Kolloquium vom 23. September 2023:
Symbolik des Schiffs
Das Kolloquium fand statt im Theatersaal des "Zentrum Klusplatz" = Asylstrasse 130, 8032 Zürich
Anreise: Ab Hauptbahnhof mit Tramlinie 3 Richtung Klusplatz bis zur Endstation Klusplatz;
Programm:
VORMITTAG:
10:00 Uhr: Mitgliederversammlung (Die wichtigsten Traktanden: Abnahme der Rechnung 2022; Aufnahme neuer Mtiglieder; Programm 2025)
10:30 Uhr: Willemijn de Jong (mehr hier) / Paola von Wyss-Giacosa / Andreas Isler: »Seelenschiffe in Indonesien«
Die Forschung zur Symbolik des Schiffsmotivs im südostasiatischen Kulturraum kennt einen grossen Namen: Alfred Steinmann (1892–1974), Botaniker, Ethnologe und langjähriger Direktor der Völkerkundlichen Sammlung der Universität Zürich. In mehreren Schriften hat Steinmann systematisch bildliche Repräsentationen untersucht, namentlich von Schiffen mit Besatzung, um anhand verwandter Ikonographien Kulturkontakte über weite historische und geographische Räume hinweg nachzuweisen.
Im Vortrag gehen wir Steinmanns Gedanken zu Ursprung und Verbreitung des Schiffs nach. Seine Deutung desselben als Seelen transportierendes Fahrzeug stellen wir anhand einzelner Gewebe aus Südsumatra vor, deren kunstvoll gestaltete Motivik Steinmann wesentlich zu seinen Gedanken anregte.
Auch in heutiger Zeit sind entsprechende Motive in Indonesien lebendig: Auf Flores zeugen ein kleines Bronzeschiff im Kulthaus, ein grosses Schiffsgrab mitten im Dorf und Motive auf Textilien von alten Kulturbezügen, und jährlich soll ein Schiffchen mit Opfergaben an die Ahnen böse Geister und Krankheiten aus dem Dorf Richtung Meer vertreiben. Bestätigen diese Befunde Steinmanns These oder gibt es andere Erklärungen?
11:30 Uhr: Eike Schnall: »Das Schiff als technisches Kollektivsymbol: Von der Arche zum Langen Wurm«
Schiff und Schifffahrt sind in aller Munde – das Schiff ist ein Kollektivsymbol und als solches auch Quelle von zahlreichen Redewendungen und Metaphern. Die latente Gefahr von Seenot und Untergang, die Gemeinschaft an Bord oder auch der Aufbruch zu fernen Ufern sind omnipräsente Realisierungsmöglichkeiten des Potentials, das im Bild des Schiffes liegt. Andere betreffen die Konstruktion selbst, die Technik und Handhabung. Schiffe sind Maschinen, zudem mit die größten, die von Menschenhand konstruiert werden, früher wie heute.
Wir richten den Blick auf die technologischen Aspekte des Symbols Schiff, wie sie in mittelalterlichen Bild- und Schriftquellen begegnen, besonders im Zusammenhang mit Bau- und Konstruktionsberichten. So betrachten wir Noah als Schiffbauer, die Arche als Wissensmaschine und nicht zuletzt auch das berühmteste Wikingerschiff aller Zeiten, den Langen Wurm des Norwegerkönigs Óláfr Tryggvason.
12:30 Uhr: MITTAGSPAUSE (Verpflegung im Zentrum Kluspark)
14:00 Uhr: Fritz Gutbrodt: » Have you a mind to sink?” – Literatur aus dem Schiffswrack«
Ein wichtiger Teil der angloamerikanischen Literatur ist aus Seenot und Schiffbruch entstanden – fiktionales Strandgut sozusagen, aufgeschrieben oder diktiert auf den Inseln der Schiffbrüchigen. Shakespeares The Tempest und Defoes Robinson Crusoe legen davon Zeugnis ab. Dass in diesen Werken die Schiffe nur am Rand vorkommen – am Anfang des drohenden Untergangs und am Schluss der erhofften Rettung – hat literarisch durchaus produktiv gewirkt. Das kann man auch von jenen Schiffen sagen, die von scheinbar übernatürlichen und unmenschlichen Kräften endlos über die Weltmeere getrieben werden – symbolisches Treibgut wie Coleridges The Rime of the Ancient Mariner oder Melvilles Moby Dick. Auf ihrer Reise sind sie entweder mythisch oder gespenstisch geworden. Sie erzählen davon, dass neben dem Schiffbruch auch der Begriff und das Bild des Wracks bedeutsam sind. Für deren Symbolik will der Vortrag ein Segel setzen.
15:00 Uhr: Dieter Bitterli: »Schiffsymbolik in der angewandten Emblematik der Schweiz«
In der Sinnbildkunst des 16. bis 18. Jahrhunderts ist das Schiff allgegenwärtig. Schiffe und Schiffsgerät sind zentrale Motive und symbolische Bedeutungsträger nicht nur in den einst in ganz Europa verbreiteten Emblembüchern, sondern sie begegnen in zahlreichen Spielarten auch in der sogenannten angewandten Emblematik. Gemeint sind damit mehrheitlich gemalte Sinnbilder als Teil von Bildprogrammen oder Dekorationen in profanen und sakralen Räumen der frühen Neuzeit, wie sie sich auch hierzulande vielerorts erhalten haben. Anhand des Schiffs als emblematisches Bild zeigt der Vortrag ausgewählte Beispiele angewandter Sinnbildkunst in der Schweiz (Fresken, Holzdecken, Glasgemälde, Ofenkacheln) und fragt nach der Bedeutung des Motivs im jeweiligen räumlichen und geistigen Kontext.
Vgl. D.B., An Inventory of Applied Emblems in Switzerland
> http://www.emblemata.ch/emblemata.ch/Home.html
16:00 Uhr KAFFEEPAUSE
16:30 Uhr: Rosa Micus: »Das Schiff als Symbol der Kirche«
Das Schiff ist ein bis in früheste Zeiten zurückreichendes Symbol für Errettung und sichere Fahrt über das Meer der Welt und die Untiefen des irdischen Lebens. Was der Antike das Staatsschiff ist der frühen Christenheit das Kirchen-Schiff, bald schon das "richtige" vom Papst gelenkte Kirchen-Schiff in Anlehnung an das Petrusschifflein der biblischen Erzählung. Insbesondere die Stillung des Sturms durch Jesus zieht sich sowohl als Illustration der biblischen Erzählung, wie als Symbol der Errettung durch die Jahrhunderte. Dabei wird das auf stürmischer See bestehende große Segelschiff insbesondere zur Zeit der konfessionellen Polemik intensiv ausgemalt. Die römische Kirche verherrlicht sich selbst als ecclesia militans die nur das eine Ziel der ecclesia triumphans in der Ewigkeit kennt. Sehr viel schlichter ist da das freikirchliche Schifflein der wenigen auserwählten, der Jünger auf dem Fischerboot und schließlich die rettende Arche der reformierten Flüchtlingsgemeinden, die in ihrer Bilderlosigkeit das bloße Schifflein als Symbol sprechen lassen, und wo die von Noah ausgesandte Taube den grünen Zweig des Lebens zurück zur Kirche als dem Versammlungsort der Gemeinde (temple) bringt.
Der ganze Aufsatz hier in einem neuen Fenster.
17:30 Uhr: Nikolaus Henkel: »Brants Narrenschiff«
Der auch international bekannte Basler Jurist Sebastian Brant (1457–1521), Herausgeber juristischer Standardwerke, Verfasser religiöser lateinischer Dichtungen und zeitaktueller Flugblätter bringt 1494 sein »Narrenschiff« heraus. Es erscheint genau zum Beginn der Quadragesima, der 40-tägigen vorösterlichen Fasten- und Bußzeit, und ruft den Menschen zur Erkenntnis seiner Fehlerhaftigkeit und zur Umkehr auf. Instrument der belehrenden Botschaft sind über 100 Narrenfiguren, an denen exemplarisch menschliches Fehlverhalten aufgezeigt und zur Selbsterkenntnis aufgerufen wird. Die darstellenden Mittel sind einerseits die in Motto und Darstellung gegliederten Verse Brants, denen ein den jeweiligen Narren und sein Handeln darstellender Holzschnitt zugeordnet ist, konzipiert von Brant, ausgeführt großenteils von dem jungen Dürer. Über eine lateinische Version, die »Stultifera navis« (Fastnacht 1497) und darauf gründende Übersetzungen, u.a. ins Französische, Englische, Niederländische, erreicht Brants Botschaft große Teile des westlichen Europa.
An ausgewählten Beispielen sollen die von Brant gewählte Figur des Schiffs sowie die eingesetzten Komponenten der Didaxe in Text und Bild vorgestellt werden.
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Anregungen
(zusammengestellt von Paul Michel, mit Dank für viele Hinweise)
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Mit schwetzen ist es nicht gethan …
Gubernando, non loquendo
Durch Felsen/ Klippen/ truckne Bänck/
Diß Schiff zu führn/ braucht Künst vnd Ränck/
Mit schwetzen ist es nicht gethan/
Es heischt ein guten Steuermann.
Julius Wilhelm Zincgref: Sapientia Picta. Das ist/ Künstliche Sinnreiche Bildnussen und Figuren/ darinnen denckwürdige Sprüch und nützliche Lehren im Politischen und gemeinen Wesen durch hundert schöne newe Kupfferstück vorgebildet/ entworffen/ und durch teutsche Reymen erkläret werden/ … Franckfurt: Peter Marschall 1624. – Emblem LXC.
> http://diglib.hab.de/drucke/li-6643-2/start.htm
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Zweierlei ›Glück‹
Francesco Petrarca (1304–1374) verfasste ein Buch »De remediis utriusque fortunae«. Im ersten Teil weist die personifizierte Vernunft der ›Freude‹ nach, dass alles, was den Menschen glücklich zu machen scheint, eitel ist. Im zweiten Teil führt die Vernunft Trostgründe gegen das vermeintliche Übel an.
Die Freude jubelt hier, sie sei in grossem glück geporn. Die Vernunft weist darauf hin, dass das keine Sicherheit für das Leben biete.
Franciscus Petrarcha. Von der Artzney bayder Glück/ des guoten vnd widerwertigen. Vnnd weß sich ain yeder inn Gelück vnd vnglück halten sol. Auß dem Lateinischen in das Teütsch gezogen. Mit künstlichen fyguren durchauß/ gantz lustig vnd schön gezyeret. Mit Künigklicher May. Gnad vnd Priuilegio. Gedruckt zuo Augspurg durch Heynrich Steyner. M.D.XXXII.; Kapitel I,17
Die Schiffleute nennen das Ungewitter ein Fortun (haud improprie tempestatem fortunam vocant nautę; das scheint im MIttelalter üblich gewesen zu sein; Petrarca spielt mit dem Doppelsinn des Worts: fortuna prospera / adversa.) – Aber ein grösseres weter bedarff grosser radtschleg/ und stercke/ du hast nit ein materi der freüden/ sondern der sorgen. – Die Gebäude am Ufer zerbersten und der Mast des Schiffs ist schon gebrochen. – Der in Gedanken versunkene Stoiker am Bug des Schiffes (rechts im Bild) lässt sich indessen in seinem Gleichmut nicht vom Toben des Sturms beirren.
Zur technikgeschichtlichen Dimension vgl. H. Stettner, Schiffe, in Holz geschnitten: Maritime Buchillustrationen zu Maximilians "Weißkunig", seinem "Teuerdank" und zu Petrarcas "Trostspiegel" .... Deutsches Schiffahrtsarchiv 20 (1997), S. 49–78.
>
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-54172-8
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Selber lenken
Gabriel Rollenhagen / Crispin de Passe, Nucleus Emblematum, Arnheim/Utrecht 1611/1615.
Unter dem Titel: Sinn-Bilder, (Bibliophile Taschenbücher 378), hg. und übersetzt von Carsten-Peter Warncke, Dortmund 1983.
I,37: Dum clavum rectum teneam navemque gubernem,
Vni commitam caetera cuncta Deo.
(Solange ich das Steuer gerade halte und das Schiff lenke, kann ich alles übrige dem einen Gott überlassen.)
> http://diglib.hab.de/drucke/21-2-eth-1/start.htm?image=00080
Das Zusammenwirken des tatkräftigen Handelns und Gottvertrauens wird dargestellt durch den König am Steuerruder und das vom Wind gefüllte Segel.
In Emblem I,13 (Mit Ruder und günstigen Winden navigiere ich glücklich …) ist der Wind besser als göttliche Kraft dargestellt. Der Mann im Boot rudert nicht, sondern setzt, wie üblich bei Booten mit zusätzlichem Segel, das Ruder als Steuer ein. (Das Steuer am Heck ist einFehler der Darstellung.)
> http://diglib.hab.de/drucke/21-2-eth-1/start.htm?image=00032
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Tyche steuert bei der Seefahrt des Lebens — oder steht den Wagemutigen bei
Leben ist Fahrt auf dem Meer. Rings lauern Gefahren, und oftmals
schlägt uns ein Sturmwind in ihm schlimmer als Schiffbruch zur See.
Herrisch am Steuer des Lebens sitzt Tyche, die Göttin; wir aber
segeln ins Blaue hinein wie auf den Wogen des Meers.
Mancher fährt glücklich, den andern verschlägt's, doch laufen wir alle
unter der Erde zuletzt ein in den nämlichen Port.
Anthologia Graeca X,65 (übersetzt von Hermann Beckby)
Tyche ist die Göttin des Schicksals, des Zufalls; ihr entspricht in der römischen Mytologie Fortuna.
Anderer Meinung ist Paris Gille O.S.B. (1622–1701). Er zitiert den Vers aus Vergils Aeneis (X, 284): Audentes Fortuna juvat ≈ Den Wagemutigen steht Fortuna bei. <dort die Nebenform audentis>.
Novum Tres Inter Deas Junonem, Venerem Et Palladem Paridis Judicium In Quo Denuo Expositum Pomum Posthabitis Cæteris, Soli Decernitur Optimæ, Emblematicè sub oculos datum per R.P. Paridem Gille, Salisburgi: Mayr 1694.
>
http://diglib.hab.de/drucke/xb-4f-386/start.htm
Fortuna hier – wie in der Emblematik häufig – mit wehendem Segel und wie Occasio fronte capillata et post calva, Vgl. den Artikel von Sibylle Appuhn-Radtke, »Fortuna«, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. X (2005), Sp. 271–401.
> https://www.rdklabor.de/w/?oldid=105363
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Die Hoffnung
Da Schiff ist Symbol für die Hoffnung (lat. spes), hier auf dem Holzschnitt von Heinrich Vogtherr d.Ä. (1490–1556), Gedruckt 1545 von Rudolph Wissenbach in Zürich:
Durch diß figur wirst du geleert/
Das vns die hoffnung all erneert.
Die Personifikation der Hoffnung hält einen Anker in der rechten Hand.
Das Bild mitsamt dem Text hier > http://www.zeno.org/nid/20004356373
Pieter Brueghel d.Ä. (um 1525/1530 bis 1569) hatte das in der Reihe der Sieben Tugenden breit ausgeführt:
> https://bruegel.vlaamsekunstcollectie.be/en/artwork/spes-hope
> https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Brueghel_-_Sieben_Tugenden_-_Spes.jpg
> https://nat.museum-digital.de/singleimage?resourcenr=1069754
Die Personifikation steht in der Tradtion der »Iconologia« von Cesare Ripa bei Christian Sambach (1761–1797) del. / Jos. Stöber (1768–1852) sc., Iconologie oder Ideen aus dem Gebiete der Leidenschaften und Allegorien. Wien: Anton Doll 1801:
Das Zutrauen … ist jene Kühnheit, die an die Verwegenheit grenzt, und die man in einer augenscheinlichen Gefahr anwendet, weil die Hoffnung glücklich davon zu kommen sie unterstützt. Sie wird mitten im Meere auf einer Steinklippe ruhig sitzend abgebildet, und hält ein Schiff hoch in ihren Händen. Die Idee dieses Bildes ist aus einigen Versen des Horaz* entlehnet, wo er das verwegene Zutrauen dessen, der es zuerst wagte, der Unbeständigkeit der treulosen Fluten des Meeres in einem gebrechlichen Schiff sich anzuvertrauen, schildert.
*) gemeint ist Ode I,3. An das Schiff, das Vergil nach Athen bringen soll: navis … reddas incolumem precor ≈ Schiff, gib ihn, ich flehe, wohlauf zurück! Dann folgt eine Tadelung der tollkühnen Seefahrt und der menschlichen Hybris generell.
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Die Ruderer fahren mit dem Rücken in Richtung Ziel
Christian Scriver (1629–1693):
Gotthold sah etliche Schiff-Leute in ein Booth treten/ um über einen schiffreichen Fluß zu setzen/ da denn ihrer zween sich an die Ruder machten und gewohnter Art nach/ den Rücken nach dem Ufer wandten/ da sie hingedachten/ einer aber blieb am Steuer stehen und hatte das Angesicht auff den Ort/ da sie anlanden wollten/ unverwandt gerichtet/ und also schifften sie geschwind dahin. Sehet hie/ sprach er zu denen/ die um ihn waren/ eine gute Erinnerung von unserer Arbeit und Geschäfften. Dis Leben ist ein schneller und gewaltiger Strohm/ der von Zeit zu Zeit in das Meer der Ewigkeit verfleust/ und nicht wieder kehret.
Auff diesem Strohm hat ein jeder das Schifflein seines Beruffs/ welches mit den Rudern fleißiger Arbeit fortgebracht wird. Da sollen wir nun/ wie diese Leute/ den Rücken dem Zukünftigen zuwenden/ und in gutem Vertrauen zu GOtt/ der am Ruder steht und das Schifflein dahin kräfftiglich lencket/ wo es uns nütz und selig ist/ nur fleißig arbeiten und im übrigen unbekümmert seyn. Wir würdens lachen/ wenn wir sehen würden/ diese Leute sich umwenden mit dem Vorgeben/ sie könnten so blinderlings nicht fahren/ sie müßten auch sehen/ wo sie hinkämen: Was ists denn vor eine Thorheit/ daß wir alles Zukünfftige und was vorhanden ist/ mit unsern Sorgen und Gedanken wollen erreichen?
Last uns rudern und arbeiten und beten; GOtt aber lasset steuren/ segnen/ und regieren. Mein GOtt! bleibe ja bey mir in meinem Schifflein/ und lenke es nach deinem Wohlgefallen/ ich will mein Angesicht auf dich wenden/ und nach dem Vermögen/ das du darreichst/ fleißig und getreulich arbeiten/ das übrige wirst du wohl machen.
Gottholds zufälliger Andachten Vier Hundert. Bey Betrachtung mancherley Dinge der Kunst und Natur / in unterschiedenen Veranlassungen zur Ehre Gottes / Besserung des Gemüths / und Ubung der Gottseligkeit geschöpffet / Auffgefasset und entworffen / auch ietzo abermahl übersehen / hin und wieder verbessert / […] ausgefertiget von M. Christian Scriver, Verlegt durch Johann und Friedrich Lüderwald 1683. Das andere Hundert, XI.
In diesem Emblembuch wird die Technik säkular allegorisiert: Sæpe Retrogradus procedit Amor
Emblemata amatoria Georgii Camerarii, Venetiis: Sumpt. P.P. Tozzii; Ex typographia Sarcinea 1627; S. 18/19.
> https://archive.org/details/emblemataamatori00came/page/18/mode/2up
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Pilgerschiff
Das bilgerschiff bin ich genant, Far vom elend ins vatterlant.
Dis büechlin halt inne vier Artickel.
Vom Glauben,
Guoten Wercken,
Fürbitt der heyligen und
Wie man seliglich sterben sol.
Item wie man die kind wol ziehen sol.
Verlagsort, Erscheinungsjahr und Verlag sind nicht genannt. Der Frosch auf dem Stundenglas des Todes sowie auf dem Bild zuhinterst im Buch die Initialen C • F sowie Z C H in Banderolen weisen auf Ch.Froschauer in Zürich hin.
Jesus (mit Nimbus) schläft im Schiff wie im Markus-Evangelium 4,35–40 (und Parallelen); er braucht nur ein Wort zu sprechen, um das Meer zu beruhigen; darauf können die Schifffahrenden vertrauen.
Hübsch ist der nach oben (!) zu Gott-Vater hin ausgerichtete Anker CONFIDENTIA an drei Seilen: Glaube, Liebe, Hoffnung.
> http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb11227142-5
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Narrenschiffe
Sebastian Brant (1458–1521), Das Narren schyff, Gedruckt zů Basel vff die Vasenaht/ die man der narren kirchwich nennet/ 1494. Jo. B. von Olpe
Das Schiff hat weder Mast noch Steuerruder (das Loch für die Ruderpinne ist leer) – so kann es keine Richtung einschlagen und mithin kein Ziel erreichen. Es ist der gemeinsame Aufenthaltsort der verschiedenen Narren; und das steuerlose Herumfahren symbolisiert das weltliche Treiben, das dem Untergang geweiht ist; am deutlichsten in Kapitel 108:
Ir gesellen / kumen har noch ze hant
Wir faren jnn schluraffen landt
Vnd gstecken doch jm muor / vnd sandt […]
Wir faren vmb durch alle landt […]
All port durch suochen wir /
vnd gstad
Wir faren vmb mit grossem schad
Vnd künnent doch nit treffen wol
Den staden do man lenden sol
Vnser vmbfaren ist on end
Dann keyner weiß / wo er zuo lend […]
Wir suochen gwynn jn dieffen muor [Morast]
Des würt vns bald eyn bœse ruor [Aufregung]
Dann vns bricht mastboum / sægel / schnuor /
Vnd künnn doch jm mer nit schwymmen
Die wællen sint bœß vff zuo klymmen
Wann eyner wænt er sitz gar hoch
So stossent sye jn zuo boden doch
Der wyndt der tribt sie vff / vnd nyder
Das narren schiff kumbt nym har wider
Wann es recht vnder gangen ist […]
Auf der Titelblattrückseite steht unter demselben Holzschnitt:
<Hi sunt> Qui descendunt mare in navibus, facientes operationem in aquis multis, […] Ascendunt usque ad caelos, et descendunt usque ad abyssos; anima eorum in malis tabescebat. Turbati sunt et moti sunt sicut ebrius; et omnis sapientia eorum devorata est. (Psalm [Vg.] 106,23ff.)
<Hier sind die, die> auf dem Meer in Schiffen herumziehen, in vielen Wassern Verrichtungen ausüben; sie steigen bis zum Himmel empor und sinken hinunter zu den Abgründen; ihre Seele schwindet in Gefahren dahin. Sie sind verwirrt und unruhig wie ein Betrunkener; und alle ihre Weisheit ist vertan.
Texte bequem hier > http://www.hs-augsburg.de/~harsch/germanica/.....html
➔ Nikolaus Henkel, Sebastian Brant. Studien und Materialien zu einer Archäologie des Wissens um 1500. Verlag Schwabe 2021. — Darin das 10. Kapitel zum Narrenschiff.
Eine Variante: Jodocus Badius Ascensius (1462–1535):
Stultorum sensuum nauis in exitium tendens (≈ Das Schiff der närrischen Meinungen tendiert zum Untergang.)
Stultiferae naves sensus animosque trahentes mortis in exitium [Paris]: Thielman Kerver für Enguilbert [Jean und Geoffrey] de Marnef, 1500.
> https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb00070312?page=1
Der Illustrator hat einem Narren ein Ruder in die Hand gegeben und das Schiff mit einem Anker ausgestattet und damit die Pointe bei Sebastian Brant verdorben. – Als besonders närrische Exemplare sind Adam und Eva (mit der teuflischen Schlange auf dem [Mast-]Baum) Passagiere.
➔ Johannes Hartau, Narrenschiffe um 1500. Zu einer Allegorie des Müßiggangs: in: Sebastian Brant. Forschungsbeiträge zu seinem Leben, zum »Narrenschiff« und zum übrigen Werk / hrsg. von Thomas Wilhelmi, Basel: Schwabe, 2002, S.125ff.
Ein Gegenentwurf zum »Narrenschiff«
»Johannes Ecks 1512 erschienenes Schiff des Heils präsentiert den Lebensweg des Menschen als eine geistige Pilgerfahrt ins himmlische Jerusalem. Der Text basiert auf Johannes Geilers von Kaysersberg Predigtzyklus Navicula penitentie (Straßburg: Matthias Schürer 1510), der einen Gegenentwurf zur Konzeption von Sebastian Brants Narrenschiff bietet, dem der Straßburger Prediger Geiler v. K. ebenfalls eine Predigtreihe widmete (1498/99). Ecks ›Kurzfassung‹ des von Geiler vorgelegten Entwurfs wird durch die Beigabe von 13 Holzschnitten als intermediales Gefüge inszeniert, das die begrenzte Lebenszeit des Menschen mit der Prospektive auf die Ewigkeit verschränkt und unterschiedliche Zeitsemantiken unmittelbar ausstellt.« (aus der Zusammenfassung von Julia Frick).
Das Schiff des Heils auff das aller kürtzest hie uß geleget nach der Figur die Doctor Johannes von Eck gemacht hat zu Ingolstat, Straßburg: Johann Grüninger 1512.
>
https://mdz-nbn-resolving.de/bsb00014719
Julia Frick, Ascendimus Hierosolimam: Mediale Zeitsemantiken in Johannes Ecks Schiff des Heils (1512), in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 93/4 (2019), S. 469–492.
Julia Frick, Vom Marktwert eines Klassikers. ›Navis stultifera‹ (Paris 1505): Eine kommentierte Adaptation von Sebastian Brants ›Narrenschiff‹ durch Josse Bade, in: Sebastian Brant (1457–1521). Europäisches Wissen in der Hand eines Intellektuellen der Frühen Neuzeit, hg. Peter Andersen / Nikolaus Henkel, de Gryuter 2023 (Band 13 der Reihe Kulturtopographie des alemannischen Raums), S. 267–304. > https://doi.org/10.1515/9783111040615
Das Narrenschiff erneut:
Bereits 1506 fuhr ein Narren-Schiff in einem Nürnberger Schembartlauf, eventuell eine Kritik am aufkommenden spekulativen und gefahrvollen Hochseehandel (Bräunlein).
1539 sollte damit der Reformator Andreas Osiander (1496/98 – 1552) verspottet werden:
Quelle > Wikicommons
Weitere Bilder: Stadtbibliothek Nürnberg Nr. K 444. f.II — Univ. of California Library, Coll. 170, Ms. 351 (Image 160) — Stadtarchiv Nürnberg E 13 / Nr. 593 — ...
Osiander unter dem Mast – mit für die Gelehrten damals typischem Barett und bärtig – hält in der einen Hand das (als übel geltende) Spiel ›Tric-Trac‹; in der anderen Hand einen Schlüssel: Der Streit geht um die Auseinandersetzungen bezüglich die Binde- und Lösegewalt des geistlichen Amts. An Bord bewaffnete teuflische Fratzen; unten im Meer eine Sirene. Das Schiff wird geentert von wohlanständig gekleideten Männern.
Osiander beklagte sich beim Nürnberger Rat, und dieser verbot nach dieser Aktion den Schembartlauf.
Mehr dazu hier als PDF zum Download.
Hans-Ulrich Roller, Der Nürnberger Schembartlauf, Tübingen 1965.
Peter J. Bräunlein, Das Schiff als "Hölle" im Schembartlauf des Jahres 1506. Eine Deutung im zeitgeschichtlichen Kontext Nürnbergs, 1994 (mit Überlick über die Forschungslage)
> http://hdl.handle.net/10900/98011 > http://dx.doi.org/10.15496/publikation-39394
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Allegorie des Staats – oder eher einer Liebschaft?
Horaz (65 – 8 v.u.Z.) dichtete folgende Ode (I, 14; hier mit der Übersetzung von Will Richter 1964):
O navis, referent in mare te novi
fluctus. O quid agis? Fortiter occupa
portum. Nonne vides ut
nudum remigio latus,
O Schiff, so werden neue Ströme dich in die Weite des Meeres reißen? Was beginnst du? Kette dich fest an den Hafen. Siehst du denn nicht, wie deine Flanke, von Rudern entblößt,
et malus celeri saucius Africo
antemnaeque gemant ac sine funibus
vix durare carinae
possint imperiosius
wie dein Mast, verletzt vom jagenden Südwind, und deine Rahen ächzen, wie dein unvertäuter Kiel kaum noch die harte Gewalt
aequor? Non tibi sunt integra lintea,
non di, quos iterum pressa voces malo.
Quamvis Pontica pinus,
silvae filia nobilis,
des Meeres erträgt? Heile Segel hast du nicht mehr und keine Götter, die du ein zweites Mal im Drange der Not anzurufen vermöchtest; bist du auch pontisches Fichtenholz, Tochter eines ruhmvollen Waldes,
iactes et genus et nomen inutile:
nil pictis timidus navita puppibus
fidit. Tu, nisi ventis
debes ludibrium, cave.
so schmücktest du dich doch nutzlos mit Herkunft und Namen: in der Angst bietet dem Seemann die Malerei am Heck keinen Schutz. Sollst du kein Spielball der Winde werden, dann sieh dich vor!
Nuper sollicitum quae mihi taedium,
nunc desiderium curaque non levis,
interfusa nitentis
vites aequora Cycladas.
Du Schiff, das vor kurzem mir noch Kummer und Ärger schuf, dem jetzt mein Sehnen und meine ernste Sorge gehört, hüte dich vor den Gewässern, die zwischen den hellen Kykladen strömen!
Andere deutsche Übersetzungen hier:
> Johann Heinrich Voß: https://www.projekt-gutenberg.org/....html
> K.F. Preiß:
https://www.gottwein.de/Lat/hor/horc114.php
> http://lateinoase.de/autoren/horaz/oden....uebersetzung.html
Das Gedicht – das keinerlei Hinweise auf eine allegorische Deutung gibt – wurde bereits von Quintilian (35 – 96) allegorisch auf den Staat bezogen (Institutiones orat. VIII,vi,44):
allegoria, quam inversionem interpretantur, aut aliud verbis aliud sensu ostendit aut etiam interim contrarium. prius fit genus plerumque continuatis translationibus, ut
O navis, referent id mare te novi
fluctus; o quid agis? fortiter occupa
portum,
totusque ille Horatii locus, quo navem pro re publica, fluctus et tempestates pro bellis civilibus, portum pro pace atque concordia dicit.
Die erste Art der Allegorie erfolgt in durchgeführten Metaphern, so etwa --- vgl. Zitat --- und die ganze Stelle bei Horaz, an der er Schiff für Gemeinwesen, Fluten und Stürme für Bürgerkriege, Hafen und Frieden und Eintracht sagt.
Zweifel an dieser allegorischen Auslegung haben u.a. angemeldet:
Otto Seel, Zur Ode 1, 14 des Horaz. Zweifel an einer communis opinio, in: Festschrift Karl Vretska zum 70. Geburtstag, hg. D. Ableitinger / H. Gugel, Heidelberg: Winter 1970, S. 204–249.
A. J. Woodmann, The Craft of Horace in Odes 1. 14, in: Classical Philology, Vol. 75, No. 1 (Jan. 1980), pp. 60-67.
Das besorgte (nuper mihi taedium) lyrische Ich scheint der Gefahr nicht ausgesetzt, nicht an Bord zu sein und warnt das Schiff (o navis … quid agis?) und ermuntert es, den Hafen wieder zu gewinnen: Fortiter occupa portum! Es macht einen Wandel von Ärger zu Sorge (taedium – cura) durch.
Argumente dafür, dass das Gedicht eher eine allegorisch verschlüsselte Botschaft an eine Frau ist, die Horaz vor die Wahl zwischen sich und einem anderen Mann stellt:
• Die Dritte asklepiadeische Strophe verwendet Horaz in den Oden I,5; I,14; I,21; I,23; III,7; III,13 und IV,13. — Wenn zwischen einer Strophenform und dem Inhalt des Texts eine Beziehung besteht: In all diesen Texten kommt nichts Vaterländisches vor. Hingegen in I,23: du gehst mir aus dem Wege, Chloe, wie ein Rehkitz …
• Die Wörter taedium, desiderium, cura gehören zum typischen Wortschatz eines Liebhabers.
• Gibt es semantische Doppeldeutigkeiten, die ein allegorisches Verständnis erlauben?
navis ist ein Femininum, aber muss man deshalb das Schiff als "Tochter" (silvae filia nobilis) bezeichnen?
nudum … latus lässt sich auch verstehn als "der nackte Leib"
saucius bedeutet auch "liebeskrank";
• In der vorausgehenden Ode I,13 – man muss annehmen, das Horaz sein Werk geordnet hinterlassen hat – beschreibt er die gallige Eifersucht gegenüber dem neuen Liebhaber seiner Lydia, die ihn verlassen hat; es sei ein rauher Kerl, der sie vor Brunst misshandle und keine Liebe auf Dauer verspreche.
Man lese das Gedicht I,14 einmal unter dieser Voraussetzung!
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Daphne entschwindet auf einem Schiff
Salomon Gessner (1730–1788):
Die Schiffahrt.
Es flieht, das Schiff, das Daphnen weg
Zu fernem Ufer führt!
Zwar dich umflattre Zephir nur,
Nur Liebesgötter dich!
Ihr Wellen, hüpfet sanft ums Schiff!
Wenn nun ihr süsser Blick
Auf euern sanften Spielen ruht,
Ach, dann denkt sie an mich.
Ins Ufers Schatten singe dir
Jetzt jeder Vogel zu;
Und Schilf und Sträuche winket ihr
Von sanftem Wind bewegt.
Du glatte See bleib immer sanft!
Du trägst das schönste Kind
Das je den Fluten sich vertraut;
Rein, wie der Sonne Bild
Das dort auf deinem Spiegel stralt,
Schön wie die Venus einst
Als sie, aus weissem Schaum hervor,
Auf ihre Muschel stieg.
Die Wassergötter, die sie sahn,
Vergassen da entzückt
Ihr plätschernd Spiel, vergassen da
Die schilfbekränzte Nymph.
Sie sahn der Eifersüchtgen Blick
Und lächelnd Winken nicht;
Die süsse Göttin sahn sie nur,
Bis sie ans Ufer stieg.
Salomon Gessner, Idyllen, hg. von E. Theodor Voss, Stuttgart: Reclam, 1973 (Universal-Bibliothek 9431/9435), S.94. (Zu bedenken ist, dass Daphnes Vater bei Ovid ein Flussgott ist.)
Jak. Chr. Heller, Masken der Naur 2018
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Das Sonnenschiff der Ägypter
Die Sonne – verkörpert in der Gottheit Re – stellte man sich in Ägypten vor auf einer Barke (Gardiner P3 wia), die am Himmel fährt und nachts in der Unterwelt verschwindet, bis sie morgens wieder kommen soll. Die gigantische schlangenförmige Chaosmacht Apophis versucht sie am Hervorkommen zu verhindern, wird indessen von Seth bekämpft:
Richard H. Wilkinson, Reading Egyptian Art, London 1992, p. 152f.
Wenn es einem Toten gelingt, in das Schiff des Sonnengotts einzusteigen, kann er die Schrecken der Todeswelt überwinden. Hier betet ein eben Verstorbener vor dem Schiff, an dessen Bord Re thront.
Totenbuch des Nebseni; aus: Erik Hornung, Das Tal der Könige, Zürich: Artemis 1982.
Im 17. Jh. kennt man die Tradition aus der spätantiken griech. Literatur in etwas anderer Form:
Es bildeten aber die Egyptier die Sonne auch mit einem runden Jünglings-Angesichte/ und setzten sie in ein Schiff/ das von einem Crocodil getragen wurde/ da sie durch das Schiff/ der Sonnen Bewegung in der Feuchte/ durch den Crocodill aber das Regenwasser/ dessen Ursach der Sonne zugeschrieben wird/ andeuten wollen/ worvon sie mit ihren fruchtbaren und heilsamen Strahlen alles/ was schädlich ist/ abscheidet. Dieses schreibet Eusebius. Jamblichus aber/ indem er von der Egyptier Geheimnussen redet/ meldet unter andern/ daß die Egyptier/ wann sie einen Gott in ein Schiff gesetzt/ dardurch gleichsam dessen Steuermann/ und die erste und vornehmste Ursach aller Dinge verstehen wollen/ als welcher dieses gantze Welt-Rund regiere/ und unbeweglich-bleibend/ von oben herab/ die untere/ in gewisser Ordnung an einander hangenden Dinge/ auch durch dieselben diese gantze Welt bewege; eben auf solche Weise als ein Schiffmann durch leichte Bewegung des Steuer-Ruders das gantze Schiff/ wohin er will/ bewegen und lencken kan.
Text von Joachim von Sandrart (1606–1688), ICONOLOGIA DEORUM, Oder Abbildung der Götter/ Welche von den Alten verehret worden: Anno M DC LXXX, S.24. (Übersetzung von Vicenzo Cartari, Imagini delli Dei de gl’antichi, Venedig 1647; Auflagen seit 1571)
Bild aus: Vincentii Chartarii Rhegiensis Neu-eröffneter Götzen-Tempel/ Darinnen Durch erklärte Darstellung deroselben erdichtete Gestalt/ die bey dem Heydnischen Götter-Dienst/ vor alten Zeiten gewöhnliche Verehrung/ Anbettung/ und herrliche Kirchen-Gepräng; Vorgestellet Zu höchst benöthigtem Dienst und augenscheinlichen Vortheil der jenigen/ welche die Geschichte so wol als Gedichte der alten bewehrten Scribenten/ nicht weniger mit Nutzen lesen/ als auch gründlich verstehen wollen. Zum ersten mahl ins Deutsche gegeben mit deß weyland ... geheimbten Raths/ Herrn Pauli Hachembergs, hin und wieder beygetragene gelahrte Vermehrung Und LXXXIIX. Kupffer-Figuren geziehret. Franckfurt: Bourgeat 1692.
Der Film »E la nave va« von Federico Fellini (1983) spielt mit der Symbolik der Seebestattung.
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Noah
Ein vorsintflutliches Schiff baute Noah auf Geheiss Gottes, um alle Lebewesen über die Sündflut zu bringen. Das Material Gofer-Holz und die Technik des Verpichens sowie die Maße, die Konstruktion mit drei Stockwerken und dem Lichteinlass zuoberst werden 1.Mos. (Genesis) 6,14ff. angegeben:
Mach dir einen kasten von Tannen holtz/ und mach kameren darinnen/ und verpich sy mit päch innwendig und außwendig/ und mach sy also.
• Dreyhundert ellen sey die lenge/ fünfftzig ellen die weyte/ und dreyssig ellen die höhe.
• Ein fenster soltu daran machen oben auff/ einer ellen groß.
• Die thür soltu mitten in ir seyten setzen.
• Die Arch aber oder Kasten wirstu in dreü gemach teylen/ in das underst/ dz mittel/ und oberst.
Dann sihe/ ich wil einen wasserguss kommen lassen auff erden/ zuo verderben alles fleisch/ darinn ein läbendiger athem ist under dem himel: alles was auff erden ist/ sol undergon/ aber mit dir wil ich einn pundt auffrichten/ und du solt in den kasten gon mit deinen sünen/ mit deinem weib/ und mit deiner sünen weybern.
Und du solt in den kasten thuon allerley thier von allem fleysch/ ye ein par/ männlin und fröwlin/ das sy läbendig bleybind bey dir. Von den vöglen nach jrer art/ von dem vich nach seiner art/ und von allerley kriechenden thieren auff erden nach seiner art. Von denen allen sol ye ein par zuo dir hineyn gon/ das sy läbendig bleybind. (Zürcher Bibel 1531)
Andere dt. Übersetzungen:
> http://www.zeno.org/nid/20005319811 (Luther 1545)
> https://www.schlachterbibel.de/de/bibel/1_mose/6/
> https://www.bibleserver.com/ELB/1.Mose6 (Elberfelder Bibel)
> http://www.qbible.com/hebrew-old-testament/genesis/6.html#14 (hebräischer Text)
So erbaut Noah die Arche:
[Hartmann Schedel], Liber chronicarum. Buch der Cronicken vnd gedechtnus wirdigern geschihten von anbegyn d werlt bis auf dise vnßere zeit, Nürnberg: Anton Koberger 1493. (Ausschnitt)
> https://www.e-rara.ch/bau_1/content/zoom/20856028
> wikimedia
Kupfer von Melchior Küsell in: Icones Biblicae Veteris et Novi Testamenti. Figuren Biblischer Historien Alten und Neuen Testaments – Proprio aere aeri incisae, et venales expositae a Melchiore Kysel, Augustano. Impressum: Augustae Vind. anno Christiano MDCLXXIX.
Athanasius Kircher (1602–1680) hat der (und allen zoologischen Insaßen!) ein umfangreiches Buch gewidmet. Hier der Einstieg der Tiere:
Athanasii Kircheri è Soc. Jesu Arca Noë: In Tres Libros Digesta, Quorum I. De rebus quae ante Diluvium, II. De iis, quae ipso Diluvio ejusque duratione, III. De iis, quae post Diluvium à Noëmo gesta sunt; Quae omnia novâ Methodo, Nec Non Summa Argumentorum varietate, explicantur, & demonstrantur, Amsterdam 1675.
> http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/kircher1675
Der Gesamtplan der (auf drei ausfaltbaren Folioseiten nach pag. 166):
> https://archive.org/details/athanasiikircher1675kirc/page/n168/mode/1up
Ein genauer Plan der Unterbringung aller Geschöpfe findet sich auch hier:
David Martin (1639–1721), Histoire du Vieux et du Nouveau Testament, Enrichie de plus de quatre cens figures, A Amsterdam: chez Pierre Mortier 1700. (nach p.12)
On a beaucoup de peine à comprendre comment Noé put placer dans l’Arche toutes les espéces des animaux, & toutes les provisons nécessaires pour les faire vivre une année entiere. ...
Das Bild basiert auf der Darstellung von Wilhelmus Goeree (1690).
Was geschah, als die fertiggestellt und bestiegen war, wissen wir, vgl. das Datum in der Randglosse:
Kupfer nach einer Zeichnung von Jan Luyken(?) in: Historiae celebriores Veteris (et Novi) Testamenti iconibus repraesentatae et ad excitandas bonas meditationes selectis Epigrammatibus exornatae, Nürnberg: Chr. Weigel 1712. (Ausschnitt)
Arche und Sintflut sind eine Geschichts-Tatsache und eine Allegorie zugleich: Es darf niemand glauben, […] man habe es hier lediglich mit geschichtlichen Tatsachen ohne jede allegorische Bedeutung zu tun, oder umgekehrt, dies habe sich überhaupt nicht zugetragen, sondern es handle sich nur um Redefiguren […]. Augustinus (354–430) zum Thema in Civitas Dei XV, 27
Hugo von St. Viktor (um 1097 – 1141) hat dies ausführlichst allegorisch ausgelegt in seinem Traktat »De arca Noe mystica«:
1125 / 1130. Shown as it might have appeared if constructed at the convent of Hohenbourg during the abbacy of Abbess Herrad in the late twelfth century. —
Erklärt in C.Rudolph, Fig. 10.
> https://commons.wikimedia.org/wiki/File:The_Mystic_Ark.jpg
Patrologia Latina, tom. CLXXVI, 681–704.
Hugh of Saint-Victor: Selected spiritual writings, translated by a religious of C.S.M.V.; with an introduction by Aelred Squire, London: Faber 1962 [contains a translation of the first four books of De arca Noe morali].
Hugonis de Sancto Victore, De archa noe, Libellus de formatione , cura et studio Patricii Sicard (Corpvs Christianorvm / Continuatio mediaeualis 176) Turnout: Brepols 2001.
Conrad Rudolph, The Mystic Ark: Hugh of Saint Victor, Art, and Thought in the Twelfth Century, Cambridge University Press 2014.
Translation with Commentary > pp. 379–502
Diagrams > https://mysticark.ucr.edu/the-illustrations/mystic-ark-diagrams/
Friedrich von Logau (1605–1655) »Sinngedichte« (1654), Des ersten Tausend sechstes Hundert
15. Die Welt/ und der Kasten Noah.
Deß Noah Wunder-Schiff ist ähnlich unsre Welt,
Weil mehr sie wilde Thier/ als Menschen/ in sich hält.
Von Abraham a Sancta Clara stammt vermutlich dieses Emblembuch, in dem die Arche auf Maria bezogen wird, die – im Gegensatz zu den Gerechten in der biblischen Arche-Erzählung – eine Zuflucht der Sünder ist:
Der in deß Noe Arch
Nicht zeitlich sich begeben/
Hat in dem Sünden Fluß [in der Sintflut]
Sein Lebens-Geist auffgeben;
Ein bessere Archen ist
MARIA in Gefahren
Der Seelen/ vnd deß Leibs/
Welches ihr viel erfahren.
Stern/ So auß Jacob auffgangen MARIA, Deren Heilige Lauretanische Litaney mit so viel Sinn-Bildern/ als Titulen Mit so viel Lob-Sprüchen als Buchstaben in jedem Titul seyn/ vermehret/ vnd gezieret worden von Theophilo Mariophilo, Wien: F.A. Groner 1680.
>
https://digital.blb-karlsruhe.de/urn/urn:nbn:de:bsz:31-91569
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Der Untergang von Tyros
Tyros / Tyrus war eine phönizische Metropole, Hafenstadt an der Mittelmeerküste; die Häfen lagen in der Antike auf einer Insel ca. 800 m vom Festland entfernt. Der Handel am Umschlagplatz Meer/Land brachte de Stadt zu einer Blüte; sie war Rivalin Jerusalems. Ezechiel 27,5ff dann wieder Vers 26–34 begründet den ›Untergang‹ (!) von Tyrus aufgrund des Reichtums und des übergroßen Handels symbolisch: Tyrus wird mit einem prächtigen Schiff verglichen:
Deine Erbauer haben dich herrlich geschaffen. 5 Deine Planken bauten sie aus Zypressen vom Senir. Deine Mastbäume machten sie aus Zedern vom Libanon, 6 deine Ruder schnitzten sie aus den Eichen von Baschan. Für dein Deck nahmen sie Kiefernholz aus Kittim und täfelten es mit Elfenbein. 7 Deine Segel waren aus feinstem buntem Leinen aus Ägypten genäht und sie dienten dir als Flagge. Deine Überdachung bestand aus blauem und rotem Purpur von den Küsten von Elischa. 8 Deine Ruderer kamen aus Sidon und Arwad; deine Steuerleute waren kundige Männer aus Tyrus selbst. 9 Die Ältesten aus Gebal und ihre weisen Männer haben die Lecks bei dir ausgebessert. Alle Schiffe auf dem Meer und ihre Seeleute kamen zu dir, um mit dir Handel zu treiben. [usw.]
26 Deine Ruderer haben dich auf die hohe See hinausgeführt. Aber ein Sturm aus dem Osten zerschmettert dich mitten auf dem Meer! 27 Deine Reichtümer, Waren und Güter, deine Steuermänner und Matrosen, die Männer, die deine Lecks ausbessern, die Kaufleute, die bei dir Waren eintauschen, und die ganzen Soldaten, die bei dir sind, sie alle, die du bei dir hast, werden mitten ins Meer fallen am Tag deines Niedergangs [usw.]
> https://www.bibleserver.com/NLB/Hesekiel27
> https://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/bibel/ez27.html
https://www.bibelkommentare.de/lexikon/2605/tyrus
Walther Zimmerli, Bibelkommentar zum AT, Ezechiel II (1969), S. 638–648.
Markus Saur, Der Tyroszyklus des Ezechielbuches (Beihefte zur Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft Band 386) > https://doi.org/10.1515/9783110211047
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Ein Danklied für die Huld-Erweise Gottes
Psalm 107,25ff.: Er redete und bestellte einen Sturmwind, und der trieb seine Wellen hoch.
Sie stiegen zum Himmel empor, sie sanken hinab in die Fluten, es verzagte in der Not ihre Seele.
Sie taumelten und schwankten wie ein Betrunkener, es versagte all ihre Weisheit.
Dann aber schrien sie zum HERRN in ihrer Not: Und er führte sie heraus aus ihren Bedrängnissen.
Er verwandelte den Sturm in Stille, und es legten sich die Wellen.
Sie freuten sich, dass es still geworden war, und er führte sie in den ersehnten Hafen.
Illustrirte Pracht-Bibel, Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A.H. Payne, Leipzig [nach 1860]
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Des Meeres Sünd-Bad
Hugo von Langenstein, »Martina« (1293 fertiggestellt: 32'588 Verse)
Unsir schif ist diu con<s>cientia [≈ das Wissen um das moralisch Gute]
Bescheidenheit [≈ gebührliches Handeln] der schif man
Der daz schif leiten kan.
So wizzint liebin brvoder:
Vnsir funf sinne sint ruoder
Die daz schif hie fuorent
Und sich steteclichen ruorent.
Der welte mer ist so wit
So vngestuome elliv zit [immerdar]
Daz wir kvmber muozen liden.
Wir mun [?en-mügen ≈ nicht können] synde niht vermiden
Und varn wider vnde für [zurück und vorwärts]
Mit willen in svntlich kür [bei Erwägung der Sünden].
Nv wesen alle gar munder,
Wan swie wir sinken sunder [denn wenn wir <?>unter-sinken],
So sin wir eweclich verlorn;
Iemer dulden gotes zorn.
Uz des meres sunden bade [Flut]
Sint komen seleclich zestade [glücklich ans Ufer]
Gotes kint, dez [darüber] sint siv fro.
Vnd ist daz billich [zu Recht] also,
Sit daz zegrozen frovden frumet, [weil das große Freude bewirkt]
Swer ab disem mer kvmet
Und dez liplich ist genesen. [als Person errettet]
So mvn [mögen] die wol fro wesen
Die mit reinem gemuote
Vbir der svnden meres fluote
Mit kvmber hant geschalten
Und iemer froden walten.
[usw. usf.]
Der Text ist nicht kristallklar und ebenso die Edition hg. Adelbert von Keller (Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart, Band 38) Stuttgart 1856; Leseabschnitt 281, Verse 50ff. (v.Keller S. 708); einige Vermutungen und Satzzeichen hier von PM zugefügt.
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Gebet eines Schiffbrüchigen
Einige Ausschnitte aus dem Klaglied der büßenden Seele:
Daß mich die Vngestüme deß Wassers nicht ersäuffen vnd die Tieffe mich nicht verschlinge. Psalm 68. [Ps. 69,16]
Wie lang wird ich Armseliger hin vnd wider getriben werden inn den Winden meiner Sterblichkeit rüffende zu dir/ O HERR vnd du erhörest es nicht? HERR erhöre den Ruffenden auß disem grossen Meer vnd führe mich biß an das Gestatt der ewigen Seligkeit. Selig/ die auß der gefahr dises Meers außgeführt zu dir GOTT/ dem allersichersten Gestatt haben mögen gelangen! O recht selig seynd die von dem Meer an das Gestatt/ auß dem Ellend ins Vatterland/ von dem Kercker inn Pallast ankommen/ vnnd erwünsche Ruhe erlanget haben! Ach wie vnglückselige seyn wir Armselige/ welche durch die Wällen disen grosses Meers vnd vngestüme Tieffe das Schiff ziehen/ nicht wissende ob wir an das Gestatt der Seligkeit werden kommen mögen! Augustin. Soliloq. cap. 35.
Das Schiff vnsers gemüts wirdt hin vnd wider gewehet/ indem wir an die hochheit deß Paradeyß gedencken/ vnd vngelegenliche Wällen der Versuchungen von dem Fleisch leiden. Greg. Lib. 9. moral. c.24.
Was ist aber für ein gähers tieffers Meer als die Welt? So vngetrew/ so beweglich/ so tieff/ so ungestüm von dem wehen vnnd blasen der vunreinen Geistern? Ambros. peæfat. in 4. lib. super Euang. Lucæ.
Du herrschest vber die gewalt deß Meers/ du stillest seine Wällen wann sie sich erheben, Psal. 88. [Ps. 89,10]
Gottselige Begirde. Aus lautter sprüchen der Heÿligen Vättern Zusamen gezogen Vnd mitt schönen figuren gezieret / durch R. P. Hermannum Hugonem ... Verteütscht Durch R. P. F. Carolum Stengelium, Augspurg: Schönig, 1627. I. Buch, Kapitel 11. — (Die erste deutsche Übersetzung von Herman Hugo S.J., »Pia Desideria«; durch den Benediktiner Karl Stengel, erschienen im Verlag eines Protestanten; Kupfer nach Boetius a Bolswert)
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Meer der Trübsal — Gnadenmeer
Johann Arndt [1555–1621], »Vom wahren Christenthumb…«. [erste Gesamtausgabe 1610]
IV. Buch / Das V. Capitel Vom fuͤnfften Tagewerck Gottes [Ausschnitt]
So haben wir uns auch hierbei zuerinnern/ das wir in Gottes Wort zweierlei Meer haben: Ein Angstmeer oder ein Meer der Trübsal/ und ein Gnadenmeer. Die Welt und unser Elendes Leben ist nichts anders dann ein ungestümes Meer. Dann gleich wie das Meer nimmer stille ist/ sondern allezeit mit Winden und Wällen bewogen wird: Also ist die Welt auch/ und unser Leben. Wann man meinet/ man will die beste Ruhe haben/ ehe man sichs versieht/ kommt ein Sturmwind/ der das ganze Leben/ Leib'/ und Seele unruhig macht.
Gleich wie auch das Meer ab und zufleußt/ und nimmer stille stehet. Bald fleussets zurück/ bald kommt wieder/ und ist in perpetuo motu: Also ists mit dem zeitlichen auch/ Bald kommt/ bald fehrets wieder hin/ und ist in stetem ab und Zufluß. Und wie des Meers Fluxus & refluxus, ab und Zufluß eine verborgene Vrsach hat: Also kommt alle Veränderung des Menschlichen Zustandes aus verborgenem Rat Gottes/ Wie der Prophet sagt: Ego Dominus, qui conturbo mare. (Esa. 51,10. Jerem 31,35.) […]
Wie wir auch sehen/ das alle süße Wasser/ wann sie ins Meer fließen/ so werden sie bitter und salzig: Also alle Süssigkeit/ Lieblichkeit/ Herrlichkeit/ Wollust/ Ehre/ Reichtum dieser Welt/ obs einem Menschen noch so süße Wasser ist/ wird es ihm doch endlich bitter und salzig. Und die sich allzu sehr darauf verlassen/ verlieren ihren süßesten Himmlischen Trost/ und ersaufen in der Bitterkeit der Furcht und Traurigkeit dieser Welt.
Wie auch im Meer sind grosse Sandberge/ dahinein oft die Schiffe zu stücken laufen: Also laufen viel Leute hinein mit vollem Segel in den Geiz/ und Sandigen Reichtum/ das sie darinnen stecken bleiben/ und nicht können Los kommen/ biß sie ersaufen. […]
Wie man auch auf dem Meer ohne Magnet irre fährt/ und keinen gewissen Weg treffen kan/ und der Magnet sich allzeit gegen Himmel wendet: Also ist unser Magnet Jesus Christus/ unser Herr/ der unsere Herzten zu sich wendet […]
> https://www.deutschestextarchiv.de/book/view/arndt_christentum04_1610/ (hier S. 168ff.)
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Die gefährlichen Klippen: Fürchte, was verdeckt ist!
Abraham a Sacta Clara warnt vor den Klippen – und deutet sie moralisch so:
Lern/ dich bald vorzusehn vor hundertley Gefahren/
wenn dich der Hof ganz nah zu Glückes Inseln führt.
Der Hof gleicht einem Meer/ der Neid hat Klippen-Art/
Das Schiff heisst Fürsten-Gnad/ die List stürzt alle Fahrt.
Huy! und Pfuy! Der Welt. Huy/ Oder Anfrischung Zu allen schönen Tugenden: Pfuy Oder Abschreckung Von allen schändlichen Lastern, Nürnberg: Weigel, 1707.
>
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:23-drucke/xb-4f-5051
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Es genügt eine einzige Spalte für den Untergang
Im Kapitel Remedium Linguæ Garrulæ — Heilmittel für eine geschwätzige Zunge:
Antoine de BOURGOGNE / Abraham VAN DIEPENBEECK Linguae vitia & Remedia emblematice expressa Antuerpiæ: Apud vidua Cobbaert 1652. Emblem IX = Seite 116/117 > https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k15193682
Satis unica rima exitio est. — Es genügt eine einzige Spalte für den Untergang
Vom Schaden einer einzigen Spalte geht ein Schiff,
Das von allen Fluten und Klippen zusammen nicht überwältigt wird, zugrunde.
Weh mir, mit wie vielen Spalten klafft der Mund! Und wir befürchten keinen Schaden?
Er besteht in der Spalte: für den Untergang ist aber eine einzige Spalte genug.
(Übersetzung von Th.G. in W.; Danke!)
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Schiffbruch der Seele
Francesco Petrarca, De remediis utriusque fortunae – Heilmittel gegen Glück und Unglück, Buch II, Kap. 53 (bzw. 54 in der deutschen Ausgabe):
Dolor: Gravi naufragio iactatus sum.
Ratio: Maris tu michi memoras naufragium, animi autem siles, quasi vero vel gravius vel crebrius ullum sit .....
Bild aus dem Druck 1572 mit den Distichen von Johannes Pinicianus (und deren zeitgenöss. deutschen Übersetzung):
Ist dir dein gut im Meer genommen/
Biß fro/ daß du daruon bist kommen.
Der seelen schiffbruch du beklag/
Gut mag man gwinnen alle tag.
Der Beginn des Kapitels hier in der Übersetzung von Ursula Blank-Sangmeister, herausgegeben und kommentiert von Bernhard Huß, Stuttgart: Hiersemann Verlag 2021/2022 (Mittellateinische Bibliothek 8 / 1 und 2):
SCHMERZ: Ich habe einen schweren Schiffbruch erlitten.
VERNUNFT: Du erzählst mir von einem Schiffbruch auf dem Meer, über den deiner Seele aber schweigst du, so als ob es keinen schlimmeren und häufigeren gebe. Dort tobt jener Sturm der Leidenschaften und Affekte wie ein Kampf der Winde, der euch – mit von Begehrlichkeit und Hoffnung geblähten Segeln, ohne das Steuerruder des Geistes und ohne die in der Tiefe verlorenen Anker der Standhaftigkeit – über alle Küsten und alle Meere wirbelt. All das hat deinen Schiffbruch verursacht. Lege die Begierde ab, dann wirst du das Reisen selbst oder jedenfalls die Gefahr des Reisens größtenteils vermeiden. Sie treibt die unglücklichen Menschen nicht nur auf die Schiffe, sondern auch in die Klippen und in den Tod. Daher haben fast alle, die aus eigenem Verschulden im Meer umgekommen sind, zuerst in ihrer Seele Schiffbruch erlitten und ertranken zuerst in der Welle der Habgier und dann erst in der des Meeres. Die Begierde ist nämlich selten besonnen. Was sie will, will sie sofort, und sie hasst alle Verzögerungen und den mit ihnen verbundenen Aufwand. Sie führt auf kurzem Weg in den Untergang und ist der erste Grund für die häufigen Schiffbrüche.
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Die üppigen Gottlosen versinken im Meer
Text oben: Exodus (2.Mos., nach dem Durchzug durchs Schilfmeer) 15,8ff.: Beim Schnauben deines Zorns türmte sich das Wasser, die Strömungen standen wie ein Damm, die Fluten gerannen im Herzen des Meeres. […] Da schnaubtest du Sturm. Das Meer deckte sie zu. Sie sanken wie Blei ins tosende Wasser (Elberfelder Bibel / Einheitsübersetzung)
unten: Hiob 21,12f. (Das Wohlergehen der Gottlosen): Sie brauchen Pauke und Laute und sind fröhlich beim Klang der Schalmei. Sie verbringen ihre Tage in Wohlleben und fahren in einem Augenblick in das Totenreich hinab.
Im Bild links oben entflieht die Zeit (Fugit irreparabile Tempus)
rechts oben: die günstige Gelegenheit (Occasio) ist am Hinterhaupt kahl
Die Raben krähen von den Masten herunter Cas, cras (morgen!)
Promontorium malae spei impiis periculose navigantibus propositum : Siue Signum & Nota Reprobationis: Procrastinatio Poenitentiæ. Scripta Cautela Hominum Emendatione Vitæ cunctantium Spe Aliqvando resipiscendi / Avctore R.P. Pavlo Zehentner Soc. Iesv Theologo [1589–1648]. Sumpt. Seb. Haupt., 1643.
(= Das Vorgebirge der schlimmen Erwartung, den Gottlosen, gefährlich Segelnden vor Augen gestellt: Oder Zeichen und Zeugnis des Tadels: Verzögerung der Reue. Schriftliche Warnung an die Menschen, die zögern, ihr Leben zu verbessern, in der Hoffnung, sie würden irgendwann vernünftig, verfasst von Ehrwürden Pater Paul Zehentner S.J.)
> https://archive.org/details/bub_gb_6e2VIHA1hNsC/page/n6/mode/1up
> https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10223807?page=7
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Der aus dem Geist Geborene im Wind
Casimir Füesslin O.F.M. spielt mit der Doppelbedeutung von lat. spiritus: Geist / Wind:
Theatrum Gloriae Sanctorum Erectum à Venerando P. Fratre Casimiro Füesslin Ord. S. Francisci FF. Recollectorum Provinciae Argentinae. Anno Domini M.DC.LXXXXVI. Hoc est Conciones in Festa occurrentia per annum, ex sacris paginis, SS. Patribus, aliisque probatis Authoribus […]. Sulzbaci: Lochner 1696.
> https://archive.org/details/theatrumgloriaes00fe/page/440/mode/1up
> http://diglib.hab.de/drucke/xb-189/start.htm?image=00466
• VENTORUM PUGNA. AUDIS VOCEM EIUS ET NESCIS UNDE VENIT [Verschrieb im Kupfer, lies EIVS statt FIVS] aus Johannesevg. 3,8: Spiritus ubi vult spirat, et vocem ejus audis, sed nescis unde veniat, aut quo vadat: sic est omnis qui natus est ex spiritu. ≈ Der Wind weht, wo er will; und du hörest sein Sausen, aber du weisst nicht, woher er kommt, oder wohin er geht; so ist jeder, der aus dem Geiste geboren wird.
• Unten: Apostelgeschichte 2,2: et factus est repente de caelo sonus tamquam advenientis spiritus vehementis et replevit totam domum ubi erant sedentes ≈ Und es geschah schnell ein Brausen vom Himmel wie eines gewaltigen Windes und erfüllte das ganze Haus, da sie saßen.
• Im Text wird sodann die Vision von Daniel (Kap.7) zitiert:
videbam in visione mea nocte et ecce quattuor venti caeli pugnabant in mari magno et quattuor bestiae grandes ascendebant de mari diversae inter se […]
Ich, Daniel, sah ein Gesicht in der Nacht, und siehe, die vier Winde unter dem Himmel stürmten widereinander auf dem großen Meer. Und vier große Tiere stiegen heraus aus dem Meer, ein jedes anders denn das andere. Das erste wie ein Löwe und hatte Flügel wie ein Adler […]. Und siehe, das andere Tier hernach war gleich einem Bären […]. Nach diesem sah ich, und siehe, ein anderes Tier, gleich einem Parder […]. Nach diesem sah ich in diesem Gesicht in der Nacht, und siehe, das vierte Tier war greulich und schrecklich […].
S. 440–451 wird unter anderen auf die Deutung der vier Winde/Tiere durch Richard von St.Viktor († 1173) verwiesen: Recte per hoc mare magnum cor hominis designatur, in quo 4 venti (id est 4. primariæ passiones homini) tumultuantur. — Das Meer ≈ die Seele; die 4 Winde ≈ die vier Affekte des Menschen. — Das wird dann über mehrere Seiten (S.440–451) hin ausgeführt.
Im Bild sind freilich sieben Winde aus Tiermäulern zu sehen; dies könnten eher Allegorien der sieben Todsünden sein. Und während in der Daniel-Vision nicht von einem Schiff die Rede ist, scheint hier die Seele als Schiff imaginiert zu sein.
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Alle im gleichen Boot
John Tenniel (1820–1914) in: The Punch, 10. Mai 1890:
Am 20.3.1890 entließ Kaiser Wilhelm II. den Reichskanzler Otto von Bismarck, eine aussenpolitisch unglückliche Entscheidung (Bismarck hatte den Rückverischerungsvertrag mit Russland zur Verhinderung eines Kriegs ausgehandelt; der wurde nun preisgegeben.)
Karikatur: Der deutschen Kaiser Wilhelm II. als L'enfant terrible wippt auf der Ruderbank. Im Heck der spanische König Alfons XIII., der österreichische Kaiser Franz Joseph I. und der italienische König Umberto I, die französische Symbolfigur Marianne. – Chor im Heck: Don’t go on like that – or you’ll upset us all!
Bild > Wikipedia
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Der im Schiff ohne Mastbaum Schlafende
Aegidius Albertinus (1560–1620):
Aus den weitschweifigen Erläuterungen einige Auszüge:
Der H. Gregorius betrachtet den geschwinden Lauff vnd die Schwachheiten des menschlichen Lebens/ vnd sagt es sey gleich einem der auff dem Meer in einem Schiff fähret. Dan ob schon ein solcher stehet/ oder sitzet/ oder ligt/ oder schläffet/ so fährt er doch fort/ vnnd gelanget letzlichen zum Port: Also/ ob wir schon wachen/ oder schlaffen/ oder ligen/ oder wandern/ so gelangen wir doch wider oder mit vnserm Willen zum End deß Lebens […]
Von wegen dieses vnnatürlichen Schlaffes periclitiret [von lat. periclitari ›etwas riskieren‹, ›in Gefahr sein‹] das Schiff der Religion/ und stehet bißweilen in grosser Gefahr/ sibenerley Vrsachen halben/
dan erstlich wie ein materialisches Schiff verdirbt vnd vndergehet/ war es nicht fleissig versorgt vnd vnd verpöcht ist/ vnd Spalten/ Klumsen oder Löcher hat/ also verdirbt der innerliche Mensch/ vnd gehet zu grund/ wan die Löcher oder Klumsen der äusserlichen Sinnen über verwahrt werden. […]
Zum andern gehet ein Schiff zugrund/ wan es viel zu leicht geladen ist/ dan aldan wehets ein schlechter Wind vmb: Also vnnd ebner Gestalt wird das Schiff der Religion leichtlich umbgewehet vnd versenckt/ wan der Geistlichen Sitten liederlich seynd.
Drittens stehet das Schiff in Gefahr/ wan es überladen wird: Also gehts übel zu/ wan die Geistlichen vnd Religiosen sich mit der Bürd der Weltlichen Geschäfft vnd Sorgen zu viel belaben […]
Vierdtens periclitiret das Schiff/ wan es an einen Felsen anstosset: Durch den Felsen wird bedeut die Ergernuß/ welche bißhero viel Menschen auffm Weeg deß Heils verhindert/ vnd abwendig gemacht hat.[…]
Zum fünfften stehet das Schiff in höchster Gefahr/ wann die Schiffleut nicht fleissig rudern/ vnd die vngestümme Wellen vberwinden/ das Schiff der Religion gehet alsdan zugrund/ wan die Geistlichen vnd Religiosen nichts fruchtbarliches arbeiten/ sondern vermeynen sie können durch den Müssiggang und durchs Wolleben selig werden.
Zum sechsten/ wie das Schiff Gefahr außstehet/ wan es nit vom guten Wind fortgetrieben wird; Also stehet das Schiff der Religion in Gefahr/ wan es nit vnauffhörlich von dem guten Wind deß H. Geistes fortgetrieben wird.
Beschließlichen/ wie alsdan die Gefahr eines Schiffs noch grösser ist/ wan der Pilot oder Meister deß Schiffs schlaffet: Also muß die Religion oder ein Convent nothwendig verderben/ wan der Prælat ligt und schläffet/ vnd hinlässig ist […]
Hiren schleifer, München Niclas Hainrich 1618. — Hier nach der Ausgabe Aegidii Albertini Hirnschleiffer, Cöllen: bey Constantino Münich, 1664, S.216–232.
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Kunst statt Stärke
PLUS ARTE, QUAM ROBORE
Soll das Schiff ohn gefahr durch felsen, schrofen, waden,
Und trübsand gehen hin, muß Vortheil thun das best
Gewalt und ungestümm bringt offt den grösten schaden.
Darumb der Held auf Kunst sich mehr als stärck verlest.
(Es folgen mehrere Seiten Kommentar.)
Joh. Hain. Haglganß [1606–1653], Christlicher Hochtheurer Helden Tugend-lauff in Sinnbildern vorgestellet, Nürnberg: Paulus Fürst 1651.
> http://diglib.hab.de/drucke/41-2-geom-4s/start.htm?image=00057
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Entdeckungsreise auf Papier
Ein (enyzklopädisches) Bildungsprogramm in Form einer Seefahrts-Allegorie entwarf Johann-Daniel Major (1634–1693):
Johann-Daniel Majors See-Farth nach der Neuen Welt/ ohne Schiff und Segel, Hamburg: Wolff 1683 (1.Auflage 1670) — Oben fliegt der erfinderische Dädalus.
In der Einleitung:
Wir fahren ja so hin/ wir embsiges Gesinde
Der Musen/ und zwar meist bey fast contrarem Winde/
Wir fahren hin und her als Schiffer/ auff dem Belt [≈ Ostsee]
Und suchen Eifers-voll noch eine Neue Welt/
Weit von America. Wir schiffen in Gedancken
Durchs tieffe Meer der Zeit/ und dessen Raum und Schrancken:
Das Steuer-holtz ist Müh und Arbeit unsrer Hand;
Die Nadel im Compaß ist möglichster Verstand;
Der Nord-Stern GOttes Ehr: das Land woran wir dringen/
Ist volle Wissenschafft und Kunst in allen Dingen:
Vor Flagge/ Korb/ und Mast dient uns Fürsichtigkeit;
Für Loth und Ancker-Tau/ Witz und Erfahrenheit;
Und Hoffnung guten Glücks. Die Nächtliche Laterne
Das sind Historien; die zeigen uns von ferne/
Wie weit der Weg gebahnt: die Segel/ frischer Muth:
Und grosser Leute Gunst ist unser Ebb’ und Fluth/
Wenn Pater Neidhart nur nicht je mit 1000 Rencken
Versuchte da und dort die Segelfahrt zu kräncken/
Aus Mißgunst/ weil er gar ein schlechter Schiffsmann ist/
Und haßt/ was er nicht weiß - - -
Hole Rößler, Utopie der Bildung. Der Entwurf einer »Polymathia experimentalis« in Johann Daniel Majors See-Farth nach der Neuen Welt/ ohne Schiff und Segel (1670) In: Polyhistorismus und Buntschriftstellerei. Populäre Wissensformen und Wissenskultur in der Frühen Neuzeit. Hg. von Flemming Schock; de Gruyter 2012 (Frühe Neuzeit 169), S.191– 220.
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Keine Ruhe ausser im Hafen
NUSQUAM REQUIES, NISI PORTU
Du errettest mich aus aller meiner noth. (Psalm 54,7)
Ist schon ein schif umringt mit wunderthier und wellen
iedoch lauft es getrost, wann nahend ist der port:
komt unserm lebenslauff schon Sathan nachzustellen
doch wan man hofft auff Gott so kommt man sicher fort
[Wolf Helmhardt von Hohberg] Lust- und Artzeney-Garten des Königlichen Propheten Davids. Das ist Der gantze Psalter in teutsche Verse übersetzt, sammt anhangenden kurtzen Christlichen Gebetlein. Da zugleich jedem Psalm eine besondere neue Melodey, mit dem Basso Continuo, auch ein in Kupffer gestochenes Emblema, so wol eine liebliche Blumen oder Gewächse, sammt deren Erklärung und Erläuterung beygefügt worden. […] Regensburg: Georg Sigmund Freysinger / Conrad Emmerich 1675. — Reprint, hg. Grete Lesky, Graz: ADVA 1969.
Weitere Schiff-Embleme hier: Nr.3, Nr.15, Nr.62, (Nr. 91), Nr.107, Nr.123, Nr.125
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Das Ruder allegorisch oder technologisch ausgelegt
Jacobusbrief Cap. 3. vers. 4.:
Sihe, auch die Schiffe ob sie wohl so groß sind, und von den rauhen Winden getrieben werden, so werden sie doch von dem kleinesten Ruder umher gewendet, wohin der Trieb des Steuermann nur will. [Bibelübersetzung Zürich 1665–1667]
Dazu schrieb Johann Martin Miller (1691–1747) in der »Physica sacra« diese (wie üblich unbeholfenen, allegorisch auslegenden) Verse:
Viel leichter folgt ein Schiff dem Trieb der Ruder-Schwingen,
Als wohl das Zungen-Glied; Wie schwehr läßt diß sich zwingen?
Doch GOTTES Geist und Krafft, sein Lencken und Regieren
Hilfft zu der Zungen Zucht, zu Dingen, die sie zieren.
Nimm deine Lenckungs-Krafft aus GOTTES Macht und Gnaden,
So fährt dein Schiffe wohl, mit theurer Waar beladen.
Johann Jacob Scheuchzer (1672–1733) – der die allegorische Exegese explizit hasst – verwendet den Bibeltext zu Erklärungen des Hebelgesetzes.
Der Steuermann in Figur I. (rechts im Bild) drückt den Hebel in Richtung H; dadruch wird das Ruder-Schiff nach links gegen I bewegt. Die Stange AB ist beim Steuermann drei Mal länger als ausserhalb des Bords, an dem das Scharnier befestigt ist; so hat er mehr Kraft. – (Im Vordergrund links wird das Verfahren beim Heben eines Felsbrockens nochmals demonstriert.)
Kupfer-Bibel, in welcher die physica sacra, oder geheiligte Natur-Wissenschafft derer in Heil. Schrifft vorkommenden natürlichen Sachen, Deutlich erklärt und bewährt von Joh. Jacob Scheuchzer […]. Anbey zur Erläuterung und Zierde des Wercks in künstlichen Kupfer-Tafeln ausgegeben und verlegt durch Johann Andreas Pfeffel; Augsburg und Ulm: Ch. U. Wagner, 1731–1735; 2.Teil, Seiten 1400ff. und Tafel DCCXLII
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Mystische Fischer
Im Lukasevangelium (5,4–6) wird erzählt, dass Jesus Simon Petrus – der schon lange keine Fische mehr gefangen hat – ermuntert, *weiter auf den See hinaus zu fahren* und die Netze dort auszuwerfen. Da fangen die Fischer so viel, dass die Netze zu zerreissen drohen und das Boot beinahe sinkt.
Johannes Tauler († 1361) legt in einer Predigt den *Satz* von Jesus allegorisch auf mystische Gedanken hin aus. (Hier sind nur einige Kerngedanken zitiert.)
(1) Das Schiff bedeutet allegorisch die Gesamtheit der Gedanken und Empfindungen (≈ lat. mens, mhd. gemüete); auf dem Meer der Welt.
Dis schif […] das enist anders nút wan das gemüete des menschen inwendig, und sine meinunge [auch Gesinnung Wille]. Dis schif das vert in disem soergklichen wüetenden mere diser engstlichen welt, die alwegent in eime üebent [in tätiger Bewegung] und wüetent ist: nu liep nu leit, nu sus nu so. Wie soergklichen es umb alle die stot, der herze in diser wüetunge stat mit minnen oder mit meinunge, und do an noch hangent, der das bekante, sin herze moechte im torren [dürr werden, absterben] von leide.
(2) In der Vulgata lautet die Empfehlung von Jesus: *Duc in altum, et laxate retia vestra in capturam*; wobei lat. altum sowohl ›hoch‹ als ›tief‹ bedeutet – im griechischen Neuen Testament steht τὸ βάθος ›die Tiefe‹. Tauler konzentriert sich zunächst auf die Bedeutungsvariante ›hoch‹ und versteht duc in altum als: ›Bewege dich in die Höhe!‹ Gemeint ist: weg von allem Kreatürlichen, insbes. von der seelischen Tätigkeit.
Nu denne unser materie: ‘duc in altum, füere das schif uf in die hoehin.’ Dis ist der erste weg, der von not sin muos vor allen dingen, das dis gemuete sol und muos uf gefuert sin in die hoehin, das si minne oder meinunge und gunst von allem dem das Got nút enist und creatur ist. So wer in disem grúwelichen mere nút enwil verderben noch ertrinken, des gemuete muos von not uf erhaben sin von allen creaturen, si sin oder heissen wie man welle. Nu sprach S. Peter: ‘herre gebieter, wir han alle dise nacht gearbeit und enhan nút gevangen.’ In der worheit, das was wol gesprochen. Alle die mit disen uswendigen dingen umbe gont, die arbeitent wol in der nacht und envohent nútznút.
(3) Das Netz bedeutet ≈ die Meditation (gedank) – die auf das Wirken des Heilands gerichtet sein soll:
Kinder, was ist dis netz das unser herre hies us werfen, do si als vil mit viengen? Dis netz das man us sol werfen, das ist der gedank: dis gehúgnisse des menschen das sol der mensche zem ersten us werfen in heiliger betrachtunge und sol mit ganzem flisse fúr sich nemen alle die materien die in ze heiliger andacht reissen oder neigen múgen: das hochwirdig leben und liden und die heilige minnekliche wandelunge und werk unsers lieben herren, […]
(4) Der Aufstieg in die Höhe erfordert (mit einem Zitat aus Dionysius Areopagita) ein völliges Loslassen von allen Gedanken und geistigen Bildern in der Seele:
Nu ‘duc in altum, fuere uf das schif in die hoehi’, wan dis was noch der niderste grat. Dis muos uf hoher gefuert werden. Sol der mensche werden uswendig und inwendig ein gelassen mensche und gelútert, und inwendig ein verklert mensche, den S. Dyonisius nemmet ein verklert, gotformig mensche, so muos sin schif verre me in der hoehi gefuert werden, das ist: der mensche kumet dar zuo das im alles das enphellet das die nidersten krefte begriffen múgen: alle die heiligen gedenke und die minneklichen bilde und die froeide und jubel und was im von Gotte ie geschenket wart, das dunket in nu alles ein grob ding, und wirt dannan us alzemale getriben, also das ime das nút ensmakt noch enmag da bi nút bliben, und dis enmag er nút, und des in lust, des enhat er nút, und also ist er enzwischen zwein enden und ist in grossem we und getrenge.
(5) In der Höhe indessen entstehen neue Prüfungen (bekorunge):
Dis schiffelin ist in die hoehin gefuert, und dar zuo das der mensche in diser not stat von verlossenheit, so stot in im uf alles das getrenge und alle die bekorunge und alle die bilde und die unselikeit die der mensche lange úber wunden hat: die stritent nu wider in; mit aller kraft koment si und stossent im uf das schif in grossem sturmwetter. So slahent die unden uf das schif.
(6) Ein späterer Passus der Predigt erklärt im Bild bleibend allegorisch, woher diese neue Unbilll kommt:
Aber dise krankheit enkumet nút [nicht] von uswendiger uebunge, sunder von der úberflússikeit des úbergusses der gotheit, der disen menschen also úbergossen hat das des der arme irdensche licham nút erliden enmag.
Als dis schif alsus kumet in die *hoehi und die tieffi*, so versinket das schif mit dem netz und zerbrichet alles sament; das ist wol recht das sin eigenheit zerbrochen und zerrissen werde: wan sol ein ieklich ding gewerden des es nút enist, so muos es des entwerden das es ist.
… und al do versinkt das geschaffen nút [Nichts] in das ungeschaffen nút. …
Ferdinand Vetter (Hg.): Die Predigten Taulers, Berlin 1910 (DTM 11), Predigt Nr. 41; der mittelhochdeutsche Text OCR-erfasst im Digitalen Mhd. Textarchiv > tinyurl.com/3rrv8zh7
Johannes Tauler, Predigten, eingeleitet und übersetzt von Louise Gnädinger, Olten 1983; S. 122–129.
Sr. M. Engratis Kihm O.P., Die Drei-Wege-lehre bei Tauler, in: Ephrem Filthaut O.P. (Hg.), Johannes Tauler, Ein deutscher Mystiker. Gedenkschrift zum 600. Todestag, Essen 1961, S. 268–300.
Louise Gnädinger, Johannes Tauler. Lebenswelt und mystische Lehre, München: Beck 1993; S. 147–169 zum mystischen Aufstieg.
In Predigt 60b (Vetter S. 290f.) legt Tauler den graduellen mystischen Aufstieg mit Schiffs-Metaphorik aus. Die Predigt 63 (Vetter S. 341ff.) geht ebenfalls aus von der Bibelstelle Duc in altum.
In einer mittelhochdeutschen Predigt zum 4. Sonntag nach Pfingsten, wird die Episode vom Netzfang des Simon Petrus allegorisch ausgelegt – etwas einfacher als bei Johannes Tauler. Ein Ausschnitt:
Diese dink sind alle bezeichenliche. daz schif daz sente Peters was, da unser herre inne saz, daz ist die heilige christenheit, […]. die vischere daz sint alle die die daz gotes wort kunnen gesagin und den rat gegebn da mit sie deme sündere gehelfin zu gote. die netze daz sint die heiligen wort und die heilige alte schrift und die nüwe, die sint so vaste zu samne gebrietin, daz da nieman niht wider gesprechen mach. daz mere daz ist diese werlt, daz ist vil tief von sünden halbn und von andern bosin dingen die wider gote sint. die tüfene die ergrundet unser herre alleine, der weiz alliz daz wir gedenken und den willen mit den werken.
die winde die daz mere triben und sturmwetir machen, daz ist der tüvil, qui est ventus urens [Jeremias 18,17], der da ist ein bürninde [brennender] wint, und mit ime alle sine volgere und sine liedemaze, bose und unrechte lüte und nemeliche rittere und bose gewaldige lüte die da machint urlüge, roub und brant und andere bosheit, daz vil maniger vorzwivilt und vellit uz dem schiffe, uz der christenheit, und cumet zu banne und ertrinkit in dem ewigen tode.
Uz diesem mere so hat got gevangin vil manigen guoten visch mit sinen vischern, den heiligen predigerin, und veht ie in siner hant. also manich mensche so zur christenheit cumet und sich zu gote bekerit, also manich visch wirt gevangin. die sind alle hie undermengit, die guoten mit den bosin. amme jüngistin tage so werden sie gescheiden: bonos in vasa sua eligent et malos foras projicient [nach Matth. 13,48; Gleichnis vom Fischnetz]. man sol die guoten danne erlesen in sine vas zu sinen heiligen in daz ewige himelriche und die bosin sol man hin werfen in die ewige helle.
Nu sult ir merken waz daz bezeichene daz die vische daz netze riezent [rissen]. vil dicke [sehr oft] leider cumet iz also, daz die selbin die zum gelouben cumen, daz si werdin irre und vorkeren die heiligen schrift und zurissen unsers herren netze […]. Der und andere tüvils boten, der ist so vil in daz netze cumen, wane sie christen heizin und sich nieman vor in bewarin mach, ut navicule domini, id est ecclesie, jam pene mergantur [woher?], daz sie die heilige christenheit vil nach [beinahe] vorsenkint han, enwere unsers herrin genade so manichvalt niht der uns beschirmit vor in. dar zu hat er uns vorlihin sent Peter dem er da gelobte er solde die lüte vahen mit den gotis worten als er bewilen die vische tet mit den netzen. [Petrus ist dann nach Luk 5,10 Menschenfischer]
Altdeutsche Predigten, hg. Anton Schönbach 3 Bde., Graz 1886; Band I, S. 108ff.
> https://archive.org/details/altdeutschepred00schgoog/page/108/mode/2up
Es gibt noch mehrere der Bibelstelle Lukas 5,1ff. gewidmete ältere Predigten mit allegorischen Auslegungen des Schiffs, des Netzes, der Fische usw. Vgl. PDF-Datei hier.
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Vier Winde geistlich gedeutet
Die ausschweifende Predigt (überliefert in drei Handschiften des 15. Jahrhunderts; 238 moderne Druckzeilen) geht aus von der Bibelstelle Matthäus 9,1: Et [Jesus] ascendens in naviculam, transfretavit, …
Zuerst heisst es, dass Schiffleute drei mühselige Beschwerlichkeiten (drey groß arbait) auszuhalten haben. Die geistliche Auslegung: So geht es allen, die ihre Sünde mit peinlichen Übungen büßen.
Erst in einem späteren Passus (ab Zeile 85) konzentriert sich der Prediger auf das Motiv der Schifffahrt und unterscheidet die vier winde der großen anfechtung: von hinten, von vorn und von beiden Seiten.
• Der fröhlich stimmende Rückenwind bedarf eines Warners wegen der Steine, an denen das Schiff zerbrechen kann; man muss sich vor dem Stein der Hochfahrt hüten, wenn die Buße glücklich gelungen scheint, demütig das Ruder in der Hand halten, und auf den Kompass achten.
• Der Gegenwind hält das Schiff auf; er bedeutet die Anfechtungen durch die Mitbewohner und Dienstboten, die einen zornig schelten; dagegen hilft der Anker der Hoffnung (Hebr 6,19).
• Der Wind von der rechten Seite lenkt das Schiff in eine falsche Richtung; er bedeutet das Lob der Leute, die uns weismachen, dass wir gottgefällig sind, wodurch unsere guten Werke verderben. Das Segel, d.h. unser Gewissen, muss am Mastbaum der rechten Vernunft befestigt sein.
• Der Wind von der linken Seite bedeutet die Geringschätzung der Leute, die uns ins "Lebermeer" [Vermutung des Herausgebers D.Sch.] abdrängt, in dem wir dann festkleben.
Wollen wir in diesen Meeresnöten bestehen, so müssen wir den Meerstern Maria* ansehen; sie lässt uns in unseren Sünden nie ertrinken.
*) Vgl. den Hymnus Ave maris stella – Anselm Salzer, Die Sinnbilder und Beiworte Mariens in der deutschen Literatur und lateinischen Hymnenpoesie des Mittelalters (1886–1894); Nachdruck: Darmstadt: wbg 1967; S 404ff.
Die Nürnberger emblematische Schiffahrtspredigt, hg. Dietrich Schmidtke in: PBB 92 (1970), S. 115–177.
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Schiff und Ruder aus neuen Materialien
Johann Andreas Pfeffel (1674–1748): Cupido benutzt seinen (etwas phallusartig aussehenden) Köcher als Boot und hält in jeder Hand einen Pfeil als Ruder:
Güldene Aepfel in silbernen Schalen, das ist, Worte geredet zu seiner Zeit über 400. Sinnbilder von allerley Zeiten und Umständen des menschlichen Lebens zur Beförderung der Erbauung heraus gegeben von Johann Andreas Pfeffel, Augspurg: Detleffsen 1746.
(Kommentar in der Münchner Emblemdatenbank: Ebenso, wie keine weiteren Hilfsmittel braucht, ein Gewässer zu überqueren, da er seinen Köcher als Boot und seine Pfeile als Ruder benutzen kann, benötigt ein tugendvoller und gottesfürchtiger Mensch nichts als seine Frömmigkeit, um mit Gottes Hilfe seinen Weg zu gehen.)
Das Emblem erinnert an die Ausführungen zu einer etwas profaneren antiken Redewendung von Erasmus in »Adagia« II, vii, 21:
Aliud genus remi Ἄλλο γένος κώπης
Eine neue Art von Ruder. Das hat man früher gesagt, wenn jemand etwas Neues und bisher noch nie Dagewesenes einführte oder wenn einer seine früheren Gewohnheiten wegschmiss und eine neue, ungewohnte Lebensweise begann. Man sagt, der Ausdruck komme daher, dass Herakles, als er zu den erytheïschen Rindern fuhr, das Löwenfell als Segel, die Keule als Mastbaum, statt Tauen die Riemen des Köchers, statt eines Ruders den Bogen, schiesslich als Schiff einen Kochkessel verwendet habe. Als die Anwohner diese wahrhaft ungewöhnliche Art der Schifffahrt erblickten, riefen sie: "Eine neue Art von Ruder!"
Desiderius Erasmus von Rotterdam, Adagia = Sprichwörter; Lateinisch –- Deutsch [Text mit Gesamtübersetzung von] Claude-Eric Descœudres, Basel: Schwabe Verlag 2012; Nummer 1621.
Die Fahrt zur sagenhaften Insel Erytheia zu den Rindern des Geryon gehört zur zehnten Arbeit des Herakles; Erasmus verweist auf Stellen bei Plutarch.
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Symbolische Demonstration der Hilfeleistung mittels einer Schiffahrt
1456 wollten die Zürcher den Straßburgern beweisen, dass sie zwecks Hilfeleistung (Städtebündnispolitik) innerhalb eines Tages dort sein konnten. Sie nahmen in ihrem Boot (Strecke: Limmat – Aare – Rhein mit den Stromschnellen bei Laufenburg) einen Topf mit heißem Hirsebreit mit, der am Ziel noch warm war. Diese Fahrt wurde am 20. Juni 1576 von 54 Bürgern wiederholt. Militärisch kann sie nicht von Belang gewesen sein – die Aktion hatte einen symbolischen Wert.
Johann Fischart (1546/7 – 1591) verfasste aus diesem Anlass das Gedicht »Das Glückhafft Schiff von Zürich«.
Das Glückhafft Schiff von Zürich. Ein Lobspruch vonn der Glücklichen vnd Wolfertigen Schiffart einer Burgerlichen Geselschafft auß Zürich auff das außgeschriben Schiessen gehn Straßburg den 21. Junij des 76. jars nicht vil erhoerter weiß vollbracht. Darzu eines Neidigen Vervnglimpfers schantlicher Schmachspruch von gedachtem Glückschiff: Samt desselbigen Notwendigem Kehrab ist gethan worden. [Straßburg: Jobin] 1577.
http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB0001BF1A00000000
Immer wieder wird auf die Beschwerlichkeit der Reise verwiesen, auf die Mühsal der Rudernden, auf ihren arbeitsamen fleiß (Vers 58; vgl. den ganzen Passus 29ff.):
Je meh von jnen der Schwais flos,
Je meh Muts jn die Rais eingoß.
Dan arbait, mühde, Schwais vnd Frost
Sind des Rums vnd der Tugend kost: [kost ≈ Aufwand, um etwas zu erreichen]
Das sind die staffeln vnd stegraif,
Darauf man zum lob steiget steif. [steif ≈ die Richtung bewahrend]
Mit müsiggang vnd gmachlichkait
Man kainen Namen nicht berait. [bereiten ≈ erschaffen, hervorbringen]
Die schimlig faulkeit vnd wollüst
Ligen vergraben inn dem Mist, […] (617ff.)
Im Gegensatz zu Jason und seine 50 Gefährten auf dem Schiff Argo half den (54) Zürcher Schiffern keine Medea mit Zaubermitteln, und das Ziel war auch kein Goldenes Vließ:
[Fischart wünscht, dass die Zürcher Schiffer] Rhumshalb empfangen,
Was der Held Jason thät erlangen
Samt seinem Schiff, Argo gehaisen,
Nämlich, das man sie lang mög preisen,
Diweil sie vnterstunden mehr,
Als des Jasons Gselschaft zu Mör, [Meer]
Bedacht, das sie kain bhelf nicht haten [behelf ≈ nützliche Hilfe]
Von Winden, die sie treiben thaten,
Noch Segeln, die sich treiben lisen,
Davon wie ain Delphin zuschiesen,
Sonder durch kecken Mut allein
Vnd vbung starker Arm vnd Bain
Fuhren sie als vom Windsgewalt
Vnd als von Segeln fortgeschalt. [schalten ≈ bewegen eines Schiffs]
Auch sinds nach kainem Gold geraißt,
(Wie solchs das Gulden Vellus haißt),
Sonder nach Rum vnd Freuntschaft ehrlich,
Das war jr Gulden Wider herlich,
Vnd haben solchs fridlich ersigt,
Nit wie jene durch gwalt erkrigt. [durch Krieg erlangt]
Drum hat meh Rum die Zürchisch freuntschaft,
Dan die Jasonisch Argisch gmainschaft. (1145–1166)
Edition von Karl Halling 1828 [mit Worterklärungen]
>
https://www.projekt-gutenberg.org/fischart/schiff/chap002.html
Jakob Bächtold, Das glückhafte Schiff von Zürich nach den Quellen des Jahres 1576, Zürich: Orell, Füssli 1880. [Literarhistorische Situierung in der Einleitung]
https://www.digitale-sammlungen.de/de/details/bsb11469424
Johann Fischart, Das Glückhafte Schiff von Zürich (1577), hg. von Georg Baesecke, Niemeyer 1901 [Ergänzungen zu Bächtold]
> https://archive.org/details/bub_gb_tD8aAAAAYAAJ
Ausgabe hg. von Alois Haas, Reclams UB 1951, Stuttgart 1967.
Thomas Sprecher, Geschichte der Zunft zur Schiffleuten von Zürich, Küsnacht 2017. Band 1, S. 168–197
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Die Ratten verlasen das sinkende Schiff
Gemäß dem Versailler Vertrag musste das Deutsche Reich Elsass-Lothringen an Frankreich, Teile Ostpreussens an Polen, Nordschleswig an Dänemark abtreten.
»Der Wahre Jacob«, November 1918, Nr. 843
> https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/wj1918/0185
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Mutiges Wagnis trotz Gegenwind
Daniel Casper von Lohenstein (1635–1683), »Cleopatra«. Breßlaw 1661.
Die erste Abhandlung: Antonius hält mit seinen Kriegs-Obersten Rath / ob er dem Octavio Augusto, welcher ihn in Alexandria belägerte / durch fernern Außfall / oder nur innere Gegenwehre begegnen solle.
Verse 27ff. ANTONIUS:
Jedoch / wie / wenn der Mast schon auf den Klippen springet /
Wenn schon das blaue Saltz sich in die Ritze dringet
Wenn der verterbte Nord den morschen Kahn zerschleifft /
Der Boßmann für sein Schiff ein schmales Brett' ergreifft
Für's Ruder braucht den Arm / zum Ancker Bein und Füsse /
Die Hoffnung zum Compaß: so muß die sauren bisse
Deß scheuternden Gelücks / den Schiffbruch seiner Macht
Auf diese Zeit Anton sein außzustehn bedacht.
Anton muß / wenn di Flutt ihm biß zur Lippe* rinnet /
Versuchen was er kan. Anton ist noch gesinnet
Zu wagen / was ihm Sturm und Schiffbruch übrig läßt.
Anton ist noch behertzt / wo seiner Freunde Rest
Die Farbe nicht verlihrt / den letzten Sturm zu wagen.
*) die Enden zweier zusammengefügter Hölzer am Schiff
> https://www.projekt-gutenberg.org/lohenstn/cleopatr/cleopa11.html
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Lavieren
Zur politischen Klugheit gehörte während Jahrhunderten die Regel: Um bei widrigen Umständen dennoch zum Ziel zu gelangen, muss der Hofmann (mit einer noch heute gebräuchlichen Metapher) ›lavieren‹ können. Das Wort ›lavieren‹ kommt aus der Segeltechnik, wo es meint: ›gegen den Wind kreuzen‹ oder auch ›günstige Winde abwarten‹; vgl. Grimm, DWB s.v.
Aus: Wie funktioniert das? Meyers erklärte Technik Band 1, Mannheim: Bibliograph. Institut 1963, S. 677.
Diego de Saavedra Fajardo [1584-1648], Idea de un principe politico christiano, En Monaco: Nicolao Enrico 1640:
Symbolum XXXVI. In contraria ducet (≈ Er wird in entgegengesetzte Richtung steuern)
(Man beachte, dass die Segel sich gegen die Fahrtrichtung – der Bug ist rechts – blähen! )
A navegar con cualquier viento. — No navega el diestro y experto piloto al arbitrio del viento, antes, valiéndose de su fuerza, de tal suerte dispone las velas de su bajel que le llevan al puerto que desea, y con un mismo viento orza a una de dos partes opuestas (como mejor le está) sin perder su viaje. (Bild digital hier / Texte digital OCR)
Ein erfahrner verschlagener Schifman/ der fähret nit alzeit mit dem windt/ ja durch hülfe desselbigen weiß er seine segel also zu wenden/ das er an den gewünschten ort gelanget/ vnd also mit einem windt/ wo es im am meisten geliebet/ kan er sein Schif nach Osten oder Westen fuhren/ ohne große reisekosten.
[…] Nicht mit minderm fleiß vnd aufsicht muß der Fürst das Schiflein der gemeine auf der windigen See seines Reichs regieren/ vnd auf alle vngewitter klüglich achtung geben/ auf daß er sich deroselbigen wiße zu gebrauchen/ vnd mit ein Helden gemuth nach zeit vnd ort sich nach dehnen richte. Er betrit daß ambt eines Stewrmans/ dessen trew/ glauben/ vnd aller wolfart anbefohlen worden/ vnd ist kein Schiff so gefährlich/ als die Krön welche so vielen winden des ehrgeitzes/ so vielen klippen der Feinden/ vnd so vielen vngewittern des Volcks vnterworfen ist. […] vnterweilen gelangt einer eher mit sturm an den gewünschten ort/ als durch gut wetter; Wer da gelernet hat die Wellen des wiederigen glucks zu brechen/ der macht im solche zur freündin […].
Wo ein schiffer merckt/ das er nit mag den wellen widerstehen/ da last er sich treiben/ vnd zihet seine segel ein/ vnd weil er mit seinem widerstandt nur dem windt seine macht vermehret/ als begint er sich in einen engen ort/ damit das Schiff ruhe/ vnd sich auß dem wasser erhöbe: man muß den gefahrligkeiten was nachgeben/ damit man endtlich auß denselbigen gerathe. [Es folgen über mehrere Seiten Beispiele aus der Geschichte]
Der deutsche Text hier aus: Ein Abriss Eines Christlich-Politischen Printzens, In CI. Sinn-bildern und mercklichen Symbolischen Sprüchen gestelt / von A. Didaco Saavedra Faxardo ... Zu vor auß dem Spanischen ins Lateinisch; nun ins Deutsch versetzt, Zu Amsterdam, Bey Johann Janßonio, dem Jüngern, 1655.
Baltasar Gracián schreibt 1647:
Ein weiser Mann […] bescheidet sich/ daß er bey dem auff ihn stürmenden Ungestüm/ eben als wie ein kluger Steuermann laviren und den Sturm mit Gedult aushalten müsse. Auff der See menschlichen Lebens ereignen sich vielerley Stürme und Ungewitter/ […] (»Handorakel« Maxime CXXXVI).
Der das Hofleben aus eigener Anschauung kennende und stets kritisierende Toggenburger Dichter Johann Grob (1643–1697):
Vergleichung des hoflebens mit der schiffahrt
Das meer läufft auf und ab und wil nicht jeden leiden/
So geht es auch zu hof’/ ach da muß mancher scheiden:
Das meer ist halber salz; zu hof ist scharfe lehr’/
Und wer daselbsten lebt/ der schifft auf wilden meer.
Ein höfling spannet stets die segel nach den winden/
Wer solches nicht versteht/ der bleibet weit dahinden/
Doch ist ein guter theil/ so nicht laviren kan/
Den häftet mitlerzeit der hofungsanker an.
Man wil nach Laplands art auch wol die winde lauffen/
Wenn nur kein geld gebricht: man muß oft dapfer sauffen/
Wan gleich kein schifbruch ist/ was seekrank heiß’/ und sei/
Wohnt/ wan es also kömt/ dem meisten hauffen bei.
Die klipen des verdachts/ des neides grosse wellen/
Die pflegen manches schiff urplözlich um zu fellen:
Das glük ist wankelbar/ und braucht den alten schlag/
Drum seüme keiner nicht/ wer füglich länden mag.
Dichterische Versuchgabe bestehend in teutschen und lateinischen Auffschriften, wie auch etlichen Stimmgedichten oder Liederen. Den Liebhaberen poetischer Früchte aufgetragen / von Johann Groben, Gedruckt zu Basel bei Johann Brandmüller, im Jahr 1678; Anderes Buch, Nummer 154.
> https://doi.org/10.3931/e-rara-78709
Die Christliche Gedult ist zu Schiff unterwegs zum Vaterland, augestattet mit Glaube, Lieb (das Segel), dem Christlichen Leben (das Ruder); als Kompass das Wort Gottes.
- Der Teuffel schießt die Pfeile Anfechtung, Sünde, Irrsal;
- die Welt schießt Verfolgung, Schmach, Untrew;
- der Tod schießt Hunger, Kanckheit, Das alter.
Die Waffen der drei Schützen werden aber durch den Herrgott unter Kontrolle gehalten.
Das Segel der Liebe scheint Gegenwind zu haben (Wer bläst? Das wird aus dem Begleittext von Hans Sachs nicht ersichtlich). Aber das entmutigt die Gedult nicht, dem Vaterland zuzusteuern.
Holzschnitt eines unbekannten Meisters in: [Rudolf Zacharias Becker], Hans Sachs im Gewande seiner Zeit, oder Gedichte dieses Meistersängers. In derselben Gestalt wie sie zuerst auf einzelne, mit Holzschnitten verzierte Bogen gedruckt, […], Gotha: Becker 1821; Tafel XII. (Der in Knittelversen formulierte Text hier weggelassen.)
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Schiffs-Kanzeln in Kirchen
In mehreren barocken Kirchen ist die Kanzel in Form eines Schiffs ausgebildet.
Der biblische Hintergrund: An zwei Stellen wird im NT erzählt, dass Jesus von einem Boot aus predigt: Matthäus 13,1 und Lukas 5,1–11.
Kupferstich von Gerard de Jode (ca. 1511 – 1591) (datiert: 1568); wiederholt von Claes Jansz. Visscher (1587–1652). — Oben rechts: der Inhalt der Predigt: das Gleichnis vom Sämann.
Bei Lukas: Nachdem Simon Petrus auf Anraten von Jesus ins tiefe Wasser fährt und dort wunderbarerweise eine Menge Fische fängt, sagt Jesus zu dem das Wunder erkennenden Simon Petrus: Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen. — So sollen es jetzt auch die Prediger tun.
Pfarrkirche Fischlham; Quelle: Wikimedia commons, s.v. Boat-shaped pulpits
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Wo Überdruss, da auch Verdruss
Eine Devise für Heinrich II. von Portugal (1334–1379): Ein reich-beladenes Schiff mit ausgespannten Segeln im Meer, dem ein Delphin ›mitspielt‹ [alludit evtl. doppeldeutig; lat. alludo vom Wasser auch: an etwas schlagen], mit diesem sprichwörtlichen Zusatz: VBER ET TVBER:
Salomon Neugebauer, Selectorum Symbolorum Heroicorum Centuria Gemina, Francofurti: Iennis, 1619.
> http://diglib.hab.de/purl.php?dir=drucke/405-quod-2s&image=00169
Text unter dem Bild: Wer dieses Symbol richtig zu erfassen und den inneren Sinn zu durchschauen wünscht, muss die Geschichte des Königs recht genau kennen. Mach dich also an die Jahrbücher, wer immer du hier zu Gast bist. Da zeigt sich, wenn nicht alles täuscht, einmal die Prosperität des Reichs, das zu übernehmen er damals berufen war, und seine wertvollen Schätze, aber verbunden mit ebensolcher Schwierigkeit des Regierens oder Grösse der Gefahren, wie sie Könige immer gewärtigen müssen.
Die Devise VBER ET TVBER bezieht sich auf das Sprichwort ubi uber, ibi tuber (Apuleius, »Florida« ¶ 18,11), wo steht: Aber es ist schon ein wahres Wort, wenn man sagt, dass dem Menschen nichts so Günstiges von Gott gegeben sei, dass dem nicht doch etwas an Widrigkeit beigemengt wäre, sodass auch in jeder noch so grossen Freude eine klitzekleine Unzufriedenheit übrigbleibt, wie bei einer Verbindung von mel und fel (von Honig und Galle): wo uber, da tuber [wörtlich: wo Euter, da Geschwulst].
Vgl. die (witzige!) Übersetzung: Wer will haben genieß, der muss auch haben verdrieß (Georg Henisch, Teütsche Sprach vnd Weißheit. Thesaurus linguae et sapientiae germanicae. Augsburg 1616, Spalte 751). — Danke, Thomas, für die Übersetzungen von Neugebauer und Apuleius!
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Schiffbruch mit Zuschauer
••• Cicero schreibt nach seiner Ächtung zornig an Atticus (im Jahr 59):
iam pridem gubernare me taedebat, etiam cum licebat; nunc vero cum cogar exire de navi non abiectis sed ereptis gubernaculis, cupio istorum naufragia ex terra intueri, cupio, ...
≈ Schon lange ekelte es mich an, das Steuer zu führen [als Konsul], auch als ich noch durfte. Jetzt aber, wo ich von Bord zu gehen gezwungen werde, nicht weil ich das Steuer aus der Hand gegeben habe, sondern weil man es mir entrissen hat, möchte ich ihrem Schiffbruch vom Land aus zuschauen.
>
https://www.thelatinlibrary.com/cicero/att2.shtml#7 (Brief II,vii,4)
••• Ziel von Lukrez (Titus Lucretius Carus, ca. 94 – ca. 55 v.u.Z.) ist u.a. die ataraxia = Seelenruhe, d.h. die Ausschaltung von Angst, von Affekten, die durch den seiner Meinung nach unsinnigen Glauben an Mythen und die Propagierung von Götterfurcht entstehen. Ferner: Die Welt wie auch alle Lebewesen bestehen aus zufälligerweise zusammengeratenen kleinsten Teilchen; einige dieser vielgestaltigen Gebilde sind lebensmächtig, andere zerfallen wieder. Es gibt kein Ziel (aristotelisches telos). Nil igitur mors est ad nos (III,830). Der wahre Philosoph betrachtet dies affektfrei.
Vor diesem Hintergrund ist der Beginn des 2.Buchs von »De rerum natura« zu verstehen:
Suave, mari magno turbantibus aequora ventis
e terra magnum alterius spectare laborem;
non quia vexari quemquamst iucunda voluptas,
sed quibus ipse malis careas quia cernere suave est.
Süß ist’s anderer Noth bei tobendem Kampfe der Winde
Auf hochwogigem Meer, vom fernen Ufer zu schauen;
Nicht als könnte man sich am Unfall andrer ergötzen,
Sondern dieweil man es sieht, von welcher Bedrängniß man frei ist.
Der Übersetzer Karl Ludwig von Knebel (1744–1834) nennt sich erst auf dem Titel der 2.verb. Auflage 1831; erste Auflage Leipzig: Göschen 1821.
Die Texstelle wurde häufig – oft in sehr zynischem Sinne und gelegentlich falsch verstanden – zitiert, vgl. dazu Hans Blumenberg, Schiffbruch mit Zuschauer. Paradigmen einer Daseinsmetapher, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1979 (stw 289).
••• Johann Gottfried Herder (1744–1803)
Wir könnten der Französischen Revolution wie einem Schiffbruch auf offenem, fremden Meer vom sichern Ufer herab zusehen, falls unser böser Genius uns nicht selbst wider Willen ins Meer stürzte. (Sämtl.Werke ed. Suphan XVIII 314ff.)
••• Hier eine Variante: Johann Joachim Ewald (1727 bis nach 1762)
Der Sturm
Es wird auf einmahl Nacht, die Winde heulen laut,
Und Himmel, Meer und Grund wird wie vermengt geschaut.
Das Schiff fliegt Sternen zu, stürzt wieder tief herab,
Läufft unter Wellen fort, sieht um sich nichts als Grab,
Hier blitzt, dort donnert es, der ganze Aether stürmt,
Die Fluten sind auf Flut, und Wolk auf Wolk gethürmt,
Das Schiff zerscheitert itzt, und mir ... ist nichts geschehn,
Weil ich dem Sturme nur vom Ufer zugesehn.
Ähnlich im Emblembuch von Guillaume de La Perrière (1499–1565) über den homme sage:
Genau so, wie man das Meer nicht schwellen sieht, wenn es regnet oder hagelt, so wird auch der Zufall den weisen Menschen weder erschrecken noch erregen. (Henkel/Schöne)
La morosophie de Guillaume de la Perriere, Contenant Cent Emblemes moraux, illustrez de Cent Tetrastiques Latins, reduitz en autant de Quatrains Françoys A Lyon, Par Macé Bonhomme 1553.
> https://archive.org/details/gri_33125008244523
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Beim Schiffbruch zuschaun führt zum Lob Gottes
Barthold Heinrich Brockes (1680–1747) schaut einem Schiffbruch auch zu, kommt dabei aber auf ganz andere Gedanken:
Entdeckte Merkmahle der Gottheit im Meere.
Indem ich jüngst, bey starkem Sturm, allein am Meeres-Strande stand,
Betrachtet’ ich die rege Fläche. Ich sah die Brandungen der Wellen
Aus ihren Tiefen sich erhöhn, sich bäumen, wallen, brausen, schwellen,
Mit einem knirschenden Geräusch, ja recht, mit einem heisern Bellen,
Das Ufer zu verschlingen drohn, und auf den widersteh’nden Strand
Beschäumt von oben abwerts stürzen, bald aber wieder rückwärts fliehn,
Und, von der Tief’ als eingeschlurft, oft selbst die Steine mit sich ziehn,
Den plötzlich überschwemmten Sand entblößt, verödet, schnell verlassen,
Bald aber, wie sie ihn aufs neu bedeckten, überstürzten, frassen.
Es schwamm, mit diesen regen Bergen, mein oft mitweggerißner Blick,
Vom Ufer ab und in die Tiefe, bald plötzlich wiederum zurück.
Nachdem ich nun auf diesen Ufern, der wilden Fluht verhaßten Banden,
Mit ganz vom Sturm zerzausten Haar, besprützet, lange still gestanden,
Und das entsetzliche Gefühl der aufgebrachten Wasser-Welt,
(Die flüchtgen Berge steiler Wellen, der weiß-beschäumten Wogen Wanken,)
Mir, durch das schwindelnde Gesicht; den gleichfalls schwindelnden Gedanken
Hingegen, die verborgene Tiefen, und dunkle Schlünde vorgestellt:
Entsetzte sich mein ganzes Wesen, des weiten Meeres Fläch' und Schooß
War, meinem überwogenen Sinn, zu weit, zu fürchterlich, zu groß.
Doch da die ungeheure Last der Wasser meine Seele beugte,
Erhöhete sie mich zugleich, indem sie mir den wahren Grund,
Den ew’gen Urquell aller Fluhten, den Born, woraus das Meer entstund,
Der es im Schlauch gefaßt, regiert und lenkt, die wahre Gottheit zeigte,
Wobey doch mein erstaunter Geist nichts, als nur dieses, seufzen kunt':
Ew’iger Urstand aller Dinge! HErr! vor welchem alle Meere
Wie ein Tropfen in dem Eimer*, Dir allein sei Preis und Ehre!
Barthold Heinrich Brockes: Jrdisches Vergnügen in Gott. Siebender Theil, Hamburg 1743, S.109f.
*) wie ein Tropff so im eimer bleibt aus Jesaia 40,15 (Lutherbibel 1545); vgl. Klopstocks Ode »Die Frühlingsfeyer« (1771): Tropfen am Eimer.
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In der erbosten Welt-Flut
Johann Georg Schoch (1627–1690)
Tanqvam navis in profundo
1.
Was ist die Welt mit ihrer Pracht?
Jhr Thun? darauff Sie Tag und Nacht
Die stoltz-erhabnen Sinne wendet.
Des Hochmuths auffgeblaßner Nord
Macht / daß man nie zur Tugend Port
Die ausgeworffne Barcke lendet.
2.
Die Welt ist die erbooßte Fluht /
Die Wellen-Berge Menschen-Bluth /
Begürdens Ost pflegt uns an Klippen
Den Felß der Wollust anzuwehn /
Daran wir offt zu scheidern gehn /
Wenn sie uns Krachend rückwerts schippen.
3.
Hat Hoffnung Flacken auffgesteckt
Vnd seinen Mast empor gereckt /
Lest auch der Seufftzer Seegel fliegen;
Verschlägt sie offt ein trüber Wind /
Daß sie nicht wissen wo sie sind /
Wo Mast und Tau und Ruder liegen.
4.
Wird uns einmal ein Sonnenschein /
So mag man nur gewärtig seyn /
Der Abend stimme nicht zum Morgen;
Jst guter Wind / das Wetter klar /
So hat man desto eh Gefahr
Vnd Vngewitter zu besorgen.
5.
Verzweifflung treibt den schwancken Kahn
An die verborgnen Scheren an /
Vnd macht ihn fest auff seichten Bancken.
Die Tieffen seynd der Vnbestand /
Der böß-Gewissens Trübbe-Sand
Weicht aus des Hoffnung Anckers Zancken.
6.
Der Geist ist Schiff- und Steuermann /
Schwingt er sich schon biß Wolcken an /
Vmb Kunst und Weißheit nachzustellen /
Vnd hält der Ehren Steuer-Holtz /
Doch hat er eignen Ruhm und Stoltz /
Vnd Neid zu schlimmen Boo<t>ß-gesellen.
7.
Vernunfft ist Bleywurff und Compas /
Die Schrifften Helena / und was
Pollux und Castor seynd bey Nachte:
Doch aber beihth Witz und Verstand
Dem müden Schiffer nicht die Hand /
So wallt das Schiff auch trefflich sachte.
Vernunft ist Lot und Kompass, die <Kenntnisse aus> Schriften <sind>, was Helena, Pollux und Castor sind bei Nacht, <nämlich Leitsterne>: wenn indessen Witz und Verstand dem müden Schiffer nicht die Hand bieten, <dass er selber steuern kann>, so geht das Lebensschiff doch gemächlich seinen Weg.
8.
Vnd haben wir nun manchen Straus /
Vnd manchen Sturm gestanden aus /
So kömmt das letzte Vngewitter /
Das wirfft die krancken Blancken ein /
Vnd was wir vor gewesen seyn /
Das zeugen nur noch wenig Splitter.
9.
Wer wolte denn mit frohem Muth
Nicht rückwerts lassen See und Fluth
Vnd nicht an stille Haffen lenden.
Mein Wundsch geht nach der Ewigkeit /
Vnd wie ich möchte mit der Zeit
Nach wundsche meine Reise enden.
Johann Georg Schoch, Neu=erbaueter Lust= und Blumengarten, Leipzig 1660. Das XC. Lied.
Eine zopfweise aus Bildbereich und Sachbereich (Tugenden/Laster) gemischte Allegorie. (Hier als Lesehilfe einige Ausdrücke eingefärbt.)
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Periclitor — ich bin gefährdet
Bei Daniel Cramer (1568–1637) hat das Herz als Schiff eine Muschel (concha):
Ich leide Gefahr.
Gleich wie ein Schiff in Wassernoth
Schwebt vff dem wilden Meer:
mein Hertz in Angst vnt Todt
Muß leiden groß Gefahr.
Les ondes & les vents ma pauvre nef combattent,
Horribles turbillions incessament la battent:
Mais tous ces grans efforts ne sont pour l’enforcer
Cependant qu’ en Iesus mon coeur peult esperer.
Emblemata sacra: hoc est, decades quinque emblematum ex sacra scriptura, de dulcissimo nomine & cruce Jesu Christi, figuris aeneis incisorum ... Francofurti: Sumptibus Lucae Jennisi 1624.
>
https://archive.org/details/emblematasacraho00cram/page/n67/mode/2up
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Das Kreuz als Mastbaum am Schiff des Lebens auf dem Meer der Welt
• Honorius Augustodunensis († 1150/51) »Scala cœli major«, Caput primum:
DISCIPULUS. Quid inter sedulae disputationis documenta te crebro navem vitae vel scalam coeli introducere audio? Quid sibi illa vocabula velint, edicito. MAGISTER. A patria paradisi quasi in colliminio cujusdam maris separamur, et in hoc mundo quasi in quadam insula peregrinamur. Mare est hoc saeculum multis amaritudinibus turbidum; navis est Christiana religio, velum fides, arbor crux, funes opera, gubernaculum discretio, ventus Spiritus sanctus, portus aeterna requies; hujuscemodi nave pelagus saeculi hujus transitur; et ad patriam aeternae vitae reditur.
Patrologia Latina 172,1230
Was ist der Grund, dass ich dich als Beweisstücke in unserer eifrigen Diskussion häufig das Schiff des Lebens oder die Leiter zum Himmel anführen höre? Was es mit diesen Begriffen auf sich hat, erläutere mir bitte. — Von unserer Heimat, dem Paradies, werden wir wie am Saum eines Meeres ferngehalten, und wir wandern in dieser Welt wie auf einer Art Insel umher. Das Meer ist das Diesseits und von vielen Bitternissen getrübt; das Schiff ist der christliche Glaube, das Segel das Gottvertrauen, der Mast das Kreuz, die Taue die guten Werke, das Steuer ist das Gewissen, der Wind der Heilige Geist, der Hafen die ewige Ruhe; mit einem so beschaffenen Schiff durchquert man den Ozean dieser Welt und kehrt zur Heimat, zum ewigen Leben zurück. (Danke Thomas G. für die Übersetzung!)
• Die Vorstellung begegnet in der deutschen Dichtung zuerst im Hymnus »Cantilena de miraculis Christi« von Ezzo (Amtszeit 1057–1065); [Handschrift V]:
O crux salvatoris,
du unser segelgerte bist, [Segelmast]
disiu werlt elliu ist daz meri,
min trehtin segel* unde vere, [Fährmann]
diu rehten werch unser segelseil,
diu rihtent uns di vart heim.
der segel deist [das ist] der ware geloube,
der hilfet uns zuo der wole.
der heilige atem [vgl. lat. spiritus] ist der wint,
der vuoret unsih an den rechten sint. [Kurs]
himelriche ist unser heimuot,
da sculen wir lenten [landen] gote lob.
*) Es wurde auch vorgeschlagen, statt segel das sonst fehlende ruoder zu emendieren.
Kleinere deutsche Gedichte des 11. und 12. Jhs., hg. Werner Schröder, (ATB 71/72), Tübingen 1972; Band I, S.10ff. Strophe 33 [!], Verse 395ff.
Hans Neumann, Die Schiffsallegorie im Ezzoliede, in: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen; Philolog.-Histor.Klasse 1960, S. 1–18.
Christoph Lange, Das Ezzo-Lied in der Vorauer Überlieferung. Text, Übersetzung und Kommentar, Erlangen: Palm und Enke 2005 (Erlanger Studien 133), S.210–215.
Sieben Elemente aus dem nautischen Bereich werden allegorisch auf sieben Elemente aus dem religiösen Bereich bezogen. (Ein Beispiel ist im Text eingefärbt.)
• Winandus de Stega, Adamas colluctantium aquilarum (Süddeutschland, 1419/1420)
Am Steuer sitzt Gottvater; zwei Engel bedienen Ruder; als Mastbaum ragt das Kreuz empor; an ihm hängt ein Segel, auf dem die vier Evangelistenattribute gemalt sind; die Passagiere stammen aus allen Ständen.
Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 412; fol. 65r.
> https://doi.org/10.11588/diglit.9723#0009
Vgl. ferner hier das Bild aus einem italienischen Breviar um 1475:
The Morgan Library & Museum MS M.799 fol. 234v
> http://ica.themorgan.org/manuscript/page/33/145066
Was ist diß elend Leben? ein breites Jammer-Meer …
Passions-Schiff / Auf welchen alle Christen / vermittelst wahren Glaubens / durch diß Threnen-Thal in das gelobte Vatterland / segeln können, Nürnberg: Paul Fürst [ohne Jahresangabe, ca. 1650].
Nürnberg GNM 24669/1337
> https://commons.wikimedia.org/wiki/File:23_676666M.jpg
Links im Bild: Mond, Gewitter, gefährliche Klippe
rechts in Fahrtrichtung: Sonnenschein, die fünf Quellen aus dem Felsen sollen an die fünf Wunden Jesu erinnern;
unten im Meer schwimmen teuflische Wassertiere und der Tod mit Sanduhr und Sense.
Besatzung: die drei theologischen Tugenden (1. Kor. 13,13) v.l.n.r. Glaube – Hoffnung – Liebe
Der Schiffmast ist das Kreuz Christi mit den sog. "arma Christi" (Leidenswerkzeuge während der Passion), die Creutz-Schrifft I.N.R.I. ist die Flagge
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Das Friedens-Schiff 1661
1648 beendete der Westfälische Friede den Dreissigjährigen Krieg. Die Stadt Augsburg wurde wieder paritätisch. Die evangelische Bevölkerung feierte am 8. August 1650 ihr erstes »Hohes Friedensfest« zum Dank dafür, dass ihr wieder volle Religionsfreiheit garantiert war. Es entwickelte sich der Brauch, den Schulkindern zum Fest sog. Friedensgemälde zu überreichen: große Kupferstiche mit beigedruckten Sinngedichten und Gebeten. Erhalten ist eine Folge von 138 graphischen Blättern bis zum Jahr 1789. Neben allegorischen Darstellungen werden seit 1668 vor allem biblische Ereignisse illustriert.
Horst Jesse: Friedensgemälde 1650–1789. Zum Hohen Friedensfest am 8. August in Augsburg. Pfaffenhofen a.d. Ilm: W. Ludwig Verlag 1981. (Reproduktion aller Blätter bis 1789 mit guter Einleitung)
Friedens-Gemähld/ Für die Evangelische Schul-jugend in Augspurg/ bey widerholtem Danck- und Friedens-Fest/ den 8. Augusti Anno 1661 außgetheilet.
Soll ein Schiff auf wildem Meer/ so mit Waaren ist beladen/
Und von Wellen wird getriben/ von eim zu dem andern Ort/
Nicht ins Abgrunds Tieffe sincken/ oder sonsteren nehmen schaden/
Sondern glücklich und mit freuden/ kommen an erwünschten Port/
Muß es einen Steürmann haben/ der es wisse zu regieren/
Einen Mastbaum/ als auff welchem Segel werden außgespant/
Guten Wind/ der muß das Schiff treiben/ fort und fortwarts führen/
Starcke Sailer/ feste Ancker/ daß mans heffte an das Land/
die im Schiffe müssen auch emsiglich zusammen tretten/ [……]
Der Dreyeinig Friedens-Gott/ der den Frieden hat gegeben/
Der in Wolcken sich erzeigt/ Der im Schiffe oben ist/
Der zu höchst den Mastbaum zieret/ und thut über alles Weben/
Der ist Steürmann und Patron in dem Schiff zu aller frist/
Daß der Mastbaum mit den Segeln/ in dem Schiff so feste stehet/
Das macht Hoffnung und der Glaub /samt der ungefälschten Lieb/
Die Ihn mit den Sailern halten/ ob der Wind schon grausam wehet/
Ob die Wellen schon starck brausen/ und es allenthalben trüb. […]
Scan des ganzen Texts hier
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Das Schiff der Kirche
Bezugstext für die Symbolik der Kirche als Schiff ist
Matthäusevangelium 8,23–26 (Einheitsübersetzung) Und siehe, es erhob sich auf dem See ein gewaltiger Sturm, sodass das Boot von den Wellen überflutet wurde. Jesus aber schlief. Da traten die Jünger zu ihm und weckten ihn; sie riefen: Herr, rette uns, wir gehen zugrunde! Er sagte zu ihnen: Warum habt ihr solche Angst, ihr Kleingläubigen? Dann stand er auf, drohte den Winden und dem See und es trat völlige Stille ein. Die Menschen aber staunten und sagten: Was für einer ist dieser, dass ihm sogar die Winde und der See gehorchen? (Vgl. Markus 4,35–41; Lukas 8,22–25)
Holzschnitt von [Tobias Stimmer und?] Christoph Murer (1558–1614):
aus: Sacra Biblia: das ist die gantze H. Schrifft Alten und Newen Testaments nach der letzten römischen Sixtiner Edition, ... mit Fleiss ubergesetzt durch den ehrwirdigen und hochgelehrten Herren Casparum Ulenbergium … Gedruckt zu Cöln durch Johannem Kreps 1630.
Radierung von Conrad Meyer (1618–1689) aus: Des Newen Testaments unsers Herren Jesu Christi fornembste Historien und Offenbarungen / in Kupffer gebracht durch Conrad Meyer, Mahlern in Zürich, [Selbstverlag, undatiert, 1636–1666].
Das Meer ist ungestumm der HERR in deß entnuckt [eingeschlafen]
Weck Christum durch s’Gebätt, so offt die not dich truckt.
Kupferstich von Bernard Picart (1673–1733):
Taferelen der voornaamste geschiedenissen van het Oude en Nieuwe Testament, En andere boeken, bij de heilige schrift gevoegt, door de vermaarde kunstenaars Hoet, Houbraken, en Picart getekent, en van de beste meesters in koper gesneden, en met beschrijvingen uitgebreid. ’s Graavenhaage: Pieter de Hondt 1728.
Soweit die Bibel-Illustrationen.
Dazu schreibt Tertullian (160–220), »De baptismo«, Kap. 12:
Übrigens diente jenes Schifflein als Sinnbild der Kirche, weil sie im Meere, d. h. in der Welt – von den Wogen, d. h. durch die Verfolgungen und Versuchungen, beunruhigt wird, indem der Herr in seiner Nachsicht gleichsam schläft, bis er, durch die Gebete der Heiligen zuletzt aufgeweckt, die Welt bändigt und den Seinigen die Ruhe wieder schenkt.
Philipp Ehrenreich Wider (1623–1684) wendet das (ältere*) Motto Premitur, non opprimitur auf dieses Geschehen an und bezieht es auf das Schiff der Kirche:
Evangelische Sinn-Bilder/ Auf alle Sonn- hohe Fest- und Apostel-Täg/ vollkommenlich durch das gantze Jahr; in beygefügter Hauptlehr/ und dem dazu gehörigen nützlichen Gebrauch zur Vermahnung/ Warnung/ Erinnerung und Trost; Mit annehmlichen Erfindungen/ nützlichen Historien/ der H. Schrifft und Kirchen-Väter Sprüchen und Gleichnussen, Nürnberg: Tauber, 1662.
>
http://diglib.hab.de/drucke/th-2821/start
Ausgabe Frankfurt: Zubrodt 1671 (hier S. 109ff.):
> https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bvb:29-bv039756635-8
*) Das Motto Veritas premitur, non opprimitur verwendeten Rollenhagen & de Passe im zweiten Hundert ihres Emblembuchs (1613; Nummer 38) mit Bild der Palme, deren Krone mit einem Brett beschwert wird, die aber weiter wächst: Die Wahrheit lässt sich bedrängen, aber nicht unterdrücken.
Das Bild der Palme ... verwendet bereits Alciato (1531); hier indessen wird das Phänomen gedeutet als: Man solle dem Bösen widerstehen.
In der Reformationszeit gerät das Schiff der Kirche in einen besonderen Sturm:
Joseph Grünpeck (1489 zum Dichter gekrönt; vgl. https://www.deutsche-biographie.de/sfz24235.html)
Spiegel der naturlichen, himlischen und prophetischen sehungen aller trübsalen … durch Joseph Grünpeck beschriben, Leypßk: Wolffgang Stöckel 1522
> https://mdz-nbn-resolving.de/bsb00086359
Johannes Lichtenberger, Practica und Pronostication, [Augsburg] 1526:
Die Kirch im schiff mit jren riemen genaigt...
[Es wird] dem schiflein sant Peters/ etliche ferligkait villeicht zuokomen/ Es wirt laider das yetzgenant schiflein geiaget hin vnd wider/ mit mancherlay betrüebnus/ verfolgung vnd raitzung […] Doch wissen wir wol das das schiflein sant Peters nit vnnder geet/ wiewol es in vilen stürmen vnd schlegen des möres vnd der windt offt wider vnd für geworffen wirt.
> http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00029525/image_19
Friedrich von Logau, Deutsche Sinn=Sinngetichte, 1654 (Erstes Tausend, Viertes Hundert, Nr. 88):
Die Welt ist wie das Meer; ihr Leben ist gar bitter;
Der Teuffel machet Sturm; die Sünden Ungewitter;
Drauff ist die Kirch ein Schiff; vnd Christus Steuer-Mann;
Sein Segel ist die Rew; das Creutze seine Fahn;
Der Wind ist Gottes Geist; der Ancker das Vertrauen/
Dadurch man hier kan stehn vnd dort im Port sich schauen.
Das Schepken Christi ist zum Signet der Ev.-ref. Kirche Bayerns und Nordwestdeutschlands (mit Sitz in Leer) geworden. Es geht auf die Darstellung des rettenden Schiffs über einem Portal der ehemaligen Großen Kirche Emden zurück. 1660 brachten Glaubensflüchtlinge aus den Niederlanden das Relief an der Kirche an; es überstand in situ die schweren Zerstörungen des 2. Weltkriegs. (Vgl. den Beitrag von Rosa Micus)
Selbstverständlich verwenden auch die Katholiken diese Symbolik: Pieter Van Der Borcht, Het schip van de strijdbare katholieke kerk Navis Ecclesiae Militantis (ca. 1560)
> http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.442671
1762 bauen die Jesuiten das Bild zu einer umfangreichen Allegorie aus; hier nur ein Ausschnitt: die Ruderer
> Wiki Commons
> http://hdl.handle.net/10934/RM0001.COLLECT.442675
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Wider den Kleinmut
Guillaume de la Perrière, Theatre des bons engins, Paris: Denis Janot [1544]
> https://www.emblems.arts.gla.ac.uk/french/emblem.php?id=FLPa043
XLIII.
VErtu de bras fait voguer la gallée [galère],
Malgré des vents, ses forces, & renforts.
Ce que nous fait demonstrance assez claire,
De ceulx, qui ont les couraiges peu forts.
Si d’adventure on n’est par ses efforts,
Du premier coup parvenu, ou l’on tend,
Sans desespoir, osté ce qu’on pretend,
Par aultre endroit il fault qu’on y pourvoye:
Car qui ne peult venir, ou il s’attend,
Par un costé, si cherche une aultre voye.
Die Wirksamkeit des Arms lässt die Galeere fahren, trotz Winden, <das ist> ihre Kraft und Unterstützung. Das gibt uns <e contrario> eine recht klare Vorstellung von denen, die einen wenig festen Mut haben. Wenn man umständehalber mit seinem Aufwand nicht auf Anhieb zum Ziel gelangt ist, muss man unverzagt, unter Verzicht auf das Vorgenommene, auf anderem Weg dafür sorgen: Denn wer nicht von der einen Seite hinkommen kann, wo er erwartet, sucht sich eben einen andern Weg. (Dank an Th.G. in W. für die Übersetzung!)
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Seefahrt als Bild für das Pflügen auf Neuland
(T.G.in W.) Der Beginn der Feldarbeit wird wie ein Auslaufen mit dem Schiff empfunden: Die Fläche – Wasser oder Erde – und das Wetter verlangen Vorsicht. Das Bild ist eine Umkehrung der viel geläufigeren Darstellung des Meeres als Feld, das die Schiffe durchpflügen:
At prius ignotum ferro quam scindimus aequor,
ventos et varium caeli praediscere morem
cura sit ...
Aber bevor wir mit dem Eisen die unbekannte Fläche [aequor wird im Lat. für Land- wie Meeresflächen verwendet] zerteilen,
gilt es, die Winde und die wechselnde Laune des Himmels zu erkunden.
Vergil, Georgica I,50–52
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Ein Schiff, das das niemals schwimmen sollte
(Marc Winter) Obwohl es in der chinesischen Kultur seit langem einen Diskurs gibt über die «Nützlichkeit» oder «Nutzlosigkeit» der Dinge, gingen in diesem konkreten Fall die Urheber wohl etwas sehr weit. Als Teil der neu erbauten Anlage des Sommerpalastes am Stadtrand Pekings liess die Kaiserinwitwe Cixi (1835–1908) einen Pavillon bauen, der als «Marmorboot» bekannt ist und der symbolisch den Seestreitkräften der kaiserlichen Marine ihren Platz signalisierte.
Indem die Kaiserinwitwe den Sommerpalast bauen liess, verwendete sie Staatsgelder, die ursprünglich für den Aufbau einer Seestreitmacht bestimmt gewesen wären, aber die mächtige Cixi entschied, dass ein Sommerpalast wichtiger sei als eine Marine. Ihre Motive waren weniger pazifistisch als vielmehr selbstsüchtig, so zumindest die volkstümliche Rezeption dieses Vorgangs. Das Marmorschiff ist somit als eine symbolische Geringachtung des Militärs zu betrachten und im Beitrag soll die Hintergrundgeschichte erzählt werden, wie es dazu kam, dass ein Boot gebaut wurde, dessen Sinn niemals darin bestand, zu schwimmen oder auch nur abzulegen. Das Marmorschiff ist daher ein Vergnügungsschiff, das für eine ganze Seestreitmacht stehen sollte, das aber als Symbol für die Entrückung des Kaiserhofes in den letzten Jahren des Kaiserreiches steht.
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Wir segeln in eine grosse Zeit
Im Winter 1935/36 fehlten ca. zwei Millionen Tonnen Brotgetreide und hunderttausende Tonnen Fett, so daß in Regierungskreisen von einer generellen ›Nahrungsmittelkrise‹ gesprochen wurde.
Hitler war darauf bedacht, die Unterstützung der Massen nicht zu verlieren und den Imageverlust zu vermeiden, der mit der Einführung von Lebensmittel-Rationierungen mitten im Frieden verbunden gewesen wäre. Göring wurde beauftragt, die drohenden Rohstoff-Engpässe mit Hilfe eines Vierjahresplans zu überwinden. Dieser erschien in der Wirtschaftszeitschrift »Der Vierjahresplan« (1937), Folge 4.
John Heartfield (1891–1968) in: Volks-Illustrierte, Nr. 39, 29.9.1937
Der Titel Windstärke 1917 bezieht sich auf die Lebensmittelrationierung im 1.Weltkrieg, wo 1915 die Brotkarte eingeführt wurde und 1917 eine Hungersnot ausbrach.
Texte im Bild: »Ich scheue mich nicht davor, die Brotkarte einzuführen. Ob das populär ist oder nicht, darauf pfeife ich«. General Göring in Stuttgart.
Macht euch bereit, macht euch bereit, jetzt segeln wir in die GROSSE ZEIT!
Quelle > https://heartfield.adk.de/node/6867
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Die Sirenen bedrohen die Schiffer
Homer, Odyssee, XII, 39ff., 158ff.; Ovid, Metamorphosen V, 551ff. wird geschildert, wie Odysseus bei den Sirenen vorbeischifft.
Herrad of Hohenbourg, »Hortus deliciarum«, ed. Rosalie Green, M. Evans, C. Bischoff, M. Curschmann, (Studies of the Warburg Institute 36), 2 vols., London / Leiden 1979. — fol 221r/v (= Planche 125/6/7); Text # 756.
Zu den allegorischen Deutungen vgl. auf unserer Website hier: Sirenen
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Wer den Teufel mit an Bord nimmt …
Chi è imbarcato col diavolo ha da passare in sua compagnia
Kupfer von Giuseppe Maria Mitelli (1634?–1718)
Aus der Serie Proverbi figurati consecrati al Serenissimo Principe Francesco Maria di Toscana 1678.
> https://www.britishmuseum.org/collection/object/P_1872-1012-3860
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Papst und Kaiser auf dem Mast
Holzschnitt, Washington NGA, Rosenwald Collection
Der Papst und der Kaiser (erkennbar an den typischen Kronen) im Clinch. Das Papst (Paul II.) hält das Lilienwappen des verbündeten französischen Königs und eine mit SPQR (für Rom) angeschriebene Waage; mit dem einen Fuß steht er auf dem Mast des Staatsschiffs, mit dem anderen auf dem Rad der Fortuna; eine Schlange (der Herzog von Mailand) windet sich um seinen Hals. – Der Kaiser (Friedrich III.) ist von der Mastspitze verdrängt; mit dem rechten Fuß steht er auf einem Löwen (der Herzog von Burgund), welcher von einem Kometen getroffen wird; an seinem Hals hängt ein Geldbeutel. – Das Staats-Schiff, Sinnbild der Reichsherrschaft, befindet sich im Meer der Feinde des Reichs; ausgestattet mit vier Seilen ≈ Städte und vier Rudern ≈ vier Fürsten.
Vgl. die Beschreibung von Sabine Griese in: Peter Parshall und Rainer Schoch, Die Anfänge der europäischen Druckgraphik : Holzschnitte des 15. Jahrhunderts und ihr Gebrauch, Nürnberg: Verlag des Germanischen Nationalmuseums 2005, S.207f.
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Das Staats-Schiff
❑ Sokrates
Plato, »Politeia« (488A fff.): Die allegorische Argumentation von Sokrates geht folgendermaßen: Die Philosophen sind untauglich nur in einem Staat wie der athenischen Demokratie in ihrer Entartungsform. Denn ihre Politiker, die Schiffsleute, betrachten es als ihr Handwerk und ihre Aufgabe, ans Staatsruder zu gelangen, nicht, dieses auf die richtige Weise zu handhaben. Steuermannskunst bedeutet für sie Befriedigung ihres Macht-Egoismus, nicht die Fähigkeit, die Gemeinschaft richtig zu führen. Um ihr Ziel zu erreichen, suchen sie den Schiffsbesitzer, den edlen, aber dummen Riesen Volk, auf jede Weise zu übertölpeln, damit er ihnen das Steuerruder anvertraut. Unter solchen Verhältnissen müssen die Philosophen, die allein die richtige Steuermannskunst beherrschen, notwendigerweise als unnütz betrachtet werden. (Eckart Schäfer, 1972, S.267ff.)
488A Denke dir nämlich einmal, über mehrere Schiffe oder auch nur über eines gebe es einen Schiffsherrn von folgenden Eigenschaften: an Größe und Stärke des Körpers zwar über alle, die sich im Schiffe befinden, erhaben, aber schwerhörig, ebenso kurzsichtig und auch mit kurzem Verstand über das Schiffswesen. Denke dir dabei die Schiffsmannschaft im Aufruhr gegen einander wegen Führung des Steuerruders, indem ein jeder davon wähnt, dass er es führen müsse, ohne diese Kunst gelernt zu haben, ohne seinen Lehrmeister angeben zu können noch auch die Zeit, in der er sie gelernt habe. Denke dazu, dass die Mannschaft behaupte, jene Kunst sei gar kein Gegenstand des Lernens [usw.]
>
http://www.opera-platonis.de/Politeia.html > Buch VI]
❑ Aristoteles
So wie der Schiffsmann einer von der gesammten Mannschaft ist, so meint man es auch bei dem Bürger. Wenn auch die Schiffsleute nach ihren Verrichtungen verschieden von einander sind, (denn der eine ist ein Ruderer, der andere Steuermann, der dritte Vordersteuermann und andere haben noch andere Namen), so bezeichnet doch der genauere Begriff eines Jeden das Eigenthümliche seiner Fertigkeit, aber zugleich wird auch ein gemeinsamer Begriff für Alle passen. Denn eine glückliche Schiffsreise ist die Aufgabe Aller und jeder der Schiffsleute sorgt dafür.
So ist es nun auch bei den Bürgern, wenn sie auch gegen einander ungleich sind; das Wohl der Gemeinschaft ist die Aufgabe Aller und diese Gemeinschaft liegt in der Verfassung und Regierung; deshalb muss die Tugend des Bürgers sich hierauf beziehen.
Politik III,4 (1276B), (Übersetzung von Becker 1855)
❑ Plutarch
Ein Kauffahrtheyschiff, eine Galeere wird nur vermittelst vieler gewaltsamen Schläge erbauet und durch Sägen, Hämmer, Nägel und Äxte zusammengekeilt. Wenn es endlich fertig ist, muß es noch eine geraume Zeit stehen bleiben, bis die Verbindung haltbar geworden und die Pflöcke sich festgesetzt haben. Läßt man es aber mit noch lockern und nachgebenden Fugen ins Wasser, so wird durch die Erschütterung alles sich auseinander geben und das Schiff leck werden.
Gerade so verhält sich’s mit Rom. Der erste Beherrscher und Erbauer des selben [Numa] hatte es aus Bauern und Hirten wie aus Eichstämmen zusammengesetzt und hatte nun nicht weniges Ungemach auszustehen und nicht mit geringen Kriegen und Gefahren zu kämpfen, da er sich gezwungener Weise gegen diejenigen, die sich der Entstehung und Gründung der neuen Stadt widersetzten, vertheidigen mußte. Der zweete aber, sein Nachfolger, verschaffte durch die lange Ruhe und den Frieden, der ihm glücklicher Weise zu Theil wurde, der Stadt hinlängliche Zeit zu gedeyhen und ihr Wachsthum zu befestigen.
Plutarch, Moralia, Über das Glück der Römer (321D) (Johann Friedrich Salomon Kaltwasser 1786)
❑ Zürich 1711
Fortunante Deo mediis bene currit in undis. Einer Kunst- und Tugend Liebenden Jugend in Zürich ab der Bürgerlichen Bibliothec verehrt auf den Neüen Jahrs Tag A° 1711. Johannes Meÿerus fecit.
Hier die Vorzeichnung von Johannes Meyer (1655–1712) zu seiner Radierung (Graphische Sammlung der Zentralbibliothek Zürich):
Fortunante Deo mediis bene currit in undis. ≈ Mit dem Segen Gottes versehen fährt es glücklich mitten durch die Wellen
Gleich als das wilde Meer mit seinen Wirbel-Winden
Fast alles kehret um/ fast alles tuht verschlinden
Und etwan dech ein Schiff offt glücklich fahret fort/
Es säglet mitten durch und kommet an den Port.
So geht es in der Welt! wie mancher wird getrungen?
Wie mancher Staat vom Krieg als einer Scÿll* verschlungen?
Hat das verschine** Jahr nicht manches theüres Haubt
Genommen von uns weg/ und deßen uns beraubt?
Doch Wunder ists das Gott beÿ so betrübten Zeiten
Das Schifflein unsers Stands*** gantz wundersam thut leiten.
In Segen/ Fried und Flor?**** Er selber halt die Steür/
Wie Er getahn hat fehrn;***** so thue Er es heür.
*) Bezug auf die Meeresungeheuer Skylla und Chrarybdis, vgl. Odyssee XII. Gesang
**) verschinen von verscheinen ≈ vergehen, bes. von der Zeit gesagt. 1710 wüteten der "Große Nordische Krieg" (mit der russischen Annexion von Livland und Estland) und der "Spanische Erbfolgekrieg".
***) Stand: politische Gemeinwesen, insbesondere eines der Eidgenossenschaft; das nicht untergehende Schiff ist beflaggt mit dem Wappen von Zürich!
****) Flor ≈ Nebel, Trauer
*****) fern ≈ letztes Jahr
Yvonne Boerlin-Brodbeck (in Librarium 1996/II, S.119) sieht in diesem Bild eine Anspielung auf Auseinandersetzungen in der Zürcher Obrigkeit:
Hans Caspar Escher (1678–1762) erhob sich 1709 in der Frühlingssynode mit einer scharf gehaltenen Klage über die Gebrechen vorzüglich im Predigerstande. — Dem entgegnete der (schauerliche) Antistes Anton Klingler (1649–1713) mit einer donnernden Kaskade.
Der Konflikt zwischen den weltlichen und geistlichen Vertretern wurde durch den Villmergerkrieg vorübergehend gehemmt, eskalierte dann aber 1713.
Werner G. Zimmermann, Verfassung und politische Bewegungen, in: Zürich im 18. Jahrhundert, hg. von Hans Wysling (Hg.), Zürich: Berichthaus 1983, bes. S.14ff.
J. J. Hottinger, Die Reformversuche zu Zürich im Jahr 1713, in: Archiv für schweizerische Geschichte, Band 8 (1851), S. 160–190. http://doi.org/10.5169/seals-9781
❑ »Von unten auf!« (1846)
Ferdinand Freiligrath (1810–1876):
Auf einem Dampfer fährt das Königspaar:
Die Dielen blitzten frisch gebohnt, und auf den schmalen her und hin
Vergnügten Auges wandelten der König und die Königin!
Nach allen Seiten schaut’ umher und winkte das erhabne Paar;
[…]
Doch unter all der Nettigkeit und unter all der schwimmenden Pracht,
Da frißt und flammt das Element, das sie von dannen schießen macht;
Da schafft in Ruß und Feuersgluth, der dieses Glanzes Seele ist;
Da steht und schürt und ordnet er — der Proletarier-Maschinist!
[Der Heizer rastet kurz und lugt aufs Deck und] so murrt er leis dem Fürsten zu:
»Wie mahnt dies Boot mich an den Staat! Licht auf den Höhen wandelst D u!
Tief unten aber, in der Nacht und in der Arbeit dunklem Schoß,
Tief unten, von der Not gespornt, da schür und Schmied i c h mir mein Los!«
Dann geht er wieder an sein Werk, nimmt sein Geschirr und stocht und purrt.
Die Hebel knirschen auf und ab, die Flamme strahlt ihm ins Gesicht,
Der Dampf rumort; — er aber sagt: »Heut, zornig Element, noch nicht!«
»Von unten auf!« in: Ça ira! Literarisches Institut Herisau 1846
> https://www.deutschestextarchiv.de/book/view/freiligrath_caira_1846?p=31
❑ Der Lotse geht von Bord
Dropping the pilot; Karikatur von John Tenniel zu Bismarcks von Kaiser Wilhelm II. forcierten Rücktritt 1890.
Informativer Artikel > https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Lotse_geht_von_Bord
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Kurssicher ohne Steuermann?
Hjalmar Schacht wurde am 20. Januar 1939 von Hitler wegen seiner Kritik an der Rüstungs- und Finanzpolitik aus dem Amt des Reichsbankpräsidenten entlassen.
Karikatur von Gregor Rabinovitch (1884–1958) im »Nebelspalter« vom 3.März 1939: Ob sie ohne mich den sichern Kurs steuern werden? (auf dem Schiff: Hitler, Goebbels, Göring am Steuerruder)
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Das Schiff des Papsts wird vom Teuxel versenkt
Antikatholischer Holzschnitt von Matthias Gerung (ca. 1500 – 1570) aus dem Jahr 1545.
https://sammlung-online.kuma.art/k%C3%BCnstler/matthias-gerung
http://www.zeno.org/nid/20004030575
Petra Roettig, Reformation als Apokalypse: Die Holzschnitte von Matthias Gerung im Codex germanicus 6592 der Bayerischen Staatsbibliothek in München/Bern: Lang 1991 (Vestigia Bibliae 11/12)
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Die Jungfrau Maria als Retterin der auf dem Meer Verirrten
Konrad von Würzburg († 1287), »Die goldene Schmiede« (Verse 139–153)
Maria, muoter unde maget,
diu sam der morgensterne taget
dem wiselosen armen her,
daz uf dem wilden lebermer *
der grundelosen werlde swebet:
du bist ein lieht daz imer lebet,
und im ze sælden ie erschein
swenn ez der sünden agetstein *
an sich mit sinen creften nam.
swaz die syrene trügesam
versenken wil der schiffe
mit süezer doene griffe,
diu leitest, frouwe, du ze stade;
din helfe uz tiefer sorgen bade
vil mangen hat erledeget.
Maria, Mutter und Jungfrau,
die wie der Morgenstern der führerlosen armen Schar leuchtet,
die auf dem wilden Lebermeer schwimmt,
Du bist ein Licht, das ewig lebt
und immer zum Heil erschien,
wenn sie der Magnetstein der Sünden
mit seinen Kräften an sich zog.
Alle Schiffe, welche die trügerische Sirene
mit dem Griff süßer Töne versenken will,
leitest Du, Herrin, ans Ufer;
Deine Hilfe hat sehr viele aus dem ›Bad‹ tiefer Gefahren erlöst.
hg. von Wilhelm Grimm, Frankfurt/M. 1819; ders. Berlin 1840; hg. Edward Schröder Göttingen 1926; hg. Karl Bertau 2012.
*) Das Lebermeer: sagenhaftes klebrig geronnenes Meer, in welchem Schiffe steckenbleiben; dazu kommt der agetstein, Magnetstein, mit dem die Kiele von Schiffen festgehalten werden. Vgl. ferner die Sirenen.
Zu Maria als Meerstern ≈ maris stella vgl. Anselm Salzer, Die Sinnbilder und Beiworte Mariens in der deutschen Literatur und lateinischen Hymnenpoesie des Mittelalters (1886–1894); Nachdruck: Darmstadt: wbg 1967; S 404ff. Hier S. 415 der sehr ähnliche Text einer lat. Predigt des 12.Jhs.:
Mare quippe praesentis saeculi navigantes seque plena fide invocantes ab impetu procellae et ventorum rabie eruit eosque secum ovantes ad litus felicissimae patriae perduxit. Dici non potest, carissimi, quoties hi asperrimis scopulis naufragaturi offenderent, illi in syrtes pessimas non reversuri insiderent, hos Scyllaea vorago hiatu horribili mergeret, illos Sirenarum cantus in exitium dulces detinerent, nisi stella maris, perpetua virgo Maria, ope validissima obstitisset suosque iam fracto gubernaculo et rate conquassata omni humano consilio destitulos coelesti ducatu ad portum aeternae pacis applicandos eveheret.
Maria als Schiff
••• Konrad Muskatplüt († ca. 1438) legt die Schifffahrt allegorisch aus. Hier einige Ausschnitte aus seinem sieben Strophen umfassenden Lied »Ein rich schiffart…«:
Was ist der anker in dem mer,
dar an daz schiff dut hefften? […]
wer ist der wint mit krefften?
wer ist der mast? wer ist der last?
wer ist der edel segel?
der marner [Seemann] uf der kocken [breit gebautes Schiff] saz,
rat, wer ist daz?
wasser und lant sint im bekant. […]
[…] Es ist die meit, da die gotheit
sich in verbark mechtich und stark.
daz schiff bleib unverhauwen.
Daz mer, daz ist die werelt breit.
der anker, der ist swære,
daz ist die gotz barmhertzicheit.
hör an, du krank sundære!
des mastes baum nim eben gaum [beachte genau]:
die kiuschheit unser frauwen,
der segel ir demudicheit, daz ruoder breit
ir gantz andacht, da mit si bracht
got in mentschlich anschauwen.
[…]
Eberhard von Groote (Hrsg.): Lieder Muskatblut’s, Köln 1852; Lied Nr. 19 https://books.google.de/books?id=v6EFAQAAIAAJ&hl=de
Die Lieder Muskatbluts, herausgegeben und kommentiert von Jens Haustein und Eva Willms, Stuttgart: Hiersemann 2021 (Bibliothek des Lit. Vereins Stuttgart, Band 356); Lied Nr. 61 [Text von PM etwas angepassst]
••• »Es kommt ein Schiff geladen…«
In einem Gebetbuch für Nonnen aus einem elsäss. Dominikanerinnenkloster (aufgrund der Wasserzeichen auf ca. 1430/50 zu datieren) steht folgendes Gedicht:
Transkription der Hs. Berlin, Staatsbibliothek zu Berlin / Preußischer Kulturbesitz; Ms. germ. oct. 53, Fol. 181v. / 182r. (aus E. Becker)
Das Lied wurde mehrfach umgeformt wiederverwendet und vertont.
••• Auch im ›Andernacher Gesangbuch‹ 1608 wird der Text auf Maria bezogen:
Textausgabe hier > https://www.liederlexikon.de/....ein_schiff_geladen/editionc
••• Am einflussreichsten war die Fassung von Daniel Sudermann (1550–1631). D.S. besaß mehrere Hss von Johannes Tauler († 1361), unter anderen diese, mit Randnotizen von seiner Hand. Er gab ein (undatiertes) Gesangbuch* heraus, in dem er das Lied bearbeitet abdruckte mit der Überschrift Ein vraltes Gesang/ So unter deß Herren Tauleri Schrifften funden/ etwas verständlicher gemacht.:
*Es sind nur ganz wenige Exemplare bekannt. Repro aus: Markus Jenny, in Librarium 15/2 (1972), S. 106.
Sr. M. Eucharis Becker O.P., Untersuchungen zu dem Tauler zugeschriebenen Lied ›Es kumpt ein schiff geladen‹, in: Ephrem Filthaut O.P. (Hg.), Johannes Tauler, Ein deutscher Mystiker. Gedenkschrift zum 600. Todestag, Essen 1961, S. 77–92.
B. Wachinger, Artikel "Es kommt ein schiff geladen" in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, zweite Auflage, Berlin 1978ff; Band 2 (1980), Sp.625–628.
Kommentar zur Liedgeschichte von Michael Fischer (2005)
> https://www.liederlexikon.de/lieder/es_kommt_ein_schiff_geladen/liedkommentar.pdf
••• Der Kupferstich von Theodor Galle (1571–1633) nimmt Bezug auf den Passus Proverbia 31,14; das Lob der tüchtigen Hausfrau (Sprüche 31,14): Sie gleicht den Schiffen des Kaufmanns: / Aus der Ferne holt sie ihr Brot herbei (Facta et quasi navis institoris, de longe portans panem suum) wurde oft allegorisch umgedeutet. Mit dem damit transportierten Brot des Lebens ist Jesus Christus gemeint (Johannes 6,35).
Une eternelle faim estoit a nostre porte,
Quand cette nef le pain de vie nous apporte.
»Pancratium Marianum« [eingebunden in:] Paradisus sponsi et sponsae in quo messis myrrhae et aromatum ex instrumentis de mysteriis passionis Christi colligenda ut ei commoriamur et Pancarpium marianum septemplici titulorum serie distinctum, ut in B. Virginis odorem curramus et Christus formatur in nobis; autore P. Joanne David, Antverpiae: apud B. et J. Moretos fratres, 1618.
> https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb11347887?page=415
••• Coelestino Sfondrati (1644–1696) in seinem mariologischen Emblembuch:
Navis Victoria Naufragio superstes ≈ Das Schiff ›Victoria‹ vom Schiffbruch verschont
Expers Naufragii ≈ Nicht betroffen vom Schiffbruch
Innocentia Vindicata, in Qua Gravissimis Argumentis Ex S. Thoma petitis ostenditur, Angelicum Doctorem, Pro Immaculato Conceptu Deiparae Sensisse & Scripsisse. Pars Prior Theologica. Authore […] Celestino Sfondrati, St.Gallen: Jacobus Müller 1695. — Pars Posterior: Symbolica.
> https://archive.org/details/innocentiavindic00sfon/page/n138/mode/1up
Aus dem Text der deutschen Übersetzung: Magellan schiffte 1520 in die Moluckischen Inseln. Nach der Überquerung der Meere erntete man köstliches Gewürz. Nach drei Jahren kam man wieder im Heimathafen an nachdem die übrige Schiff durch den Schiffbruch versencket worden.
Wenn nun schon dieses Schiff den Namen ›Victoria‹ verdient hat, was wird nicht jenige verdienen/ welche übrigte [befreite] vom Schiffbruch deß gantzen Menschlichen Geschlechts? dise hat nicht das Gewürtz auß Indien/ sondern GOtt vom Himmel auff die Erden übergebracht; welchen die Schoß ware das Schiff/ die WElt das Meer/ die Lieb die Wind/ die Gnad und Glory die Waaren/ von welcher gesagt ist worden: »Sie ist worden wie ein Kauffmannschiff/ daß sein Brod von ferne bringet.« [Zitat aus Proverbia 31,14: facta est quasi navis institoris, de longe portans panem suum.] Das Schiff; das ist/ die Mutter: deß kauffmanns/ das ist deß Erlösers: von ferne/ das ist/ vom Himmel/ bringend/ das ist/ im Leib tragend: das Brod/ das ist GOtt. Dise unter so viel Schiffen/ und Seelen/ so dises meer durchlauffen/ ist allein der Stein-Klippen der Sünd entflohen/ an welcher alle andrer Schiff den Schiffbruch erlitten. […] Es warn in ihr keine Wellen der Begierden: keine Sturm-Wind deren Neigungen; es ware das Steuer-Ruder deß Verstands nicht zerbrochen; die Wolcken der Unwissenheit nicht umzogen; der Segl der Lieb nit gekrümmet/ der Grantz [der Bug] nit anders wohin/ als zu dem Haven gerichtet [...] sie hat also überwunden/ und ist dem Meer nit untergelegen. O Sig!
Die Erledigte Unschuld, In welcher Mit Uberschwäresten Beweißthumben Auß dem H. Thoma Erwiesen wird, Der Englische Lehrer habe beschlossen und geschrieben Für die Unbefleckte Empfängnuß Der Mutter Gottes, Wienn: Schwendimann 1717.
>
http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB00007DBB00000000
Der Anker, der das ›Schiff Maria‹ gerettet hat
Joseph Zoller O.S.B. (1676–1750): Anchora servat
Anchora, Deiparam a naufrago Conservans.
Deß Anckers Krafft/
Mir Ruhe verschafft.
Wan einem Schiff trohen die häftige Wind/
Ist nutzlich/ man werffe den Ancker geschwind.
Der Ancker MARIÆ ist gewesen die Gnad/
Drum kunte die Erb-Sünd ihr brignen kein Schad.
Mira satis, ac sine omni peccato Mariae sanctissima conceptio ... Mariae höchst-wunderbarliche und ohne alle Sünden-Mackl gnaden-reich beschehene Empfängnuss : in hunderterley Sinn-Bildern vorgestellet, mit minder ... durch gleich-lauffende Vers deutlich erkläret : anbey mit einer anmüthigen Melodey versehen … Augspurg: Labhart 1712.
> https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb11082277?page=6
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Das Schiff des Heils kommt an
Die Darstellung auf einem zu Neujahr gedachten Einblattdruck (15.Jh.) soll das große Heil versinnbildlichen, das von dem Lande der Verheissung Aegypten ausgegangen nach Europa gelangte, um alle Güter des Christentums den Gläubigen mitzuteilen:
Maria (nicht Caritas, wie F.v.Bartsch schreibt, diese ist nie nimbiert) legt die Leinen jetzt zusammen (sie ›schießt das Tau auf‹).
Das Jesuskind (mit Kreuznimbus) auf dem Vorderteil stehend und die grosse Rahe richtend, weist mit der linken Hand auf einen Bandstreifen mit den Worten
Zuch uff den segel wir sint am land
und bringen gud ior manger hand.
Auf dem Hinterteil des Schiffes bläst ein kleiner sitzender Engel eine Tuba.
Ein zweiter Engel ist am Mastbaum hinaufgeklettert, um dort die Segel zu bergen.
Den unteren Schiffsraum erfüllen Warengüter. Im Unterrande liest man:
Von Allexandria kom ich har gefarn
Und bringe vil guoter ior [Jahre] die wil ich nit sparn.
Ich wil sie geben umb kleines gelt
Rechtun und got liep ha[n] ich damit wol v[er]gelt. [≈ ich erhalte dafür von Euch Gläubigen Rechtschaffenheit und Gottes Liebe — oder: Eure Rechtschaffenheit und Liebe zu Gott habe ich damit (mit den guten Jahren) gut abgegolten / belohnt]
Ungenügend ist die Beschreibung von Friedrich von Bartsch, Die Kupferstichsammlung der K.K. Hofbibliothek in Wien in einer Auswahl ihrer merkwürdigsten Blätter, Braumüller 1854. Sie wurde hier verbessert durch Thomas Gehring.
Bild > https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Von-Allexandria.jpg
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Geisterschiffe
Samuel Taylor Coleridge, »The Rime oft the Ancient Mariner« (1798, 1817 – zwei sehr verschiedene Fassungen): zentrales Motiv ist ein Geisterschiff, das mal ruder- und steuerlos ist, mal von DEATH and LIFE-IN-DEATH gesteuert wird und dann von der toten Mannschaft, in deren Körper und Muskeln unsichtbare Engel schlüpfen.
Text > https://www.gutenberg.org/cache/epub/151/pg151-images.html
Das Gedicht wurde von Gustave Doré illustriert:
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Toten-Fähre
Der Fährmann Charon bringt die Toten mit seinem Kahn in die Unterwelt; sie bezahlen einen Obolus, eine Münze (Obolus) , die ihnen unter die Zunge gelegt wird.
Am deutlichsten in der Antike wird er von Vergil beschrieben (Aeneis, VI, 295ff.: Hinc via Tartarei quae fert Acherontis ad undas …)
Hier ist der Weg, der zur Flut des tartarischen Acheron leitet,
wo vom Schlamme getrübt mit gewaltigem Wirbel der Abgrund
siedet und sämtlichen Sand in das Bett des Cocytus ausspeit.
Dieses Gewässer bewacht und die Flüsse der schaurige Fährmann
Charon,
mit grässlichem Schmutze bedeckt.
Dicht wuchert der graue
Bart und verworren ums Kinn;
es starrt in Flammen sein Auge.
Schmutzig, im Knoten geschürzt, hängt schlaff von den Schultern der Mantel.
Er
regiert mit einer Stange den Kahn und bedient ihn mit Segeln,
um die Leichen im berußten Gefäß stromüber zu fahren.
Freilich ein Greis, doch rüstig und frisch ist das Alter des Gottes.
> https://www.gottwein.de/Lat/verg/aen06.php#Verg.Aen.6,295
Hier die Illustration in der von Sebastian Brant besorgten Vergilausgabe von 1502:
Links unten: Charon im Boot stößt ab Richtung Jenseits (das Höllenmaul ist christlich inspiriert).
Die Unterweltsflüsse Acheron, Styx, Cocytus sind angeschrieben.
Rechts oben: Aeneas mit erhobenem Schwert nähert sich unter Führung von Sybilla und spricht mit dem jüngst verstorbenen Steuermann Palinurus.
In verschiedenen Gebieten der Unterwelt sind die diversen Arten von Toten angesiedelt.
Publij Virgilij maronis opera cum quinque vulgatis commentariis […], expolitissimisque figuris atque imaginibus nuper per Sebastianum Brant superadditis, exactissimeque revisis atque elimatis, Straßburg: Grüninger 1502. Fol. CCLXV verso
> https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/vergil1502
Aeneas möchte seinen Vater in der Unterwelt besuchen. Charon will Aeneas, einem Lebenden, die Überfahrt über den Acheron verweigern. Aber Sibylle beschwichtigt Charon (Vergil, Aeneis VI,404ff.):
“Mag Proserpina [Herrscherin der Unterwelt] züchtig des Oheims Haus hüten! Der Troer Aeneas, durch Frömmigkeit groß und durch Kampfesmut, steigt zum Vater [Anchises] hinab, zu des Erebos [die Unterwelt] untersten Schatten. Kann dich der Anblick auch so starker Sohnesliebe nicht rühren, müsstest du doch den Zweig (und sie zeigte den Zweig, den im Kleid sie versteckt hielt), erkennen.” Da legte sich [bei Charon] der Zorn im schwellenden Herzen. [Und er verjagt die Seelen, die schon an Bord sind.]
Die Illustration von Wenceslas Hollar (1607–1677):
“ … casta licet patrui servet Proserpina limen.
Troius Aeneas, pietate insignis et armis,
ad genitorem imas Erebi descendit ad umbras.
Si te nulla movet tantae pietatis imago,
at ramum hunc” (aperit ramum, qui veste latebat)
“agnoscas.” Tumida ex ira tum corda residunt.
> Wikimedia Commons
Otto van Veen (1556–1629) verwendet die Gestalt von Charon für dieses Emblem mit der Überschrift Communis ad letum via ≈ Der weg zum tode ist allen gemein (Ausgabe 1656)
Q. Horatii Flacci emblemata. Imaginibus in æs incisis, notisque illustrata, studio Othonis Væni, Batauolugdunensis. Antverpiæ ex officina Hieronymi Verdussen 1607. S.198/199
> http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/veen1607
> https://hdl.handle.net/2027/uiuo.ark:/13960/t8tb1qn8b
Einige Texte zum Bild:
Charontis * unda scilicet omnibus
Quicumque terrae munere vescimur
Enaviganda, sive Reges
Sive inopes erimus coloni.
Dieser Text ist verändert aus Horaz, Oden II, xiv, 7-12; (Charon gilt als Diener des Unterweltsgottes Pluto):
[non si]
Plutona tauris, qui ter amplum
Geryonem Tityonque tristi
compescit * unda, scilicet omnibus,
quicumque terrae munere vescimur,
enaviganda, sive reges
sive inopes erimus coloni.
Die Jahre gleiten dahin und halten den Tod nicht auf, auch wenn du Pluton besänftigen würdest, der den dreifach riesigen Geyrones und den Tityos mit der finsteren * Woge [des Styx] festhält, auf der wir gewiss alle, wer immer wir sind […] fahren müssen, ob wir Könige oder Bauern sein werden.
Ovid (zugeschrieben): »Consolatio ad Liviam« (mit avarus portitor ≈ der habgierige Fährmann ist Charon gemeint, der den Obolus empfangen will.)
Fata manent omnes, omnes expectat avarus
Portitor et turbae vix satis una ratis.
Tendimus huc omnes, metam properamus ad unam,
Omnia sub leges Mors vocat atra suas.
Auch Ovid kennt die Geschichte (Metamorphosen XIV, 108ff.) Obwohl Charon hier nicht erwähnt wird, zeichnet Johann Wilhelm Baur (1600–1642) die Unterwelt mit dem Nachen Charons:
Ovid's Verwandlungen/ in 150 Kupfer dargestellt [Wien] [1639]
> http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10872073-4
Bild hier: seitenverkehrter Nachstich von Melchior Küsel (1681); die lat. Texte sind nicht antik:
Aeneae descensus ad inferos cum Sibylla Cumaea
Aeneam Cumis appulsum, manibus imis,
In regno Ditis Diua Sibylla stitit.
Charon hat ein Nachleben.
Dante (1265–1321) übernimmt Vergil und verschristlicht den Text. Charon ist nicht mehr ein schmutziger Greis, und er befördert nur die Erlösten ins Elysium, die Verdammten in den Tartarus.
Charon, mit Augen, die wie Kohlen glommen,
Winkt ihnen, und schlug mit dem Ruder los, ... (Inferno III, 70–136)
Dante erfindet sodann eine zweite Fährmannsepisode; ein Himmelsbote führt mit einem flinken Kahn die Erlösten zum Gestade beim Läuterungsberg (Purgatorio II,41ff.)
Illustrationen von John Flaxman (1755–1826), in: Dante, the Divine Comedy, transl. Ichabod Charles Wright (1795-1871), London: G. Bell & Daldy, 1867.
> https://hdl.handle.net/2027/umn.319510016548413
Dante Alighieris Göttliche Komödie. Übersetzt und erläutert von Karl Streckfuß. 1876.
>
https://de.wikisource.org/wiki/G%C3%B6ttliche_Kom%C3%B6die
Vgl. den Kommentar von Hermann Gmelin 1954.
Laurentius von Schnüffis (1633–1702) transformiert die Geschichte ins Christliche.
Im Bild: dum rapit eripit ≈ indem er [der Tod] raubt, befreit er. — Der von widen Tieren Angegriffene lebt im Praesens; das Boot fährt in Richtung Vita futura.
Unter dem Bild:
Ducit ad Elysios mors exoptabilis hortos. ≈ Der wünschenswerte Tod führt zu den elysischen Gärten.
Der Todt führt auß dem Elend-Stand
Nach dem erwünschten Freuden-Land.
Mirantische Maul-Trummel Oder Wohlbedenckliche Gegen-Säze böser, und guter Begirden … Mit schönen Sinnbilderen … durch F. LAURENTIUS von Schnüffis … Zu Costanz in Verlag Leonhard Parcus. Anno 1696. III. Theil, Melodia VI.
Erasmus (ca. 1469–1536) hat einen einen grotesken Dialog ersonnen: Charon erzählt, dass seine Barke wegen der Menge der in die Unterwelt zu transportierenden Personen untergegangen sei und er ein größeres Schiff, eine Triere, brauche. – Erasmus benutzt diese Vorstellung dazu, um darzustellen, woher die vielen Toten kommen, und entwickelt daraus ein satirisches Panorama seiner zeitgenössischen Welt.
Lat. Text > https://la.wikisource.org/wiki/Colloquia_familiaria/Charon
Deutsche Übersetzung von Hans Trog 1936
> https://www.projekt-gutenberg.org/erasmus/gespraec/chap006.html
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Seelenschiff / Bootgrab
Die Vorstellung, dass die Seele des Verstorbenen in einem Schiff das Totenland (das Herkunftsland der Ahnen) erreichen müsse, setzt voraus, dass dieses auf einer Insel oder auf dem Festland liege, und führte zu der Sitte, die Toten entweder selbst den Wellen zu übergeben oder in bootförmigen Särgen zu bestatten, und sie so die Jenseitsfahrt entweder in Wirklichkeit oder nur symbolisch ausführen zu lassen.
Den Toten wurden apotropäische Elemente (Dolche und Schwerter) mitgegeben. Mischwesen von Mensch und Vogel auf dem Seelenschiff deuten auf die Auffassung der Ahnenseelen als Vögel.
Die symbolträchtigen Seelen-Boote wurden auf Messern, Felsen und gewobenen Tüchern abgebildet.
Vor allem aus der Wikinger-Kultur sind Bootgräber bekannt.
Bild aus: Michael Müller-Wille / Heinrich Beck, Artikel "Bootgrab", in: J.Hoops, Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 2. Auflage, Band 3 (Berlin 1978), S. 249–286; vgl. dort auch den Artikel "Schiffsbestattungen".
Einer der ehemaligen Direktoren des Völkerkundemuseums der Universität Zürich, Alfred Steinmann, gehörte zu den ersten Wissenschaftlern, die sich eingehend mit den Schiffstüchern beschäftigten. In mehreren, von 1937 bis in die 1960er Jahre erschienenen Schriften untersuchte er das Motiv des Seelenschiffes sehr breit von der Bronzezeit bis in die Gegenwart und von Europa über Südchina bis nach Südostasien. Seiner kulturhistorisch geprägten Sichtweise zufolge begleiteten die Tücher rituell den Übergang toter Seelen in ein Land der Ahnen.
Alfred Steinmann, Das kultische Schiff in Indonesien (1939).
Stilisierte Schiffsdarstellung auf einem Ritualtuch aus Südsumatra, 19. Jh.
Schiffstuch, palepai, Südsumatra, Völkerkundemuseum der Universität Zürich, Inv.-Nr. 35987, 59 × 252 cm
Vgl. Alfred Steinmann, Das Seelenschiff in der Textilkunst, Ciba-Rundschau 65. Basel 1945, S. 2376–2406, und Paola von Wyss-Giacosa, Zeremonialtuch palepai,
>
in: Paola von Wyss-Giacosa und Andreas Isler (Hrsg.), Schiffe und Übergänge. Alfred Steinmanns Forschung zum Schiffsmotiv in Indonesien, Zürich 2021, S. 153–157.
Schiffsmotiv auf einer Metalltrommel von der Insel Kur, Südostmolukken, Indonesien.
Umzeichnung des Fragmentes einer Dongson-Trommel, Völkerkundemuseum der Universität Zürich, Inv.-Nr. 24873, 35 × 56 cm
Vgl. Alfred Steinmann, Een Fragment van een keteltrom van het eiland Koer, in: Cultureel Indië, Leiden 1941, S. 157–161, und Übersetzung davon samt Aufsatz darüber von Wolfgang Marschall, Das Fragment einer Bronzetrommel von der Insel Kur (Ost-Indonesien). Würdigung von Alfred Steinmanns Essay und Ergänzungen aus neuerer Sicht,
>
in: Paola von Wyss-Giacosa und Andreas Isler (Hgg.), Schiffe und Übergänge. Alfred Steinmanns Forschung zum Schiffsmotiv in Indonesien, Zürich 2021, S. 37–59.
Die Ausstellung »Schiffe und Übergänge. Alfred Steinmanns Forschung zum Schiffsmotiv in Indonesien« ist online begehbar > https://www.musethno.uzh.ch/static/schiffstuecher/
Link zur Publikation > https://www.musethno.uzh.ch/de/Publikationen-des-Museums/#Schiffe.
Der ergänzende Vortrag von Willemijn de Jong »Seelenschiffe in Indonesien« ist hier als Unterseite online.
Angelus Silesius, »Cherubinischer Wandersmann« (1675), Anderes Buch, 69
Die geistliche Schiffart.
Die Welt ist meine See/ der Schifmann Gottes Geist/
Das Schif mein Leib/ die Seel ists die nach Hause reist.
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Steig aus! wir sind am Lande!
Andreas Gryphius (1616–1664), »An die Welt« (1643)
Mein offt besturmbtes Schiff der grimmen winde spiell/
Der frechen wellen baal / das schier die flutt getrennet /
Das vber klip auff klipp’ / vndt schaum und sandt gerennet;
Kombt vor der zeit an Port / den meine Seele wil.
Offt / wen vns schwartze nacht im mittag vberfiell
Hatt der geschwinde plitz die Seegel schier verbrennet!
Wie offt hab ich den Windt / vndt Nord’ vndt Sudt verkennet!
Wie schadhafft ist der Mast / Stewr-ruder / Schwerdt und Kiell.
Steig aus du müder Geist! / steig aus! wir sind am Lande!
Was grawt dir für dem portt / itzt wirstu aller bande
Vndt angst / undt herber pein / undt schwerer schmertzen los.
Ade / verfluchte welt: du see voll rawer stürme:
Glück zu mein vaterlandt / das stätte ruh' im schirme
Vnd schuz undt friden hält / du ewiglichtes schlos.
Das erste Buch, Nummer 49; hier genau nach der Ausgabe Leiden 1643
> http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN595408753
Gryphius verwendet keine explizite Allgorisierungen. Dadurch dass das lyrische Ich seinen aussteigenden Geist anspricht, muss das Schiff als sein Leib gedeutet werden; das tobende Meer bedeutet die verfluchte welt – was vor dem Hintergrund des Dreissigjährigen Kriegs zu verstehen ist. Das Aussteigen meint das Sterben.
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Lied, zu singen bei einer Wasserfahrt (1793/99)
Johann Gaudenz von Salis-Seewis (1762–1834)
Wir ruhen, vom Wasser gewiegt,
Im Kreise vertraulich und enge;
Durch Eintracht wie Blumengehänge
Verknüpft und in Reihen gefügt;
Uns sondert von lästiger Menge
Die Fluth, die den Nachen umschmiegt.
So gleiten, im Raume vereint,
Wir auf der Vergänglichkeit Wellen,
Wo Freunde sich innig gesellen
Zum Freunde, der redlich es meint!
Getrost, weil die dunkelsten Stellen
Ein Glanz aus der Höhe bescheint.
Ach! trüg' uns die fährliche Fluth
Des Lebens so friedlich und leise!
O drohte nie Trennung dem Kreise,
Der sorglos um Zukunft, hier ruht!
O nähm' uns am Ziele der Reise
Elysiums Busen in Huth!
Verhallen mag unser Gesang,
Wie Flöthenhauch schwinden das Leben,
Mit Jubel und Seufzern verschweben
Des Daseins zerfließender Klang!
Der Geist wird verklärt sich erheben,
Wenn Lethe sein Fahrzeug verschlang.
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… eingeschifft auf der Woge der Welt
Goethe, »Seefahrt« (erster Druck 1777)
Taglang nachtlang stand mein Schiff befrachtet,
Günst’ger Winde harrend saß mit treuen Freunden
– Mir Geduld und guten Mut erzechend –
Ich im Hafen.
Und sie wurden mit dir ungeduldig:
Gerne gönnen wir die schnellste Reise,
Gern die hohe Fahrt dir; Güterfülle
Wartet drüben in den Welten deiner,
Wird Rückkehrendem in unsern Armen
Lieb’ und Preis dir.
Und am frühen Morgen ward’s Getümmel,
Und dem Schlaf entjauchzt’ uns der Matrose,
Alles wimmelt, alles lebet, webet
Mit dem ersten Segenshauch zu schiffen.
Und die Segel blühen in dem Hauche,
Und die Sonne lockt mit Feuerliebe;
Ziehn die Segel, ziehn die hohen Wolken,
Jauchzen an dem Ufer alle Freunde
Hoffnungslieder nach im Freudetaumel
Reisefreuden wähnend wie des Einschiffmorgens
Wie der ersten hohen Sternennächte.
Aber gottgesandte Wechselwinde treiben
Seitwärts ihn der vorgesteckten Fahrt ab,
Und er scheint sich ihnen hinzugeben,
Strebet leise sie zu überlisten,
Treu dem Zweck auch auf dem schiefen Wege.
Aber aus der dumpfen grauen Ferne
Kündet leise wandelnd sich der Sturm an,
Drückt die Vögel nieder auf's Gewässer,
Drückt der Menschen schwellend Herze nieder.
Und er kommt. Vor seinem starren Wüten
Streckt der Schiffer weis’ die Segel nieder;
Mit dem angsterfüllten Balle spielen
Wind und Wellen.
Und an jenem Ufer drüben stehen
Freund’ und Lieben, beben auf dem Festen:
Ach, warum ist er nicht hiergeblieben!
Ach, der Sturm! Verschlagen weg vom Glücke
Soll der Gute so zu Grunde gehen?
Ach, er sollte, ach er könnte! Götter!
Doch er stehet männlich an dem Steuer.
Mit dem Schiffe spielen Wind und Wellen,
Wind und Wellen nicht mit seinem Herzen.
Herrschend blickt er auf die grimme Tiefe
Und vertrauet, scheiternd oder landend,
Seinen Göttern.
Vgl. Goethes Brief an Lavater vom 6.3.1776: Ich bin nun ganz eingeschifft auf der Woge der Welt – voll entschlosen: zu entdecken, gewinnen, streiten, scheitern oder mich mit aller Ladung in die Luft zu sprengen.
Im Gegensatz zu den Texten der Barockzeit findet man hier keine allegorische Bezugnahmen: Ein Ich erzählt die Geschichte einer stürmischen Schifffahrt. Der Focus verschiebt sich vom lyrischen Ich (Kaufmann) zu dem der ängstllch am Ufer stehenden Freund und dann zum Steuermann (erwähnt bereits als der Schiffer; dann: er stehet männlich an dem Steuer). Die Schiffahrt wird nicht aus-gedeutet; allenfalls werden symbolische Implikationen an-gedeutet.
Das Gedicht bezieht sich insbesondere auf Goethes eigene Lebenssituation: 30.10.1775 reist er von Frankfurt weg; 11.6.1776 tritt er in den Weimarischen Staatsdient ein. Er hofft auf eine Unerschütterlichkeit des Gemüts, so dass (im künftgen Leben am Hof) Wind und Wellen nicht mit seinem Herzen spielen.
Literaturhinweis > Barbara Neymeyr
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Autobiographische Schiffsprojektionen – Navigatio vitae ...
Jacob Balde S.J. (1604–1668): Ode II, 39
Enthusiasmus. In coemeterio considerantis mortem ac functorum ossa. Anno M.DC.XL
Die Begeisterung dessen, der im Friedhof den Tod und der Verstorbenen Gebeine vor Augen hat
Vt se feroces denique litori
stravere fluctus! compositis minae
velis et humani modesto
aequore detumuere fastus.
Wie sich die wilden Wogen am Ufer
schliesslich gelegt haben! Geborgen
die Segel der bedrohlichen <Fahrt>, haben auch im gemässigten
Gewässer der Menschen Ansprüche abgenommen.
marcent quieto cuncta silentio
non ira venti, non sonus imbrium
auditur in portu: profundo
monstra iacent maris ipsa somno.
Reglos bleibt alles in stiller Ruh,
kein Wüten des Windes, keinen Regenschauer
nimmt man im Hafen wahr: in tiefem
Schlaf liegen selbst des Meeres Monster.
huc illa demum spuma superbiae,
frangenda tristes ad scopulos, cadit;
huc pompa tempestatis acta
in medio crepat et solutos
Hier[her] fällt schliesslich der Schaum des Übermuts,
der brechen muss an den schlimmen Klippen, dahin;
Hier[her], wenn der pompöse Auftritt des Gewitters erfolgt ist,
zerdonnert es auf dem Höhepunkt und lässt die geöffneten
effundit utres: protinus omnia
iniuriarum flamina concidunt,
subsidit aularum procella
et tumor invidiaeque gurges. […]*
Schläuche sich ergiessen: gleich fallen alle
Anwehen zu Übeltaten in sich zusammen,
es verebben vom Hof her die Böen,
und der Hochmut und der Malstrom des Neides.
Übersetzung von Thomas Gehring. *) Die Verse 17–100 führen die Naturbilder nicht weiter, in denen das Zur-Ruhe-Kommen des Menschenlebens im Tode dargestellt ist an den Naturkräften, die gefährliche Leidenschaften darstellen und sich schließlich legen.
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Goethe (in: Musen-Almanach 1796, S.83)
Meeresstille
Tiefe Stille herrscht im Wasser,
Ohne Regung ruht das Meer,
Und bekümmert sieht der Schiffer
Glatte Fläche rings umher.
Keine Luft von keiner Seite,
Todes - Stille fürchterlich.
In der ungeheuern Weite
Reget keine Welle sich.
Glückliche Fahrt
Die Nebel zerreissen,
Auf einmal wirds helle,
Und Aeolus löset
Das ängstliche Band.
Es säuseln die Winde,
Es rührt sich der Schiffer.
Geschwinde! Geschwinde!
Es teilt sich die Welle,
Es naht sich die Ferne,
Schon seh’ ich das Land!
(Beide Gedichte vertont von Beethoven u.a.)
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Conrad Ferdinand Meyer (1825–1898)
Meine eingelegten Ruder triefen,
Tropfen fallen langsam in die Tiefen.
Nichts, das mich verdross! Nichts, das mich freute!
Niederrinnt ein schmerzenloses Heute!
Unter mir – ach, aus dem Licht verschwunden –
Träumen schon die schönern meiner Stunden.
Aus der blauen Tiefe ruft das Gestern:
Sind im Licht noch manche meiner Schwestern?
Im Spätboot (1882)
Aus der Schiffsbank mach’ ich meinen Pfühl,
Endlich wird die heiße Stirne kühl!
O wie süß erkaltet mir das Herz!
O wie weich verstummen Lust und Schmerz!
Über mir des Rohres schwarzer Rauch
Wiegt und biegt sich in des Windes Hauch.
Hüben hier und drüben wieder dort
Hält das Boot an manchem kleinen Port:
Bei der Schiffslaterne kargem Schein
Steigt ein Schatten aus und niemand ein.
Nur der Steurer noch, der wacht und steht!
Nur der Wind, der mir im Haare weht!
Schmerz und Lust erleiden sanften Tod.
Einen Schlumm’rer trägt das dunkle Boot.
Vgl. Emil Staiger, Das Spätboot. Zu C. F. Meyers Lyrik, in: E.St., Die Kunst der Interpretation, Zürich: Atlantis-Verlag 1955, S. 239–273.
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Arthur Rimbaud (1854–1891): »Le bâteau ivre« (1871)
Text und Übersetzung von Paul Celan (1957) auf der Homepage von Klaus Medeke
> https://kassiber.de/bateautrunkene.htm
Dazu: Theo Buck in TEXT + KRITIK 53/54 (2002)
> http://www.planetlyrik.de/arthur-rimbaud-das-trunkene-schiff/2010/07/
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Ernst Stadler (1883–1914)
Trübe Stunde
Im sinkenden Abend,
wenn die Fischer in den Meerhäfen ihre Kähne rüsten,
In der austreibenden Flut,
die braunen Masten zitternd vor dem Wind –
Seele, wirfst du zitternd dich ins Segel,
gierig nach entlegnen Küsten,
Dahin die Wunder deiner Nächte
dir entglitten sind?
Oder bist du so wehrlos
deiner Sterne Zwang verfallen,
Daß dich ein irrer Wille nur ins Ferne,
Uferlose drängt –
Auf wilden Wassern schweifend,
wenn die Stürme sich in deines Schiffes Rippen krallen,
Und Nacht und Wolke
endlos graues Meer und grauen Himmel mengt?
Und wütest du im Dunkel gegen dein Geliebtes
und erwachst mit strömend tiefen Wunden,
Das Auge matt, dein Blut verbrannt
und deiner Sehnsucht Schwingen leer,
Und siehst, mit stierem Blick,
und unbewegt an deines Schicksals Mast gebunden
Den Morgen glanzlos schauern überm Meer?
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Kleiner Fisch hemmt großes Schiff
Im Emblembuch von Andrea Alciato (EA 1531) wird das Fischlein Remora, das ein großes Schiiff aufzuhalten vermag, so gedeutet: die von Frauen verursachte Liebe wie der Streit führt die Männer weg vom Studium:
In facilè à virtute desciscentes. Hier aus dem Druck Paris: Ch. Wechel 1542. mit der Übersetzung von Wolfang Hunger:
Wider die so leichtlich von tugent abfallen. XLIX.
Wie das fischle Remora gnent
In Latein,
offt ein schiff erfast
So starck, das es sich mindert wennt,
Wie hart der wind inn segel blast:
Also mancher durch klainen last,
Als buelschafft, oder sach vor gricht,
Kunst, witz, und tugent gar verlast,
Und was er glernt wird gar zu nicht.
Hier die Übersetzung aus: Kunstbuch Andree Alciati von Meyland/ […] an tag geben durch Jeremiam Held von Noerdlingen/ […] Franckfurt am Mayn bey Georg Raben/ in verlegung Sigmund Feyrabends vnd Simon Huters. M.D.LXVII :
Das CLXXIII. Wider die so leichtlich von der Tugend abtretten.
Gleich wie die klein Con [mhd. kone ≈ Ehefrau?] Remora
Das Schiff allein kan halten da
Ob schon der Wind und Ruder hert
Treiben, darwider es sich spert
Also ir wil hindert gar bald
Ein leichte ursach mit gewalt
Als da ist Frauwen Lieb und Zanck
Und macht der jungen Hertzen wanck
Und führt sie vom studieren weck
Daß sie nit erlangen den zweck
Die doch zuvor mit Kunst und Tugend
Andern oblagn in irer jugend.
Der Schiffhalter-Fisch ist hergeschwommen aus antiker zoologischer Literatur, u.a. Plinius, hist.nat. IX,xxv,79: echeneis. – Remora heißt er wegen lat. remora ≈ die Verzögerung.
In anderen Emblembüchern wird das Verhalten des Fischs anders ausgelegt.
Bei Gilles Corrozet (1510–1568) bedeutet der Fisch die Macht des sanften Wortes, die den Zorn aufzuhalten vermag:
Doulce parole rompt ire.
Hecatomgraphie. C’est-à-dire les descriptions de cent figures & hystoires, contenans plusieurs appopthegmes, Sentences & dictz, tant des Anciens que les modernes. Paris: Denys Janot 1543.
> http://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb30274118g
Bei Joachim Camerarius (1534–1598) bedeutet der Schneckfisch die sich auch in kleinen Dingen äussernde Stärck und Macht Gottes:
…Gott hat den geringen
Und schlechten Dingen
Durch seine große Allmachts-Hand
Auch Sterke und Bildnüß [≈ die ihr entsprechende äussere Gestalt] zugewand.
(Lateinische Erstausgabe von Symbola et emblemata, Band IV: 1608; hier aus der deutschen Ausgabe:) Vierhundert Wahl-Sprüche und Sinnen-Bilder, durch welche beygebracht und außgelegt werden die angeborne Eigenschafften, […] . Im IV. Von Fischen und kriechenden Thieren. Vormahls durch den Hochgelährten Hn. Ioachimum Camerarium In Lateinischer Sprach beschrieben: Und nach ihm durch einen Liebhaber seiner Nation / wegen dieses Buchs sonderbarer Nutzbarkeit allen denen die in vorgemelter Sprach unerfahren seyn/ zum besten ins Teutsch versetzet, Maintz: Bourgeat 1671. XXVII.
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Aurea mediocritas — der goldene Mittelweg
Horaz, Oden / Carmen 2,10:
Rectius vives, Licini, neque altum
semper urgendo neque, dum procellas
cautus horrescis, nimium premendo
litus iniquum.
Auream quisquis mediocritatem
diligit, tutus caret obsoleti
sordibus tecti, caret invidenda
sobrius aula.
[…]
Rebus angustis animosus atque
fortis appare; sapienter idem
contrahes vento nimium secundo
turgida vela.
Sicherer wirst du leben, Licinius, wenn du nicht ständig zu weit aufs hohe Meer hinausdrängst, noch dich aus Furcht vor Stürmen zu nahe ans [wegen der Untiefen] gefährliche Ufer hältst.
Wer den goldenen Mittelweg wählt, meidet behutsam die Niedrigkeit einer kläglichen Hütte, und besonnen den Neid erregenden Palast
[…]
In der Not bewahre ein kühnes und tapferes Herz; doch sind die Segel von allzu günstigem Wind gebläht, sei weise genug, sie zu reffen!
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Bei Sturm einfach die Segel abschneiden
Hier eine Episode aus dem autobiographisch inspirierten Text von Kaiser Maximilian I. (1459–1519), Die geuerlicheiten vnd einsteils der geschichten des loblichen streytparen vnd hochberümbten helds vnd Ritters herr Tewrdannckhs, Nürnberg: Schönsperger 1517.
Kapitel 32: Wie der Edel Tewerdannck durch die größ eines Segels ein groß not laid daruon Er sich vnd die andern durch vnerschrockenlichait erlediget.
Unfalo – eine Personifikation des mittleren, durch Unbedachtsamkeit charakterisierten Lebensalters des Helden, gleichzeitig ein Dienstmann des Teufels – lässt ein kleines Schiff mit einem viel zu großen Segel ausrüsten, und als er ein Unwetter voraussieht, lädt er seinen Gast Teuerdank – die Personifikation des Kaisers – zu einer Fahrt auf dem Meer ein. Wie sich der Sturm erhebt und in die zu großen Segel bläst, droht das Schiff zu kentern. Teuerdank indessen lässt das Segel abschneiden, und so gelangt man glücklich wieder ans Ufer.
(Teuerdank mit dem Szepter in der Hand, Unfalo mit Zylinder am Ufer; mit dem Rad der Fortuna: Ehrenhold ≈ der den Kaiser begleitende gute Ruf)
Ein heftigs Wetter auferstund,
Das kam in des Scheffs Segel hoch,
Der das klein Schefflein nider zog
An die Seiten zů manchem Mal,
Als sollten si ertrinken all;
Dann der Segel vil zů groß was.
Als der Held Teurdank merket das
Und die großen Not vor im sach,
Den Scheffleuten er zů sprach,
Daß si bald den Segel sollten
Abschneiden, ob sie nun wollten
All kommen aus der großen Not
Und entrinnen dem bittern Tod.
Der Segel in das Wasser hieng,
Daß der Wind so stark darein gieng.
Die Scheffleut bald aus großem Graus
Zogen all ire Kleider aus,
Behielten allein Hembder an.
Mit Müe man den Segel gewann,
Schneiden den ab, dardurch zůhand
Kommen si mit Arbeit an Land,
Nahend bei einer schönen Statt,
Teurdank mit den Sein darein trat.
In der sog. Clavis am Ende des Buchs wird gesagt, dass damit eine Begebenheit in Holland wiedergegeben sei (Maximilian hielt sich 1478 in Brügge auf); die Anlage des ganzen Buchs legt freilich nahe, das Handeln des Kaisers allegorisch auszulegen – was immer er dann am Hof entschlossen "abschneiden" will, wenn es stürmt ...
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Die Ladung über Bord werfen …
… ist unter Umständen gescheiter als im Schiff untergehen:
Die Apostelgeschichte berichtet (Kapitel 27) davon, wie Paulus auf einem Schiff nach Italien transportiert werden soll; der Bericht ist mit Fachausdrücken der Seefahrtssprache ausgestaltet.
Das Schiff gerät in einen Sturm: 18 Der Sturm wurde so stark, dass die Besatzung am nächsten Tag einen Teil der Ladung über Bord warf, 19 tags darauf sogar die Schiffsausrüstung. (27,18f.)
Paulus hat eine Engelsvision und kann die Seeleute ermuntern usw. https://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/bibel/apg27.html (Einheitsübersetzung))
Die Bilderbibel von Pierre und Nicolas Le Sueur bringt dazu eine Serie von Illustrationen, wie eine ›bande dessinée‹, hier eine Szene draus:
Histoire de l'Ancien et du Nouveau Testament, représentée en 586 figures:Avec un Discours abrégé au bas de chaque Figure, qui en explique le sujet: Ouvrage utile pour l'Instruction de la Jeunesse, Paris: Jean-Thomas Hérissant 1771.
> https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k15125445/f7.item
Erasmus (ca. 1469 – 1536) schreibt in seinem Dialog »Naufragium« unter anderem auch, dass man Waren über Bord wirft. Eine Pointe des Texts ist die Kritik an leeren Gelübden gegenüber Heiligen. Der Dialogpartner Adolphus, überlebender Augenzeuge des Unglücks, erzählt, dass die Schiffbrüchigen verschiedene Heilige angerufen haben.
Antonius: Mich wundert, dass keinem der Apostel Paulus in den Sinn gekommen ist, der doch selbst einst zur See war und aus einem Schiffbruch sich ans Land rettete, der daher, mit diesem Unglück vertraut, wohl gelernt hat, den armen Betroffenen Hilfe zu leisten. — Adolphus. An den Paulus dachte niemand.
Antonius: Miror, nulli in mentem venisse Paulum Apostolum, qui ipse olim navigarit, et fracta navi desilierit in terram. Is enim haud ignarus mali didicit miseris succurrere. — Adolphus: Pauli nulla erat mentio.
Lat. Text: Colloquia familiaria, Naufragium 1523
> https://la.wikisource.org/wiki/Colloquia_familiaria/Naufragium
Deutsche Übersetzung von Hans Trog (Schwabe Basel 1936)
> https://www.projekt-gutenberg.org/erasmus/gespraec/chap004.html
An der Stelle, »de officiis« I, xxiv, 83–84, wo Cicero schreibt, es gelte nicht als feige, zu vermeiden, dass man sich grundlos in Gefahr stürze (das Gleichnis indessen nicht verwendet), schreibt Joh. von Schwarzenberg:
… wider vngestümmigkeit [des Meeres] hilf zuthuon/ gebürt den weisen/ vnd gezimet sich in yetzgemelten zweiffelichen färligkeiten/ so vil mehr güeter auß dem geladen benötigten schiff zuowerffen/ als vast dz zuo behaltung deines lebens / (das alle ander güeter vebertrifft) die not erfordert.
Bild aus Officia M. T. C. Ein Buoch/ So Marcus Tullius Cicero der Römer/ zuo seynem Sune Marco. Von den tugentsamen ämptern vnd zuogehörungen eynes wol vnd rechtlebenden Menschen/ in Latein geschriben/ Welchs auff begere Herren Johansen von Schwartzenbergs &c. verteütschet/ Vnd volgens/ Durch jne in zyerlicher Hochteütsch gebracht/ Mit vil Figuren vnnd Teütschen Reymen/ gemeynem nutz zuo guot in Druck gegeben worden. Augspurg: Heynrich Steyner 1531. – Fol. XIX verso
Egidius Sadeler (ca. 1570 – 1629) erzält die Fabel von einem Walfisch, der sich damit amüsiert, gegen ein Schiff zu schlagen, das dabei beinahe zerschmettert wird. Die Seeleute werfen Fässer ins Meer. Moral: Ein kleinen Schaden soll man leidn / Umb einen grössern zu vermeiden.
Als historische Anwendung bringt Sadeler die Geschichte von Kaiser Nicephorus, der dem angreifenden persischen Kaiser viel Geld anbietet, um das Leben der Römer zu retten. (Quelle wohl: Johannes Cuspinianus, De Caesaribus atque imperatoribus Romanis, Basileae: per Ioannem Oporinum et Nicolaum Brylingerum 1561.)
Aegidius Sadeler, Theatrum morum. Artliche Gespräch der Thier mit wahren historien den Menschen zur Lehr, Prag 1608 .
> https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k5606663w
Hier aus dem Reprint von 1933/34.
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Ein Prachts-Schiff auf Rädern: Moriz von Craûn
Die angebetete Gräfin von Beamunt verspricht dem Mauritius den vorbehaltenen Liebeslohn, wenn er vor den Toren ihrer Stadt ein Turnier ausrichtet und als Minneritter für den Lohn kämpfen wird. Mauritius lässt ein prächtig geschmücktes Schiff auf Rädern bauen, das von unsichtbaren Pferden im Innern bewegt wird, und fährt draufhin vor die Burg der Minneherrin. Der Text schildert die Verfertigung dieses Fahrzeugs (Verse 627ff.; vgl. die Schilderung des Schilds von Achill bei Homer als Herstellung in der Schmiede durch Vulkan):
er hiez ein schif machen
von wunderlîchen sachen,
daz solde gân âne were [ohne dass man es hätte hindern können]
über velt als ûf einem mere.
Wertvolle Stoffe bedecken die Außenwände; Bug und Heck werden mit Gold beschlagen; das Gefährt wird mit Mast und Ruder ausgestattet, mit Ankern aus Messing an einem seidenen Seil. Dann wird es mit dem Wappen des Ritters geschmückt, und die Seeleute und Steuermänner werden nach diesem Muster gekleidet. Jetzt werden die Pferde (ros) eingebaut:
Er brâht dar în mit liste
daz ez lützel liute wiste
ros diu ez ziehen solten.
Über die Felder (weil auf den Straßen kein Raum ist) zieht der Schiffwagen quer durch Francrîche; die Mannschaft singt und rudert … Dann ankert man vor der Burg.
Es ist kein rittermäßiger Triumphwagen und spiegelt das illusorische Verhältnis zwischen Minner und Dame, was dann in der Erzählung ausgeführt wird.
Nach dem Turnier verschenkt Mauritius das Schiff an die Knappen (garzûne), die es im Streit demontieren (Verse 1032ff.)
Mauritius von Craûn, herausgegeben von Heimo Reinitzer (Altdeutsche Textbibliothek 113), Tübingen: Niemeyer 2000.
Heimo Reinitzer, Mauritius von Craûn. Kommentar, Stuttgart: Steiner, 1999 (Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur. Beiheft 2). Hier ausführlich S. 81ff.
Moriz von Craûn, Mittelhochdeutsch / Neuhochdeutsch (Übersetzung von Albrecht Classen), Stuttgart 1992 (Reclams UB 8796) — dass., übersetzt und kommentiert von Dorothea Klein, daselbst 1999.
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Kompass im Wirbelstrom des Lebens
Catharina Regina von Greiffenberg (1633–1694)
Auf meinen bestürmeten Lebens-Lauff
Wie sehr der Wirbelstrom so vieler Angst und plagen
mich drähet um und um/ so bistu doch mein Hort/
mein mittel punct/ in dem mein Zirkel * fort und fort
mein Geist halb hafften bleibt vom sturm unausgeschlagen.
Mein Zünglein * stehet stät/ von Wellen fort getragen/
auf meinen Stern * gericht. Mein Herz und Aug' ist dort/
es wartet schon auf mich am Ruhe-vollen Port:
dieweil muß ich mich keck in weh und See hinwagen.
offt will der Muht/ der Mast/ zu tausend trümmern springen.
Bald thun die Ruder-Knecht/ die sinnen/ keinen Zug.
Bald kan ich keinen Wind in glaubens-Segel bringen.
jetz hab ich/ meine Uhr zu richten/ keinen fug.
Dann wollen mich die Wind auf andre zufahrt dringen,
bring' an den Hafen mich/ mein GOtt/ es ist genug!
Geistliche Sonnette/ Lieder und Gedichte zu Gottseeligem Zeitfertreib efrunden und gesetzt durch Fräulein von Greiffenberg/ Geb. Freyherrin von Seyßenegg: … Nürnberg: Endter M.DC.LXIII, S. 58
***) Zirkel und Zünglein verweisen wohl auf den Kompass; mit dem Stern ist der Polarstern gemeint, der im Norden liegt, wohin die Nadel immer zeigt.
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Die Geliebte wirkt wie ein Kompass / wie der Polarstern:
Ero navis Amoris, habens Te astrum lucidum. (Ich werde das Schiff Amors sein und Dich als leuchtenden Leitstern haben.) Amor hält einen Quadranten in der Hand, mit dem der Lotse die geographische Breite mittels des gemessenen Winkels zwischen Horizont und Polarstern bestimmen kann. Auf dem Tisch steht ein Kompass.
Amorum emblemata, figuris aeneis incisa studio Othonis Væni, … Emblemes of Loue, with verses in Latin, English, and Italian, Antwerpiæ [Verdussen] 1608. S. 40/41.
Otto van Veen (1556–1629) – Kupfer von Cornelis Boel (ca. 1576 – ca. 1621)
In der Ausgabe Nürnberg: Weigel 1710 ist das Epigramm so übersetzt:
Dein Aug mein Leitstern.
WAs sich vereinen soll/ findt bey sich einen Trieb/
Womit Natur eins sucht dem andern zuzuführen;
Was die Magnete nun für Krafft im Nord=Pol spüren/
Das gibt der Augen Glanz mit stärkerm Zug der Lieb.
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Die gute Ehe als Schifffahrt
Johann Fischart (ca. 1545/46 – 1590) hat unter dem Titel Von Ehgebürlichkeyten eine bunte Sammlung von Anekdoten, Beispielen, Gleichnissen, Sprichwörtern zusmmengestellt. Er warnt vor Mörwundern vnd Walfischen/ welche in dem Mör/ daß ist der Welt/ herrschen:
Nichts aber schadet disem Haußschifflin also sehr/ dann daß schrecklich groß Mörwunder/ der Sprützwall […] daß ist der vberfluß vnd die Wollust. Dann gleich wie derselb Wallfisch auß seinen zweien Rören auff dem Kopff so lang haufenweiß Wasser inn daß Schiff sprützt vnd gieset/ biß ers erseufft: Also vberschwempt auch der wollust Teufel auß den rören der geylheit vnd des muthwillnes die Haußhlatung mit Saltzwasser der geylheit/ frechheit/ ehebruch/ pracht/ stoltz/ verschwendsung/ prassen vnd sauffen/ biß er es zu fall pringet.
Und er rät, mit Vorbedacht das Schiff der Haußhaltung auszurüsten:
Die jenige Philosophi/ welche die Haußhaltungen den Handelschiffen/ oder eyner Schiffart vergleichen (gleich auch inn vnserer Christlicher Philosophia der Weis Salomon eyn Tugendsam Weib/darauf sich jres Mans Herz verlasen darf/ eyn Kaufmannschiff/ das seine Narung von ferne pringet/ nennet [Sprüche = Proverbia 30,14]) die haben desselbigen nicht vngefüge vrsachen: dan wie man zur Schiffart alle notturfft lang zuvor rüsten vnd bereyten mus: also eh man sich inn das Schiff der Haußhaltung begibet/ gutes vnd fleißiges vorbedachts pflegen: […]
Also soll man nicht auf geraht wol sich inn eyn Haußhaltung stecken/ vnd nicht wissen/ wo aus wo an/ sondern eyn gewissen zweck fürhaben/ wie vnd womit man sich ernehren will. Dan allweil man noch auff dem Land ist/ soll man rhat schlagen: angesehen/ das so man mitten auf das Mör/ das ist die Haußhaltung kommet/ nicht wol on spott vnd schaden kann vmmkehren.
Das Philosophisch Ehzuchtbüchlin. Oder, Des Berümtesten vnd Hocherleuchtesten Griechischen Philosophi, oder Natürlicher Weißheyt erkündigers vnd Lehrers Plutarchi Naturgescheide Eheliche Gesaz, oder Vernunft gemäse Ehegebott, durch anmutige lustige Gleichnussen ganz lieblich getractiret Sammt desselbigen auch Gründlichem Bericht von gebürlicher Ehrngemäser KinderZucht. Darzu noch eyn schönes Gespräch, von Klag des Ehestands, oder wie man eyn Ruhig Ehe gehaben mag, gethan worden Straßburg 1578. (Hier aus der Ausgabe 1597)
> http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00079908/image_1
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Süßer Liebes-Schiffbruch — und Rettung
Christian Hofmann von Hofmannswaldau (1617 – 1679)
So soll der purpur deiner Lippen
Itzt meiner freyheit bahre seyn?
Soll an den corallinen klippen
Mein mast nur darum lauffen ein /
Daß er an statt dem süssen lande /
Auff deinem schönen munde strande?
Ja/ leider! es ist gar kein wunder/
Wenn deiner augen sternend licht/
Das von dem himmel seinen zunder/
Und sonnen von der sonnen bricht/
Sich will bey meinem morrschen nachen
Zu einen schönen irrlicht machen.
Jedoch der schiffbruch wird versüsset /
Weil deines leibes marmor-meer [Auflage 1687: marmel=meer]
Der müde mast entzückend grüsset /
Und fährt auff diesem hin und her /
Biß endlich in dem zucker=schlunde
Die geister selbsten gehn zu grunde.
Nun wohl! diß urthel mag geschehen /
Daß Venus meiner freyheit schatz
In diesen strudel möge drehen/
Wenn nur auff einem kleinen platz /
In deinem schooß durch vieles schwimmen /
Ich kan mit meinem ruder klimmen.
Da will/ so bald ich an geländet /
Ich dir ein altar bauen auff/
Mein hertze soll dir seyn verpfändet/
Und fettes opffer führen drauff;
Ich selbst will einig mich befleissen /
Dich gött= und priesterin zu heissen.
postumer Druck in: [Benjamin Neukirch, Hg.] Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte erster theil, Leipzig 1695; »Verliebte Arien«, S. 364f.
http://www.deutschestextarchiv.de....hoffmannswaldau_gedichte01_1695?p=408
Von C.H.v.H. gibt es auch dieses galante* Gedicht:
Florida
Mein schiff treibt lufft und wind/ mich treibet lieb und brunst/
Ich muß in Florida den steiffen ancker sencken/ **
Beseegel ich die see vergebens und umsonst/
Sol ich denn ohne frucht das schwere ruder lencken?
Gold/ perlen/ helffenbein begehrt mein hertze nicht/
Das leere Florida soll mir die augen füllen/
Und ob dem lande gleich der diamant gebricht/
So ist es doch genung mir meine brunst zu stillen.
Da soll mein wohnhauß seyn/ da sollen leib und geist
In höchster freundlichkeit zusammen sich ergötzen/
Da will ich/ wann und wie es das verhängnüß heist/
Mich in die grosse zahl der todten lassen setzen.
Doch weil so manches schiff auff dieser reise bleibt/
Da alles ist umzirckt mit klippen und mit steinen/
So ruff ich Venus an/ daß sie die wellen treibt/
Und vor den steuermann mir sendet ihren kleinen. ***
Bringt Venus mich an port/ und setzet mich ans land/
So will ich täglich mich zu ihrem tempel fügen/
Und ich verspreche ihr mit sinnen/ hertz und hand/
Daß ich ins künfftig will auff blosser erde liegen.
*) Galant meinte damals eine Mischung aus höfischer zierlicher Form und grobsinnlichem Inhalt.
**) Florida ist doppeldeutig: geograph. Ort und Mädchenname (Im nächsten Gedicht »Auff einen kuß.« ist eine Florida angesprochen.)
***) Wer ist "der Kleine"? Cupido oder ein kleines Organ...?
Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte anderer Theil. Leipzig, 1697, Seite 8.
> http://www.zeno.org/nid/20005085845
> https://www.deutschestextarchiv.de/book/view/hoffmannswaldau_gedichte02_1697?p=24
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Liebes-Schifferey
Daniel Casper von Lohenstein (1635–1683)
Denn lieben ist nichts mehr / als eine schifferey /
Das schiff ist unser hertz / den seilen kommen bey
Die sinn-verwirrungen. Das meer ist unser leben /
Die liebes-wellen sind die angst / in der wir schweben /
Die segel / wo hinein bläst der begierden wind /
Ist der gedancken tuch. Verlangen / hoffnung sind
Die ancker. Der magnet ist schönheit. Unser strudel
Sind Bathseben.* Der wein und überfluß die rudel. **
Der stern / nach welchem man die steiffen seegel lenckt /
Ist ein benelckter mund. Der port / wohin man denckt /
Ist eine schöne Frau. Die ufer sind die brüste.
Die anfahrt ist ein kuß. Der zielzweck / süsse lüste.
Wird aber hier umwölckt / durch blinder brünste rauch /
Die sonne der vernunfft / so folgt der schiffbruch auch /
Der seelen untergang / und der verderb des leibes:
Denn beyde tödtet uns der lustbrauch eines weibes.
in: [Benjamin Neukirch, Hg.] Herrn von Hoffmannswaldau und andrer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte erster theil, Leipzig 1695 noch ohne Verfasser; in der 2. Auflage 1697 D. C. v. L. zugeschrieben.
*) Bathseba ist die Frau, in die sich David sündigerweise vergafft hatte (2.Samuel 11)
**) Nebenform von "Ruder"
Das ganze Gedicht »Venus« (Izt liebt die gantze welt! …) hier
http://www.zeno.org/nid/20005314798
https://www.deutschestextarchiv.de/......
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Umsteigen auf ein anderes ›Boot‹
• Arion
Die Geschichte wird immer wieder erzählt:
»Gesta Romanorum«
Aulus Gellius erzählt vom Arion, daß dieser Mann, welcher sehr reich war und aus seinem Lande in ein anderes übersetzen wollte, ein Schiff mietete. Allein die Schiffer wollten ihn seines Geldes wegen umbringen, er erlangte jedoch von ihnen, daß er den Delphinen zu Ehren, welche sich am Gesange des Menschen ergötzen, ein Lied anstimmen durfte. Als man ihn aber nachher in's Meer warf, da fing ihn ein Delphin auf und trug ihn an's Land, und während ihn die Schiffer für todt hielten, verklagte er sie zu Lande bei ihrem Könige, worauf sie vor denselben gebracht, überführt und verurtheilt wurden.
Gesta Romanorum, Hundertundachtundvierzigstes Capitel, übers. Johann Georg Theodor Gräße, Leipzig 1905. :
>
http://www.zeno.org/nid/2000780993X
Herodot, Historien I,23f
Hygin, Fabulae 149.
Aulus Gellius, Noctes Atticae XVI,19 (aus Herodot I. 23 nacherzählt).
Ovid, Fasti II, 79–118.
Sebastian Brant:
Esopi appologi sive mythologi: cum quibusdam carminum et fabularum additionibus Sebastiani Brant.Basel: Jacob <Wolff> von Pfortzheim, 1501.
> https://www2.uni-mannheim.de/mateo/desbillons/esop/seite367.html
Der lat. Text mit deutscher Übersetzung in: Sebastian Brant, Fabeln. Carminum et fabularum additiones Sebastiani Brant – Sebastian Brants Ergänzungen zur Aesop-Ausgabe von 1501. Mit den Holzschnitten der Ausg. von 1501, hrsg., übers. und mit einem Nachw. vers. von Bernd Schneider, Stuttgart-Bad Cannstatt: Frommann-Holzboog 1999 (Arbeiten und Editionen zur mittleren deutschen Literatur. Neue Folge, Band 4, Nummer 105 = S.319–321.).
• Jona
Jona (Jonas) möchte sich der Weisung des HErrn entziehn, das Unheil über Ninive zu verkünden, den Inbegriff der widergöttlichen Macht. Er flieht auf ein Schiff zum fernen Tarsis. Ein Sturm kommt auf, und die Seeleute werfen das Los, um zu erfahren, wer daran Schuld ist. Das Los fällt auf Jona; sie befragen ihn und erfahren, dass er vor dem HErrn flieht.
Buch Jona 1,12: Er sprach zu jnen / Nemet mich vnd werfft mich ins Meer / so wird euch das Meer still werden / Denn ich weis / das solch gros Vngewitter vber euch kompt vmb meinen willen […] 15 Vnd sie namen Jona / vnd wurffen jn ins Meer /Da stund das Meer still von seinem wüten. […] 2,1 Aber der HERR verschafft einen grossen Fisch /Jona zuuerschlingen / Vnd Jona war im leibe des Fisches / drey tag vnd drey nacht.
Luthers Übersetzung im Druck 1545 > http://www.zeno.org/nid/2000532911
Biblia ectypa. Bildnußen auß Heiliger Schrifft deß Alten Testaments, Erster Theil. in welchen Alle Geschichten u: Erscheinungen deutlich und schriftmäßig zu Gottes Ehre und Andächtiger Seelen erbaulicher beschauung vorgestellet worden. ... hervorgebracht von Christoph Weigel in Regensburg. Regensburg, Weigel 1697.
Drei Tage und drei Nächte verweilt Jona im Bauch des großen Fischs (dāg gādōl). Nach einem Gebet gebietet Gott dem Fisch, Jona wieder auszuspeien:
Aus der sog. Gruppenbachbibel, Tübingen 1591. Der Holzschnitt könnte von Christoph Murer stammen.
Die Sagen der Juden, gesammelt von Micha Josef Bin Gorion [1865–1921]:
Aber Gott ließ einen großen Fisch heranschwimmen, daß er den Jona verschlinge. Dieser Fisch war von der Schöpfungszeit her dazu bestimmt gewesen, dem Jona eine Zuflucht in seinem Bauche zu geben.
Und Jona stieg in den Rachen des Fisches wie ein Mensch, der einen Raum betritt, und stand aufrecht in seinem Leibe. Die zwei Augen des Wassertieres waren wie Fenster und leuchteten auch nach innen. Andre meinen, eine große Perle habe dem Jona dort Licht gespendet wie die Sonne um Mittag, und bei ihrem Schein habe er alles gesehen, was im Meer und in den Gründen vorgeht.
Und der Fisch sprach zu Jona: Du sollst es erfahren. daß heute der Tag gekommen ist, an dem ich vom Leviathan verspeist werden soll. Jona erwiderte: Führe mich zu ihm. Und er sprach zu dem Drachen: Deinetwegen bin ich in die Meerestiefe gestiegen, denn ich bin es, der ich dich bereiten soll zum großen Mahl für die Frommen, Und er ließ ihn das Zeichen des Abrahambundes an seinem Fleische schauen. Wie das der Leviathan sah, floh er davon, zwei Tagereisen weit. Nunmehr sprach Jona zu dem Fisch: Siehst du, daß ich dich vor dem Schlund des Leviathan gerettet habe.
Die Sagen der Juden / gesammelt und bearb. von Micha Josef Bin Gorion. (Texte sind verdeutscht von Rahel Ramberg-Berdyczewsky.) Frankfurt a. M.: Rütten & Loening 1913–1927; Ausgabe in einem Band Berlin: Schocken Verlag 1935; Elftes Buch, Kap. 11: Jona.
Mehr Text hier > https://portal.dnb.de/bookviewer/.....
Eine Variante in: Louis Ginzberg, Die Legenden der Juden, hg. Andreas Kilcher / Joanna Nowotny, Jüdischer Verlag Berlin 2022, S.1275f.
Im Stuttgarter Psalter (ca. 820/830) ist der vom Fisch ausgespuckte Jona zu Psalm 129 [Vulgata] gezeichnet: De profundis clamavi ad te, Domine; Domine, exaudi vocem meam. Fiant aures tuae intendentes in vocem deprecationis meae.Si iniquitates observaveris, Domine, Domine, quis sustinebit? (Aus der Tiefe, rufe ich, Herr, zu dir, Herr höre meine Stimme … = Ps. 130 MT).
Württembergische Landesbibliothek. Cod.bibl.fol.23
>
http://digital.wlb-stuttgart.de/purl/bsz307047059
Für den Evangelisten Matthäus ist die Erzählung von Jonas eine Prophetie auf die Grabesruhe und Auferstehung Jesu (Mt 12,40).
➔ Zum Nachleben in Dichtung und Kunst vgl. Martin Bocian u.a., Lexikon der biblischen Personen, Stuttgart 1989 (Kröners Taschenausgabe 460), S. 257ff.
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Dichten / einen Text verfassen als Schifffahrt
Properz (ca. 47 – ca. 2), Elegien III,ix,4:
quid me scribendi tam vastum mittis in aequor?
non sunt apta meae grandia vela rati.
Warum sendest du mich in die offene Woge des Schreibens?
Nicht sind unserem Kiel mächtige Segel gemäß. (Joh. Hch. Voß 1830)
Warum schickst du (Maecenas) mich hinaus auf diesen weiten Ozean der Dichtung?
Große Segel passen nicht auf meinen Kahn. (übers. Georg Luck 1964)
Ambrosius von Mailand (340–397), Lukaskommentar (übers. in: Bibliothek der Kirchenväter)
[…] wer Anstalten trifft, in Form einer Küstenfahrt den Weg über das Meer zu nehmen, um der kürzeren Fahrt über die hohe See gleich uns aus mangelndem Vertrauen auszuweichen, stattet häufig der Landschaft und den Küstenstädten, von der Schönheit der Punkte angelockt, Besuche ab: wieviel mehr müssen wir, die wir zwar nicht inmitten eines gewaltig tiefen Elementes, wohl aber gewaltig tiefer himmlischer Geheimnisse uns befinden, an näher gelegenen Hafenplätzen anlegen und gern des öfteren Abstecher machen, damit nicht einer, der langen Fahrt überdrüssig und müde, vor Ekel sich nicht mehr des Erbrechens erwehren kann? Gewiß, wer gefährliche Schäden an seiner unsicheren Barke merkt, der mag, wenn oft ein Buch wie ein Ruheport winkt, der Ohre Segel streichen und der Lesung Anker werfen. Im Hafen landen heißt noch nicht die Seefahrt aufgeben, sondern nur die Weiterfahrt einstellen.
Weiter: Mehr als der Sirenensang fesselt Christi Wort und Tat den Gläubigen. Der Sirenensang ein Bild der verführerischen Lüste der Welt usw.
> bei BKV digitalisiert
Alanus ab Insulis, »Anticlaudianus« (entstanden ca. 1182/83) V, 304f.:
… duc nauta ratem portumque timenti
Dona, celesti perflans mea carbassa uento.
(Gib, bitte ich, Deine Worte mir ein … und) steure mein Schifflein, schenke dem Zagen sicheren Hafen und füll meine Segel mit himmlischem Winde! (übers. Wilhelm Rath)
Dante, »Paradiso«, Zweiter Gesang, 1–15 (Übers. von Karl Witte, Berlin: Askanischer Verlag 1916)
O voi che siete in piccioletta barca, desiderosi d’ascoltar, seguiti
dietro al mio legno che cantando varca, |
Die hörbegierig ihr in kleinem Nachen bis hieher nachgefolgt seid meinem Schiffe, das mit Gesange seine Bahn durchmißt, |
tornate a riveder li vostri liti:
non vi mettete in pelago, ché forse,
perdendo me, rimarreste smarriti. |
Kehrt nun zurück zu eurem Heimatsstrande, wagt nicht ins hohe Meer euch; denn ihr wäret, verlört ihr meine Spur, gar leicht verloren. |
L’acqua ch’io prendo già mai non si corse;
Minerva spira, e conducemi Appollo,
e nove Muse mi dimostran l’Orse. |
Nie ward das Meer beschifft, das ich befahre. Mich führt Apoll, Minerva schwellt die Segel, und die neun Musen zeigen mir die Bären. |
Voialtri pochi che drizzaste il collo
per tempo al pan de li angeli, del quale
vivesi qui ma non sen vien satollo, |
Ihr wenigen jedoch, die ihr bei Zeiten den Hals gestreckt nach jenem Engelsbrote, das Nahrung hier, nie Sättigung gewährt, |
metter potete ben per l’alto sale
vostro navigio, servando mio solco
dinanzi a l’acqua che ritorna equale. |
Wohl dürft eu'r Schifflein in die hohe Meerflut Ihr lenken, haltet ihr nur meine Furche, eh sich das Wasser wieder glättet, ein. |
➔ Ernst Robert Curtius, Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, Bern/ München 9.Aufl. 1978. "Dichten als Schiffahrt", S.138–141.
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Logik als Schiffahrt
Verschiedene intellektuelle Fähigkeiten und logische Disziplinen versuchen mit ihren Schiffen den Tempel der Sapientia/Philosophia zu erreichen.
Typus necessitatis logicae 1622 — Mit besserer Auflösung (accapt all cookies!)
> https://www.britishmuseum.org/collection/object/P_1880-0214-122
Zur Deutung vgl. die Darstellung von Susanna Berger, The Art of Philosophy. Visual Thinking in Europe from the Late Renaissance to the Early Enlightenment, Princeton University Press 2017.
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Ständiger Neubau
Als Theseus seine Vaterstadt Athen aus der Knechtschaft befreit hatte, beschlossen seine Mitbürger, die ruhmvolle Tat zu verewigen, indem sie dem Schiff, mit dem Theseus nach Kreta gefahren war, wo er Minotaurus tötete, große Sorge trugen. Jedesmal, wenn eine Planke morsch wurde, ersetzten sie diese durch eine neue, so dass das Schiff immer in gutem Zustand erhalten blieb. (Das überliefert Plutarch, Leben des Theseus, ¶ 23.)
Als Johann Jacob Scheuchzer (1672–1733) 1697 Aktuar des »Collegiums der Wohlgesinnten« in Zürich wurde, hielt er eine Ansprache und zeigte dazu dieses Bild:
Zentralbibliothek ZürichHandschrift Z III 616; Fol.1 — Der Wimpel trägt den Schriftzug WOLGESINT
Scheuchzer bezieht die mythologische Geschichte Plutarchs auf das Collegium: Ebenso sollen die Lücken der dahingegangenen Gelehrten durch neue Personen aufgefüllt werden. (Nachher setzt er die Schiffsmetaphorik fort: Alle aus den verschiedenen Disziplinen stammenden piloten sollen das Schiff einträchtig führen.)
weil es gar schön vorbildet die immerwährende und doch allzeit sichabwerkende Gesellschafft der menschen, oder, welches näher zu unserem zweck dient, ein eigentliches sinnbild könne genannt werden aller gelehrten, zu aufnahme allerhand künsten und wissenschaften angeordneter Societatum... Niemand ist unverborgen, daß die gelehrten so wol der oberherrschaft des Todes unterworfen, als andere menschen, ja, welches zu bedauren, gar oft v o r diesen hingeraffet werden in der blüte ihres alters, inmitten ihrer, der menschlichen gesellschaft vortrefflich nutzlichen studien, da dann j e n n e n nichts übrig gelassen wird, als ein trauriger abscheid von ihren schriften, schmerzhafte verlierung ihrer gedancken, und, wann es vil ist, ein bey der nachwelt sich immer fortpflantzender ruhmlicher namen, dessen sie aber nimmer genießen, d i e s e aber nichts übrig hat, als ein bloßes ohnkräftiges nachsehen, und beraubung. viler herrlichen nutzlichen schrifften, anschlägen, und actionen. Gleichwol hören die gelehrten nit auf, unter sich selbst aufzurichten allerhand communicationen ihrer gedanken und zusammenkünften ihrer eigenen personen, wissen auch das absterben eines oder mehr gelehrter membrorum nit so fast mit schmerzhaften orationibus und concionibus funebribus zu begleiten, als in geduldigen gemütheren sich gar fein darin zu schicken...
Text in: Rudolf Steiger, Johann Jakob Scheuchzer – I. Werdezeit (bis 1699), (Schweizer Studien zur Geschichtswissenschaft XV/1; 1927), Zürich 1930, S. 134f.
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Kunst braucht Mäzenatentum
DVM FAVERIT ILLE: Solange er [der Wind] günstig ist.
Ich Schiff wol/ so mir bläst der Windt von rechten enden/
Der mir die Segel füllt/ den port ich zeitlich find/
Die lieben Studien bedörffen auch gut Windt
Herrn gunst/ gut favor befördert die Scribenten.
Julius Wilhelm Zincgref: Sapientia Picta. Das ist/ Künstliche Sinnreiche Bildnussen und Figuren/ darinnen denckwürdige Sprüch und nützliche Lehren im Politischen und gemeinen Wesen durch hundert schöne newe Kupfferstück vorgebildet/ entworffen/ und durch teutsche Reymen erkläret werden/ … Franckfurt: Peter Marschall 1624
> http://diglib.hab.de/drucke/li-6643-2/start.htm
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Ohne tiefgründende Symbolik, aber interessant, curios
▲ Das Element Wasser
... wird selbstverständlich mit einem Schiff als Attribut dargestellt. In diesem Buch werden den Personifikationen immer exemplarische Szenen (meist aus der Bibel) beigegeben, hier Exodus 14,22ff.:
Kupfer von Gottfried Eichler (1715–1770) und Jeremias Wachsmuth (1711–1771) in: Des berühmten Italiänischen Ritters, Cæsaris Ripæ, allerleÿ Künsten, und Wissenschafften, dienlicher Sinnbildern, und Gedancken, Welchen jedesmahlen eine hierzu taugliche Historia oder Gleichnis beÿgefüget. dermahliger Autor, und Verleger, Joh. Georg Hertel, in Augspurg [ca. 1760].
Das Waßer.
Pharaô mit seinem Heere
wird ersäufft im Rothen Meere.
▲ Dass der antike Gott des Meers, Poseidon / Neptun, als Fahrzeug ein Schiff und als Zugpferde Hippocampi verwendet, ist erwartbar. In Homers »Ilias« (13. Gesang, Verse 23ff.) wird das geschildert. Allerdings sind nicht viele Bilder davon überliefert.
• Mosaik aus dem 3. Jh. im heutigen Tunesien (Archaelologisches Museum Sousse).
• Kupferstich von Giulio di Antonio Bonasone (ca. 1498–1580): Neptun mit Dreizack auf einem Muschelwagen, gezogen von geflügelten Meerespferden > https://www.rct.uk/collection/851731
• Eine Gelegenheit, dieses Schiff darzustellen, ist die Geschichte von Poseidon und Amymone: Die Nymphe Amymone hatte versehentlich einen Satyr mit dem Speer getroffen, der sie daraufhin begehrte. Als Poseidon erschien, floh der Satyr, aber dafür musste Amymone mit dem Meeresgott schlafen. (Apollodor, Bibliotheke 2, 16)
Les Images Ou Tableaux De Platte Peinture Des Deux Philostrates Sophistes Grecs, Et Les Statues De Callistrate, Mis en Francois par Blaise De Vigenere, … Paris: Cramoisy 1637; p. 61.
> https://gdz.sub.uni-goettingen.de/id/PPN71692286X
> http://diglib.hab.de/drucke/1-1-eth-2f/start.htm (Druck von 1615)
• In einer anderen Geschichte begegnet Poseidon / Neptun mit seiner Frau Amphitrite (Ἀμφιτρίτη) auf einem von Pferden gezogenen Schiff. Die antiken literarischen Quellen sind diffus, die genaueste Vorlage für diese bildlichen Darstellungen ist Pausanias, Beschreibung Griechenlands 2.1.7.
• Erstaunlich ist, dass in einem enzyklopädischen Hausbuch das Kapitel zur Fischerey mit dem Bild Neptuns im Schiff verziert ist:
[Wolfgang Helmhard von Hohberg], Georgica Curiosa Aucta. Das ist: Umständlicher Bericht und klarer Unterricht Von dem vermehrten und verbesserten Adelichen Land- und Feld-Leben/ Auf alle in Teutschland übliche [...]. – Neuerfundener Dritter Theil. In welchem/ gantz besondere zu diesem Zweck/ sehr curiose Materien/ deren man sich/ mit grossem Nutzen/ und seiner Vergnügung bedienen kan/ enthalten; [...] Nürnberg: Jn Verlegung Martin Endters, Jm Jahre Christi 1715. — Des Adelichen Land= und Feld=Lebens Dritten Theils Eilfften Buchs Nutzliches Supplementum... S. 294
>
https://digital.bibliothek.uni-halle.de/hd/content/pageview/400832
▲ In Najaden verwandelte Schiffe
Vergil berichtet in »Aeneis« IX, 77–122, dass Turnus mit feurigen Fackeln gegen die herannahende Flotte von Aenas kämpft. Das lässt die Göttermutter Berecyntia nicht zu, weil das Holz dieser Schiffe von einem Hain stammt, der ihr heilig ist. Sie bittet Iuppiter, er solle die Schiffe schützen. Dieser versichert, sie nur in Göttinnen zu verwandeln, nicht zu vernichten; sie sollen wie die Nereiden Doto und Galatea mit ihrer Brust die schäumende Flut zerteilen. Das geschieht: Die Schiffe [nachdem die Besatzung sie verlassen hat, was nicht erzählt wird!] reissen die Vertäuungen vom Ufer los und tauchen wie Delphine in die Tiefe und kehren als jungfräuliche Gestalten wieder auf.
Aeneis X, 215–259: Aeneas fährt auf der tyrrhenischen See zurück zur Tibermündung; es erscheinen ihm die Nymphen, die vorher aus Schiffen verwandelt worden waren, und mahnen ihn zur Eile, damit er sich in die Kämpfe an der Tibermündung einmischen kann; sie prophezeien ihm einen erfolgreichen Kampf.
Publij Virgilij maronis opera cum quinque vulgatis commentariis […], expolitissimisque figuris atque imaginibus nuper per Sebastianum Brant superadditis, exactissimeque revisis atque elimatis, Straßburg: Grüninger 1502, Fol. CXXXVII verso
Ovid erzählt die Verwandlung ausführlicher in den »Metamorphosen« XIV, 527ff.
Jetzt lässt die segnende Mutter [die Göttin Berecyntia]
Bersten die Taue von Werg, die hielten die phrygische Flotte,
Treibet die Schiffe hinaus und versenkt sie inmitten des Meeres.
Wie das Gebälk sie erweicht und das Holz zum Leibe geworden,
Nehmen des Hauptes Gestalt die gebogenen Hinterverdecke;
Finger entstehen zugleich aus den Rudern und schwimmende Füße;
Seite verbleibt, was sonst auch Seite gewesen, und mitten
Unter den Schiffen der Kiel wird fürder verwendet als Rückgrat;
Tauwerk wird zu geschmeidigem Haar und zu Armen die Rahen;
Blau ist die Farbe wie sonst. In den Wellen, wovor sie sich ehdem
Fürchteten, tummeln sich froh die neuen Najaden des Meeres
In jungfräulichem Spiel; und erwachsen auf hartem Gebirge,
Zieh'n sie durch weiches Gewog', und es kümmert sie nimmer ihr Ursprung.
Übersetzung von Reinhart Suchier > http://www.zeno.org/nid/20005456568
Les Métamorphoses d’Ovide, Traduction nouvelle par de Bellegarde, Amsterdam: Etienne Roger 1716. (Oben am Himmel die Göttin im von zahmen Löwen gezogenen Wagen. – Genau genommen sollte das Schiff nicht in Flammen stehen. – Auf dem Bild der Erstausgabe 1701 ist das Schiff noch bemannt!)
▲ Sankt Brandan (Brendan), der Heilige der Seefahrer
Es gilt, zwei Fassungen zu unterscheiden:
• die »Navigatio« (lateinisch): Brandan hört von der Terra Repromissionis Sanctorum und fährt mit seinen Gefährten 7 Jahre übers Meer, um dieses paradiesische Land aufzusuchen. Lockere Folge von Einzelepisoden. Symbolik: Lebensfahrt zum Paradies;
• die »Reise« (niederländische Handschriften; deutsches Volksbuch): Brandan liest ein Buch, in dem die Wunder Gottes aufgezeichnet sind. Das erscheint ihm unglaubwürdig und er verbrannte es. Ein Engel erscheint und befiehlt ihm auszureisen, um die Wunder mit eigenen Augen zu sehen.
>>> Schiff und Seefahrt erfahren keine symbolische Auslegung.
Zusammenfassung der deutschen Version auf
https://de.wikipedia.org/wiki/Brendan_der_Reisende
Einmal begegnen die Seefahrer einem Fisch, der so groß ist, dass sie vier Wochen fahren müssen, bis sie zu seinem Schwanz kommen; da biegt er den Schwanz zu seinem Maul, so dass sie kaum daraus heraus kommen:
Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. germ. 60
> https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg60/0370
In dem von B. veracheteten Buch steht, dass es Fische gibt, die so alt und groß werden, dass Wälder auf ihnen wachsen. – Bald erleben die Seefahrer dies.
Das Wunder, dass Brendan und seine Mitfahrer auf einem Walfisch Messe feiern – eine Szene, die in der lateinischen »Navigatio Sancti Brendani« vorkommt – , erscheint seltsamerweise in einem Bild in einer Beschreibung von America – offenbar wird Brendan gesehen als ein Entdecker des Kontinents:
[Honorius Philoponus], Nova typis transacta navigatio Novi Orbis Indiæ Occidentalis admodum reverendissimorum PP. ... Dn. Buellii Cataloni abbatis montis Serrati, & in vniversam Americam, sive Novum Orbem sacræ sedis Apostolicæ Romanæ â latere legati, vicarij, ac patriarchæ […] Nunc primum e varijs scriptoribus in vnum collecta, & figuris ornata. 1621
> https://archive.org/details/novatypistransac00phil/page/n32/mode/1up
> http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN832864250
Dazu: Joëlle Weis, Masterarbeit an der Universität Wien 2014 zu diesem Buch
> https://utheses.univie.ac.at/detail/29967
Textausgabe: Sanct Brandan. Ein lateinischer und drei deutsche Texte, hg. von Carl Schröder, Erlangen: Besold 1871. > https://mdz-nbn-resolving.de/details:bsb10787823
Der mittelhochdeutsche Text »Von sente Brandan« aus der Edition von Carl Schröder (1871), S. 51–93: transcribed by Dr. Thomas F. Shannon hier > https://digitalassets.lib.berkeley.edu/sunsite/Von%20sente%20Brandan.pdf
Walter Haug, Artikel »Brandans Meerfahrt« in: Die deutsche Lit, des MAs., Verfasserlexikon, Band I (1978ff.), Sp. 985–991.
Dominik Pietrzik , Die Brandan-Legende. Ausgewählte Motive in der frühneuhochdeutschen sogenannten "Reise"-Version, Frankfurt am Main / Bern: Lang 1999 (Bremer Beiträge zur Literatur- und Ideengeschichte 26)
Romy Günthart, "Brandans Meerfahrt". Eine wissenspoetologische Lektüre, in: Wirkendes Wort. Deutsche Sprache und Literatur in Forschung und Lehre 68, 2018, S. 171–182.
▲ Vitruv (1. Jh. v.u.Z.) entwirft in seinem Buch über die Architektur auch Weg-Mess-Geräte für Landfahrzeuge und Schiffe (X. Buch, Kap. ix, ¶ 7): ein an der Aussenwand angebrachtes Wasserrad, dessen Achse ins Innere reicht und dort einen Mechanismus antreibt, mit dem die Anzahl Umdrehungen, mithin die zurückgelegte Strecke angezeigt wird. Gebaut wurde das nie, aber Walter Hermann Ryff (* um 1500 – 1548) hat es visualisiert:
Vitruvius, Des aller namhafftigisten unnd hocherfahrnesten/ Römischen Architecti/ unnd kunstreichen Werck oder Bawmeisters/ Marci Vitruvij Pollionis/ Zehen Bücher von der Architectur und künstlichem Bawen. Ein Schlüssel und eynleitung aller Mathematischen unnd Mechanischen Künst/ Scharpffsinniger fleissiger nachtrachtung oder Speculation künstlicher Werck ... / Erstmals verteutscht/ unnd in Truck verordnet. Durch/ D. Gualtherum H. Rivium .... Basel: Henricpetri, [hier aus der Auflage 1614]
▲ Von diesem aussen am Schiff angebrachten Schaufelrad sowie von der Beschreibung von auf Schiffen befindlichen und mit Tieren betriebenen Mühlen angeregt ist wohl diese geniale Erfindung des Schiffs des antiken Autors von »De Rebus Bellicis«:
Bild aus der Sammelhandschrift BSB Clm 10291
> http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00005863/image_354
Der Text dazu:
XVIII. Liburnam naualibus idoneam bellis, quam pro magnitudine sui uirorum exerceri manibus quodammodo imbecillitas humana prohibebat, quocunque utilitas uocet, ad facilitatem cursus, ingenii ope subnixa, animalium uirtus impellit. 2. In cuius alueo uel capacitate bini boues machinis adiuncti adhaerentes rotas nauis lateribus uoluunt, quarum supra ambitum uel rotunditatem exstantes radii currentibus iisdem rotis in modum remorum aquam conatibus elidentes miro quodam artis effectu operantur, impetu parturiente discursum. 3. Haec eadem tamen liburna pro mole sui proque machinis in semet operantibus tanto uirium fremitu pugnam capescit ut omnes aduersarias liburnas comminus uenientes facili attritu comminuat.
Ein für die Seekriegsführung geeignetes ›liburnisches Schiff‹, das so groß ist, dass es aufgrund menschlicher Schwäche kaum von Menschenhänden bedient werden kann, wird durch tierische Kraft, die mit Hilfe menschlicher Erfindungsgabe zu einer leichten Fortbewegung genutzt wird, in jede gewünschte Richtung bewegt. 2. In seinem Rumpf oder Laderaum sind Ochsen an Maschinen gejocht, zwei an jeder, und drehen Spill-Räder, die an den Seiten des Schiffes befestigt sind; die Speichen ragen über den Umfang den Kranz der Räder hinaus und schlagen mit Kraft auf das Wasser wie Ruder, wenn sich die Räder drehen, und wirken mit einer wundersamen und genialen Wirkung, deren Schwung die Fortbewegung erzeugt. 3. Dasselbe Kriegsschiff aber zieht aufgrund seiner Masse und der in ihm arbeitenden Maschinen mit einer solchen Wucht in den Kampf, dass es alle gegnerischen Kriegsschiffe, die ihm zu nahe kommen, mit Leichtigkeit zermalmt und vernichtet.
Edward A. Thompson: A Roman Reformer and Inventor: Beeing a new Text of the Treatise De Rebus Bellicis with Translation and Introduction. Oxford 1952.
▲ Lazare de Baïf (1496–1547) zeigt mehrere (antike) Schiffe, unter anderem dieses.
A χηνίσκοσ, Anserculus ≈ Gänslein, als Heckfigur — B Anchoralia ≈ Ankertau — D fori ≈ von forus: Schiffsgang; hedolia ≈ griech. ἑδώλια, τὰ: Sitz- / Ruderbänke [Danke Matthias F. für den Hinweis auf Röding!] — E πηδάλιον Gubernaculum ≈ Steuerruder; temo ≈ Lenkstange, Führungsgriff — die etwas üppig geratenen Bugfigur wird nicht erklärt; (humoristische?) Anspielung auf die Argonauten?
Lazari Bayfii Annotationes in legem ii de captiuis & postliminio reversis, in quibus tractatur de re navali, per autorem recognitae. […] His omnibus imagines ab antiquissimis monumentis desumptas subiunximus. […] Basel: H. Froben & N. Episcopus, 1537.
>
https://archive.org/details/ita-bnc-mag-00001190-001
Thomas Gehring hat den Text von Lazare de Baïf dazu untersucht und die einschlägigen Stellen übersetzt:
S. 131: χηνίσκοσ, sive anserculus hac in nave ex antiquo
marmore desumpta fiebat ferè hoc pacto.
≈ Der Chäniskos oder das Gänslein wurde an diesem Schiff – von einem antiken Marmorbild abgenommen – etwa auf diese Weise gestaltet.
Lazare de Baïf zitiert Lukian, Πλοῖον ἢ Εὐχαί, »Das Schiff oder die Wünsche« und übersetzt: Ut vero ipsa puppis sensim assurgit inflexa aureo anserculo ornata, e regione autem proportione prora prominent... ≈ Während aber nun das Hinterdeck allmählich gebogen aufsteigt, mit einem vergoldeten Gänslein geschmückt, erstreckt sich hingegen der Bug verhältnismässig gerade nach vorn. — Nach einem Exkurs über Schiffsnamen von der Isis bei Plutarch über Pristis, Chimaera, Centaurus und Scylla im 5. Buch der Aeneis (V. 114ff.) kommt er zum Gänslein zurück: Quod nos anserculum vertimus, intellege formam anserculi effictam ad puppis ornamentum, ut vidimus in antiquis navibus depictis; quas adscribendas curavimus in lectorum gratiam. ≈ Was wir mit anserculus übersetzt haben, ist als Gebilde in Form eines Gänsleins zu verstehen, hergestellt zum Schmuck des Hinterdecks, wie wir es bei Darstellungen antiker Schiffe sehen, und diese haben wir uns bemüht einem geneigten Publikum nahezubringen.
Der Text ist philologisch, er will zeigen, wie die Dinge des Alltags in den alten Sprachen benannt worden sind. Die Bilder haben nicht den Anspruch, das genaue Aussehen zu zeigen.
▲ Galionsfiguren waren beliebte Verzierungen:
aus: [Johann Ludwig Gottfried] Historische Chronica. oder Beschreibung der Fürnemsten Geschichten, so sich von Anfang der Welt, biß auff das Jahr Christi 1619 zugetragen. [Auflage:] Frankfurt/Main, M. Merians Erben, MDCLVII. S. 202.
Die Ruechensteiner bluffen bei der Einladung der Leute von Seldwyla mit einem so geschmückten Pokal (Silberne Schiffe auf einer Festtafel waren im Mittelalter ein Privileg des Adels.):
Eine lange Tafel war mit gewirktem Linnenzeug gedeckt, worein Laubwerk mit Hirschen, Jägern und Hunden mit grüner Seide und Goldfäden gewoben war. Darüber lagen noch feine Tüchlein von ganz weißem Damast, welche bei näherem Hinsehen ein gar kunstreiches Bildwerk von sehr fröhlichen Göttergeschichten zeigte, wie man sie in diesem gravitätischen Saale am wenigsten vermuthet hätte. Auf diesem prächtigen Gedecke stand nun alles bereit, was zu einer öffentlichen Mahlzeit gehörte, und darunter besonders eine große Zahl köstlicher Geschirre, welche wiederum in getriebener Arbeit, bald halb erhaben, bald rund, eine glänzende Welt bewegter Nymphen, Najaden und anderer Halbgötter zur Schau trugen; sogar das Hauptstück, ein hoch aufgetakeltes silbernes Kriegsschiff, sonst ganz ehrbar und staatsmäßig, zeigte als Galion eine Galatea von den verwegensten Formen.
Gottfried Keller, »Dietegen« > https://de.wikisource.org/wiki/Dietegen
Galatea sieht bei V. Cartari so aus:
Vincenzo Cartari, Delle Imagini De Gli Dei Delli Antichi, Padua 1626.
>
http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cartari1626
▲ Am 3. November 1608 wurde in Florenz anlässlich der Hochzeit von Erbprinz Cosimo de’ Medici (später Cosimo II.) mit Maria Magdalena von Habsburg auf dem Arno eine in Anlehnung an den antiken Mythos vom Kampf um das Goldene Vlies konzipierte Naumachie unter dem Titel »L’Argonautica« aufgeführt. Dazu gibt es 19 Kupferstiche von Giulio Parigi (del.) / Remigio Cantagallina (sculps.)
> https://www.britishmuseum.org/collection/object/P_1861-0713-1474
weitere Bilder > https://www.britishmuseum.org/collection/term/BIOG21870
Eine spielerisch-festliche Inszenierung der Fahrt der Argonauten (die man sich freilich auf einem einzigen Schiff vorstellen muss). Symbolische Aussage?
▲ Coiffure à l’Indépendance ou le Triomphe de la Liberté
Fontange, in die eine aus Seide gefertigte Fregatte eingearbeitet ist in Erinnerung an das gleichnamige siegreiche Schiff, mit dem Frankreich 1778 am Nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieg teilgenommen hatte.
> https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b531922892/f20.item
> https://www.akg-images.com/archive/-2UMEBM4PAIS1.html
▲Das Luftschiff
Luftschiff, eine zwar in der Theorie ganz richtige, in der Ausübung aber unmögliche Maschine, worauf man vermittelst gewisser daran befestigter großer und luftleerer Kugeln, in der freyen und obern Luft von einem Ort zum andern fahren kann.
Joh. Karl Gottfried Jacobsson, Technologisches Wörterbuch oder alphabetische Erklärung aller nützlichen mechanischen Künste, Manufakturen, Fabriken und Handwerker, wie auch aller dabey vorkommenden Arbeiten, Instrumente, Werkzeuge und Kunstwörter. Berlin / Stettin 1781, 2.Theil, 645b.
Indessen:
E. G. Happelii Gröste Denkwürdigkeiten der Welt Oder so genannte Relationes Curiosæ. Worinnen dargestellet/ und Nach dem Probier-Stein der Vernunfft examiniret werden/ die vornehmsten Physicalis. Mathematis. Historische und andere Merckwürdige Seltzamkeiten/ Welche an unserm sichtbahren Himmel/ in und unter der Erden/ und im Meer jemahlen zu finden oder zu sehen gewesen/ und sich begeben haben. 4. Theil 1689 https://archive.org/stream/bub_gb_Gpg_AAAAcAAJ#page/n5/mode/2up
Das in der Lufft seeglende Schiff wird von Happel selbst als Project bezeichnet, das indessen nicht bloß erdichtet / sondern auff einem guten Grund beruhe (IV,309).
Die Idee stammt von Francesco Lana Terzi, S.J. (1631–1687), Prodromo ovvero saggio di alcune invenzioni nuove premesso all’arte maestra, 1670, den Happel zitiert. Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Francesco_Lana_di_Terzi
Alles Seemannsgarn!
Ecclesiasticus / ṣefer ben Ṣira 43,26 bzw. 24:
Qui navigant mare, enarrant pericula eius, et audientes auribus nostris admiramur. Illic praeclara opera et mirabilia, varia bestiarum genera et omnium pecorum et creatura belluarum. (Text der Vulgata)
Die Seefahrer erzählen von der Weite des Meeres; hören es unsere Ohren, so erschaudern wir. Dort gibt es Wunderwesen, die erstaunlichsten seiner Werke, allerlei Getier und die Ungeheuer des Weltmeers.
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Fachwörterbücher
• Johann Hinrich Röding, Allgemeines Wörterbuch der Marine. In allen europæischen Seesprachen nebst vollstændigen Erklærungen. Hamburg / Halle 1794ff.
Erster Band 1794 (A – K ) > https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10048822?page=9
Zweyter Band 1796 (L – Z) > https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10871906?page=5
Dritter Band: mehrsprachige Inidces > https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10871907?page=5
Vierter Band, CXV Kupfertafeln > https://archive.org/details/bub_gb_u1ZUAAAAcAAJ
• Gustav Goedel, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Seemannssprache, Kiel und Leipzig: Verlag von Lipsius & Tischer 1902.
> https://www.gutenberg.org/ebooks/39762
• Hans Bickel, Traditionelle Schiffahrt auf den Gewässern der deutschen Schweiz. Wort und Sache, Aarau: Sauerländer 1995. (479 Seiten). – Was ein Weidlig und ein Ledischiff ist, wissen die Zürcher Dialektsprecher:innen; hier steht mehr drin.
•Wortlisten im Artikel "Seemannssprache" > https://de.wikipedia.org/wiki/Seemannssprache
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Metaphorisch verwendete Fachwörter, idiomatische Redewendungen, Sprichwörter
Windstille — flottmachen — sich in die Riemen legen — bereits etwas abgetakelt — etwas über Bord werfen — die Segel streichen — die Segel nach dem Wind richten — einen Abstecher machen — Tiefgang haben — den Wind aus den Segeln nehmen — mit vollen Segeln — das Ruder herumwerfen — etwas läuft aus dem Ruder — Gegenwind haben — es herrscht Flaute — auf einer Woge reiten — vor sich hindümpeln — vom Stapel lassen — – navigieren – das Steuer herumwerfen — jemand an Bord nehmen — ausgebootet — trudeln — schlingern — leck sein — kentern — abwracken — ein Wrack sein — gestrandet sein — lavieren — etwas ausloten — etwas gut verankern — die Anker lichten — Schlagseite haben — Ballast über Bord werfen – die Segel streichen — jemanden im Schlepptau haben — im Kielwasser von jdm fahren — Seemannsgarn spinnen — jemanden auf dem Kieker haben — im gleichen Boot sitzen — einen Betrieb wieder flott machen — das Flaggschiff eines Unternehmens — NN ist unsere Galionsfigur — Die Ratten verlassen das sinkende Schiff. — Schiffbruch erleiden (vgl. 1.Timotheusbrief 1,19) — ± seetüchtig — (wieder) auf Kurs bringen – auf Kollisionskurs gehen — das bittere Ende (the part of an anchor cable which is abaft the bitts and thus remains inboard when a ship is riding at anchor).
Ahoi! (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Ahoi)
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Allgemeine Literaturhinweise
(± chronologisch geordnet)
➔ Johannes Kahlmeyer, Seesturm und Schiffahrt als Bild im antiken Schrifttum, Diss. Greifswald 1934.
➔ Hugo Rahner, Griechische Mythen in christlicher Deutung, Zürich 1957; S.291ff: Die Seefahrt des Lebens.
➔ Bernhard Blume, Das Bild des Schiffbruchs in der Romantik, in: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 2 (1958), S.145–
➔ Wolfgang Stammler (1886–1965), Seemannsbrauch und Glaube, in: Deutsche Philologie im Aufriß, Bd. III (1956; 3.Aufl. 1962), Sp. 2901–2973.
➔ Hugo Rahner, Symbole der Kirche, Salzburg 1964.
darin S. 239–564: Odysseus am Mastbaum — Das Meer der Welt — Das Schiff aus Holz — Des Kreuz als Mastbaum — Das mystische Tau [hebr. taw] — Der Schiffbruch und die Planke des Heils — Das Schifflein des Petrus — Die Arche Noe als Schiff des Heils — Die Ankunft im Hafen.
➔ Rainer Gruenter, Das Schiff. Ein Beitrag zur historischen Metaphorik. In: Tradition und Ursprünglichkeit. Akten des III. Internationalen Germanistenkongresses 1965 in Amsterdam, hg. von Werner Kohlschmidt und Herman Meyer, Bern/München 1966, S. 86–101. (vor allem zu Brants Narrenschiff, Kap. 108)
➔ Arthur Henkel / Albrecht Schöne (Hgg.), Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts, Stuttgart 1967; Spalten 1453–1484: »Schiff und Schiffsgerät«
➔ Dietrich Schmidtke, Geistliche Schiffahrt, in: P.P.B. 91 (Tübingen 1969), 357–385 und 92 (1970), 115–177.
➔ Ewald M. Vetter, sant peters schifflin, in: Kunst in Hessen und am Mittelrhein. Schriften der hessichen Museen 9 (1969), S. 7–34.
➔ U. Weber, Artikel »Schiff (Das Schiff der Kirche)«, in: Engelbert Kirschbaum / Wolfgang Braunfels u.a. (Hgg.), Lexikon der christlichen Ikonographie, 4. Band, Freiburg: Herder 1972, Sp. 61–67.
➔ Eckart Schäfer, Das Staatsschiff. Zur Präzision eines Topos, in: Peter Jehn (Hg.), Toposforschung, (Respublica Literaria 10), Frankfurt/M.: Athenäum 1972, S. 259–314.
➔ Alexander Demandt, Metaphern für Geschichte, München 1978, S. 190–198.
➔ Hans Blumenberg, Schiffbruch mit Zuschauer. Paradigmen einer Daseinsmetapher, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1979 (stw 289).
➔ Rudolf Drux, Des Dichters Schiffahrt. Struktur und Pragmatik einer poetologischen Allegorie, in: Walter Haug (Hg.), Formen und Funktionen der Allegorie. Symposion Wolfenbüttel, Stuttgart 1979, S.38–51.
➔ Michael Schilling, Imagines mundi. Metaphorische Darstellungen der Welt in der Emblematik, Frankfurt am Main: Lang 1979 (Mikrokosmos Bd. 4); S. 155–185.
➔ Dietmar Peil, Untersuchungen zur Staats- und Herrschaftsmetaphorik in literarischen Zeugnissen von der Antike bis zur Gegenwart (Münstersche Mittelalter-Schriften 50), München: Fink 1983; Staatsschiff S. 700–870.
➔ Irene Meichsner, Die Logik von Gemeinplätzen, vorgeführt an Steuermannstopos und Schiffsmetapher, (Abhandlungen zur Philosophie, Psychologie und Pädagogik 182), Bonn: Bouvier 1983.
➔ Sabine Mertens: Seesturm und Schiffbruch. Eine motivgeschichtliche Studie (= Schriften des Deutschen Schifffahrtsmuseums; Bd. 16), Hamburg 1987.
➔ Eckhart Berckenhagen, Schiffahrt in der Weltliteratur - Ein Panorama aus fünf Jahrtausenden, Hamburg: Kabel Verlag 1995.
➔ Barbara Neymeyr, Navigation mit ‚virtus‘ und ‚fortuna‘. Goethes Gedicht „Seefahrt“ und seine stoische Grundkonzeption, in: Goethe-Jahrbuch Band 115 (1998), S. 29–44; überarbeitet und gekürzt in: Stoizismus in der europäischen Philosophie, Literatur, Kunst und Politik: Eine Kulturgeschichte von der Antike bis zur Moderne, hgg. Barbara Neymeyr / Jochen Schmidt / Bernhard Zimmermann, De Gruyter 2008, S. 875–896.
➔ Stephan Leibfried, Das Staatsschiff Europa: Eine kleine Bildgeschichte, in: TranState Working Papers, No. 118 (2010) > https://www.econstor.eu/bitstream/10419/32782/1/626008603.pdf
➔ Vera Wolff, Artikel "Schiff", in: Handbuch der politischen Ikonographie, hg. Uwe Fleckner / Martin Warnke / Hendrik Ziegler, München: Beck 2011, Band II, S. 325–331.
➔ Christian von Zimmermann, „dieß wild und prächtig, und nütz- und schrecklich Element“: Barthold Hinrich Brockes’ Lehrgedicht vom Meer im Irdischen Vergnügen in GOTT (VII, 1743), in: Joachim Grage (Hg.), Beiträge zur Wissens- und Wahrnehmungsgeschichte des Meeres in der frühen Neuzeit. Cardanus. Jahrbuch für Wissenschaftsgeschichte (Heidelberg: Palatina-Verlag), Band 8 (2012), S. 73-91. > https://boris.unibe.ch/39182/
➔ Otto Ulbricht (Hg.): Schiffbruch! Drei Selbstzeugnisse von Kaufleuten des 17./18. Jahrhunderts. Edition und Interpretation, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2013.
➔ Wolfgang Sellert, Das Schiff als Rechtssymbol für Staat, Reich, Stadtregiment und Kirche, in Signa Iuris. Beiträge zur Rechtsikonographie … hg. Andreas Deutsch, Band 16 (2018), S. 225–273.
➔ Julia Frick, Ascendimus Hierosolimam: Mediale Zeitsemantiken in Johannes Ecks Schiff des Heils (1512), in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 93/4 (2019), S. 469–492.
➔ Thomas Rahn, Das Überleben der Güter. Schiffbruch als «occasio», in: Zeitschrift für Ideengeschichte 14/3 2020, S.31–44. > https://www.wiko-berlin.de/fileadmin/Dateien_Redakteure/pdf/ZIG/2020_3/ZIG_3_2020_reduced.pdf
➔ Traumschiffe der Renaissance. Schiffspokale und Seefahrt um 1600. Hg. Frank Matthias Kammel, München: Hirmer 2024.
(Diese Zusammenstellung profitiert von studentischen Arbeiten in Seminaren zur Allegorie im Sommersemester 1988 und WS 1997).
Dank für alle Korrekturen, Hinweise und Übersetzungshilfen an Thomas Gehring!
Und jetzt sind wir endlich auch fähig, Friedrich Schillers Rätsel zu lösen:
Ein Vogel ist es, und an Schnelle
buhlt es mit eines Adlers Flug;
ein Fisch ist's und zerteilt die Welle,
die noch kein größ'res Untier trug.
Ein Elefant ist's, welcher Türme
auf seinem schweren Rücken trägt;
der Spinnen kriechendem Gewürme
gleicht es, wenn es die Füße regt;
und hat es fest sich eingebissen
mit seinem spitz'gen Eisenzahn,
so steht's gleichwie auf festen Füßen
und trotzt dem wütenden Orkan.
»Turandot« (1802), Rätsel im 4. Auftritt des 2. Aufzugs
> https://www.friedrich-schiller-archiv.de/gedichte/raetsel-aus-turandot/
Mit Otfrid von Weissenburg (ca. 790 – ca. 875) am Ende seines Evangelienbuchs:
XXV. CONCLUSIO VOLUMINIS TOTIUS.
Selben Krístes stíuru joh sínera ginádu
bin nú zi thiu gifíerit, zi stáde hiar gimíerit;
Bín nu mines wórtes gikerit héimortes,
joh wíll es duan nu énti mit thiu íh fuar férienti.
Nu wíll ih thes giflízan, then segal nítharlazan,
thaz in thes stádes feste min rúadar nu giréste.
Da mir Christus selbst in seiner Gnade das Steuer führte,
bin ich nun so weit gekommen, dass ich hier das sichere Ufer erreicht habe;
ich bin mit meinen Ausführungen jetzt am heimatlichen Strand gelandet
und will meine Aufgabe, deretwegen ich losgesegelt bin, abschließen.
Ich will mich nun daran machen, die Segel einzuziehen,
auf dass am sicheren Ufer jetzt mein Ruder zur Ruhe komme.
(Übersetzung von Gisela Vollmann-Profe 1987; Reclams UB 8384)
... oder mit Abt Berengoz von Trier (gest.1125/26):
Da wir schon so lange im Meer der Schriften, geliebte Brüder, auf den Wellen treiben (fluctuamus), während wir über die Segenssprüche der Patriarchen sprechen, haben wir uns bemüht, mit Christus als Ruderer zum Hafen zu gelangen. Es ist Zeit, dass unsere Rede, von der Tiefe der Geheimnisse, gewissermaßen von emportragenden Wellen erhoben (de profundo mysteriorum, quasi sublevantibus undis excitus), mit dem Schifflein unseres Geistes um so schneller zur Küste geführt werden möge. Aber weil wir das Ende unserer Rede, gleichsam die Küste, noch nicht deutlich sehen können, gebührt es sich, dass wir in Jesus Christus den Anker unserer Hoffnung sehr fest setzen, dass — so uns die himmlische Gnade in dieser Nacht beschattet — der morgige Tag uns dort finde, wo uns der heutige gewichen ist.
Libellus de mysterio ligni Dominici et de luce visibili et invisibili … (Migne, PL 160,1001 C/D), zitiert in: Hans-Jörg Spitz, Die Metaphorik des geistigen Schriftsinns. Ein Beitrag zur allegorischen Bibelauslegung des ersten christlichen Jahrtausends, München: Fink 1972, S. 141.
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