Zahlensymbolik

Überblick

folgt

➽  Literaturhinweise zur Zahlensymbolik (unten)

mw = Marc Winter; pm = Paul Michel

Einleitung: Überlegungen zur Zahlenymbolik

pm

Wenn in der Natur vorkommende Dinge (Pflanzen, Tiere, Mineralien usw.) oder einfachen Artefakte (z.B. der Stab) symbolisch gedeutet werden, so weisen deren Eigenschaften auf das Gemeinte hin: Der Diamant beispielsweise lässt sich nicht brechen und bedeutet deshalb die Unbezwingbarkeit.

Die Zahlhaftigkeit kann nun wie andere Qualitäten (Form, Farbe, Etymologie des Namens, u.a.) als eine proprietäre Eigenschaft eines Dings aufgefasst werden. Diese Einsicht ist der allegorischen/symbolischen Auslegung als Gedankenbrücke dienlich. (Es gibt vier Paradiesflüsse ≈ die Vierzahl kommt auch bei den Tugenden vor ≈ also bedeuten die Flüsse die Tugenden.)

Die Betrachtung der Zahl ist abgesehen davon, dass sie als symbolische Brücke dient, für andere Überlegungen brauchbar:

• Die Zahlhaftigkeit kommt allein schon dem Bedürfnis entgegen, ein Kontinuum zu strukturieren. Wir Menschen mögen Amorphes, Ungegliedertes nicht; vor Ungestaltetem empfinden wir leicht Ekel. (Vielleicht ist das ein Grund für die Abneigung vor Würmern und Schlangen.) Kann man das Jahr in 4 Saisons oder das Leben in 6 Altersphasen oder den mystischen Aufstieg in 7 Stufen einteilen, so ist das befriedigend; eine Erklärung, warum diese Gliederung so ist, lässt sich dann schon finden.

• Mittels Zahlensymbolik möchte man herausfinden, warum ein Ding gerade in Gestalt dieser Zahl strukturiert ist und nicht anders.

Zur Funktionsweise der Symbolik:

(a) Die Zahlensymbolik basiert auf einem zahlhaltigen Ding / Ereignis / Mythos usw.:

• Bezüge zur natürlichen Welt: Die (zwei mal) 5 Finger der Hand – Etwas ausgeklügelter: Unter den 613 religiösen Regeln des Judentums (mizwot) gibt es 248 Gebote, gleich der Anzahl der Glieder des menschlichen Körpers (bab.Talmud: Makkot 23b).

• Bezüge zum kulturellen Erbe: Dass Jesus in seinem dreiunddreißigsten Jahr gekreuzigt wurde, macht die Zahl 33 besonders würdig, deshalb die je 33 Gesänge von Dantes »Divina Commedia«.

(b) Den Zahlen selbst wird eine Symbolik zugeschrieben. Es gibt verschiedene Typen.

• Interessante mathematische Eigenschaften wie z.B. die: alle Zahlen bis 17 addiert bwz. die Summe der dritten Potenzen von 1, 5 und 3 ergeben die Zahl 153 (sog. Dreieckszahl, die die Fülle bedeutet; dabei steht dann zehn für die Gebote und sieben für die Gaben des hl. Geistes). Petrus hat 153 Fische aus dem See von Tiberias im Netz, siehe Johannesevangelium 21,11.

• Deutung aus der Schreibweise der Ziffern (Gematrie, Isopsephie): Im Hebräischen und Griechischen werden die Ziffern mit Buchstaben wiedergegeben. Wenn in einem Text eine bedeutungsschwangere Zahl genannt wird, wie z.B. die Zahl des Tiers – es ist die Zahl eines Menschennamens (Apokalypse 13,18) mit 666, so ruft dies Deutungen hervor: Wer ist mit dieser Zahl gemeint? > https://de.wikipedia.org/wiki/Sechshundertsechsundsechzig

(c) Es gibt auch konstruierte Zahlensymboliken, die an etablierte anknüpfen, wenn z.B. die 11 als Übertretung der Zehnzahl (10 Gebote) gedeutet wird. Vgl. Schiller, »Die Piccolomini« (II, 1):

Seni ([der Astrolog] zählt die Stühle).
Elf! Eine böse Zahl. Zwölf Stühle setzt,
Zwölf Zeichen hat der Tierkreis, fünf und sieben;
Die heil’gen Zahlen liegen in der Zwölfe.

Zweiter Bedienter: Was habt ihr gegen Elf! Das lasst mich wissen.
Seni: Elf ist die Sünde. Elfe überschreitet die zehn Gebote.

Freilich wird mit der Zahlensymbolik viel Schabernack getrieben. Wenn beispielsweise ein Weinhändler behauptet, dass die Sieben als heilige Zahl der Grund sei, warum er seine Weine nicht in Literflaschen verkaufe, sondern in solchen, die 7 Deziliter enthalten.

mw

Die Menschen aller Erdteile zählen! Und damit haben Kulturen überall auf der Welt die Zahlen entdeckt. Diese zunächst reinen Abstrakta werden in einem weitergehenden Sinn interpretiert, indem sie symbolisch aufgeladen werden. Hierfür bieten sich zahlreiche Möglichkeiten wie Makro-Mikro-Vergleiche (zur Zahl 2: Sonne und Mond am Himmel, Mann und Frau in der menschlichen Welt), Zahlen die mit menschlichen Körpereigenschaften übereinstimmen (zur 20: Menschen haben 10 Finger und zehn Zehen, weshalb der Inkakalender auf der Zahl 20 aufbaut). Dergestalt sind praktisch alle Zahlen von 1 bis 10 kulturübergreifend symbolisch aufgeladen.

Aber es gibt auch andere symbolische Verwendungen für Zahlen, etwa die Homophonie, die in der chinesischen Volksreligion eine grosse Rolle spielen, wo die Homophonie zwischen «Tod» und «vier» als Grund anzusehen ist, weshalb es in chinesischen Krankenhäusern kein viertes Stockwerk gibt.

Höheren Zahlen wird gerne eine symbolische Bedeutung zugewiesen, indem sie eine Vollständigkeit suggerieren (die Tausend im Westen, die 108 im Buddhismus und Hinduismus). Andere dienen als Anspielung auf markante Beispiele aus der Literatur, wie etwa die 153 (vgl. Johannesevangelium 21.11), die erneut bei Hieronymus verwendet wird, der erwähnt, dass griechische Zoologen die Zahl aller Fischarten mit 153 angäben.

Schliesslich gibt es auch Zahlen oder Zahlenkombinationen, welche als mathematische Besonderheiten in Form von arithmetischen Beziehungen einen symbolischen Wert zugeschrieben erhalten. Als Beispiel dienen Zahlenpaare, die man als «befreundete Zahlen» bezeichnet. Freundschaftsbeziehungen zwischen Zahlen gelten etwa, wenn bei der einen Zahl die Summe der echten Teiler der anderen Zahl ist. Das kleinste Paar befreundeter Zahlen ist 220 und 284. Das sind (a) solche, deren echte Teiler zusammengezählt wechselseitig die andere Zahl ergibt, also die Summe der Teiler von 220: 1+2+4+5+10+11+20+22+44+55+110 = 284; und entsprechend die Summe der Teiler von 284: 1+2+4+71+142 = 220.)

Oder (b) wenn Zahlenpaare zusammen addiert eine Summe ergeben, die durch 10 teilbar ist (Bsp: 6232, 6368 = 12.600). Leonard Euler publizierte 1747 dreissig befreundete Zahlenpaare in seinem Werk De numeris amicabilibus.

Grundlagen der chinesischen Zahlensymbolik

mw

Eins ist der Mann, zwei ist die Frau, vier ist der Tod. Im chinesischen Kulturraum sind Zahlen symbolisch anders konnotiert als im Westen. Manche Zahlen erlangen ihre symbolische Bedeutung aufgrund von Homophonien (wie «Tod» und «vier»), andere weil sie bedeutend scheinende Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt aufzeigen (die «Fünf Elemente» und die «Fünf Inneren Organe»). Auch die Anzahl der Konfuziusschüler (72) oder die Perlen an einer buddhistischen Gebetskette (108) sind nicht zufällig gewählt, sondern symbolisch bedeutend. Der mythische Urherrscher Yu teilte das Land erstmals in neun «Provinzen» ein. Passend dazu ist die neun die Zahl der Erde. Zahlen werden auch in Klassen eingeteilt, so sind die ungeraden Zahlen «yang» und die geraden «yin». Gerade in der naturreligiösen chinesischen Antike werden Zahlen für korrelative Beziehungen verwendet, um Dingen eine spezielle Bedeutung zu geben.

Bild 1: Die als «Fluss-Karte» und «Luo-Buch» bekannten magischen Quadrate werden als Beobachtung auf mythischen Tieren begründet. Das Bild zeigt die magischen Quadrate mitsamt der mythischen Tiere.

Bild 2: Die Acht Trigramm, die als Grundbausteine des Buchs der Wandlungen (Yijing) eine grosse Bedeutung haben und ihre jeweiligen Zuschreibungen wie Wetterphänomene, Phasen des menschlichen Lebens oder die vier Gebietstiere für die vier Himmelsrichtungen.

Bild 3: Korrelationen zwischen Fünf Wandlungsphasen und dem menschlichen Körper. Die Fünf Wandlungsphasen (oder «Fünf Elemente») entstehen als Folge des dualistischen yin-yang. An alle fünf Elemente sind korrelative Ketten angehängt wie die menschlichen Sinnesorgane oder die Himmelsrichtungen. Absicht der Graphik ist es, die Beziehungen zwischen kosmischen Phänomenen (Makro-Ebene) und dem menschlichen Körper (Mikro-Ebene) zu verdeutlichen.

Vier

Vgl. die Zusammenstellung hier (in neuem Fenster)

Fünf

Die Zahl der Finger – das ist geschenkt; es gibt eine interessantere Symbolik der Fünfzahl: quinque gradus amoris (≈ 5 Schritte beim Herannahen in der Liebe):

Visus et alloquium, contactus et oscula, factum, sicut se praecedunt ordine, ita ex necessitate doloris inferunt partum. (Das lassen wir sicherheitshalber mal unübersetzt...) Alles solle man ordentlich der Reihe nach tun, formuliert Johannes von Salisbury (Lib. VI, Cap. 23) Ioannis Sareberiensis »Policraticus« sive »de nugis curialium et vestigiis philosophorum«, ed. Clemens Webb, London 1909.

Visu, colloquio,
    contactu, basio
frui virgo dederat;
         sed aberat
linea posterior
         et melior
                  amori.
quam nisi transiero,
         de cetero
sunt, que dantur alia,
         materia
                 furori.

Ein Lächeln und ein Gruß:
ein Streicheln und ein Kuss,
solches war erlaubt bei ihr;
doch fehlte mir
jenes allerbeste Teil:
das höchste Heil
der Liebe.
Dass man mich nicht missversteht,
worum es geht:
ich vermiss die Quintessenz
vom Liebeslenz
der Liebe.

Carmen Buranum 72; 2a, Übersetzung von Carl Fischer, Artemis-Verlag 1974.


[.... Amor] Mittit pentagonas      nervo stridente sagittas,
Quod sunt quinque modi,       quibus associamur amori:
Visus; colloquium; tactus;       compar labiorum
Nectaris alterni permixtio,       commoda fini;
In lecto quintum       tacite Venus exprimit actum.

Albern und flüchtig schießt Amor unbedacht Pfeile von seiner sengenden Sehne, die bis aufs Blut verletzen: fünfzackig sind ihre Spitzen,
so wie es fünf Schritte gibt, in denen die Liebe uns vereint:
der Blick; das Gespräch; die Berührung; Verbindung der Lippen –
dieser Mischtrank, ein zweiter Nektar, ist wichtig für das Höchste;
im Bett bringt Venus verschwiegen dies als Fünftes hervor: den Akt.

Carmen Buranum 154, Übersetzung von Matthias Hackemann, Carmina Burana, Köln: Anaconda 2017.

Volo tantum ludere,
     id est: contemplari,
presens loqui, tangere,
     tandem osculari;
quintum, quod est agere,
     noli suspicari!
Bei ihr sein will ich allein,
Blicke auf sie wenden,
mit ihr sprechen zärtlich sein,
süße Küsse spenden;
doch das Fünfte: nein, nein,
so solls nicht enden.

Carmen Buranum 88,9; übers. C.Fischer

Noch etwas Keusches: Die Dame bei Walther von der Vogelweide (86,28) sagt zu ihrem drängenden Liebhaber: sî niht wan [nur] min rede-geselle! D.h.: bleiben wir bei der zweiten Stufe: alloquium!

Heinrich Kornmann [1579–1628], Linea amoris sive Commentarius in versiculum glossae, visus, colloquium, convictus, oscula, … 1654.

K. Helm, Quinque lineae amoris, in: Germ.-Rom. Monatssschrift 29 (1941), S. 236–247.

Lionel Friedman, Gradus amoris, in: Romance Philology Vol. 19, No. 2, (November, 1965), pp. 167-177

F.R.P. Akehurst, Les étapes de l'amour chez Bernard de Ventadour, in: Cahiers de Civilisation Médiévale Année 1973, pp. 133-147 https://www.persee.fr/doc/ccmed_0007-9731_1973_num_16_62_1945

Gaia Gubbini, Tactus, Osculum, Factum. Il Senso Del Tatto E Il Desiserio Nella Lirica Trobadorica, Roma: Edizioni Nuova Cultura, 2009.

Sieben

7 Schöpfungstage

7 Köpfe des Drachens in der Apokalypse > Siebenköpfige

7 Plagen Ägyptens

7 Hauptlaster > Personifikationen

7 Tugenden

7 Gaben des Heiligen Geistes

7 Arme des Leuchters

7 fette und 7 magere Kühe im Traum des Pharao

7 Söhne Hiobs

7 Bußpsalmen

7 Horen (Stundengebet)

7 Bitten im Vaterunsergebet

7 letzte Worte Jesu am Kreuz

7 Schmerzen Marias

7 apokalyptische Posaunen

7 Siegel am Buch in der Offenbarung

7 Werke der Barmherzigkeit

7 Kammern der Hölle

7 Planeten

7 Wochentage

7 Weltwunder

7 Weise Meister

7 Freie Künste

7 Hügel Roms

und noch viel mehr — was fasziniert an dieser Zahl?

Volker Schupp, Septenar und Bauform. Studien zur "Auslegung des Vaterunsers", zu "De VII Sigillis" und zum "Palästinalied" Walthers von der Vogelweide, Berlin: Erich Schmidt Verlag 1964 (Philologische Studien und Quellen 22).

E. Dinkler-von Schubert, Artikel "Sieben" in: Lexikon der christlichen Ikonographie, Band 4 (1972), Sp. 154–156.

Thomas Noll, Die Zahl Sieben in der christlichen Kunst in: Göttinger Jahrbuch 56, (Goltze Druck 2008), S. 73–113.

Gotthard G. G. Reinhold (Hg.; mit Beitr. von Viktor Golinets), Die Zahl Sieben im alten Orient. Studien zur Zahlensymbolik in der Bibel und ihrer altorientalischen Umwelt, Frankfurt am Main [u.a.]: Lang, 2008.

11

Zahl der Narren

Dietz-Rüdiger Moser, Elf als Zahl der Narren. Zur Funktion der Zahlenallegorese im Fastnachtsbrauch in: Jahrbuch für Volksliedforschung, 27. Jahrg. (1982/1983) = Festschrift fur Lutz Röhrich zum 60. Geburtstag, S. 346–363.

15

In der hebräischen Schrift werden (wie in der griechischen) Zahlen durch die Buchstaben des Alphabets dargestellt.
(Vgl. > https://de.wikipedia.org/wiki/Hebräische_Zahlschrift)

Die Kurzform des biblischen Tetragramms (יהוה) für G'tt: Jh ≈ jod, he, [waw, he]) hat einen numerischen Wert von fünfzehn.

Die Zahl fünfzehn wird indessen nicht in ihrer einfachsten Form ausgeschrieben (jod [10] + he [5] = 15), um den heiligen Namen Adonais nicht zu entweihen.

Stattdessen wird sie geschrieben als tet [9] + waw [6] = 15.

Die Zahl kommt in der Bibel oft vor, vgl. die Konkordanz
> https://www.bibel-online.net

40

Vierzig Tage Dauer-Regen, eine ungeheure Flut:
Das ist der Tribut für der Menschen Übermut! (Gen. 7,4) (mehr dazu hier)

(Lutherbibel Wittemberg 1545)

Vierzig Jahre Reise ins gelobte Land;
doch dort freilich herrscht kein Ruhestand! (Exod. 16,35) (mehr dazu hier)

Vierzig Tage auf dem Berg ist Moses in der Wolke,
bis er die Tafeln vorzeigt seinem Volke. (Exod. 24,18 und 31,18) (mehr dazu hier)

Vierzig Jahre lang ist David König. (2 Sam. 5,4)
Er schonte Goliath nicht wenig. (1 Sam. 17,4ff.) (mehr dazu hier)

Elia fastet ohn’ Gelüste
vierzig Tage in der Wüste. (1 Kön. 19,8) (mehr dazu hier)

Nichts isst der HErr in vierzig Tag- und Nächten,
doch lässt er sich von Satan nicht anfechten. (Luk. 4,2) (mehr dazu hier)

(Decke der Kirche St. Martin in Zillis 1109/1114) )

Die Quadragesima meint: vierzig Tage Fasten;
und dies befreit von vielen Sünden-Lasten. (mehr dazu hier)

Und Sulamit (Cantica 7,1) legt vierzig Büschely ans Herz;
So meditiert sie Jesu Schmerz. (mehr dazu hier)

153

Die Zahl 153 ist eine mathematische Delikatesse; ein sog. "Strudel".

> https://de.wikipedia.org/wiki/Hundertdreiundfünfzig

153 ist die Summe der Kuben ihrer Ziffern: d.h. die 3.Potenzen ihrer einzelnen Ziffern ergibt wieder 153: 1*1*1 + 5*5*5 + 3*3*3 = 1+125+27 = 153. (Wenn man die Zahl mit römischen Ziffern schreibt: C—L—III, geht es auch.)

153 ist eine "Dreieckszahl", d.h. ist die Summe der Summanden von 1 bis 17
(1 + 2 +3 + … + 17 = 153).

Nach der Auferstehung erscheint Jesus den Jüngern, die am See Tiberias fischen, aber nichts gefangen haben. Auf das Geheiß Jesu werfen sie das Netz erneut aus und fangen 153 Fische (Johannes-Evangelium 21,11): »Da ging Simon Petrus und zog das Netz an Land. Es war mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen gefüllt, und obwohl es so viele waren, zerriss das Netz nicht.«

Das Bild von Rubens wurde häufig kopiert; hier das Kupfer von Schelte Adams Bolswert (ca. 1586 – 1659)
> https://www.nga.gov/collection/art-object-page.103795.html

Die Zahl 153 ist bei den Kirchenvätern Anlass vieler Deutungen. Vgl. Heinz Meyer / Rudolf Suntrup, Lexikon der mittelalterlichen Zahlenbedeutungen, (Münstersche Mittelalter-Schriften 56), München: Fink 1987, S. 814ff.

Augustinus (354–430), Vorträge über das Johannes-Evangelium (Tractatus in Iohannis Euangelium), 122. Vortrag, ¶ 8–9 (deutsche Übersetzung in der "Bibliothek der Kirchenväter")

Die Zahl 17 wird ihrerseits zerlegt in 10 (zehn Gebote ≈ das AT Gesetz) und 7 (sieben Gaben des hl. Geistes ≈ NT).

153 = 9 mal 17

Die nach 1113 entstandene romanische Kassettendecke der Kirche St. Martin in Zillis (Graubünden) enthält 9 Felder auf der Schmalseite und 17 Felder auf der Längsseite, also 9 x 17 = 153 Felder. Damit ist die ganze Welt umschrieben. Vgl. Diether Rudloff u.a., Zillis. Die romanische Bilderdecke der Kirche St. Martin, Basel: Heman 1989.

613

613 Mizwot (Plural von mizwa), d.h. Ge- und Verbote enthalte die Torah. So heisst es, seitdem Rabbi Simlaj dies im Talmud (Makkot 23b-24a) gesagt hat: »365 negative Gebote, wie die Tage des Jahres und 248 positive, entsprechend den Gliedern** des Körpers.«

Saʿadja ben Josef (882–942) und Schmuel ben Chofni (gestorben 1034) gehörten zu den ersten, deren Auflistung der 613 Gebote überliefert ist. Maimonides (1135–1204 c.a.) griff dies in seiner Mischneh Torah auf.

Alle 613 aufgelistet von Chajm Guski
> https://www.talmud.de/tlmd/die-ge-und-verbote-nach-maimonides/
Vgl. auch (english) > https://www.jewfaq.org/613.htm

Zur Begründung der Zahl heisst es dann an der zitierten Stelle im Talmud: Das Wort Tora beträgt nämlich sechshundertundelf, und die [zwei] Gebote (Ex. 20,2,3): ich bin, und: du sollst nicht haben, hörten wir aus dem Munde der Allmacht.

** 248 Glieder: Gemeint sind die Knochen des menschlichen Leibes, vgl. Mischna, Trakat Ohalot I 8a: dreissig an der Fußsohle; zehn im Sprunggelenk; zwei im Unterschenkel; … sechs an jedem Finger … achtzehn Wirbel in der Wirbelsäule; …

Die ›Zizes‹ erinnern an diese 613; vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Zizit

Literaturhinweise zur Zahlensymbolik allgemein

Pietro Bongo († 1601), De mystica quaternarii numeri significatione, Bergamo 1583 — Petri Bungi Bergomatis NVMERORUM MYSTERIA, Bergamo 1599.

In der Ausgabe Paris 1618 zur Vierzahl Seiten 193–249 > http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10053307_00295.html

Hieronymus Lauretus O.S.B., SYLVA, seu potius hortus floridus Allegoriarum totius Scaræ Scripturæ. Mysticos ejus senus, … complectens …, Köln 1681; Nachdruck München: Fink 1971. – Appendix: de allegoriis numerorum = pag. 1069–1096.

Franz Dornseiff, Das Alphabet in Mystik und Magie, Leipzig 1922; 2.Aufl. 1925; bes. S.91–118.

Franz Carl Endres, Die Zahl in Mystik und Glauben der Kulturvölker, Zürich: Rascher Verlag 1935 — überarbeitewt als: Franz Carl Endres / Annemarie Schimmel, Das Mysterium der Zahl. Zahlensymbolik im Kulturvergleich, Düsseldorf: Diederichs 1984 (v).

Georges Ifrah, Universalgeschichte der Zahlen, Frankfurt: Campus 1986.

Heinz Meyer / Rudolf Suntrup, Lexikon der mittelalterlichen Zahlenbedeutungen, München: Fink 1987 (Münstersche Mittelalter-Schriften 56), Einleitung S. IX – XLIV.