch irgend ein plötzliches Ereignis verhindert worden, mitzufahren; doch war es sein Gespann und sein Schlitten, in welchem sie fuhren, ein vergoldetes Frauenbild als Schlittenzierat vor sich, die Fortuna vorstellend; denn die Stadtwohnung des Amtsrates hieß zur Fortuna.

Ihnen folgten fünfzehn bis sechzehn Gefährte mit je einem Herren und einer Dame, alle geputzt und lebensfroh, aber keines der Paare so schön und stattlich, wie das Brautpaar. Die Schlitten trugen, wie die Meerschiffe ihre Galions, immer das Sinnbild des Hauses, dem jeder angehörte, so daß das Volk rief: «Seht, da kommt die Tapferkeit! wie schön ist die Tüchtigkeit! Die Verbesserlichkeit scheint neu lackiert zu sein und die Sparsamkeit frisch vergoldet! […]» So segelte denn das Geschwader im Sonnenscheine dahin und erschien bald auf der weithin schimmernden Höhe, dem Ziele sich nahend.

Text mit Anmerkungen > https://www.gottfriedkeller.ch/Seldwyla/Kleider_Parallel.htm

Prunkschlitten des Herzogs von Württemberg mit Diana als Galionsfigur (ca. 1720).
Bild > https://bawue.museum-digital.de/series/25

Literaturhinweis: Dem Volk zur Schau. Prunkschlitten des Barock. Die Schlittensammlung des Württembergischen Landesmuseums Stuttgart, bearb. von Fritz Fischer, hg. vom Württembergischen Landesmuseum Stuttgart, München: Hirmer 1987; 2. Aufl. 2003.

Vgl. auch > https://www.monumente-online.de/de/ausgaben/2012/1/koenigliche-kufen.php

Antikes Wagenrennen (curriculum equorum)

Ältere Besucher:innen dieser Website mögen sich an den Film »Ben Hur« (1959) erinnern, noch ältere waren damals dabei:

Griechische und Römische Alterthümer, welche der berühmte P. Montfaucon ehemals samt den dazu gehörigen Supplementen in zehen Bänden in Folio, an das Licht gestellet hat ... Auszugsweise ... in Deutscher Sprache herausgegeben […] Nürnberg, in Verlag Georg Lichtenstegers, Kupferstechers 1757. Drittes Buch, Das zweyte Capitel: Von dem Circus oder der Rennbahn. Tab. CI

Anm.: Die beiden dreifachen Spitz-Säulen, um die die Wettfahrer sieben Mal herum-(circum)-fahren mussten, hießen meta, Plural: metae. Symbol für das zwingende ›Umlenken‹?

Modern-archäologisch gesehen, gab es nur zwei Säuen als Wendepunkte, und meta meint griech. ›hinzu‹, also zum Ziel.

Isidor von Sevilla (um 570–636) hat einen Teil des Buchs XVIII seiner »Etymologiae« den Spielen gewidmet. Die metae bezeichnen für ihn das Ende der Welt oder die auf- und untergehende Sonne. (XVIII, xxxx). Die sieben Umläufe (spatia) bedeuten den Lauf der sieben Planeten (xxxvii).

Ob diesen Zirkusspielen auch eine symbolische Bedeutung beigemessen wurde? Oder war’s nur Divertissement? Juvenal, Satire X,77ff: Das Volk, das einst den Oberbefehl innehatte, ersehnt sich jetzt nur dies: Brot und Spiele (panem et circenses).

Literaturhinweise


• Johann Christian Ginzrot (1764-1831), Die Wägen und Fahrwerke der Griechen und Römer und anderer alten Völker; nebst der Bespannung, Zäumung und Verzierung ihrer Zug- Reit- und Last-Thiere, München: Bey dem Verfasser und in der Buchhandlung J. Lentner 1817 (2 Bände).
> https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ginzrot1817bd1
> https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ginzrot1817bd2

• Gotthold Prausnitz, Der Wagen in der Religion seine Würdigung in der Kunst, Strassburg, Heitz, 1916 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 187).

• Wilhelm Treue (Hg.), Achse, Rad und Wagen, Fünftausend Jahre Kultur- und Technikgeschichte. Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen 1986.

• Stuart Piggott, Wagon, Chariot and Carriage, Symbol and Status in the History of Transport. Thames and Hudson 1992.

• Andres Furger, Kutschen und Schlitten in der Schweiz. Vom Streitwagen zum Stadtcoupé, NZZ Buchverlag 1993.

• J.Halfwassen, Artikel »Seelenwagen« in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, hg. Joachim Ritter / Karlfried Gründer, Basel/Stuttgart: Schwabe 1971ff., Band 9 (1995), Spalten 111–117.

• Jörg Jochen Berns, Die Herkunft des Automobils aus Himmelstrionfo und Höllenmaschine. Berlin: Verlag Klaus Wagenbach, 1996 (Kleine kulturwissenschaftliche Bibliothek, 54.Band).

• Artikel »Auto / Wagen« in: Günter Butzer / Joachim Jacob (Hgg.), Metzler Lexikon literarischer Symbole, Stuttgart: Metzler; dritte Auflage 2021, S. 50f.

• Peter von Matt, Das Kalb vor der Gotthardpost, München: Hanser 2012.

Erstpublikation als »Significatio« Heft 6 (2021); hier erweitert und überarbeitet. PM im Februar 23
Einmal mehr herzlichen Dank an Thomas G. in W. fürs Korrekturlesen und die Übersetzung der lat. Zitate!