»Physikotheologie«
Arbeitstagung vom Samstag, den 21. August 2004 in ZürichMit »Physikotheologie« wird eine seit der Antike ist im Abendland immer wieder anzutreffende Gedankenfigur bezeichnet: ›Das Wesen Gottes ist unerforschlich; gleichwohl lässt sich seine Allmacht, Weisheit, Güte aus der sichtbaren Welt erschließen.‹ Das Verhältnis zwischen dem Unzugänglichen und seinen Manifestationen, dem Numinosen und seinen Epiphanien bzw. zwischen dem Schöpfer und seiner Schöpfung wird als ein zeichenhaftes gesehen; und dementsprechend die Erkundung des vorerst Unerkannten als ein Spuren-Lesen. Die physiko-theologische Gedankenfigur lässt sich plakativ etwa so formulieren: Die sinnlich erscheinende Welt (beispielsweise die Planetenbewegungen, der Wuchs der Pflanzen, der Instinkt der Tiere, die Anatomie des Menschen) ist erstaunlich gut funktionsfähig und zweckmäßig eingerichtet; sie ist folglich ein vernünftiger Beweisgrund für die Existenz Gottes bzw. Anlass, um seine Allmacht / Weisheit / Güte zu erkennen und Anlass für sein Lob und die Liebe zu ihm. Physikotheologie, blühend im 17./18. Jahrhundert, ist der direkte historische Vorgänger der modernen »Intelligent Design«-Bewegung. Vermutlich hat der Verlust dieses Denkmodells auch Folgen für den Umgang mit der Natur in der Gegenwart. Titelkupfer von Historia Animalium, In quâ plerorumqve Animalium præcipuæ proprietates in gratiam Studiosorum Theologiae & Ministrorum Verbi ad usum eikonolgikon breviter accommodantur. In Academia VVitebergensi ... dictata a Wolfgango Franzio ... Jam denuò emendatiùs & correctiùs edita ... nec non moralium indice recens addito, Praefixa item praefatione Augusti Buchneri. … Editio Sexta, Wittebergae: B.Mevius / J.Bauer, 1659.
Publikation: Paul Michel, Physikotheologie – Ursprünge, Leistung und Niedergang einer Denkform (= Neujahrsblatt auf das Jahr 2008, hg. von der Gelehrten Gesellschaft in Zürich) PDF-Datei des Inhaltsverzeichnisses
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Und noch eine tabellarische Übersicht als Anregung > hier als PDF
Fast gleichzeitig und unabhängig sowie früher und später sind weitere Publikationen zum Thema Physikotheologie erschienen:
Hubert Herkommer, Buch der Schrift und Buch der Natur. Zur Spiritualität der Welterfahrung im Mittelalter, mit einem Ausblick auf ihren Wandel in der Neuzeit, in: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 43/1 (1986), S. 167–178.
Andreas Gipper, Wunderbare Wissenschaft. Literarische Strategien naturwissenschaftlicher Vulgarisierung in Frankreich von Cyrano de Bergerac bis zur Encyclopédie, München: Fink 2002 (insbes. zu N. A. Pluche S. 169ff.; Digitalisat)
Henrik Petersen, B. H. Brockes, J. A. Fabricius, H. S. Reimarus: Physikotheologie im Norddeutschland des 18. Jahrhunderts zwischen theologischer Erbauung und Wissensvermittlung, Dissertation der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 2004 > https://d-nb.info/1019865881/34
Eric Jorink, Het ›Boeck der Natuere‹. Nederlandse geleerden en de wonderen van Gods schepping 1575-1715. Primavera Pers, Leiden 2006. > http://www.dbnl.org/tekst/jori009boec01_01/
Holger Steinmann, Absehen - wissen - glauben. Physikotheologie und Rhetorik 1665–1747, Berlin: Kadmos 2008. Anne-Charlott Trepp, Von der Glückseligkeit alles zu wissen. Die Erforschung der Natur als religiöse Praxis in der Frühen Neuzeit, Frankfurt am Main: Campus 2009. Wolfgang Wiegrebe, Albrecht von Haller als apologetischer Physikotheologe. (Diss. phil. Univ Regensburg 2007) Frankfurt am Main: Lang 2009 (Untersuchungen zum christlichen Glauben in einer säkularen Welt 5), 550 S. Björn Spiekermann: Biologische Erbauungen. Das Fortwirken der physikotheologischen Tradition in Bölsches populärwissenschaftlichen Schriften, in: Gerd-Hermann Susen / Edith Wack (Hgg.), »Was wir im Verstande ausjäten, kommt im Traume wieder«. Wilhelm Bölsche 1861-1939, Würzburg: Königshausen & Neumann, 2012, S. 359–393.
Das Interdisziplinäre Zentrum für Pietismusforschung Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg veranstaltete 12. bis 15. Sept. 2021 eine Tagung: »Von der Physikotheologie zum Vitalismus? Transformationen des Verhältnisses von Naturforschung und Religion im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert.« Tagungsbericht in: H-Soz-Kult, 27.10.2021:
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https://www.hsozkult.de/conferencereport/id/fdkn-127660
Nachträge: Nicht bekannt waren mir (P.M.) 2007/8 diese Texte / Bilder (in chronolog. Reihenfolge):
••• Julius Wilhelm Zincgref (1591–1635)
Monstratur in undis.
Die Göttlich Majestät nicht gantz erkent mag werden/
Dan an einem Geschöpff/ im Himmel* vnd auff Erden/
Zusehen in die Sonn vnser Augen nicht tügen**/
Im Wasser wir zum theil den Schatten*** sehen mügen.
*) gemeint ist der astronomische Himmel
**) tügen, ältere Form von taugen ≈ brauchbar sein, Kraft haben
***) Schatten in älteren Deutsch auch: "Abbild", "Spiegelbild"
Sapientia Picta. Das ist, Künstliche Sinnreiche Bildnussen vnd Figuren : darinnen denckwürdige Sprüch vnd nützliche Lehren im Politischen vnd gemeinen Wesen durch hundert schöne newe Kupfferstück vorgebildet, entworffen, vnd durch teutsche Reymen erkläret werden. So auch zu einẽ Stam̃ oder Wappẽ Büchlein füglich zugebrauchen, Franckfurt: bey Joh. Am̃on vnd Petro Marschallo Jm Jahr 1624.
> http://diglib.hab.de/drucke/li-6643-2/start.htm
••• Johann Heinrich Seyfried, Medulla mirabilium naturae, das ist: auserlesene, unter den Wundern der Natur allerverwunderlichste Wunder von Erschaffung der Natur, Himmlischen Firmaments, Sternen, Planeten, und Cometen, als auch dieser sichtbarn Welt, und des Meers : deßgleichen, in Brunnen, Flüssen, Seen, und dem Meer; auf, an, und in Gebürgen, Erden, und Insulen: wie auch, etzlichen Thieren, Bäumen, Früchten und Gewächsen. In Europa, Asia, Africa, und America ; aus hiernächst-benandten Autoren zusammen getragen und beschrieben, sammt beygefügten Kupffern Nürnberg: Johann Hofmann 1694 [bereits Nürnberg/Sultzbach: Abraham LichtenthalerSulzbach 1679]
> http://reader.digitale-sammlungen.de/resolve/display/bsb10131998.html
••• [Conrad Mel, 1666–1733], Schau-Bühne der Wunder GOTTES in den Wercken der Natur: Oder, Teutsche Physic, worin die Lehr-Sätze deutlich erkläret: Mit Experimenten bewiesen: Zum Nutz der menschlichen Socität, und Erbauung des Gemüths/ appliciret werden; Eröffnet durch THEODOR. Cassel: Joh.Bertram Cramer 1732. [299 Seiten + umfängliches Register]
> http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB00005E6700000000
Inszenierter Dialog zwischen den Professoren Philarethes (Physik), Menander (Medizin), Polyhistor (Geschichte) und Theodor (Theologie) sowie den beiden Studenten Cliton und Pythias
••• Nikolaus Börner, Physica, Oder Vernünftige Abhandlung Natürlicher Wissenschaften, worinnen nicht nur sämmtliche Welt-Cörper nach mathematischen Gründen betrachtet, sondern auch andere zur Natur-Lehre gehörige Sachen untersuchet, und die vorkommenden Phänomena hinlänglich erkläret werden, zur Beförderung der Wahrheit und zum Behuf derer, welche Gott in seinen Geschöpffen zu erkennen und zu bewundern, ihre Vorurtheile aber in natürlichen Dingen abzulegen trachten […], Leipzig Michael Blochberger, 1735.
> https://books.google.ch/books?id=iJNXAAAAcAAJ&hl=de&source=gbs_navlinks_s
••• Barthold Hinrich Brockes (1680–1747) über den Portraitmaler Balthasar Denner (1685–1749):
An Hn Denner
Ich sahe jüngst mit starren Blicken den unnachahmbarn Denner schildern,
Und gleichsam für Verwundrung stumm ob der fast regen Aehnlichkeit.
Ob der, dem Schein nach wahren Haut, von den schon ausgemachten Bildern
Verwirreten sich die Gedanken, wie, durch den Blick, der Geist erwog
Die Weise, wie er ein’ge Bilder aus seiner Farben Chaos zog,
Denselben aus zerriebnem Staub und Oele nicht nur Cörper webte;
Nein, durch des Pinsels geistge Züge, sie fast begeistert’ und belebte.
Fast ist es, dacht’ ich unbegreiflich, wie weit sich Denners Kunst erstreckt!
Doch ward zu ernstlicher Betrachtung mein Geist zugleich dadurch erweckt.
Was hört für Fleiß und Geist dazu das Aeussere der Creatur
Nur etwas ähnlich vorzustellen! Wer nun mit etwas Einsicht nur
Das Urbild selbst von einem Cörper, das Wesen, die Figur erweget,
Die Ordnung den Zusammenhang so vieler Theilchen überleget,
Die Sinnen sieht, die vielen Kräfte, die Handlungen, das Leben spürt,
Wird ja zu einer ew’gen Weisheit durch solch ein künstlich Werk geführt,
Auf aller Dinge Quell gewiesen. Denn niemand, als ein Gott allein,
Kann Cörper bilden und beleben, kann Meister solcher Werke seyn,
Kann die Idee solcher Wunder, und solcher Wunder-vollen Welt,
Ja solche Welten sonder Zahl sich im Entwurf erst vorgestellt,
Und dann sie ausgeführet haben: Ja noch dazu vernünftge Wesen,
Die solches sehn und fassen könnten, zu fassen und zu sehn, erlesen,
Wie groß des Schöpfers Liebe sey, die, daß sie Guts geniessen sollen,
Und im Genuß den Schöpfer preisen,aus lauter Liebe haben wollen.
So hat itzt, edler Denner, denn mich deine Kunst auf die Natur,
Und durch derselben Wunderwerke,mich auf die hell’ und sel’ge Spur
Zum Schöpfer aller Welt geleitet. Wenn durch den Pinssel mir dein Geist,
Der dir zu unserm Nutz geschenkt, der Creaturen Schöpfer weist,
So seh ich dich als einen Lehrer; den Pinsel als die Feder an,
Wodurch auf flachen Schreibe-Tafeln in bunter Schrift man lesen kann:
"Es lassen euch die schönen Farben den Schöpfer aller Cörper sehen
Es giebt euch ihre Maaß und Ordnung den Geist der Geister zu verstehen."
in: Herrn B. H. Brockes verdeutschter Bethlehemitischer Kinder-Mord des Ritters Marino: nebst der Herrn Uebersetzers eigenen Werken, […], Hamburg, bey Christian Herold, Fünfte Auflage,1742, Seite 674f.
••• Abraham Kybur[t]z, Theologia naturalis et experimentalis, Eingerichtet auf die Verrichtungen, Geschäfte und Handlungen der Einwohneren des Hohen und Niederen Schweitzerischen Gebirgs, Um sie dadurch zu GOTT ihrem obersten Gutthäter zu führen : Zur Vermehrung der Erkanntnis, der Liebe und des Lobs GOttes unter diesem Volck, o.O. 1753.
••• Martin Froben. Ledermüllers [1719–1769] ... Mikroskopische Gemüths- und Augen-Ergötzung, [Nürnberg]: gedruckt bey Christian de Launoy, 1760–1762.
> https://doi.org/10.3931/e-rara-23959
••• Johannes Florentinus (Jan Floris) Martinet (1729–1795), Katechismus der Natuur, 1777–1779.
>
http://www.dbnl.org/tekst/mart021kate01_01/
••• Johann Caspar Lavater, Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe.
Das Verhältnis Schöpfer ::: Geschöpfe wiederholt sich im Verhältnis Geist ::: Gliedmaßen des Menschen, was für die Physiognomik ein stützendes Argument ist.
Vierter Versuch, Leipzig u. a., 1778. S. 47ff:
... daß wie Gott allen seinen Werken etwas von seinem Charakter eingedrückt hat, also der Geist des Menschen aus allen seinen Gliedern zu erkennen ist; daß alles Eins, alles Offenbarung des Einen in allem ist; daß, wenn die Wurzel heilig ist, es auch die Zweige sind.
Dritter Versuch, 4.Abschnitt, 4. Fragment: von dem Charakter der Handschriften S.110:
Innere Ganzheit ist das Gepräge der ganzen Natur. Wie die ganze Natur Silhouette des unendlichen ewigen Urgeistes ist – so alle Produkte der Natur – dieselbe Silhouette auf unendlich mannichfaltige Weise verkleinert, gefärbt, und geschattet. [Silhouette: Vgl. Lavaters Technik, Profile von Gesichtern mittels Schattenrissen abzubilden]
••• Heinrich Zschokke (1771–1848): Stunden der Andacht zur Beförderung wahren Christenthums; Sechster Band: Gott in der Natur. Dritte verbesserte Original-Ausgabe. Aarau: H. R. Sauerländer 1818. > https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb11731418?page=5
••• Franz de Paula von Schrank, S.J. (1747–1835), Hexämeron: Eine physikalisch-theologische Erklärung der sechs Schöpfungstage, Augsburg /Günzburg: Veith & Rieger, 1838.
> https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10400244?page=5
••• Oswald Heer (1809–1883), Die Urwelt der Schweiz, Zürich: Schulthess, 1865.
[Am Ende des Buchs, S.604 spricht er von] Erscheinungen, die uns nicht zweifeln lassen, daß die Natur in ihrem Entwicklungsprocesse ein unendlich großartiges, harmonisches Ganze bilde, welchem ein Plan und ein Gedanke zu Grunde liegen muß. Wohl kennen wir von diesem unermeßlich großen Gebäude erst die Grundpfeiler, je mehr aber die Urwelt uns ihre Wunder enthüllt, desto großartiger und reicher wird dasselbe, desto mehr füllen sich die Lücken aus, welche die jetzige Schöpfung uns weist, und desto inniger schließen sich alle Glieder zu dem harmonischen Baue zusammen.
So groß und herrlich auch derselbe ist, wird er aber nur von dem gesehen, dessen geistiges Auge dafür aufgeschlossen ist. Ein Bild mag dieß noch erläutern.
Ein mit einer Symphonie Beethovens überschriebenes Blatt hat nur Sinn für den Kunstverständigen. Für ihn hat jede Note Bedeutung, und wie er diese Zeichen in die Tonwelt überträgt, entströmt denselben eine ganze Welt von Harmonieen.
Gerade so verhält es sich mit der Natur. Die einzelnen Erscheinungen haben gleich den einzelnen Noten nur dann Sinn, wenn wir sie zu verbinden und ihren Zusammenhang zu erfassen vermögen. Dann schließen sie sich zu einem großen gegliederten Ganzen zusammen und es entsteht in unserer Seele auch eine Welt von Harmonieen, die uns, wie ihre Schwester die Harmonie der Töne, über die sinnliche Welt emporträgt und uns mit der Ahnung einer göttlichen Weltordnung erfüllt.
Jedermann würde ohne Zweifel den für sehr einfältig halten, der behaupten würde, daß die Noten jener Symphonie aus zufällig auf das Papier gekommenen Punkten entstanden seien. Mir will es aber scheinen, daß diejenigen nicht weniger unverständig urtheilen, welche die unendlich viel wundervollere Harmonie der Schöpfung als ein Spiel des Zufalls betrachten.
Je tiefer wir daher eindringen in der Erkenntniß der Natur, desto inniger wird auch unsere Ueberzeugung, daß nur der Glaube an einen allmächtigen und allweisen Schöpfer, der Himmel und Erde nach ewig vorbedachtem Plane erschaffen hat, die Räthsel der Natur, wie die des menschlichen Lebens zu lösen vermöge. Es ist daher nicht allein des Menschen Herz, das uns Gott verkündet, sondern auch die Natur, und erst wenn wir von diesem Standpunkte aus die wunderbare Geschichte unseres Landes und seiner Pflanzen und Thierwelt betrachten, wird sie uns im rechten Lichte erscheinen und uns den höchsten Genuß gewähren.
Dank an https://doi.org/10.3931/e-rara-11638 und transcribus.org
Vgl. Urs Leu, Oswald Heer: Paläobotaniker und Kritiker Darwins, in: Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich (2009) 154 (3/4), S. 83–95.
Nachtrag zum Uhrmachergleichnis (vgl. die Variante von Brockes im Buch auf S.50ff.):
Noël Antoine Pluche (1688–1761) schreibt über den rechten Gebrauch der Naturstudien, dass eine präzise Analyse der natürlichen Dinge unfruchtbar sei, wenn sie nicht deren Endzweck erfasse. Er gebraucht einen Vergleich: Wenn ein Indigener (un Américain) bei einer Uhr auch die Funktionsweise des Räderwerks genau durchschaute, aber nicht merke, wozu sie diene, so wäre er vergleichbar einem europäischen Forscher, der die Natur untersucht, "ohne sich um die Absicht zu kümmern, die sich der Schöpfer dabei vorgesetzt hat." Ein solcher Gelehrter wüsste weniger als ein einfacher Mensch, der "ohne die verborgenen Triebfedern der Welt mühsam zu untersuchen, denjenigen anbetete, welcher diese wunderbare Maschine seinetwegen in Bewegung setzt..."
Le spectacle de la nature, ou Entretiens sur les particularitez de l'histoire naturelle... : Suite de la seconde partie... tome troisiéme. Paris: Freres Estienne, MDCCLXXI
L'Usage du Spectacle de la Nature – Lettre du Prieur au Chevalier [p. 466]
Si un Américain achetoit une montre, & qu'après en avoir bien obſervé les mouvemens, il pût parvenir à comprendre la compoſition du roüage & la correſpondance des piéces, ce fauvage ne connoiſſant cependant encore ni la diviſion du tems, ni l'uſage de la montre, ſeroit réellement plus ignorant à l'égard de cette machine qu'un Européen qui s'en ſert tous les jours ſans en avoir examiné la ſtructure.
Il en eſt de même de celui qui aprofondit de jour en jour l'hiſtoire naturelle, ſans ſe mettre en peine de connoître la fin que s'eſt propoſée l'Auteur de la Nature. Ce ſçavant en ſçauroit moins qu'un homme ſimple & plein de droiture, qui ſans avoir curieuſement examiné le jeu des différentes parties de l'univers, adoreroit ſans ceſſe la main qui fait mouvoir pour lui cette admirable machine & qui répand tous les jours ſur la terre de nouvelles bénédictions.
On peut donc avoir réüni les raretés des quatre parties du monde: on peut avoir fait le dénombrement des étoiles, avoir calculé les mou vemens des planétes, avoir riſqué de prédire le retour des cométes: on peut avoir ſubtilement diſſéqué des inſectes & anatomiſé les élémens mêmes: on peut à toutes ces opérations avoir ajoûté mille expériences curieuſes, & avec cela être profondé ment ignorant.
La nature entiére eſt une magnifique montre dont les reſſorts ne jouënt que pour nous aprendre tout autre choſe que ce qu'on y voit. Le Phyſicien qui paſſe ſa vie à épier le jeu de ces reſſorts fans aller plus loin, reſſemble parfaitement à notre ſauvage. Il travaille à deviner ce qu'il eſt fort permis d'ignorer, peut-être impoſſible de comprendre, & il néglige l'unique point important, qui eſt de ſça voir à quoi la montre eſt bonne.
Deutsche Übersetzung: Schau-Platz der Natur, oder: Unterredungen von der Beschaffenheit und den Absichten der natürlichen Dinge, wodurch die Leser zu weiterm Nachforschen aufgemuntert, und auf richtige Begriffe von der Allmacht und Weisheit Gottes geführet werden Dritter Theil: Welcher die äusserliche und innerliche Beschaffenheit der Erde betrachtet [Nürnberg: Monath 1751; S. 544ff.
> http://purl.uni-rostock.de/rosdok/ppn863053262
Zum Thema Klima-Erwärmung dieser Text von Johann Jacob Scheuchzer (1672–1733), Helvetiae Stoicheiographia. Orographia et Oreographia. Oder Beschreibung der Elementen, Grenzen und Bergen de Schweitzerlands 1716; S. 34f.
Es bilden sich zwahr viel mit ihrer blöden Vernunft ein/ es were besser/ wir hetten einen mehreren Grad der Wärme/ einen längeren Sommer/ einen kürzeren Winter/ weniger Eis und Schnee auf hohen Gebirgen; wann wir aber die Sach genau einsehen/ so zeiget sichs klärlich/ wie überal in dem ganzen grossen Weltgebäue/ also auch hier/ das alles/ was GOTT gemachet hat/ sehr gut. Gen. I. 31. Lasset euch sein/ zugefallen jener unbesinnten Wünscheren/ das unsere Schweitzerische Lande mehr Wärme hätten/ als sie wirklich geniessen/ was würde hieraus folgen? Namlich bey jetziger Beschaffenheit und Situation der Erden.
Wahr ists/ das jene berggrosse Eis- und Schneehäuffen wurden schmilzen; hierdurch/ werden die Besitzer der hohen Alpen sagen/ werden die Bergweyden erweiteret/ und die Erde/ welche jezt mit beständigem Schnee bedecket unfruchtbar lieget/ verwandelt werden in grunende/ graßreiche Gärten oder Wiesen/ und werden wir eine grössere Anzahl Viehs können ernehren. Halt aber ein wenig inn/ unvernügter Bergbaur.
Von jenen hohen Eis- und Schneegebirgen kommet … die Fruchtbarkeit der Alpen/ und tieffer ligenden Thäleren/ grosse Flüsse/ eine unzehliche Menge Bäche/ und Brünnen. Wann jene sollten zerschmilzen/ so werden diese überlauffen/ und mit solcher Gewalt ab denen Gebirgen sich hinunter stürzen/ daß die untenliegende Thäler/ und flache Länder darvon überschwemmet/ mit Steinen und sandichten Schleim überführet/ und die schönsten Matten und Aecker zugrund gerichtt werden/ wie wir diß erfahren/ und beklagen/ wann etwan die Wasser durch anhaltende Hitz/ oder starke Platzregen über die massen anlauffen/ und etwan ganze Dörffer in Gefahr eines gänzlichen Untergangs gerahten: die Flüsse wurden überall ihre Gränzen überschreiten/ und nicht nur uns Schweitzeren/ sondern auch tiefferliegenden Franzosen/ Teutschen und Italiänern einen entsetzlichen Schaden zufügen.
Gesetzt/ es wurden endtlich diese Wasser gemächlich/ und ohne ungestümme fortfliessen/ so wurde gleichwol das Meer mehr Wasser empfangen/ als nun geschihet/ und mehr/ als es in ansehung seiner Weite wiederum von sich giebet. Hierdurch wurden die niedrigsten an das Meer gränzende Länder überschwemmet/ und ganze Nationen aus ihren kostlichsten Landen vertrieben. Ich schreite noch weiter. Wann einmahl unsere hohe Alpfirsten vom Schnee entblösset/ so werden die Flüsse/ und Bäche/ und Brunnen vertroknen/ die dürstenden Gewächse und Thier ihrer Nahrung und Wassers beraubet/ und unsers fruchtbare glükliche Schweitzerland in kurzer Zeit verwandelt werden in ein wüstes/ sandichtes Arabien/ und müßten auch wir Hof schleissen [das Feld räumen].
Vgl. > Urs B. Leu, J. J. Scheuchzer. Pionier der Alpen- und Klimaforschung, Zürich: Chronos-Verlag 2022.
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