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»Präsenz ohne Substanz«»Präsenz ohne Substanz« – Beiträge zur Symbolik des Spiegels
(Die Idee für diesen Titel stammt von Max Nänny).
Die Buchpublikation (2003) enthält auch andere Texte zum Thema …
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Programm der 1. Tagung (1. Juni 2000)Programm der 2. Tagung (31. August / 1. September 2001):(Zum Betrachten der Exposés auf die Namen klicken;
(Die mit ❒ gekennzeichneten Vorträge sind in Schriften zur Symbolforschung, Band 14 publiziert.)
Das Spiegelkabinett
Materialien in bunter Folge
Plinius d. Ä. (23/24 – 79), naturalis historia XXXIII, xlv, 128–130: Merkwürdig ist die Eigenschaft der Spiegel, die Bilder wieder zu geben, was unbezweifelt von der zurückprallenden und wieder ins Auge gelangenden Luft herrührt. Plinius, Die Naturgeschichte. Ins Deutsche übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Georg Christoph Wittstein, Gressner & Schramm, Leipzig 1881–1882. ☰☰☰ Katoptrik, hier aus der »Magia Naturalis« des Giambattista Della Porta (1535–1615): Von allerhand Brand- und andern Spiegeln/ und was man damit vor wunderliche Sachen vorstellen kan. Joh. Baptistæ Portae Nobilis Neapolis Magia Naturalis, Oder: Hauß-, Kunst- und Wunder-Buch, nach dem vermehrten in 20 Büchern bestehenden lateinischen Exemplar ins Hochdeutsche übersetzt . […] Mit dem Zweyten Theil von neuen vermehret. Erster Theil, Die Zweyte Auflage, verbessert, Nürnberg, 1715. Das siebenzehende Buch, S. 940–994. Vgl. > http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10927356_0... ☰☰☰ Emblem XCII: Julius Wilhelm Zincgref, Emblematum ethico-politicorum centuria Julii Guilielmi Zincgrefii, [Frankfurt am Main]: de Bry 1619. — [Kupferstecher: Matthaeus Merian der Ältere] Faksimile der Ausgabe Heidelberg 1664 u.d.T. »Hundert ethisch-politische Embleme«, hg. Arthur Henkel / Wolfgang Wiemann, Heidelberg: Winter 1986 (Band 2: Übersetzungen [nicht aller Texte] und Kommentare) Digitalisat > http://diglib.hab.de/drucke/li-10083/00205.jpg ☰☰☰ Johann Arndt, »Vier Bücher vom Wahren Christentumb« [1605/09, 1612 zu 6 Büchern erweitert; viele Neuauflagen]; die Embleme zuerst in der Ausgabe Riga 1678/79. Bild hier aus: Des hoch-erleuchteten Theologi, Herrn Johann Arndts, ... Samtliche Sechs Geistreiche Bücher Vom Wahren Christenthum. Das ist: Von heylsamer Busse, hertzlicher Reue über die Sünde, wahren Glauben, auch heiligen Leben und Wandel der rechten wahren Christen. Neue Auflag mit Kupferen, Samt Richtigen Anmerckungen, kräfftigen Gebätteren über alle Capitel, und einem sechsfachen Register, Zürich, in Bürcklischer Truckerey getruckt 1746. [Erstes Buch, 1. Kap.] Hier ist ein heller Spiegel auf einem Tisch, in welchem sich die Sonne helle spiegelt; Also spiegelt sich auch in einer gläubigen Seele die Klarheit des HErrn oder das Bild GOttes mit aufgedecktem Angesicht 2 Corinth. Cap. 3. v. 18. Es spiegelt sich in uns allen des HErrn Klarheit mit aufgedecktem Angesicht, und wir werden verkläret in dasselbige Bilde von einer Klarheit zu der andern. So spiegelt sich das Leben wirckend Licht ☰☰☰ Das Bild zeigt eine Meeresoberfläche bei bewegtem Seegang und darüber eine Sonne, die sich in jeder einzelnen Welle spiegelt; das Motto lautet OMNIS AB UNO; und das Epigramm formuliert: Von einer Schönheit kömt | was Schönes sich hier spiegelt. Johann Albert Fabricius (1668–1736), Hydrotheologie Oder Versuch, durch aufmerksame Betrachtung der Eigenschaften, reichen Austheilung und Bewegung der Wasser, die Menschen zur Liebe und Bewunderung Ihres ... Gütigsten, Weisesten, Mächtigsten Schöpfers zu ermuntern ... : Nebst einem Verzeichniß von alten und neuen See- und Wasser-Rechten ... Hamburg: König & Richter 1734. (Titelkupfer) ☰☰☰ Barthold Hinrich Brockes (1680–1747) widmet dem Gedanken, die Kreatur sei ein Spiegel des Schöpfers, ein Gedicht im »Irdischen Vergnügen in Gott« (V [1736], 165–167); hier ein Ausschnitt: Sind die erschaffnen Creaturen, wenn man’s erweget, anders was ☰☰☰ Otto van Veen (1556–1629): Amoris divini emblemata 1615: De spiegel vergroot het licht uit dat hij van de zon opneemt en ontvangt; op dezelfde manier en met een volkomen overeenkomstige uitwerking voedt onze ziel zo gelovig de vlammen die haar God haar geeft, dat ze andere zielen warmte geeft en ze met hetzelfde vuur hartstochtelijk liefheeft. Le miroir accroist la lumiere Das Engelchen mit dem Strahlennimbus ist Amor divinus; das Engelchen, das den Spiegel hält, ist die Anima. (Genau genommen sollte es ein Brennspiegel sein.) Amoris divini emblemata, Studio et ære Othonis Væni concinnata, Antwerpen: Plantin 1660. ☰ Motti: Ignem veni immittere in terram – Ich bin gekommen,ein Feuer anzuzünden auf Erden (Lukas 12,49) Solis inardescit radiis, longeque refulget (Aeneis VIII, 623: das Schwert des Aeneas gleicht einer Wolke, die von der Sonne erglüht, weithin leuchtet) Die emblematische Predigt ist dem hl. Ignatius von Loyola gewidmet. Er hat mit dem göttlichen Feuer die erkalteten und erloschenen Seelen wieder angezündet. Der archimedische Hohlspiegel regte Feuersbrünste an.* Ähnlich hat der überaus klare (limpidissimus) Geist des Ignatius die göttlichen Strahlen tief in sich versammelt und mit seiner glühenden Rede (ignito suo eloquio) den ganzen Erdkreis angezündet. *) Die Geschichte, Archimedes habe die feindliche römische Flotte vor Syrakus (214–212 v. Chr.) mittels eines Brennspiegels angezündet, beruht im Kern auf einer kurzen Stelle bei Galen (130–200), »De temperamentis«. [Heinrich Engelgrave, S.J. (1610–1670)], Lucis Euangelicæ sub velum sacrorum emblematum reconditæ, Pars tertia. Hoc Est Caeleste Pantheon, Sive Caelum Novum, In Festa Et Gesta Sanctorum Totius Anni, Selecta Historia, et Morali Doctrina Varie Illustrum per R.R. Henricum Engelgrave S.J., Pars posterior, Coloniae Agrippinae: Busaeus 1659. S. 72–116. ☰
Text aus der deutschen Ausgabe 1655: Die Sonne wirft jhre Stralen in einem außgehölten glaß/ vnd solche schlagen gantz fewrig wider zurück […] welches dan bedeutet/ daß auß der guten oder bosen zuneigung der bedienten fridd oder krieg entstehe; sehr gefählich ist das widerhallen der geboht/ welche sie empfangen. Wan sie ein gantz ebenes/ klares/ reines Christallenes gemüth hetten/ so würden sie eben mit solcher reinigkeit die befehl von sich geben/ wie sie solche empfangen/ ja auch wol reiner; wo aber solches von Staal ist/ so werden sie die gantze Weldt in kriegsbrandt stecken. … Bild aus: Idea principis christiano-politici, centum symbolis expressa a Didaco Saavedra Faxardo hier aus der Ausgabe Brüssel 1649. Emblem Nr.LXXVI > http://www.fondiantichi.unimo.it/fa/emblem01/saav076.html ☰ Archimedes-Emblem im Pfarrhaus von St. Jost in Blatten (Kanton Luzern), erbaut 1654-57; auf der Website von Dieter Bitterli > http://www.emblemata.ch/emblemata.ch/Objects_%26_Emblems/Pages/Blatten_%... ☰ Daniel Casper von Lohenstein (1635–1683), »Die Augen«: Last Archimeden viel von seinen Spiegeln sagen … (Sonett, 1680) ☰☰☰ In Parvo Totus Das grosse Sonnen-Liecht Abraham [a Sancta Clara], Stern, So auß Jacob aufgangen Maria: Deren Heilige Lauretanische Litaney mit so viel Sinn-Bilderen, als Titulen, Mit so viel Lobsprüchen, als Buchstaben in jedem Titul seynd, Vermehrt und geziehret worden, [o.O.] 1686. ☰ Mater inviolata Das Bild stellt für die Sonn in der Jungfrau, das ist Christum, die Sonn der Gerechtigkeit; dardurch aber wird angedeutet, daß, gleichwie der Glanz aus der Sonn geht ohne Verletzung der Sonn, also seye Christus das Liecht u. Glanz der Welt aus Maria gebohren worden ohne Verletzung ihrer Jungfrauschafft. Es steht geschrieben: Der Gerechte wird in die Welt kommen wie der Glantz, wohl gemerckt: nit wie das Feuer, so verbrennt und verzehret, sondern wie der Glanz so noch schöner machet; also hat Christus durch seine Geburt die Jungfrauschafft Mariæ nit verletzt, sondern gezieret. Weiters, gleichwie die Sonn die Strahlen auf einen Spiegel würfft, oder Brenn-Glaß, und von dortaus ein Liecht anzündet ohne Verletzung des Spiegels, also hat der Heil. Geist auf Mariam den Spiegel der Reinigkeit die Gnaden Strahlen der Uberschattung geworffen, und durch disen Spiegel Christum das Liecht der Welt angezunden, ohne daß der Spiegel verletzt worden, will sagen, ohne daß Mariæ Jungfrauschafft befleckt worden; und dises billich, weilen nach Zeugnuß Augustini Christus kommen ist, das Verderbte gut zu machen, nit das Gute zu schwächen. Der vom Engel gehaltene Spiegel (in dem sich Maria nicht anschaut, sondern der ein Symbol für sie ist) ist angeschrieben mit Speculum sine macula Sap. 7 (Spiegel ohne Makel, Weisheit 7,26) Franciscus Xaverius Dornn, Lauretanische Litaney, So Zu Lob, und Ehr Der Ohne Mackel empfangenen, Von aller Sünd befreyten, unbefleckten Jungfrauen, und Glorwürdigsten Himmels-Königin Mariæ; Das erste mahl In dem wunderthätigen Hauß Loreto von denen heiligen Engeln ist abgesungen, […] nunmehro aber Fast auf allen Chören mit Freuden vollen Jubel angestimmet, und von wahren Dienern, und Marianischen Liebhabern nicht ohne grösten Trost vil tausendmahl gebetten wird, Dritte vermehrte Auflag, Augspurg: Burckhart 1763. > http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB000058E400000086 ☰ Der Brennspiegel für Maria ist auch auf der 1654 bemalten Holzdecke der Wallfahrtskirche Hergiswald bei Luzern dargestellt. Das Motto EXARDESCET IGNIS (Ein Feuer wird sich entzünden) meint, dass Maria die Strahlen der göttlichen Sonne der Gerechtigkeit (Prophet Maleachi 3,20 [Vulgata-Zählung 4,2]) auffängt und an die Gläubigen weiterleitet. Dieter Bitterli, Der Bilderhimmel von Hergiswald. Der barocke Emblemzyklus der Wallfahrtskirche Unserer Lieben Frau in Hergiswald bei Luzern, seine Quellen, sein mariologisches Programm und seine Bedeutung, Basel: Wiese-Verlag 1997 (>>> Neuauflage 2017!). (West 2; Text dazu S. 146) ☰
[S.303] Erklärung des Sinnbildes. Das klare Spiegel-Eis empfängt der Sonne Glut/ Unmängbar/ unverletzt. Die Sonn wird nicht getrübt/ die heilge Christ-Geburt. Die Keuschheit GOtt empfangt Auf Geist-subtile Weis sie einen Leib gebiert Der Allerheiligsten Menschwerdung/ Geburt und Jugend Jesu Christi/ Zwölf Andächtige Betrachtungen; durch Dessen innigste Liebhaberin und eifrigste Verehrerin Catharina Regina Frau von Greiffenberg/ gebohrne Fre<yherrin auf Seysenegg/ Zu Verehrung der Ehre GOttes/ und Erweckung wahrer Andacht/ verfasset/ und ausgefärtigt. Nürnberg: Johann Hoffmann 1678. > http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bs... ☰ Literaturhinweise: Leo Scheffczyk / Remigius Bäumer, Marienlexikon, St.Ottilien: Eos-Verlag 1988–1994; s.v. ›Spiegel‹. Anselm Salzer, Die Sinnbilder und Beiworte Mariens in der deutschen Literatur und lateinischen Hymnenpoesie des Mittelalters, mit Berücksichtigung der patristischen Literatur. Eine literar-historische Studie, (1886–1894); Nachdruck: Darmstadt: wbg 1967; im Register unter ›Spiegel‹. Origine d’Amore. Donna che tenga uno specchio trasparente rotondo, grosso & corpulento, incontro all’occhio del Sole, il quale con i suoi raggi trapassando per mezzo dello specchio accenda una facella posta nella mano sinistra, dal manico dello specchio penda una cartella, nella quale sia scritto questo motto: ›Sic in corde facit amor incendium‹. Das Kapitel erscheint erst in der von Castellini erweiterten Ausgabe von Cesare Ripas »Iconologia« 1618: La novissima ICONOLOGIA del Sig. Cavalier Cesare RIPA. [……] Ampliata in quest’ ultima editione non solo dallo stesso auttore di trecento, e cinquantadue imagini, con molti discorsi peini di varia eruditione, & con molti indici copiosi, ma ancora arrichita d'altre imagini, discorsi, & esquisita corretione dal Sig. Gio. Zaratino Castellini, Padova: Pietro Paolo Tozzi 1618. > https://archive.org/stream/novaiconologia00ripa#page/385/mode/1up
☰☰☰ Unter den Vergil später zugeschriebenen Texten findet sich ein Cento (ein Flicken-Gedicht), betitelt »de unda et speculo«. Die 12 Distichen sind recht banal: Der klare, bewegungslose Wasserspiegel (unda) gibt das Bild genau, aber umgedreht wieder; das Spiegelbild lügt (mendax). Redditur effigies liquida cernentis in unda, Der Text mit Hinweisen auch zu Übersetzungen hier als PDF . Der Illustrator der Vergil-Ausgabe, wo das Gedicht im Anhang abgedruckt ist, zeigt Frauen, die ihre Spiegelbilder beschauen, aber nicht nur im klaren Wasser, wovon der Text spricht, sondern am Brunnen und in echten Spiegeln; eine Dame mit offenem Haar. Er scheint die Ikonographie der sich im Spiegel beschauenen Superbia zu kennen. Die Vorstellung geht im Kern zurück auf Jesaia 3,16ff., wo die hochmütigen Frauen Spiegel bei sich haben. Publij Virgilij maronis opera cum quinque vulgatis commentariis […] expolitissimisque figuris atque imaginibus nuper per Sebastianum Brant superadditis, exactissimeque revisis atque elimatis, Straßburg: Grieninger 1502; fol Xr. ☰☰☰ Ein meister las, ☰☰☰ Jost Amman (1539–1591): Kunstbüchlin, Darinnen neben Fürbildung vieler Geistlicher unnd Weltlicher Hohes und Niderstands Personen […] allerhande Kunstreiche Stück vnnd Figuren […] begriffen. Alles auff das zierlichst vnd künstlichst gerissen durch weylandt den fürtrefflichen vnd weitberümten Jost Ammon [sic] von Nürnberg […] [4. Ausg.], Franckfurt am Mayn: Johann Feyrabend 1599. > http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00071697/image_85 Detail aus dem Zürcher Neujahrsblatt: Der Kunst- und Tugend Liebenden Jugend ab der Bürgerlichen Bibliothec am Neüen JahrsTag verehrt Anno 1700. Der Spiegel in der Hand der Prudentia nimmt Bezug auf das Wort respicio = ›Rücksicht nehmen, etw. bedenken, überlegen‹. Die Schlange in der anderen Hand bezieht sich auf Matthäus 10,16: Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben ... ☰ Hie volget nach ein lieplich vnd nützliche materi. vnd wirt genant der selen wurczgart, Ulm: Conrad Dinckmut 1483. > http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00031609/image_306 Ein koloriertes Blatt daraus ist abgedruckt im (immer wieder großartigen) Buch von Peter Jezler (Hg.), Himmel – Hölle – Fegefeuer. Das Jenseits im Mittelalter [Katalog zur Ausstellung des Schwz. Landesmuseums], Zürich: Verlag NZZ 1994; Kat. 149 (S. 363) mit Kommentar von U.S. = Ueli Suter. Die personifizierten Seelen erleiden (gemäß dem ›ius talionis‹) die entsprechende Pein für ihre Laster: ☰
Freud: Ich hab ein fürtreffenlich gestalt des leibs. Vernunnfft: Dise ist mit nichten bestendiger dann die zeit. Aus: Franciscus Petrarcha, Von der Artzney bayder Glück / des guten vnd widerwertigen […]. Augspurg: H. Steyner 1532; I,2 Ein Kupfer nach Pieter Brueghel d.Ä. aus dem Jahre 1558 zeigt ebenfalls eine sich bespiegelnde Dame mit einem Pfau. > https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Brueghel_-_Sieben_Laster_-_Super... ☰
Ne quid dedeceat, facto caveamus in omni (Bei allen Taten müssen wir uns hüten, dass nichts Unziemliches dabei sei. Das Wichtigste ist, die passende Zeit für seine Sache zu kennen. Übers. Warncke) Die Frau prüft Ihr Aussehen im Spiegel – im Hintergrund beschaut Narziss sein Antlitz im Wasserspiegel. Gabriel Rollenhagen / Crispin de Passe, Nucleus Emblematum, Arnheim/Utrecht 1611/1613; unter dem Titel: Sinn-Bilder, hg. Carsten-Peter Warncke (Bibliophile Taschenbücher 378), Dortmund 1983; Centuria secunda (1613), Nr. 91. > https://archive.org/stream/gabrielisrollenh00roll#page/n208/mode/1up ☰ Cesare Ripa schreibt in der »Iconologia« (1603) zu Superbia: Donna bella et altera, vestita nobilmente di rosso, coronata d'oro, di gemme in gran copia, nella destra mano tiene un pavone et nella sinistra un specchio, nel quale miri et contempli se stessa. – Ein Bild fehlt hier noch. In der späten Ausgabe zeichnen Eichler und Hertel die Superbia / den Hochmuth dann im Rokoko-Stil vor den Spiegel mit dem Pfau; im Hintergrund als übles Beispiel für den Hochmut der Sturz Luzifers: Des berühmten Italiänischen Ritters, Cæsaris Ripæ, allerleÿ Künsten, und Wissenschafften, dienlicher Sinnbildern, und Gedancken, Welchen jedesmahlen eine hierzu taugliche Historia oder Gleichnis beÿgefüget. dermahlige Autor, und Verleger, Joh. Georg Hertel, in Augspurg [vor 1761]. II, 126. > https://archive.org/stream/parsidesberuhmte00ripa#page/n282/mode/1up ☰☰☰ Seneca (4 v.u.Z. – 65) kommt im Zusammenhang mit Überlegungen zur Entstehung des Regenbogens auf die Spiegel zu sprechen. L. Annaeus Seneca, Quaestiones naturales / Naturwissenschaftliche Untersuchungen, Hg. und übers. von Martinus F. A. Brok, Darmstadt: wbg 1995 (zweisprachige Ausgabe). Liber primus, ¶ 5, 14: Es gibt Spiegel, worin man kaum zu schauen wagt, so missgestaltet ist ihr Bild. Sie verzerren die Gesichter der Betrachter dermaßen, dass die Ähnlichkeit nur als Karikatur bewahrt bleibt. Bei anderen kannst du beim ersten Blick stolz auf deine Körperkraft werden, so muskuläs werden deine Arme, und dein ganzer Körper erhält einen übermenschlichen Umfang. Einige zeigen nur die rechte Seite deines Antlitzes, andere die linke Seite. (Übersetzung von M.F.A.Brock). Der ¶ 16 erhält einen Exkurs darüber, wie ein gewisser Hostius Quadra Spiegel missbrauchte. (Dieser Abschnitt fehlt in der deutschen Übersetzung von F. E. Ruhkopf, Leipzig 1794, da er »in höchstem Grade indecent« ist.) Der perverse H.Q. brachte in seinen Räumen mehrere Vergrößerungsspiegel an, die sein und seiner Knaben Glied bei seinen sexuellen Ausschweifungen vergrößert aussehen ließen. – Es sei verweisen auf die englische Übersetzung > Physical science in the time of Nero, being a translation of the Quaestiones naturales of Seneca, by John Clarke, London: Macmillan 1910 > ¶ 17 betitelt M.F.A.Brok »Vom einfachen Gebrauchsgegenstand wurde der Spiegel zum Luxusartikel«. Seneca entwirft hier eine pessimistische Kulturgeschichte wie in seinem 90. Brief: Der technische Fortschritt ist der Luxus-Begierde, d.h. einem moralischen Abstieg geschuldet. Als Philosoph muss man sich fragen, was die Natur – die nach stoischer Lehre nichts Überflüssiges erzeugt – beabsichtigte, als sie nach der Erschaffung der Körper auch noch deren Ebenbilder zur Schau stellen wollte (quid sibi rerum natura uoluerit, quae, cum uera corpora edidisset, etiam simulacra eorum aspici uoluit). Die Spiegel wurden erfunden, damit der Mensch sich selbst kennenlernt (Inuenta sunt specula, ut homo ipse se nosset). Während die Menschen früherer Zeiten noch kaum auf das Äußere Wert gelegt haben, hat später die dem Menschen eingeborene Eigenliebe die Betrachtung der eigenen Gestalt zu einer angenehmen Empfindung gemacht. Dann hat immer mehr der Luxus sich der Menschen bemächtigt und es wurden teure Spiegel verfertigt. ☰☰☰ Ovid, »Metamorphosen«, 3.Buch, Verse 402–510 (lat. Text und dt. Übersetzung von Reinhart Suchier, 1862) > http://www.gottwein.de/Lat/ov/met03.php#Narcissus spem sine corpore amat, corpus putat esse, quod umbra est. British Library, Royal 20 A XVII, fol. 14v (circa 1340/1350) > http://www.bl.uk/manuscripts/Viewer.aspx?ref=royal_ms_20_a_xvii_f014v ☰ Amore sui inardescens Narcissus in florem transmutatur. Metamorphoseon sive transformationum Ovidianarum libri quindecim, aeneis formis ab Antonio Tempesta florentini incisi et in pictorum antiquistatisque studiosorum gratiam nunc primum exquisitissimis sumptibus a Petro de Iode Antverpiano in lucem editi Aº 1606. (Privatbesitz) ☰ Die unten abgebildete Ofen-Kachel hängt, als Einzelstück gerahmt, im Museum des Schlosses Mörsburg nördlich von Winterthur. Sie stammt aus einer Winterthurer Hafnerwerkstatt. Die Ofenmaler bezogen ihre Motive aus Musterbüchern, Emblembüchern und sonstwoher, nahmen sich aber die Freiheit, die Vorbilder zu ihren Zwecken abzuwandeln. Der Künstler hier hat sich bedient bei Antonio Tempesta:
Das lateinische Motto und der erste Vers der Bildunterschrift sind beide sprichwörtlich: Cuique suus crepitus bene olet (Jedem riecht sein Furz gut). Die Sentenz findet sich immerhin in des Erasmus »Adagia« 2302. III, IV, 2. Eim jeden Narrn* sein kappen gfallt,
(Dank an Thomas G. in W. für den Hinweis und die Fotografie!) ☰☰☰ … und wie der Wind oder Schall, von glatten und festen Körpern abspringend, dahin zurückgetrieben wird, von wo er ausging, so kommt die Strömung der Schönheit, durch das Auge, wo sie den natürlichen Gang zur Seele hat, sich fortleitend, wieder in den Schönen zurück […] und erfüllt nun auch wieder die Seele des Geliebten mit Liebe. Er liebt zwar nun, aber wen, ist ihm unklar […]. Dass er aber in dem Liebenden wie in einem Spiegel sich selbst erblickt, ist ihm verborgen. Und zwar wenn dieser anwesend ist, wird er geradeso wie dieser von Schmerz frei; wenn er aber abwesend ist, so sehnt er sich wieder geradeso, wie er ersehnt wird, der Liebe Abbild, die Gegenliebe, in sich tragend; … Platon, »Phaidros« (255d) > http://www.zeno.org/nid/20009262660 ☰
Mir ist geschehen als einem kindelîne, (Mir ist es ergangen wie einem kleinen Kind, das sein schönes Bild in einem Glas erblickte und so lange nach seinem Widerschein griff, bis es den Spiegel gänzlich zerbrach. Da verwandelte sich all seine Wonne in schmerzliches Leid. – So glaubte ich ebenfalls, stets froh zu sein, als ich meine liebe Dame (Minne-Herrin) sah, von der ich viel Freude, aber auch viel Leid erfuhr.) Heinrich von Morungen (Minnesangs Frühling 145,1 [hier nur die 1.Strophe von vier online gestellt]) > http://texte.mediaevum.de/texte/morungen.htm#l32 – Bild: Ausschnitt aus der Manessischen Handschrift. Literaturhinweis: Manfred Kern / Cyril Edwards / Christoph Huber (Hgg.), Das ›Narzisslied‹ Heinrichs von Morungen. Zur mittelalterlichen Liebeslyrik und ihrer philologischen Erschließung. (Interdisziplinäre Beiträge zu Mittelalter und Früher Neuzeit 4) Heidelberg: Winter 2015. ☰☰☰ Henricus Engelgrave S.J. (1610–1670) kombiniert Bibelstellen mit heidnisch-antiken: • Si vertitatem dico vobis, quare non creditis mihi? (Johannes-Evangelium 8,45 [so richtig] Wenn ich die Wahrheit sage, warum glaubt ihr mir nicht?). Die Stelle aus der Rede Jesu zu seiner jüdischen Zuhörerschaft bildet die Evangeliums-Lesung am Palmsonntag (Dominica Passionis); Thema ist die Wahrheit, die es im Glauben an Jesus zu erkennen gilt. Gegensatz ist der Teufel, der Vater der Lüge. • Ovid, Metamorphosen VII, 704: Liceat mihi vera referre [pace deae] ≈ Die Wahrheit gönne die Göttin mir zu gestehn (Übersetzung von J.H.Voß) / Ich möchete die Wahrheit sagen, die Göttin nicht kränken (H.Breitenbach 1958) beteuert Cephalus, der insistiert, dass er von Eos/Aurora entführt wurde. Auf das Emblem folgt eine dreizehn-seitige lateinisch verfasste Predigt, die um das Motiv kreist, dass der Spiegel die Wahrheit wiedergibt. Lvx Evangelica sub velum Sacrorvm Emblematvm Recondita in Anni Dominicas Selecta Historia & Morali Doctrina Variè Advmbrata / Per Hen. Engelgrave. Societatis Iesv, Coloniae: prostant apud Iacobum a Meurs Amstelodami, 1655. Emblem XIX. ☰☰☰
Wie der Spiegel alles allen wiedergibt, so soll die Liebe, ohne Täuschung alles aufnehmen. Das Motto Omnibus omnia geht zurück auf Paulus, der im 1.Korintherbrief 9,19–23 sagt, er habe sich in seiner Predigt immer allen angepasst, um alle zu retten: »Für alle bin ich alles geworden.« Johannes Bolland, Jean de Tollenaer [et alii], Imago primi saeculi Societatis Iesu, a prouincia Flandro-Belgica eiusdem Societatis repraesentata, Antwerpen: Plantin 1640. > https://archive.org/details/imagoprimisaecul00boll (Der ornamentale Rahmen hat nichts mit dem Inhalt zu tun.) ☰☰☰ Man siehet aber gleichwolen/ daß unter gleichen spiegeln eine Action eines gegen dem andern gegeben werde/ gleichwie es in unserem Emblemate oder Sinnbild scheinet/ in welchem drey Spiegel in einem Triangel vorgestellt werden/ solcher Gestalt gegeneinander gesetzet/ daß deren ein jeder in denen zweyen andern gesehen wird/ und dasjenige/ was von einem vorgestellet ist/ ebenfalls auch von denen andern repræsentiret wird/ dahero wir zu einem Sinnspruch hinzugesetzet haben: Id ipsum in vicem: Eines gegen dem andern. Es folgen lange Ausführungen über die Trinität (und anderes); am Schluss, ohne dass die Bildlogik aufgenommen würde: Die erschaffene Sachen […] können uns nicht/ […] die Heil. Dreyfaltigkeit vorstellen/ wiewohlen sie uns Gleichnüssen geben/ deren wir uns zu gebrauchen pflegen/ selbe zu verstehen: Wir wollen dahero dieses allerheiligste Geheimnus der H. Dreyfaltigkeit steiff auf der Erden glauben/ und selbe inbrünstig lieben/ damit wir deren Allmacht dieselbe im Himmel klar sehen/ und geniessen mögen. Paolo Aresi (1574–1644): Höchsterbaulich-Catholische Lob-Reden/ Uber die Siegreiche Auferstehung/ Und Triumphirliche Himmelfahrt Jesu Christi. Ferner über die höchstnutzliche Sendung des H. Geistes/ Oder das Heilige Pfingst-Fest/ Und dann endlich über das unerforschliche Geheimnus Der Allerheiligsten Dreyfaltigkeit : Mit wohlersonnenen Emblematen oder Sinn-Bildern/ erbaulichen Lehren/ nachdrücklichen Gleichnissen/ trefflichen Allegorien/ und heilsamen Sprüchen aus H. Schrifft und denen H. Vättern allenthalben ausgezieret/ allen sowol Geist- als Weltlichen/ absonderlich denen Hn. Predigern sehr nutzlich / Von dem weyland Hochwürdigsten Bischof zu Tortona H. Paulo Aresio/ Und nunmehr aus dem Italiänischen/ nach dem wahren Sinn und Meinung des H. Autoris/ in unsere Teutsche Mutter-Sprach übersetzt von Johann Michael Fux von Herrnau, Sultzbach: verlegts Joh. Leonhard Buggel/ Buchh. in Nürnberg. A. 1695. > http://diglib.hab.de/drucke/lk-44/start.htm (Das Buch ist hier auch OCR-technisch erfasst.) ☰☰☰ Boccaccio (1313–1375) berichtet in »De claris mulieribus« von einer Künstlerin, die u.a. ein Selbstportrait mit Hilfe eines Spiegels verfertigt hat. Fuerunt insuper diu eius artis insignia, sed, inter alia, eius effigies, quam adeo integre, lineaturis coloribusque servatis et oris habitu, in tabula, speculo consulente, portraxit, ut nemini coetaneo quenam foret, ea visa, verteretur in dubium. (Cap. LXVI. De Martia Varronis.) Boccaccio hat offensichtlich die Geschichte der antiken Malerin Iaia aus Kyzikos beigezogen, von der Plinius (nat. hist. XXXV, xxxvi, 147) berichtet: pinxit … suam imaginem ad speculum. (Sie hat ihr Bild vor einem Spiegel gemalt.) In der Übersetzung von Heinrich Stainhöwel (Ulm: Zainer, vor 1474) kommt das Motiv des Spiegelgebrauchs nicht vor: Marcia Varronis war berühmt durch ein bild, … daran sie ir aigen gestalt also bezeichent het mit aller lidmâsz und farben, daz niemand, der sie ie gesehen hette, ir gestalt nit erkennet. (Ausgabe von K. Drescher 1895, Kapitel LXV, S. 218) Eine Handschrift der Bibliothèque Nationale Paris zeigt die Szene: > https://commons.wikimedia.org/wiki/File:De_mulieribus_claris_-_Marcia.pn... ☰☰☰ Im »Memorial der Tugend« zeigt Johannes von Schwarzenberg (1463–1528) eine 40jährige Frau, die sich im ›Spieglein an der Wand‹ anschaut, sich noch recht verführerisch findet und sinniert: Mich wundert fast vnd thůt mir ant [beunruhigt mich] Der Kommentar dazu lautet: O poßhaffts weib der dich nit kennt/ Das Büchle Memorial/ das ist ein angedänckung der Tugend/ von herren Johannsen vonn Schwartzenberg jetzt säliger gedächtnuss/ etwa mit Figuren und reümen gemacht / Johann Frhr von Schwarzenberg , Augsburg: Steyner M.D.XXXV, fol. CXVL recto [Erstausgabe 1534] Das Pendant des sich im Spiegel anschauenden alten Mannes ist schöner gezeichnet in der Handschrift Trogen, Kantonsbibliothek Appenzell Ausserrhoden, CM Ms. 13 (fol. 88r.) > http://www.e-codices.unifr.ch/en/cea/0013/88r/0/Sequence-218 ☰☰☰ Hendrik Goltzius (1558–1616) zeichnet den Seh-Sinn (Kupfer von Jan Saenredam 1565–1607). Ein Maler mit Zwicker – ein Adler, der in die Sonne blickt – ein Arzt, der eine Urinprobe besieht – ein Geograph, der mit dem Zirkel einen Globus vermisst – vorn eine (scharfsichtige) Katze – Sonnenuhren – das Modell des Malers, das sich im Spiegel besieht, den ihm ein Putto entgegenhält (bei ihm ist ein Köcher sichtbar: also Amor; dann ist die Frau Venus) – alles Illustrationen des genauen Sehens. Die Bildunterschrift lautet: Hæc memini nocuisse atque oblectasse videntes. (≈ Ich weiss aus Erfahrung, dass dies den Sehenden Unheil wie Ergötzung beschert hat.) Was ist mit haec inhaltlich gemeint? Das bloße Sehen oder das Malen? Das Malen einer Frau im positiven Sinn (zu oblectasse): Alexander hat seine Geliebte Campaspe durch Apelles nackt malen lassen; wie der Maler in Liebe zu ihr entbrannte, hat Alexander ihm die Frau zum Geschenk gegeben (dono dedit ei), so erzählt Plinius, »Naturalis historia« XXXV, xxxvi, 86 (hier heisst die Frau Pankaspe). Ein älteres Bild dieser Szene > https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/ea/Jan_Wierix_-_Apelles... Dass der Anblick einer entkleideten Frau Schaden bringen kann (zu nocuisse), kennen wir aus den biblischen Szenen Susanna im Bade (Daniel 13,1–64; von Goltzius gemalt!) und David und Bathseba (2.Samuel = II. Reg, Kapitel 11). — Aus der heidnisch-antiken Mythologie: Der Anblick der schönen Medusa versteinert. Das Bild von Glotzius im British Museum > http://tinyurl.com/yceq57h6 [Die Jahresangabe 1616 bezieht sich auf die Edition durch Johann Janssonius.] Literatur dazu: Eric J. Sluijter, Venus, Visus en Pictura, in: Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek / Netherlands Yearbook for History of Art, Vol. 42/43 (1991-92), pp. 337-396 > http://www.jstor.org/stable/24705374 ☰☰☰
Von eyner edlen frowen wie die vor eym spiegel stuond / sich mutzend [sich schmückend] / vnnd sy jn dem spiegel den tüfel sach jr den hyndern zeigend EJn ander exempel will ich üch aber sagen/ vff die meynung von eyner frowen/ die den vierden teil des tags haben muest sich an ze thuonde vnd zuo mutzen/ Dero huß was nun etwas wyt von der kylchen/ deßhalb jr der kylchherr vnd syne vndertanen zuo manchen malen mit dem ampt warten muosten/ deß sy zuo mal grossen vnwillen vnd verdrieß hatten/ Also begab sich eins sonnentags das sy gar lang vß bleib/ vnd vil lüten jn der kylchen warten machet/ Die selben sprachen/ sy mag sich dysen tag nit gnuog strelen [kämmen] noch spieglen/ So redten dann etlich heymlich ein vngesunds strelen vnd spieglen thüege jr got zuo senden/ vmb das sy vnnß so manchmal alhie warten machet/ Also jn der selben stund da sy sich also spieglet/ ward sy den tüfel jn dem spiegel sehen/ so gar grusamer gestalt/ vnnd jr den hyndern zeigende/ das sy so hart dar ab erschrack/ das sy schyer [beinahe] von synnen komen were/ vnd lange zyt mit schwerer kranckheit wart beladen/ doch verlech [verlieh] jr got wyder gesuntheit vnd [ergänze: sie] strafft sich selbst darumb gröslich/ vnd strafft sollich jr wesen mit dem zieren ab/ Vnd sagt mit demüetigem hertzen got dem hern siner straffen lob vnd danck also/ das sy dar durch jr lebenn selicklichen verendet/ Darumb lassen üch das ein jnbildung syn/ Vch vor söllichen langsamen spieglen vnd kleiden zuo hüeten/ dar durch jr die heilgen ampter versumen mögen/ oder ander lüt zuo warten machen oder verhynderent […] Geoffroy de la Tour Landry, Livre pour l’enseignement des ses filles (1371/72), deutsche Übersetzung (um 1478/90) durch Marquard vom Stein: Der Ritter vom Turn von den Exempeln der gotsforcht vnd erberkait, Basel: Michael Furter 1493. [Faksimile Unterschneidheim 1970]. – Marquard vom Stein, »Der Ritter vom Thurm«, krit. hg. von Ruth Harvey, (Texte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit 32), Berlin: E.Schmidt 1988. ☰☰☰ Sebastian Brant, Das Narren schyff, Basel: Jo.B.von Olpe 1494. Kapitel 92 [moderne Zählung] Vberhebung der hochfart Wer hochfart ist / vnd důt sich loben Brants Invektive richtet sich gegen die Angeber, die sich rühmen, an vielen ausländischen Universtiäten studiert zu haben; er vergleicht sie mit aufgeputzten Frauen: Wer lert durch hochfart/ vnd durch gelt OCR-erfasster Text > https://www.hs-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/15Jh/Brant/bra_... ☰☰☰ Laß mein Hertz vnbefleckt sei in deinen Rechten/ das ich nit zuschanden werde. Psalm 118
Das Bild zeigt die ›Anima‹ (als Stellvertreterin der Leserin / des Lesers), der ein Engel einen Spiegel vorhält, in dem sich ihr Herz spiegelt. Auf dem Tisch daneben steht ein realer Spiegel nebst Salbentöpfen mit Schminke.Es wird eine lange Reihe von Frauen beigebracht, die sich mit allerlei kosmetischen Techniken zu verschönern trachteten, und dies der gottes-ebendbildichen Seele entgegengestellt, die der Engel im Spiegel zeigt. (Dieser Spiegel gleicht den Gesetztestafeln von Moses in der gängigen Ikonographie.) Gantz recht vnd billich wirdt aller fleiß vnnd sorg der Heiligen angewendt/ in dem sie alle vberflüssige zierde deß eusserlichen Menschens (welche zwar zergängklich ist) verachten/ vnnd sich mit gantzem fleiß darauff geben vnnd bemühen zu ziehren vnnd heraus zubutzen den jnnerlichen Menschen/ welcher geschaffen ist/ nach der Bildnuß Gottes/ vnnd von Tag zu Tag ernewet wirdt. Diß ist warlich die schöne/ welcher nichts mangelt vnd abgeht/ welche allein von dem Herren zuhören würdig ist. […] Dann die schöne der seelen ist die allerbeste schönheit [usw.] Gottselige Begirde aus lautter sprüchen der Heÿligen Vättern Zuosamen gezogen Vnd mitt schönen figuren gezieret/ durch R. P. Hermannum Hugonem, Verteütscht Durch R. P. F. Carolum Stengelium, Augspurg 1627 (= Teil-Übersetzung von: Herman Hugo S.J.,1588 –1629, »Pia desideria« Antwerpen 1624) mit Kupfern von oder nach Boetius a Bolswert († 1633). Das ander Buch, XXI = S. 202–214. ☰☰☰ Bonis moribus studendum. Ex septem doctis, coluit quos Graecia, magnum Kein ding zierett den Menschen mehr dan Kunst vnd gutte sitten. Bias einer auß Griechen landt Matthäus Holtzwart, Emblematum Tyrocinia, sive picta poesis Latinogermanica, das ist eingeblümete Zierwerck oder Gemälpoesy innhaltend allerhand Geheymnußlehren durch kunstfündige Gemäl angepracht und poetisch erkläret, Nun erstmals inn Truck kommen, Straßburg: B.Jobin 1581; Nr. IX. — hg. Peter von Düffel und Klaus Schmidt, Stuttgart 1968 (RUB 8555); mit Übersetzung der lat. Fassung auf S. 173. ☰☰☰ Die Geschichte und der Spiegel/ von welchen dieses Buch benennet worden/ haben eine artige Vergleichung; in dem jene das wandelbare menschliche Leben/ dieser das veränderliche Angesicht/ jene die beliebte Tugend und Laster/ diese die Schönheit und Häßlichkeit/ jene die innerliche Beschaffenheit/ als Liebe/ Neid Feindschafft/ &c. dieser die äusserliche Gestaltung abbildet und vorweiset. Die Geschichte bestehen in hinfallender Vergessenheit/ wie der Spiegel in einem zerbrechlichen Glas/ und wann wir uns/ vermittelst dieser beeden/ selbst erkennen/ so ist der Mensch Gottes Ebenbild/ wiewol in höchster Unvollkommenheit: Seine Wercke sind der Spiegel seiner Reden; sein Leben ist ein Spiegel seines Gemütes/ sein Aug ist ein Spiegel seiner Gedancken/ und seine windgeschwinden Begierden sind gleich den flügelschnellen Gegenstralen/ welche besagter Spiegel (oder mit versetzten Buchstaben Gespiel) als das höchstwunderbare Meisterstück der Kunst/ von sich zu blicken pfleget; daher pflegen wir auch zu sagen; man soll sich an andrer Unglück spiegeln und mit andrer Schaden klug werden. Weil nun in gegenwärtigen Wercke viel denckwürdige Geschichte und Exempel zu erfreulicher Folge der Tugenden/ wie auch zu sorgsamer Verwarnung der Laster/ vorgestellt worden/ ist solchem der Titel deß Geschichtspiegels vorgeschrieben/ und selber mit schicklichen Sinnbildern und gleichständigen Fragen gleichsam eingefasst/ und an das Liecht oder vielmehr an die Sonne E.G. hochberühmten Namen mit unterthäniger Geflissenheit gesetzet worden. [Georg Philipp Harsdörffer (1607–1658)] Der Geschichtspiegel: Vorweisend Hundert Denckwürdige Begebenheiten/ Mit Seltnen Sinnbildern/ nutzlichen Lehren/ zierlichen Gleichnissen/ und nachsinnigen Fragen aus der Sitten-Lehre und der Naturkündigung/ Benebens XXV. Aufgaben Von der Spiegelkunst/ An das Liecht gesetzt/ Durch Ein Mitglied der hochlöblichen Fruchtbringenden Gesellschafft, Nürnberg: in Verlegung Wolffgang des Jüngeren und Johann Andreae Endtern 1654. – Vorrede an Freiherr Justus von Gebhard. ☰☰☰ Bespiegle dich O Welt in dir. Titelblatt einer postumen Ausgabe des »Satyrischen Pilgram« des Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (1622–1676): Deß Simplicisssimi Satyrischer Pilgram. Anderer Theil/ Zusammengetragen durch Samuel Greifnson vom Hirschfeld, Gedruckt im Jahr 1683. > http://diglib.hab.de/drucke/lo-2310-3b/start.htm?image=00095 ☰☰☰ Shakespeares Hamlet (Uraufführung 1609) sagt zu den Schauspielern, die das Stück spielen sollen, in dem sich der Stiefvater als Mörder entpuppen soll (III. Akt, Beginn der 2. Szene): … for any thing so overdone is from the purpose of playing, whose end, both at the first and now, was and is, to hold, as 'twere, the mirror up to nature; to show virtue her own feature, scorn her own image … … passt die Gebärde dem Wort, das Wort der Gebärde an; wobei Ihr sonderlich darauf achten müsst, niemals die Bescheidenheit der Natur zu überschreiten. Denn alles, was so übertrieben wird, ist dem Vorhaben des Schauspieles entgegen, dessen Zweck sowohl anfangs als jetzt war und ist, der Natur gleichsam den Spiegel vorzuhalten: der Tugend ihre eignen Züge, der Schmach ihr eignes Bild, … (Übersetzung von Schlegel / Tieck) ☰☰☰ Titelbild der 2. Auflage der J. J. Bodmer und J. J. Breitinger herausgegebenen Zeitschrift »Die Discourse der Mahlern« (1721f.) unter dem neuen Titel »Der Mahler der Sitten« (1746). Gegenstand der Discurse sind – nebst Artikeln, die sich mit literarischen und pädagogischen Fragen befassen, auch mit Freundschaft, Selbsterkenntnis usw. – die Capricen, Laster, Torheiten (Kleiderpracht, Gespensterfurcht u.a.) der Zeitgenossen. Reddit 3.Sg.Präs. von reddere ›wiedergeben, abspiegeln, vollständig nachahmen‹ Die Verse stammen aus Vergils »Bucolica« II,25ff., wo Corydon – verzweifelt und hoffnungslos verliebt in Alexis – seine eigene Schönheit preist: Nec sum adeo informis: nuper me in litore vidi, Auch bin ich gar nicht so hässlich. Ich sah mich jüngst am Strand, als das das Meer windstill da lag. Sei selber Richter: ich fürchte [den Vergleich mit] Daphnis nicht, wenn ein Abbild nie täuscht. ☰☰☰ Das vierdt Geschwarm der Narren sind die Seltzam Narren/ Mutz Narren/ Zier Narren/ Gemalt Narren/ Spiegel Narren: dise sag ich sein die Narren/ so allweg vor anderen Narren etwas newes vnd seltzams auf die ban bringen/ in seltzamen kleideren/ sitten vnd wunderbarlichen breuchen. Dise soll man fürnemlich (wiewol derselben sonst so viel seind/ das man sie nicht alle mag erzehlen) auß disen sieben nachuolgenden Schellen lehrnen erkennen […] Holzschnitt von Tobias Stimmer (1539–1584) in: Welt Spiegel/ oder Narren Schiff darinn aller Ständt schandt vnd laster/ vppiges leben/ grobe Narrechte sitten/ vnd der Weltlauff/ gleich als in einem Spiegel gesehen vnd gestrafft werden: alles auff Sebastian Brands Reimen gerichtet; […] Weilandt Durch den hochgelerten Johan. Geyler in Lateinischer sprach beschrieben. Jetzt aber mit sonderm fleiß auß dem Latein inn das recht hoch Teutsch gebracht/ vnnd erstmals im Truck außgangen/ Durch/ Nicolaum Höniger von Tauber Königshoffen, Basel: Heinricpetri 1574. — Der ganze Text auf http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00090359/image_40 ☰☰☰ Wan alle Spiegel dießen Lappen [Abraham a Santa Clara, zugeschrieben], Centi-Folium stultorum in Quarto. Oder Hundert Ausbündige Narren in Folio. neu aufgewärmet und in einer Alapatrit-Pasteten zum Schau-Essen, mit hundert schönen Kupffer-Stichen, zur ehrlichen Ergötzung, und nutzlichen Zeit-Vertreibung, sowohl frölich- als melancholischen Gemüthern aufgesezt : auch mit einer delicaten Brühe vieler artigen Historien, lustiger Fablen, kurtzweiliger Discursen, und erbaulicher Sitten-Lehren angerichtet, Wien, Lehmann o.J. [1724; Erstausgabe 1709] ☰ SIEMPRE EL MISMO. Was ein gantzer Spiegel weiset/ eben das weisen alle seine stücke/ wo er zerbrochen. also besihet der Löw seine gestalt in einem jeden theil dieses gegenwertigen Sinnspruchs/ eine bedeütung der starcke/ vnd tapferen beständigkeit/ welche der Fürst auf allen fall wol bewaren sol. Dan er ist ein offenbahrer spiegel/ in welchen sich die Welt besihet. Fajardo Diego da Saavedra, Idea Principis Christiano-Politici 100 Symbolis expressa, Jena: M.Birckner 1686. Emblem Nr. XXXIII. [Spanische Erstausgabe Diego de Saavedra Fajardo (1584-1648), Idea de un principe politico christiano 1640.] Literaturhinweis: Reinhard Frauenfelder, Die Vorlagen für die emblematischen Bilder am ☰☰☰ Amicitia sordida Si speculo desit plumbum, quo reddere formas Trübe Freundschaft Wenn dem Spiegel das Blei fehlt, durch das er erst die Umrisse und alle Einzelheiten mit vollem Glanz wiedergibt, was nützt es dann, auf das Leere zu blicken; alle Mühe ist vergebens, wenn die Strahlen hindurchgehen und kein Bild zustande kommt. *) Widmungsempfänger: Ottaviano Ferrari aus Milano (1518–1586). [Joh. Sambucus 1531–1584] Emblemata, et aliquot nummi antiqui operis, Ioan, Sambuci Tirnaviensis Pannonii. Tertia editio, Cum emendatione & auctario copioso ipsius auctoris, Antwerpen: Ch. Plantin, 1569. — Deutsche Übersetzung aus: Arthur Henkel / Albrecht Schöne (Hgg.), Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts, Stuttgart 1967, Sp. 1347. ☰☰☰ British Library, Royal MS 12 C. xix, Folio 28r Ambrosius (340–397), »Exameron« VI. Tag, 4. Kap., ¶ 21 Sobald er [der Tiger] nämlich seine Lagerstätte leer und seine Jungen geraubt findet, verfolgt er unverzüglich die Spur des Räubers. Merkt dieser, daß er trotz des flüchtig eilenden Rosses, das ihn trägt, vom schnellen Raubtier eingeholt werde und jede Möglichkeit des Entrinnens ausgeschlossen sei, sucht er sich künstlich mit folgender List zu retten: In dem Augenblick, da er sich eingeholt sieht, wirft er eine Glasscheibe hin, und wirklich: die Bestie läßt sich vom eigenen Bilde täuschen und hält es für ihr Junges. Im Verlangen, es zu bergen, steht sie vom Überfall ab. Von neuem aber wirft sie sich, vom Trugbilde aufgehalten, mit allen Kräften auf die Verfolgung des Reiters. Von Wut aufgestachelt, beflügelt sie den Lauf. Schon droht sie über den Flüchtling herzufallen: wieder wirft ihr dieser eine Scheibe vor und hält sie so in ihrer Verfolgung auf. Sie erinnert sich des Truges, doch das beirrt sie in ihrem mütterlichen Eifer nicht. Sie kehrt das Trugbild zu sich und bleibt wie zur Säugung der Jungen zurück. So büßt sie, vom Eifer ihrer Mutterliebe getäuscht, beides ein: die Rache und das Junge. Konrad von Megenberg (1309–1374), »Buch der Natur« III A 66 = Ausgabe F. Pfeiffer S. 161 Tigris haizt ain tigertier. daz ist fleckot mit mangerlai varb. daz ist wunderleich kreftig und snel. daz wirt geporn in Hircania, sam Isidorus und Jeronimus sprechent. diu tier sint gar grimmig und wenn die jäger si beraubt habent irr kindel, sô mügent in etswenn die jäger niht enpfliehen; dar umb werfent si glesein schilt hinder sich, sam Ambrosius spricht. sô danne diu tier dar über koment und die spiegel ansehent, sô wænent si, iriu kint sitzen dâ, und stênt über die spiegel und küssent die und umbvâhent si. zeletscht tretent si auf die spiegel und scharrent; sô vindent si nihts. in der zeit enpfliehent in die jäger. Aristotiles spricht, daz daz tier an vil dingen dem ohsen geleich. ez ist etswie vil rôt und ist sein flaisch süez. dar umb væht man ez. Vgl. > https://www.animaliter.uni-mainz.de/tiger/ ☰☰☰
Martin Luther, »Etliche Fabeln aus Esopo verdeutscht« (Druck 1557) Vom Hunde im Wasser Es lieff ein Hund durch einen Wasserstrom/ vnd hatte ein stück Fleisch im Maule. Als er aber den schemen [das Schattenbild, Spiegelbild] vom Fleisch im Wasser sihet/ wehnet er/ es were auch Fleisch/ vnd schnappet girig darnach. Da er aber das Maul auffthet/ empfiel jm das stück Fleisch/ vnd das Wasser fürets weg. Also verlor er beide/ das Fleisch vnd schemen. > http://www.zeno.org/nid/20005347025 Holzschnitt von Virgil Solis (1514–1562) in der Ausgabe Fabulæ variorum auctorum nempe Aesopi s. graeco-latinae CCXCVII. […] Francofurti, apud Christ. Gerlach & Sim. Beckenstein MDCLX. Die Fabel bei Aesop: Äsop, Fabeln, Griechisch / Deutsch, Übersetzung von Thomas Voskuhl, Stuttgart: Reclam 2005 (RUB 18297); Nr. 133. ☰☰☰ Ein Mensch/ der sich selbst liebt/ und Gefallen an ihm hat. Ein Aff/ mit einem Krantz auf dem Kopff/ beschauet sich in einem Spiegel. – Homme se complaisant en lui-même; l’amour de soi-même. Un singe couronné de fleurs, regardant son Image dans un miroir. Viel nutzende und erfindungen reichende Sinnbild-Kunst, oder Hieroglÿphische Bildervorstellung der Tugenden, Laster, Gemüts-bewegungen, Künste und Wissenschafften, wodurch Rednern, Poeten, Mahlern, Bauverständigen, Bildhauern, durch Zeichnungen, und einer kurtzen beschreibung Anlasz jhre Gedancken aus zu üben gegeben oder beij gäh vorfallenden Gelegenheiten ihnen gnugsame Materi vor Augen gelegt wird damit Sie sich nicht lang besinnen dörffen, Nürnberg verlegt und zu finden beij Johann Christoph Weigel Kunsthändlern [s.d.; vor 1726]; Tafel XX, oben rechts. ☰ Formamque imitata, jocosque Schau, mit welch vergnügtem Ausdruck die Katze den Spiegel bemüht, Siehst du nicht, dass die Halskrause <im Umfang> den dicken Bauch wiedergibt? Die Katze spielt sich mit Aussehen und Gebärden vor dem Spiegel auf, in welchem dieser dieselben Spässe zeigt. Die modischen Accessoires ›spiegeln‹ den Leib des Stutzers. – Für die Aussage, dass die Mode-Torheiten charakter-verderbend sind, braucht es keine Spiegelsymbolik. – Wie gelangt der Verfasser zur Moral, wonach das Aussehen den Handlungen gemäss ist (bzw. sie ›spiegelt‹; rebus ut est species)? (Dank an Thomas G. für Hinweise und Übersetzung! Er bemerkt dazu noch: Sapphische Ode und drei Distichen.) Nicolaus Taurellus (Öchslin, 1547–1606), Emblemata Physico-Ethica, hoc est, Naturae Morum moderatricis picta praecepta. - Editio secunda. Nürnberg: Lochner, 1602. > https://www2.uni-mannheim.de/mateo/camena/taur1/jpg/s150.html ☰☰☰ [Lemma] Wormit er andern schaffet Pein/ [Subscriptio] Die Boßheit trägt zum Lohn
Das Emblem aus Joachim Camerarius, 1534–1598, Vierhundert Wahl-Sprüche und Sinnen-Bilder, durch welche beygebracht und außgelegt werden die angeborne Eigenschafften, wie auch lustige Historien und Hochgelährter Männer weiße Sitten-Sprüch. Und zwar Im 1. Hundert: Von Bäumen und allerhand Pflanzen. Im II. Von Vier-Füssigen Thieren. Im III. Von Vögeln und allerley kleinen so wol fliegenden als nit fliegenden Thierlien. Im IV. Von Fischen und kriechenden Thieren. Vormahls durch den Hochgelährten Hn. Ioachimum Camerarium In Lateinischer Sprach beschrieben: Und nach ihm durch einen Liebhaber seiner Nation / wegen dieses Buchs sonderbarer Nutzbarkeit allen denen die in vorgemelter Sprach unerfahren seyn/ zum besten ins ins Teutsch versetzet, Maintz: Bourgeat 1671. (4.Buch, Nr. LXXIX; Erste, lat. Ausgabe 1604) > https://books.google.ch/books?id=5RhVAAAAcAAJ&hl=de&source=gbs_navlinks_... ☰ Der falsche Schein [Georg Philipp Harsdörffer (1607–1658)] Der Geschichtspiegel: Vorweisend Hundert Denckwürdige Begebenheiten/ Mit Seltnen Sinnbildern/ nutzlichen Lehren/ zierlichen Gleichnissen/ und nachsinnigen Fragen aus der Sitten-Lehre und der Naturkündigung/ Benebens XXV. Aufgaben Von der Spiegelkunst/ An das Liecht gesetzt/ Durch Ein Mitglied der hochlöblichen Fruchtbringenden Gesellschafft, Nürnberg: in Verlegung Wolffgang des Jüngeren und Johann Andreae Endtern 1654. S. 204. ☰ Se ipsum territus horret Wenn der Basilisk sich siehet/ Wenn der Mensch betracht die Sünden/ Herr probiere meine Nieren [Kurfürst Karl II.,1651–1685]: Philothei Christliche Sinne-Bilder. Auß dem Lateinischen ins Teutsch gebracht. Franckfurt/ Bey Johann Peter Zubrodt. Anno MDCLXXIX. > https://archive.org/stream/philotheipseudch00karl#page/44/mode/2up Das Bild aus der Ausgabe Philothei Symbola Christiana, quibus idea hominis Christiani exprimitur. Frankfurt: Zubrod, 1677. > https://www2.uni-mannheim.de/mateo/desbillons/symbol/seite19.html ☰
Candore peremptus — Umgebracht durch die Weisse [candor auch: heller Glanz] Der Basilisck im Sand in Africa entspringend […] entseelt mit dem Gesicht die Menschen: und doch/ wer glaubt es? wider solches Unthier ist kein fürträglicheres Mittel/ als ein gegen gesetzter Spiegel: dann also wird er ertödtet/ indem das Gifft auff die Bestie zuruckschlaget. […] Was dem Basilisck der Spiegel/ das ist der Sünd die Jungrfrau [Maria]. Wann du die Natur der Jungfrau betrachtest/ ist sie ein Glaß; kan fahlen und zerbrochen werden. Wann du die Gnad/ das ist/ die Weisse und den Glantz betrachtest, welchen sie nicht ihr/ sondern dem Künstler schuldig ist/ ist sie höher als alle Sünd. Gleichwie dann der Basilisck alles/ ausser deß Spiegels/ überwindet/ also hat alle [ergänze: Menschen] die Sünd/ ausser der Jungfrau bemacklet. […] Wie weit ist das Reich deß Basiliscks? biß zum Spiegl. Wie weit ist das Reich der Sünd? biß zu Maria. […] Innocentia Vindicata, in Qua Gravissimis Argumentis Ex S. Thoma petitis ostenditur, Angelicum Doctorem, Pro Immaculato Conceptu Deiparae Sensisse & Scripsisse. Authore […] Celestino Sfondrati, St.Gallen: Jacobus Müller 1695; Pars posterior Symbolica; G3. Deutsche Übersetzung: Die Erledigte Unschuld, In welcher Mit Uberschwäresten Beweißthumben Auß dem H. Thoma Erwiesen wird, Der Englische Lehrer habe beschlossen und geschrieben Für die Unbefleckte Empfängnuß Der Mutter Gottes, Wien: Schwendimann 1717; S. 103f. > http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht/?PPN=PPN688817572&... ☰ Das Titelblatt zum ersten Teil des »Lügenschmieds« von Rupert Gansler (1658–1703) zeigt in der mittleren Zone, wie Frau Welt (mit der ♁-Krone), ein teuflisches Wesen und noch jemand (?) ›alternative Fakten‹ (Unwort des Jahres 2017) schmieden; als Hämmer haben sie Fuchsschwänze (Symbol der Schmeichlerei). – Der Engel von oben scheint das Erzeugnis mit einem Bannstrahl versengen zu wollen. – Im Gewölbe unten wird einem Basilisk im Spiegel die Wahrheit gezeigt – die Folgen erahnt der Wissende. (Im Buch wird das Bild nicht erklärt.) Lugenschmid, Das ist: Unter dem Schein der Warheit verborgener, anjetzo aber entdeckter Welt-Betrug. Dem günstigen Leser Zu dem Predig-Ambt, mit Biblischen Historien, neuen Concepten, Theologisch- und Philosophischen Discursen; Mathematisch- Juridisch- und Medicinalischen Anmerckungen, Politischen Staats-Reglen, seltzamen Begebenheiten, und denckwürdigen Sinn-Bildern, mit einer angenehmen Schreib-Art curios, annehmlich, und wohlmeinend vorgestellet durch R.P. Rupertum Gansler [...], Augsburg und Dillingen: Johann Caspar Bencard, [Erster Band] 1697. ☰☰☰ Aegidius Albertinus (1560–1620) zum Thema ›Nosce te ipsum‹: Wirst du dein Schönheit besuchen, so wirst du ohne Sünd bleiben: wofern du dich selbst in einem Spiegel beschawest/ so wirst du dich niemaln versündigen. Die Alten mahlten die Fürsichtigket in der Gestalt eines weisen Mannes/ der sich in einem Spiegel beschawte/ dann deß Spiegels Art und Eigenschafft ist/ daß er den Menschen sein leibliche natürlicheGestalt/ Schönheit/ Mängel und Gebrechen zeiget. (S.68) Aus: Aegidii Albertini Hirnschleiffer, Cöllen: bey Constantino Münich 1664; S.66ff. ☰☰☰ Se regardant dans la glace, il se trouve joli garçon. [Grandville, 1803–1847] Scènes De La Vie Privée Et Publique Des Animaux. Études De Mœurs Contemporaines, Publiées Sous La Direction De M. P.-J. Stahl, Avec La Collaboration De Messieurs De Balzac ... Vignettes Par Grandville, Paris: J. Hetzel Et Paulin, Éditeurs 1867 [Erstausgabe 1842].
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Illustrationen von John Tenniel (1820–1914) zu Lewis Carroll, »Through the Looking-Glass and What Alice Found There« (1871)
❒ Einleitender Aufsatz hier(Als PDF-Datei; nicht ausdruckbar, damit der Verlag das Buch verkauft ...)
Einige Literaturhinweise (chronologisch)Wihelm Wackernagel, Über den Spiegel im Mittelalter, in: Kleinere Schriften, Bd. 1, Leipzig 1872, S. 128–142. Hans Leisegang (1890–1951), Die Erkenntnis Gottes im Spiegel der Seele und der Natur, in: Zeitschrift für philosophische Forschung 4 (1949), S. 161–183. Gustav F. Hartlaub, Zauber des Spiegels. Geschichte und Bedeutung des Spiegels in der Kunst, München: Piper 1951. Joachim Schickel (1924–2002), Der Logos des Spiegels. Struktur und Sinn einer spekulativen Metapher [1987], hrsg. v. Hans Heinz Holz, Bielefeld: Transcript 2012. Herbert Grabes, Speculum, Mirror und Looking-Glass. Kontinuität und Originalität der Spiegelmetapher in den Buchtiteln des Mittelalters und der englischen Literatur des 13. bis 17. Jahrhunderts, Tübingen 1973. Jurgis Baltrušaitis (1903–1988), Der Spiegel. Entdeckungen, Täuschungen, Phantasien. Giessen: Anabas, 1986 (2. Auflage 1996). Rolf Haubl, ›Unter lauter Spiegelbildern …‹ Zur Kulturgeschichte des Spiegels, Frankfurt a.M.: Nexus 1991. Ralf Konersmann, Lebendige Spiegel – Die Metapher des Subjekts, Frankfurt a.M : Fischer 1991 (Fischer Wissenschaft 10726). Sabine Melchior-Bonnet, Histoire du miroir. Hachette, Editions Imago 1994. Régor R. Mougeot, Le miroir, symbole des symboles. Paris: Éditions Dervy 1995. Michael Egerding, Die Metaphorik der spätmittelalterlichen Mystik, 2 Bde., Paderborn: Schönigh 1997. Band II, Seite 530–537. Fabienne Pomel, Miroirs et jeux de miroirs dans la littérature médiévale, Rennes: Presses universitaires de Rennes 2003. Slavko Kacunko, Spiegel – Medium – Kunst. Zur Geschichte des Spiegels im Zeitalter des Bildes, Paderborn: Fink 2010. Alois Haas, Spiegel und Maske – Reflexionen, in: Erika Streit, Spiegelungen, Wald: DreiPunktVerlag 2015, S. 16–42 und 125–129 (Anmerkungen). Mehr zum Thema Emblematik hier.
Skulptur am Rathaus in Nördlingen. (Aufnahme R. Günthart) |