Der Blasbalg als Symbol

Der Schmelzpunkt von Bronze liegt bei über 1000 Grad Celsius. Nur wenn man einem Holzkohlefeuer genügend Sauerstoff zuführt, erreicht es diese Temperatur.

Unsere Vorfahren in der Bronzezeit haben nicht einfach mit dem Mund ins Feuer der Schmelztiegel geblasen, um diese Hitze zu erreichen. Sie haben sich etwas einfallen lassen. Sie haben aus Tierfellen (die abgestreifte Haut heißt mittelhochdeutsch balg) Schläuche und Säcke hergestellt, aus denen sie die Luft in die Esse ausströmen ließen; und dann einmal herausgefunden, dass man diesen Sack zwischen zwei mit einem Scharnier versehene Bretter einspannen und ein Ventil einbauen kann, das sich beim Ansaugen öffnet und beim Ausblasen ins Feuer schließt – der Blasbalg / Blasebalg (lat. follis; frz. le soufflet; engl. pair of bellows) war erfunden.

Dieser technologische Durchbruch war über Jahrtausende hinweg befeuernd. Die Geräte wurden dann auch eingesetzt für die ›Bewetterung‹ von Bergwerksschächten und die ›Windwerke‹ von Orgeln.

Das Gerät wurde allmählich als symbolischer Bildspender verwendet. Es fragt sich jedesmal: Wer bläst wem was ein und wozu?

Der Mensch ist infolge seiner Instinktunsicherheit und ›konkupiszenten Verfasstheit‹ (so sprechen die modernen Dogmatiker) Versuchungen ausgesetzt; dafür ist er nicht verantwortlich. Gibt er ihnen indessen freiwillig nach und entscheidet sich sogar trotz traditioneller Verbote, ihnen zu folgen, so wird er (moraltheologisch gesprochen) sündig.

Für die christliche Religion war der Teufel der große Versucher. Dass Satan oder sonst ein dämonisches Wesen uns einen üblen Gedanken einbläst, mag man zunächst als Entschuldigungsgrund auffassen – aber genau genommen hat der Teufel ja nur eingeblasen, und wir haben zugestimmt. In der Theologie ist das Verhältnis von tentatio und consensus ein stets diskutiertes Problem. Eine zentrale (für Gläubige tröstliche) Bibelstelle zu diesem Thema ist 1.Korintherbrief 10,13.

Und doch gilt die Weisheit des Sprichworts:

Wenn man schon mit eim blaßbalg in ein Stock blast / wird man doch kein Liecht auffblasen / so kein Funcken im Stock ist. (Florilegium Politicum. Politischer Blumengarten … zusammen getragen durch Christophorum Lehmann, 1630, S. 459, Nummer 70 (hier zum Thema ›Lehrer, lernen‹)

Inhaltsübersicht nach Stichworten

==== in Vorbereitung ===

Der Blasbalg-Hersteller

Die Beschreibung des Geräts (auf S. 57–66) bietet zunächst eine historische Abhandlung und Beschreibung des Mechanismus dieser artigen Invention: Der Erfinder der Blasbälge ist der Weltweise Anacharsis usw.

Etwas für Alle / Das ist: Eine kurtze Beschreibung allerley Stands- Ambts- und Bewerbs-Persohnen, mit beygedruckter Sittlichen Lehre und Biblischen Concepten […] verfertiget durch P. Abraham à S. Clara, Dritter Theil, Würzburg: Christoph Weigel 1711. – (Der Text ist nicht von A. a. S. Clara. – Von Ch. Weigel ist der Kupferstich.)

Mein Hertz wie ich erkenn und find,
ist wie ein Blasbalg ohne Wind
    im Guten
[in der Windstille?], und fällt bald zusammen.
O Gnaden-Wind, Zieh ein in mich,
Der du bey Flammen-Zungen Dich
    gezeigt, blas auff die Liebes-Flammen.

Dann folgen weitschweifige allegorische Moralisationen.

Technische Verwendung (1)

Der Universalgelehrte Georg Agricola (1494–1555) verfasste, nachdem er in den Minen von St. Joachimsthal den Bergbau und das Hüttenwesen studiert hatte, das umfangreiche und reich bebilderte Buch »De re metallica« (1556).

Vom Bergkwerck xij Bücher darinn alle Emter/ Instrument/ Gezeuge … vorbildet /vnd klärlich beschriben seindt/ erstlich in Lateinischer sprach/ durch den Hochgelerten vnd Weitperümpten Herrn Georgium Agricolam … jetzundt aber verteütscht/ durch den Achtparen vnnd Hochgelerten Herrn Philippum Bechium … Getruckt zuo Basel durch Jeronymus Froben vnd Niclausen Bischoffen im 1557. jar.

Im 9. Buch behandelt Agricola die Schmelzöfen. Die Tafel auf Seite ccclij zeigt ein über einen Mechanismus angetriebenes Paar von Bälgen, die wechselseitig Luft ansaugen und Luft ausblasen; so wird die Luft kontinuierlich zugeführt.

(2) Auch Wasser ansaugen kann man mit diesem Tool:

Flauij Vegetij Renati vier bucher der Rytterschafft ... geschriben mit mancherleyen gerysten. bolwerckenn. und gebeuwen. zu krygkszleufften gehorick. mit yrenn mosternn. unnd figuren darneben verzeychent, Erffurt: Knapp 1511.

(3) In der Medizin:

Bei reglos liegenden Patienten mit Schlagflüssen, Ohnmachten, hysterischen Anfällen, Erstickungen rät Dr. Johnson zur künstlichen Beatmung mit Anwendung dieses Instruments:

Eine Röhre, um die Lunge mit Luft durch die Nase anzufüllen. ... Die kurzen Röhren C C, die in die beyden Oeffnungen der Nase gehen, müssen wohl abgeründet seyn. Der Lauf für die Luft geht von A bis B. In A ist eine Mündung zum Empfange der Rohrspritze eines kleinen Blasebalges E. [Die Funktion des Communications=Canals D—D ist nicht klar.]

Alexander Johnson, Rettungsmittel der Verunglückten von scheinbaren Todesfällen Verlag in der Hoffmannschen Buchhandlung 1786.
> http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10472814-0

(4) Der Hufschmied

Nicolas de Larmessin (1632–1694) zeichnet in seinen »Costumes grotesques« den Hufschmied so:

(5): Orgelspiel

Für das Orgelspiel wurden schon früh Blasbälge verwendet: Hier spielt König David die Orgel:

Rutland Psalter (ca. 1260). British Library Add Ms 62925; Fol. 97 verso
> https://www.bl.uk/manuscripts/Viewer.aspx?ref=add_ms_62925_fs001r

Israhel van Meckenem der Jüngere (ca. 1440/45 bis 1503) schuf eine Folge von Kupferstichen, worunter diesen, der einen Orgelspieler und seine Gattin an einem Portativ zeigt. Das Zusammenwirken beim Spiel mag die Harmonie der Liebenden ausdrücken. (Andere Bilder dieser Folge zeigen auch erotisches Verlangen, nicht zusammenpassende Paare und häuslichen Streit.)

Von der Technik zur Moral: Théodore Galle (1571–1633) wendet die Vorstellung emblematisch so:

um:

Der Teufel bewegt den Blasbalg; die Voluptas (Wollust) spielt auf der Tastatur; der Saltator Mundanus (≈ der dem Weltlichen verhaftete Tänzer) tanzt dazu; der Fußboden ist gut geheizt. Aus den Orgelpfeifen bläst es: Glaube nicht an Gott! Verzeihe niemandem! Folge deinen Gelüsten! Raube und stehle! Ruf die Dämonen an! usw.

Typus occasionis, in quo receptae commoda, neglectae verò incommoda, personato schemate proponuntur. Antuerpiae: Delineabat et incidebat Theodorus Gallaeus 1603.
> https://archive.org/details/typusoccasionisi00gall/mode/2up

Der Blasbalg als Modell für die Lunge

Für Johann Jacob Scheuchzer (1672–1733) ist die Stelle Hiob 27,3: »So lang mein Athem in mir ist, und der Blast, den mir GOTT gegeben hat, in meiner Nasen ist« Anlass, um über das wunderbare Funktionieren der Lunge zu sprechen. Er verwendet ein iatromechanisches Modell:

Der Blaßbalg, durch welchen der Athem aus- und eingehet, […] ist die Lunge: Aber ein Blaßbalg von unendlich weiser Kunst, der nicht aus einer, sondern unzehlich vielen kleine Hölen und Bläßlein bestehet, und über diß an statt der Räder oder angehängten Gewichter, die man bey allezeit fortgehenden Blaßbälgen siehet, die gantze wundersame Gestalt der Brust, Rippen, Mäußlein, Zwerchfells zu Gehülffen hat. Will nun jemand einen eigentlichen Begriff von der Athmung haben, muß er in die heutige mechanische Anatomie und Medicin hineinsehen, da wird ihme die innerliche Beschaffenheit dieses künstlichen Lufft- und Pump-Wercks in die Augen fallen, daß er klärlich siehet, wie der allgewaltige und allweise GOTT Urheber von diesem Kunst-Werck seye.

Kupfer-Bibel/ in welcher die PHYSICA SACRA, oder geheiligte Natur-Wissenschafft derer in Heil. Schrifft vorkommenden Natürlichen Sachen deutlich erklärt und bewährt [wird] von Joh. Jacob SCHEVCHZER […], Augsburg und Ulm: Christian Ulrich Wagner 1731/1733/1735, Tab. DXXI (Ausschnitt).

Missbräuchliche Verwendung

Martin de Vos (1532–1603) als Zeichner und Crispijn van de Passe (d. Ä. 1564–1637) als Stecher signieren auf diesem Kupferstich. Sie haben eine Serie zu den Vier Elementen geschaffen: Erde, Wasser, Feuer, Luft. Auf jedem Bild ist ein Paar dargestellt, umgeben von einschlägigen Attributen: Tieren, Früchten; beim Feuer (IGNIS) auch von Utensilien: hinten Arbeiter beim Bergbau, vorne einen Goldschmied bei der Arbeit mit einem Blasbalg und – so scheint es – Produkten aus seiner Werkstatt.

In den Versen unter dem Bild heißt es: Das Feuer ist überaus nützlich, wenn es nur nicht missbraucht würde. Du aber vergeudetest Massen an Gold in den Flammen. Die trügerische alchimistische Kunst (ars Alcumistica fallax) täuscht viele und bestraft zuletzt ihren Urheber. – Die verführerische Dame reicht also dem Schmied die goldenen Schmuckstücke zum Einschmelzen, vielleicht ist sie eine Personifikation der Alchimie.

Wer hat den Erfinder des Schießpulvers inspiriert?

Dass der Franziskaner-Mönch Berthold Schwartz etwa um 1380 beim alchimistischen Experimentieren zufällig das Schießpulver erfunden haben soll, ist wohl eine Legende. Aber dass ihn der Teufel dabei mit dem Blasbalg inspiriert hat, zeigt das Bild deutlich. Oben steht ja: Niger Nigro (Der Schwarze dem Schwartz …).

Bild unbekannter Herkunft — Vgl. den Artikel von F. M. Feldhaus in der Allgemeinen Deutschen Biographie, 55 (1910), S. 617f.

Und das beweist ja auch das Gedicht von August Schnezler:

Er stampft im Mörser ämsiglich
Salpeter, Kohlen, Schwefel,
Und rief’ den Teufel gern zu sich,
Wär’s nur kein solcher Frevel.
Nun schürt die Glut er wieder frisch,
Daß alle Funken spritzen,
Und einer springt in das Gemisch
Und plötzlich jagt mit Blitzen
Die Mörserkeul’ ein Donnerschlag
An des Gewölbes Decken;
Geschleudert auf den Boden lag
Der Mönch
[…].
»Als Alchymist war unsichtbar
Der Teufel mein Geselle!
[…]«

August Schnezler in: Badisches Sagen-Buch I (1846), S. 374–377 auf Wikisource

Der Alchemist in der Karikatur

William Pitt (1759–1806), Premierminister von Großbritannien, wurde wegen der Französischen Revolution (1789 ff.) allmählich konservativer und wollte demokratische Ideen in England unterbinden. Der Karikaturist James Gillray (1757–1815) zeigt Pitt als Alchemist, der im Labor mit einem Blasbalg, der aus einer Königskrone besteht, in einen Ofen bläst.

> https://www.britishmuseum.org/collection/object/P_1868-0808-6534

Die Beschreibung in British Museum ist sehr präzis. Der Ofen erhitzt eine große gläserne Retorte, in der sich das Unterhaus auflöst: Die Galerien stürzen ein, der Stuhl des Parlamentspräsidenten zerbricht, er und die Beamten schlafen ein, die Bücher fliegen in die Luft und steigen mit den Dokumenten usw. in den gebogenen Hals der Retorte: 'Coke', 'Acts', 'Statutes', 'Rights of Parliament', 'Magna Charta', 'Bill of Rights' … Aus dem Rohr der Retorte strömt ein Dunst, der winzige, kriechende Figuren unterwürfiger Abgeordneter enthält, die sich vor einem Miniatur-Pitt niederwerfen, der auf einem Thron sitzt; usw.

Der blinde Amor verzehrt mein Inneres

Otto van Veen (1556–1629) war ein hervorragender Maler – Lehrer von Rubens – und literarisch sehr gebildet. Er gestaltete drei Emblembücher, alle mit Zitaten aus Ovid, Vergil, Horaz, Cicero, Seneca und anderen antiken Autoren. – In diesem Buch ist der profane Amor die Hauptfigur, dargestellt als geflügelter Putto.

Amorum emblemata, figuris aeneis incisa. studio Othonis Væni, Bathavo-lugdunensis. Emblemes of Loue, with verses in Latin, English, and Italian, Antwerpiæ [Verdussen] 1608. – Kupfer von Cornelis Boel (ca. 1576 – ca. 1621)

Das Motto stammt aus Vergil, wo es von Dido heisst, dass sie sich in heimlicher Glut verzehrt (et caeco carpitur igni, Aeneis VI, 2). Das wird dann erläutert mit: mea consumit viscera cæcus amor.

In einer Ausgabe mit deutschen Texten lautet die Erklärung:

Der Hitze Glanz verzehrt mich gantz.

Gleichwie das Wasser wird im Hafen gantz verzehrt /
Wann stets die Feuer=Glut von aussen ihn erhizt;
So wird der Liebe Geist zulezt in nichts verkehrt /
Wann er stets bey dem Glantz der schönen Augen sizt.
[≈ sich nur ans Äussere hält]

Amorum Emblemata … Das ist L. Sinnbilder der Liebe, … Nun aber auch mit Deutschen Reimzeilen erkläret, Nürnberg: Weigel 1710; S. 95
> http://diglib.hab.de/drucke/uh-103/start.htm

Ähnlich (Amour folle) bei Guillaume de La Perrière (1499–1565): Zuletzt destilliert Amor mit dem Feuer der Reue aus seinem Kolben Tränen — Gardez nous donc, […] Car à la fin, soubz feu de repentance, Voyez Amour distiller eau de larmes.

Le théâtre des bons engins, auquel sont contenus cent emblèmes; impr. de D. Janot (Paris) 1539.
> http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8626159x

GOtts Wort gar gschwind das Hertz entzündt.

Das Motto im Spruchband (Mögest du, Herrgott geben, dass die Funken zunehmen!) ist nicht biblisch. Hier der Schluss des Epigramms:

[Johann Mannich, 1579– nach 1637], Sacra Emblemata LXXVI In Quibus Summa Unius Cuiusque Evangelii Rotunde Adumbratur. Das ist Sechsundsibentzig Geistliche Figürlein in welchen eines jeden Evangelii Summa Kürtzlichen wird abgebildet, Norimbergae: Sartorius 1625.

[…] Das brennend Hertz das allhie leit / [liegt]
Die Rew vnd Leyd der Sünden deut /
[bedeutet]
Wenn Gottes Wort gschwind vnd behend /
Gleich wie ein Fewr inn Hertzen brennt /
Das der Sünder nicht leyden mag /
Hat kein Ruh weder Nacht noch Tag.
Der Blaßbalg den die Figur weist /
Bedeut das Ampt deß guten Geist /
Der durch das Wort vnd Sacrament /
Schaffet vnd wirckt an allem end /
Der muß dem Sünder busse gebn /
Daß er geneß zu jenem Lebn.

Die innere Wahrheit angeregt durch den Blasbalg der Lehre

Roemer Visscher (1547–1620) in seinem volkssprachlich verfassten Emblembuch:

Ventilante doctrina ≈ Von der Lehre angefacht

Roemer Visscher, Sinnepoppen, Amsterdam: Willem Jansz 1614.
> https://archive.org/details/ned-kbn-all-00004180-001/page/n18/mode/2up

Im Begleittext wird zitiert:

als Boëtius seyt:
Heret profecto semen introrsus veri
quod excitatur ventilante doctrina.

Boetius, »Confessiones« III, carm. 11, vers 11f. ≈ In seinem Innern [im Leib] schläft der Wahrheit Samenkorn, | Und von der Lehre angefacht sprießt es hervor.

Das Samenkorn wird ersetzt durch den Funken; dazu passt ventilante besser:

Van binnen is in ons ghehecht een voncken von waarheydt, dat opghewackert wordt door de lieffelijcke blasinghe von deughdelijcke leeringhe.

Die Gabe Gottes erwecken (2.Tim. 1,6)

Die Gabn so Gott hat mitgetheilt/
    Die liegn offt in der Aschen:
Den Geist vnd Athem Fewr erhelt/
    Wenns schon ist fast erloschen.

Daniel Cramer (1568–1637), Octaginta Emblemata moralia nova Das ist: Achtzig Sinnreiche Nachdenckliche Figuren auß heyliger Schrifft in Kupfferstücken fürgestellet, worinnen schöne Anweisungen zu wahrer Gottesforcht begrieffen, Frankfurt/M.: Jennis 1630.

Die Radierungen sind von Rudolf Meyer (1605–1638).

> https://archive.org/details/octogintaemblema00cra

Das Feuer der Geilheit nicht aufkommen lassen

Aegidius Albertinus (1560–1620), ein notorischer Vielschreiber, hat auch eine Art Emblembuch verfasst (vor allem kompiliert), den »Hirnschleifer«. Darin steht ein Kapitel: Zwo Händ blasen mit einem Blaßbalg ein rauchendes Fewr auff.

Aegidius Albertinus, Hiren schleifer, München: Hainrich 1618.
> http://diglib.hab.de/drucke/73-eth-1s/start.htm?image=00159

Er rapportiert eine Vision, in der jemand vier lodernde Feuer sieht; im einen braten die Lügner, im andern die Geizhälse, im dritten die Ketzer und Haderer; im vierten die Unkeuschen. Hier verweilt er (einige Auszüge aus dem Text):

Dieses Fewr der schnöden Lieb entzündt gleichwol der Mensch in jhm selbst/ vermittelst des frasses vmd beywohnung der Weiber/ aber doch pflegt der Teuffel es fürnemblich anzublasen/ vnd im Menschen zuentzünden vnd zuerhalten/ wie Esaias im 54 cap sagt: Sihe ich hab den Schmidt geschaffen/ daß er die Kolen im Fewr anblase. [Jes. 54,16]

Artlich wird ein Vnkeuscher den Fewr verglichen/ dan wie auß dem Fewr der Rauch gehet/ vnd die Augen verblendet/ also erfolgen auß der Vnkeuschheit der Rauch vnd die Finsternuß deß Verstandes dermassen/ daß der Mensch die Gefahr seiner Seelen nicht sieht.

Für Nonnen gibt es Klöster, damit sie dem Herrn in Keuschheit dienen vnd vor dem schnöden Fewr der Geilheit versichert seyn mögen: das verdreust aber dem Teuffel vber alle massen/ daher blast er dermassen hefftig vnd starck in diese Fewr/ das die Funcken fast vberall/ vnd sogar in die Clöster fliegen.

So geht der Text assoziativ weiter; immerhin wird dann noch ein Ratschlag zur Abhilfe gegeben: Das innere Feuer wird gelöscht durch Abstinentz, Mässig- vnd Nüchterkeit.

Versuchung des heiligen Antonius

Im Gebetbuch für Kaiser Maximilian zeigt Dürer ein dämonisches Wesen, das dem heiligen Antonius (durch die Cuculla hindurch!) einbläst; ihm reicht eine edel bekleidete Dame einen – leeren – Teller. (Ist das die eingeblasene Vision?)

https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb00087482?page=58

Man erkennt hier die stets blühende Phantasie von Dürer. In der Ikonographie des hl. Antonius kommt sonst nie ein Teufel mit Blasbalg vor. Legenda Aurea: … er reizte mit der Kraft seines Herzen die bösen Geister wiederum zum Kampf. Darauf erschienen jene in Gestalt verschiedener Tiere und verwundeten ihn mit ihren Zähnen, Hörnern und Krallen auf fürchterliche Weise. Dann entstand plötzlich eine wunderbare Helligkeit um ihn herum und vertrieb alle bösen Geister. Antonius wurde sofort gesund.

Vgl.: Schrecken und Lust: die Versuchung des heiligen Antonius von Hieronymus Bosch bis Max Ernst. Eine Ausstellung des Bucerius Kunst Forums, 9. Februar bis 18. Mai 2008 / Ausstellung und Katalog von Michael Philip u.a., (Publikationen des Bucerius-Kunst-Forums 18); Hamburg 2008.

Bernhard Seidler, Kühlen Kopf bewahren! Albrecht Dürers Darstellungen der Versuchung des Heiligen Antonius und ihre medizinischen Implikationen, in: Limina: Natur – Politik. Verhandlungen von Grenz- und Schwellenphänomenen in der Vormoderne, hg. Annika von Lüpke / Tabea Strohschneider / Oliver Bach, de Gruyter 2019, S. 167–221.

Satan facht an

Die Sammlung von Pastor Daniel Cramer (1568–1637) stellt in den hundert Emblemen immer das Herz ins Zentrum des Bilds. Das Herz meint hier nicht so sehr das Organ des Gefühls, sondern – biblisch inspiriert – das Organ des Denkens und Wollens. So heisst es, die Gebote sollen auf »die Tafel des Herzen eingeschrieben« sein (Sprüche 3,3 und Römerbrief 2,15) oder die Liebe Gottes ist »ausgegossen in unser Herz« (Römer 5,5).

Parturiunt – Vom Teufel angefacht kreissen die Herzen (gehen auf die Geburt zu) und gebären dann als kleine Scheusale aus dem vom Teufel angefachten Herz heraustreten.

Emblematum Sacrorum Prima Pars. Das ist: Fünfftzig Geistlicher in Kupfer gestochener Emblematum auß der H. Schrifft/ von dem süssen Namen vnd Creutz Jesu Christi. Erster Theyl. Inventirt/ vnd angegeben/ durch Daniel Cramern […]. Franckfurt am Mayn: Lucas Jennis 1624.

All Ungück aus des Menschen Hertz /
     Durch Teuffels List entsteht:
Der treibt das gut all hinderwertz /
      Vnd macht daß nicht fortgeht.

Im Vers unter dem Bild steht: Thesaurus malus est, Sathana sufflante favillas […]: Dieser Schatz ist übel, wenn der Teufel Glut anbläst. – Im Hintergrund ist mitzudenken: »Wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz« (Matthäus 6,21; Lukas 12,34)

Der Teufel bläst Versuchungen ins bedrängte Herz

Der vielseitige Graphiker und (was kaum bekannt ist) Verfasser literarischer Werke, Christoph Murer (1558–1614), stellt hier die Glaubens prob dar. Die Läuterung des Goldes ist biblisch: »Im Feuer wird das Gold geprüft, und jeder, der Gott gefällt, im Schmelzofen der Bedrängnis. Vertrau auf Gott, er wird dir helfen!« (Jesus Sirach 2,5f.); »Der Schmelztiegel ist für Silber da, der Ofen für Gold, die Herzen aber prüft der Herr.« (Sprüche 17,3)

XL emblemata miscella nova. Das ist: XL underschiedliche Außerlesene New­radierte Kunststuck: Durch Weiland den Kunstreichen und Weitberüempten Herrn Christoff Murern von Zürych inventiret/ vnnd mit eygener handt zum Truck in Kupffer gerissen; […]. Gedruckt zuo Zürych bey Johann Ruodolff Wolffen. Anno M.DC.XXII; Nr. XIX

Die Anima ist als Masse Gold in einem dreieckigen Schmelztiegel Homo (insbes. der Leib des Menschen) dargestellt, der im Becken Mundus (die sinnlich wahrnehmbare Welt) steht, in dem Tribulationes (Drangsale) emporlodern. Die Figuren (im Bild von rechts nach links) stellen die Seele auf die Probe: das üppige Fleisch mit Gelüsten (Cupiditates), der Teufel (Satan) mit dem Blasbalg der Versuchungen (Tentationes) und der Tod mit dem Hammer des Endes (Finis). Der Engel (ganz links) versucht mit dem Weihwedel des Heiligen Geistes Linderung zu schaffen.

Literaturhinweis: Thea Vignau-Wilberg, Christoph Murer und die »XL. Emblemata miscella nova«, Bern: Benteli 1982; insbes. S. 113f.

Die Feüers glut das gold macht rein

Das Emblem und die folgende Predigt von Johann Michael Dilherr (1604–1669) schließen sich an die Stelle im 1. Petrusbrief 1,7 an: »Auff das ewer Glaube rechtschaffen vnd viel köstlicher erfunden werde / denn das vergengliche Gold / das durchs fewer beweret wird.« (Luther-Bibel 1545)

Motto: Die Feüers Glut das gold macht rein: | Das Creütz der Christen prob muß sein.

Pictura: In einer Werkstatt steht Jesus (ein nimbierter Knabe) an einer Feuerstelle und hält einen Blasbalg in die Flammen, über welchen sich ein kleiner Ofen befindet.

Kommentar: EJn Feuer in einem Papier-ofen; in welchem Gold / in Capellen / oder kleinen Häfelein / geleutert wird: das Feuer bläset Jesulein / mit einem Blaßbalg / auf. Womit angedeutet wird: daß unser Glaub / in dem Creutzfeuer / welches uns der HErr Jesus Selber zuschicket / nicht gedämpffet werde; sondern je länger je mehr zunehme: und also viel köstlicher / als das vergängliche Gold / müsse erfunden werden.

Heilig-Epistolischer Bericht/ Licht/ Geleit und Freud. Das ist: Emblematische Fürstellung/ Der Heiligen Sonn- und Festtäglichen Episteln: In welcher Gründlicher Bericht/ von dem rechten Wort-Verstand/ ertheilet; Dem wahren Christenthum ein helles Licht furgetragen; Und ein sicheres Geleit/ mit beigefügten Gebethen und Gesängen/ zu der himmelischen Freude/ gezeiget wird/ von Johann Michael Dilherrn …, Nürnberg: Endter 1663.

Glaubens-Prob.

Das Gold / im Feuer / wird probirt.
Wenn Trübsal-feuer uns berührt:
So wird der Glaub dadurch erkennt;
Und Sünden-lust sich von uns wendt.

Das Gold wird aber doch an dem Jüngsten Tag / mit allen Geschöpffen / verzehret werden und vergehen müssen … (S. 627)

Konkurrenz

Hier handhabt ein Engel wie ein Teufel das Gerät; beide wollen dem Herzen ihre Gedanken einblasen; die Folgen sind unten sichtbar.

Helleleuchtender Hertzens= und Andachts=Spiegel, Worinnen vermittelst einer dreyfachen Vorstellung ..., I. Das Erkäntniß, II. Die Übung, und dann III. Das Geheimniss der wahren Gottseligkeit/ Das ist, die gantze That, Krafft und Hertzens=Theologia ... mit zur Sache hochdienlichen Kupffer-Figuren ..., samt einem kurzgefaßten Gebet-Büchlein, oder Andachts-Spiegel, Amsterdam und Franckfurt: Bey Johann Bielcken 1680.
> https://archive.org/details/helleleuchtender01wehr/page/n5/mode/2up
Druck von 1705 > https://hdl.handle.net/2027/mdp.39015064337432

The Helleleuchtender Hertzens-Spiegel --- is thought have been been compiled and edited by Paul Kaym [1571–1633] from writings of Abraham von Franckenberg. The title page indicates that it is written following the deep principles and powerful doctrine of the highly illumined Johannes Tauler (the 14th century German mystic), however, it owes much to the mystical philosophy of Jakob Boehme.
> http://www.levity.com/alchemy/kaim.html

Der Teufel gibt dem Narren üble Einfälle

Das Kapitel im »Narrenschiff« von Sebastian Brant (1458–1521) ist dem Gebot gewidmet, dass man gefundene Dinge nicht behalten darf, sondern zurückgeben soll.

Wer ettwas fyndt / vnd dreyt [trägt] das hyn
Vnd meynt gott well / das es sy syn
[dass es ihm gehöre]
So hat der tufel bschyssen in.

Das Narren schyff, [Basel] Jo. B. von Olpe 1494; Kapitel 20. – Holzschnitt vermutlich von Albrecht Dürer (1471–1528)

Und hier das Bild im Nachdruck in der Ausgabe Straßburg: Grüninger 1494:

Von einem grusamen mord zů Lenzburg

Hier bläst der Teufel allerdings nicht einem Narren ein, sondern einem Verbrecher:

Von einem grusamen mord zů Lenzburg Am 4 Aug: dises 1567. iars ist einer zů Lenzburg mit dem rhad gericht, der hatt sines brůders kind mit einem fuust streych zetod geschlagen, hernach sinem eignen kind den kopff mit einem biel abgeschlagen, und in vil stuk zerhauwen.

Zeichnung in den »Wickiana«, Band F 15, Blatt 286 (Zentralbibliothek Zürich)

Literaturhinweis: Matthias Senn, Die Wickiana. Johann Jakob Wicks Nachrichtensammlung aus dem 16.Jahrhundert, Raggi-Verlag, Küsnacht/Zürich 1975; insbes. S. 150.

Zwischen zwei Ansprüchen

Der Titelholzschnitt von Urs Graf (1485–1528) zeigt den christlichen Ritter (gerüstet wie im Epheserbrief, 6,13ff.) zwischen dem Engel, der ihm das Kruzifix und die an die ablaufende Lebenszeit erinnernde Sanduhr zeigt, und dem Teufel, der ihm sündige Anfechtungen einbläst. Der Ritter muss sich entscheiden wie Herakles am Scheideweg:

[Erasmus von Rotterdam, übersetzt von:] Johannes Adelphus, Enchiridion*** oder handbũchlin eins Christenlichen vnd Ritterlichen lebens, Basel: Adam Petri 1520. Bild vor der Vorrede von J. Adelphus: Also spricht das bůch von im selbs.

***) Der Buchtitel »Enchiridion militis christiani« ist zweideutig: Enchiridion bedeutet einerseits Handbuch, ist anderseits auch die Bezeichnung für ein Handmesser, einen Dolch, ein Schwert.

Im Grußwort von Erasmus heisst es (mit Bezug auf Hiob 7,1), das Leben des Menschen sei ein ewigwährender Kampf, und dass die gauklerische Welt die Seelen mit lockenden Spielen gefangen hält. Die bösen Dämonen trachten, mit vergifteten Geschoßen gut gerüstet, stets ränkevoll nach unserem Verderben; wir kennen indessen den Schild des Glaubens. Der schlimmste Feind lauert in unserem Inneren – dies vermag das Bild nicht darzustellen.

Vom Teufel inspirierte Humanisten

Ortwin Gratius (1491–1542) wendet sich in einer Schrift gegen die Verspottungen, die in den ›Dunkelmännerbriefen‹ und anderen Publikationen gegen ihn gerichtet worden waren. Die gegen ihn polemisierenden Humanisten stellt er als teuflisch inspiriert dar – einer bringt auch eine Brille!

Lamentationes obscurorum virorum non prohibite per sedem Apostolicam; Ortwino Gratio auctore …, Colonia: Quentel 1518.
> https://mdz-nbn-resolving.de/bsb00005461

Vgl. den Artikel von Ludwig Geiger zu Ortin Gratius in der ADB (1879)

Vom Teufel inspirierter Ketzer

Der dominikanische Inquisitor Bernard von Luxemburg († 1535) verfasste ein Verzeichnis der Ketzer. Darin das Bild der statua hereticalis (Bildsäule der Häretiker). Dem Ketzer bläst der Teufel ein, während weitere Monster ihn bereits in die Höllenflammen herunter zerren.

Catalogvs Haereticorvm omnium pene, qui a scriptribus passim literis proditi sunt, ... a Bernardo Lutzenburgo ... conscriptus, Köln 1522.
> https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb00089626?page=11
(Hier nach der Ausgabe Köln: Eucharius Cervicornus und G. Hittorp 1523.)

Vom Teufel inspirierter Prediger

Friedrich Jenni (1809–1849) verlegte in den spannungsgeladenen Jahren 1843 bis 1849 ein Witzblatt, in dem er radikal die Gegner der liberalen Gesinnung in der Eidgenossenschaft karikierte: »Der Gukkasten«. Erinnert sei auf der einen Seite an die Aufhebung der Klöster im Kanton Aargau (1841), auf der anderen Seite an die konservative Luzerner Verfassung von 1841, in der der Einfluss der katholischen Geistlichkeit und insbesondere der Jesuiten vermehrt wurde, – dies alles dann kulminierend im Sonderbundskrieg (1847).

Der Gukkasten. Zeitschrift für Witz, Laune und Satyre (Ausschnitt aus dem Titelblatt des dritten Jahrgangs, Bern 1843)

Die Karikatur ist krass antiklerikal. (Der predigende Geistliche kann aufgrund seiner Kopfbedeckung nicht als Jesuit identifiziert werden, ein Katholik ist er allemal.) Die Gottesdienstbesucher – ländliche Bevölkerung – scheinen von den Worten des Pfaffen bzw. seines Einbläsers tief betroffen.

Die Zeitschrift ist digitalisiert von der ZBZ
> https://www.e-rara.ch/zuz/doi/10.3931/e-rara-97713

Vgl. Der Gukkasten-Kalender [Faksimile der Jahrgänge 1845 und 1846], Herausgegeben und mit einem Nachwort von Stefan Humbel (Schweizer Texte, Neue Folge, Band 38) Chronos Verlag Zürich 2015.

Diesem falschen Priester bläst der Teufel gleich mit einer ausgeklügelten Blasbalg-Maschine ein:

Aus der dem »Speculum peccatorum« Biblioteca Casanatense Ms. 1404 (ca. 1430/40), Fol. 8 verso; zitiert in: Eckart Conrad Lutz, Spiritualis Fornicatio. Heinrich Wittenwiler, seine Welt und sein »Ring«, Sigmaringen 1990, Abb. 47.

Lug und Trug

Sebastian Brant (1458–1521) hat 1508 eine Ausgabe der moralischen Spruchsammlung »Freidanks Bescheidenheit« herausgegeben. Freidank wird datiert auf ca. 1230.

Darin steht ein Kapitel Von liegen vnd triegen. Der Holzschnitt dazu ist aus Versatzstücken zusammengesetzt. Dem höfisch aufgeputzten Mann in der Mitte bläst ein Teufel mit dem Blasbalg die Lüge ein.

> http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/bsb00007937/images/

Die Vorstellung des einblasenden Teufels kommt im Text von Freidank (vgl. die Ausgabe von Bezzenberger 165,21ff.) nicht vor.

Menschenhandel

Eine evtl. Niklaus Manuel Deutsch (ca. 1484–1530) zuzuschreibende Feder-Zeichnung zeigt (möglicherweise) eine Kupplerin, die von einem jungen Kavalier Geld erhalten hat. Das das Vermitteln von Prostituierten (lat. meretrix) als teuflische Angelegenheit gilt, erhellt aus dem Bild:

Hanspeter Landolt, 100 Meisterzeichnungen des 15. und 16. Jahrhunderts aus dem Basler Kupferstichkabinett, Basel 1972, Nr. 54 (Ausschnitt)

Vorsicht vor Lobhudeleien!

Ein älterer Mann sitzt sinnierend auf einer Bank, ohne mit dem Fliegenwedel das ihn umschwirrende Ungeziefer abzuwehren. Eine Gruppe von Mitbürgern bläst ihm ins Gesicht – man fühlt sich an die modernen ›speech bubbles‹ erinnert; auf der anderen Seite hantiert ein jugendlicher Einbläser mit dem Blasbalg:

Franciscus Petrarcha. Von der Artzney bayder Glück/ des guoten vnd widerwertigen. Vnnd weß sich ain yeder inn Gelück vnd vnglück halten sol. Auß dem Lateinischen in das Teütsch gezogen. Mit künstlichen fyguren durchauß/ gantz lustig vnd schön gezyeret. Mit Künigklicher May. Gnad vnd Priuilegio. Gedruckt zuo Augspurg durch Heynrich Steyner. M. D. XXXII. – 1. Buch, Kapitel XCIIII.

Der Text warnt davor, sich von den Schmeicheleien des Volks (gramoschere vnd pelleziere [?]) beeindrucken zu lassen. Was der pöfel sagt, ist luft vnd dufft/ verschwindet wie der windt vnd der nebel an der sonn. Das Lob verkehrt sich immer wieder in Verachtung. – Sind damit die blasenden Gestalten links gemeint, die der Mann mit der Hand abzuwehren scheint? In der zweiten Auflage (1539) stehen über dem Bild diese Verse:

Haurit aquam cribro, vulgi qui pascitur aura,
Vulgus amicitias vtilitate probat.

≈ Der schöpft Wasser mittels eines Siebs, wer die die Ohren vom Pöbel füttern lässt; der Pöbel begründet Freundschaften auf seinem Interesse.

Falsche Lieb der böfel [der große Haufen der Leute] hat/
Laß dich nit dran das ist mein rath/
Er folgt dem Glück vnd aigen nutz/
Fält
[fehlt] dir das glück / er beüt [bietet] dir trutz. [dieser Vers ist unverständlich]

Kein Gehör den Ohrenbläsern!

Franz Reinzer S.J. (1661–1708) geht in seinem (1697 zuerst in lat.Sprache erscheinen) Emblembuch stets von in der obern Lufft erzeugten Dingen (Himmelserscheinungen im weitesten Sinne: Sterne, Kometen, Wind, Hagel, Regen, daraus entstehende Quellen; Flüsse, Erdbeben, Metalle) aus, die er dann moralisch auslegt. Im Kapitel über die vorbedeutenden Winde heisst die Moralisation: Man solle denen Ohrenbläsern nicht leichtlich Gehör geben. (Emblem 37; deutsche Fassung S.176ff.) Ganz allgemein sagt er, dass viele Leute erdichtete Aussagen verbreiten.

Gehe nur zu einem Schmidt in die Werckstatt; wie stossen doch die gezogene Blaßbälge den Wind von sich aus! wie blasen sie das Feuer auf! wie streuen sie die Funcken hin und her! wie trefflich dienen sie denen Cyklopen zur Verfertigung der Donner-Keulen; Sie seynd pur lautere Werckzeuge der Waffen und des Kriegs […]. Dergleichen eiserne Leute nun seynd die Aufstecher [≈ Denunzianten] und Ohrenbläser: sie erregen Winde/ und betäuben wie Hornüsse die Ohren. [Folgt ein Zitat aus Seneca] Ach! wie entsetzlich wurden offt allzuleicht Glaubige Ohren durch solche Aufstecher und Zubläser entzündet/ daß sie letztlich in blutige Flammen ausgeschlagen. [Folgen Exempla von Verleumdungen]

Incendia nutrit ≈ Er nährt den Brand

Das Kapitel endet mit diesem Gedicht:

Die Flamme nimmet zu mit Macht und grossem Knallen;
    Die Gluth wird selbsten wie mit einer Speiß ernährt;
Wann aus dem Blasebalg die Winde auf sie fallen/
    Und daß sie nicht erlischt/ die starcke Lufft verwehrt.
<vermehrt?>
Wilt dem Verläumder du ein ofnes Ohr gewähren?
Wie wird die falsche Zung das Zorn-Feur bey dir mehren!

Meteorologia Philosophico-Politica, Das ist: Philosophische und Politische Beschreib= und Erklärung der Meteorischen / oder in der obern Lufft erzeugten Dinge; In zwölff zerschiednen […] wie auch mit zugleich untermischten schönen Sinn=Bildern gezierten Abtheilungen sonderbahren Fleisses ehedem verfasst durch den Ehrw. P. Franciscum Reinzer, S.J. […]. Anjetzo wegen der darinnen enthaltnen raren und anmuthigen Materien / curiosen Gemüthern zu Gefallen / und zu nutzlicher Ergötzung […] in das Teutsche übersetzt. Augsburg: Jeremias Wolff 1712.
> https://doi.org/10.3931/e-rara-16418
> https://archive.org/details/philosphicopolit00rein/page/n6

Ohren-blaserische Närrin

Das Buch »Mala Gallina« (≈ die üble Henne) ist eine Fortsetzung der Narrenliteratur von Abraham a Sancta Clara (Hundert Ausbündige Narren in Folio, 1709); der unbekannte Verfasser widmet sich hier den Narrheiten von Frauen.

Die einblasende Zwietracht hat dasselbe Schlangenhaar wie bei Ph. Galle. Die Damen tragen modische Fontange-Perücken, was sie allein schon als närrisch ausweist.

Was richt nicht an für Zank und Hader
     Der Ohren Blaserin böß Geschnader?
Die gleich den Nattern mit den pfeiffen,***
     Sich an der Unschuld offt vergreiffen.
Närrin! laß nach mit solchen Sünden,
    So wirstu klug und Gnade finden.

***) mit der pfeiffen bezieht sich auf die Geschichte des Rattenfängers (= getarnten Teufels, so wie er in Gestalt einer Natter Eva verführte) von Hameln, die dann im Prosatext erzählt wird.

Mala Gallina, Malum Ovum, Das ist: Wie die Alten sungen, so zwitzern die Jungen. Im Zweyten Centi-Folio Hundert Ausbündiger Närrinnen, … Nach voriger Alapatrit-Pasteten-Art So vieler Narren Generis Masculini, Anjetzo auch Mit artigen Confecturen, Einer gleichen Anzahl Närrinnen Generis Fœminini, Zum Nach-Tisch Allen Ehr- und Klugheit-liebenden Frauenzimmer zur lustigen Zeit-Vertreib und wohlgemeinten Warnung In Hundert schönen Kupffern moralisch vorgestellt. … Bey Johann Christoph Weigel, Kupfferstechern in Nürnberg [1713]. Nr. 48.

Eigensinnigkeit

In der Nachfolge der »Iconologia« von Cesare Ripa (erste illustrierte Ausgabe 1603) zeichnete Philippe Galle (1537–1612) und textete Cornelis Kiliaan (1528–1607) diese Sammlung von Personifikationen.

Der eigensinnige (heute würde man sagen: autistische) Jüngling ist bunt gekleidet, er obliegt seinen stets sich ändernden eigenen Phantasien. Der Sporn in der eienn Hand) und der Blaßbalg bemercken/ daß ein eigensinniger Mensch gar hurtig sey/ eines andern Tugend zu loben/ oder dessen Fehler und Mängel anzuzäppfen.

Herrn Caesaris Ripa von Perusien, Ritters von St. Mauritio und Lazaro &c., Erneuerte Iconologia, oder Bildersprach/ Worinen allerhand anmuhtige Außbildungen von den fürnehmsten Tugenden/ Lastern/ menschlichen Begierden/ Wissenschafften […] gantz sinnreich vorgestellet/ und auß den bewehrtesten Scribenten erkläret werden. Allen Rednern/ Predigern/ Poeten/ Mahlern […] zu erfindung ahrtlicher Gedanncken […] so hoch-nützlich/ alß ergötzlich/ zu gebrauchen. [vermehrt und ins Deutsch übersetzt] Franckfurt: Wilhelm Serlin 1669.
> http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ripa1669

Vielschreiberei

Horaz (65 – 8) nennt als Vorläufer bei der Gattung der Satire Lucilius (der 30 Bücher dazu verfasst haben soll) und betont, im Gegensatz zu diesem sei er kein Vielschreiber:

Di bene fecerunt, inopis me quodque pusilli
finxerunt animi, raro et perpauca loquentis;
at tu conclusas hircinis follibus auras
usque laborantis, dum ferrum molliat ignis,
ut mavis, imitare.

Die Götter haben es gut gefügt, dass sie mich mit einem kargen und wenig begabten Geist ausgestattet haben, der nur selten und weniges redet; aber du mach es nur wie die im Blasbalg aus Bocksleder eingeschlossenen Winde, die sich abmühen, bis das Feuer das Eisen weicher macht, wie es dir lieber ist. (Satiren / Sermones) I, iv, 17-18)

Die Zwietracht

Nochmals C. Ripa: In einer deutschen Fassung heisst es zu DISCORDIA, der Blaßbalg zeige an, daß die Zwietracht von dem Ohrenblasen der boßhafftigen Zungen und von dem Zorn der in den Menschen Hertzen geheget wird / herrühret. (Das Schlangenhaar stammt aus Vergil, Aeneis VI,280f.: et Discordia demens, vipereum crinem vittis innexa cruentis. oder aus Petron, Satyricon I,277.)

Prosopographia, sive, Virtvtvm, animi, corporis, bonorvm externorvm, vitiorvm, et affectvvm variorvm delineatio / imaginibvs accvrate expressa a Philippo Gallaeo, et monochromate ab eodem edita; distichis à Cornelio Kiliano Dufflaeo illustrata, Antuerpiae: Gallaeus, [ohne Datum].

Hier nochmals in einer späteren Fassung von Christian Sambach (1761–1797) del. / Jos. Stöber (1768–1852) sc.

Iconologie Oder Allegorische Darstellung Vieler Leidenschaften, Tugenden, Laster Und Handlungen der Menschen: Mit 216 Abbildungen, dann einem deutsch- französisch- und italiänischem Text, Wien 1798.

Wer den Einflüsterungen des Teufels gehorcht …

Holzschnitt aus dem Totentanz von Hans Holbein (1497–1543); erste Ausgabe 1534; hier aus dem etwas veränderten Nachdruck: Todtentantz […], Gedruckt zu S. Gallen, bey Leonhart Straub. M.D.L.XXXI.

Der begleitende Text lautet: Wer sein Ohr verschließt vor den Schreien der Armen, der wird nicht erhört. (Sprüche 21,13) – Dagegen scheint der Reiche auf die Einflüsterungen des Teufels zu hören. Und da stellt ihm der Tod das Bein.

Lass dir Zorn und Hass gefallen !

Die 100 Embleme umfassende Sammlung »Emblèmes ou devises chrestiennes, composées par damoiselle Georgette de Montenay« erschien zuerst 1571.

Monumenta emblematum christianorum virtutum tum politicarum, tum oeconomicarum chorum centuria una adumbrantium; Rhythmis Gallicis elegantissimis primùm conscripta, figuris aeneis incisa, et ad instar Albi amicorum exhibita à Georgia Montanea Nobil. Gall. et nunc interpretatione metrica, Latina, Hispanica, Italica, Germanica, Anglica et Belgica, donata, Francofurt ad Moenum, 1619. – Nr. 92.

Wenn man dem wut-entbrannten Mann nach dessen Wunsch als Provokation sein Gesicht präsentierte, so würde man die Raserei verstärken, wie wenn man ins Feuer bläst:

Quand l’homme fol est par ire enflammé
Et vient à tort faire à son frere outrage,
Comment seroit le batu estimé,
De luy bailler à souhait son visage?***
Car ce seroit luy accroistre sa rage
Comme le feu en le souflant s’allume.
Quae [=que] veut donc Christ de luy en ce passage?
Qu’en patience à peine on s’accoustume.

Weniges genügt …

Nochmals Georgette de Montenay: In schlichte Gewänder verkleidete Wölfe schüren mit Blasbälgen ein Feuer, und Raben tragen (als Lüge gedeutetes) Reisig herbei, aber das Feuer geht aus. Das heilige Blut Christi, das aus dem Baum fließt, löscht die heuchlerischen Flammen dieses Scheiterhaufens.

StammBuch/ Darinnen Christlicher Tugenden Beyspiel/ Einhundert außerlesener Emblemata, mit schönen Kupfferstücken gezieret. Erstlich in Frantzösischer Sprach von ... Georgetta von Monteney beschrieben. Nunmehr aber mit Lateinischen/ Hispanischen/ Italianischen/ Teutschen/ Englischen und Niderländischen Versen vermehret; Franckfurt am Mayn: Unckel 1619. – Nr. 7.
> https://haab-digital.klassik-stiftung.de/viewer/image/1576984060/7/LOG_0000/

Ausgabe 1584 (französisch / lateinisch)
> https://doi.org/10.3931/e-rara-4142

VII Ex parvo satis

Feralem struxere focum corvique lupique:
    Nec tamen, accenso fomite, ligna calent.
Nempe sacra manans Christi cruor arbore, flammas
    Obruit, & sterili lumina falsa rogo.

Die Vorstellung des aus dem Baum fließenden Bluts Christ beruht auf Apk. 2,7 und 22,2. 14.19: vom Baum des Lebens — (Vom Baum des Paradieses kam der Tod / vom Baum des Kreuzes entstand neues Leben); vgl. den Artikel von Andreas Michel
> https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/14696/

Mit einem umgebauten Blasbalg die Zeit kürzen

Auf dem Titelblatt des Hefts »Nützliche Zeitbetrachtung fürgebildet Durch Conrad Meÿern in Zürich« [undatiert] fliegt der geflügelte Chronos/Tempus, das Hinterhaupt kahlgeschoren wie die Occasio (die man am Schopf packen muss, bevor sie sich umdreht), in der einen Hand ein Sanduhr, in der andern eine Fackel, beides Allegorien der Vergänglichkeit.

> https://www.britishmuseum.org/collection/object/P_1987-0131-2-1-2
> https://doi.org/10.3931/e-rara-57816 (die ganze Publikation)

Ein weibliches Kompositwesen (wie es Conrad Meyer [1618–1689] gerne zeichnet; man beachte die Hörner zwischen den Pfauenfedern am Kopf!) fliegt von oben herbei und versucht mit einem als Buch gestalteten Blasbalg die Fackel vorzeitig zum Erlöschen zu bringen. Das ist besonders originell bzw. perfid, insofern als die Personifikation der Geschichte (Historia) gerne mit einem Buch dargestellt wird (in welches sie die Geschichten niederschreibt und so der Vergänglichkeit entzieht).

Vgl. dazu symbolforschung.ch/Buchsymbolik.html#Historia

Der Blasbalg als Rache-Instrument

Wie Eulenspiegel in ein Hauß scheiß/ vnd bließ dem gestanck durch die Wand in ein Üerten [Tischgesellschaft] / die jhn nicht leyden mochten.

Ein Reicher lädt zu Martini viele Gäste zu sich ein; aber er wolt kurtzmb nicht haben | den Eulenspiegel diesen Knaben […] Er meint es wer ein Luderman/ | Ein Gauckler vnd ein wilder han [ein Schlemmer und ein geiler Mensch]. Eulensiegel nimmt sich vor: daß ich nicht Gauckler heiß vmb sunst. Er nimmt einen Fass-Bohrer und bohrt ein Loch in das Gemach der Tafelgesellschaft:

Eulenspiegel Reimensweiß. Ein newe Beschreibung unnd Legendt deß kurtzweiligen Lebens/ und ... Thaten Thyll Eulenspiegels ... durch J. F. G. M. etc. Franckfurt, Johannes Schmidt 1572. Das LXXIIII. Capitel
> https://archive.org/details/bub_gb_XyJLAAAAcAAJ

Nam auch ein Blaßbalg, schiß darein/
    Vnd bließ den gstanck zum loch hinein/
Darvon das gmach so vbel stanck
    Daß man den Dreck sucht underm Banck …

Meint jeder der anders habs gethan …

In dem feirt nit [lässt nicht ab] der Eulenspiegel/
    Scheurt
[schürt] erst das feur meh in dem diegel/
Vnd rüttelt seinen Blaßbalg noch/
    Bließ den gestanck noch mehr durchs loch .....
Usw.

Im ersten Druck (1515): Die .LXXVII. history sagt wie vlenspiegel in ein hauß schiß / vnd bließ den gstanck durch die wand in ein ürtin / die in nit leiden mochten.

[…] Als sie nun sassen vnd waren vff das aller best gůter ding / so kumpt Vlenspiegel vnd bort ein loch durch die wand / die in das gemach gieng / da die gest insassen / vnd nimpt einen blaßbalck / vnd macht da seins trecks ein grossen huffen / vnd bließ mit dem blaßbalck in das loch das er gebort het in das gemach vnd stanck so vbel dz niemans in dem gemach bleiben mocht / ie einer sah vff den andern / der ein meint der ander schmeckt / der ander meint der dritt schmeckt also. Vnd hort nit vff mit dem blaßbalck so das die gest vff müsten ston / vnd kunten vor dem gestanck nit lenger bleiben. […]

> https://de.wikisource.org/wiki/Ein_kurtzweilig_lesen_von_Dyl_Vlenspiegel

Danke, Alex Schw. für den Hinweis!

Das Antoniusfeuer

Der Heilige Antonius Eremita soll der Legende nach an der durch Mutterkornvergiftung erregten Krankheit gelitten haben, die Symptome wie Glieder-Brand hervorbringt (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Ergotismus). Auf dem Holzschnitt (datiert 1463) wird gezeigt, wie ein Teufel diese Symptome anfeuert:

Die Einblattdrucke des XV. Jahrhunderts in der Kupferstichsammlung der Hofbibliothek zu Wien ... mit 171 Lichtdrucktafeln, hrsg. von Franz Martin Haberditzl, Wien: Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, 1920. Nummer 113 / Tafel LXVIII
> https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/haberditzl1920bd1/0007

Die anderen ihn peinigenden Scheusale gehören zur Geschichte seiner Versuchung, vgl. hier zu das einschlägige Kapitel.

Was bedeuten die zerbrochenen Blasbälge?

The Affectionate Bellows Mender

Ein Balsbalg-Hersteller sitzt auf einem niedrigen Schemel, einen Krug in der Hand und eine Dame auf seinem Schoß; zerbrochene Blasbälge liegen herum, im Hintergrund ein an die Wand geklapptes Bett...

M. Madan Del[ineavit] 8. September 1788
> https://www.britishmuseum.org/collection/object/P_1948-0214-537

Wie sagt doch P.W. in D.? "Der Blasbalg balgt sich zu zweit." (Mail vom 19.3.23)

Er bläst, wo er will

Das Titelkupfer der polemischen Schrift des ›Professors der deutschen Beredsamkeit‹ Johann Ernst Philippi (1700–1757) zeigt den Privilegieren Plasebalg Händeler L.H.J.G.B.M., der einerseits von Blasbälgen inspiriert wird, anderseits solche verteilt. Was mit diesen verstellten Titeln und Namen gemeint ist, wäre durch Lektüre der 526 Seiten und viel Hintergrundwissen herauszufinden...

Cicero, Ein grosser Wind-Beutel, Rabulist, und Charletan: Zur Probe aus Dessen übersetzter Schutz-Rede, Die er Vor den Quintius gegen den Nervius gehalten, klar erwiesen von D. Johann Ernst Philippi, […], Halle: In Verlegung des Autoris und in Leipzig in Commission zu finden bey Jacob Born 1735.
> https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10245094

Unter dem Bild: Der Wind bläset vor er will, aber etc. — vgl. Johannes-Evg. 3,8: Es ist damit wie beim Wind: Er weht, wo er will. Du hörst ihn, aber du kannst nicht erklären, woher er kommt und wohin er geht. So ist es auch mit der Geburt aus Gottes Geist.

Zur Biographie vgl. https://de.wikisource.org/wiki/ADB:Philippi,_Johann_Ernst

In die Luft geblasene Grillen

Hinten eine Rundtempel mit Apoll und Pegasus, ein von Bienen umschwärmter Putto zielt mit einem Pfeil auf die Weltkugel, die

zerbirst, weil ein ein kleiner Satyrknabe mit Ziegen-Beinen (vgl. dazu dieses Kapitel) sie mit einem Blasbalg gesprengt hat. Abgeschossen werden sollen die daraus (auf Zetteln geschriebenen) austretenden Künste: Poesia, Musica, Pittura, Architectura, Geometria, Phantasia, Satyrae und andere.

Der lat. Text oben (mit Anspielung auf die erste Statire von Persius): O curas hominum … ≈ O welche Sorgen haben die Menschen, und wieviel Nichtiges steckt in ihren Dingen! Wer läse dies und wäre nicht versucht zu lachen?

Unten:
Der Welt ihr Sinn u. Eigenschafft
Mit Grillen wie zu sehn behafft.

Des berühmten Italiänischen Ritters, Cæsaris Ripæ, allerleÿ Künsten, und Wissenschafften, dienlicher Sinnbildern, und Gedancken, Welchen jedesmahlen eine hierzu taugliche Historia oder Gleichnis beÿgefüget. dermahliger Autor, und Verleger, Joh. Georg Hertel, in Augspurg [ca. 1760]; II, 145

Der Umsichtige unternimmt nichts Unmögliches

Guillaume de La Perrière, Le Theatre Des Bons Engins; Aquel sont contenuz cent Emblemes moraulx, Lyon: Tournes 1545.

> https://archive.org/details/letheatredesbons00lape
> http://diglib.hab.de/drucke/162-3-eth-b/start.htm

L’homme discret n’enteprend l’impoßible.

Moulin à voyle oncques ne veistes mouldre,
Si d’vn soufflet on luy baille le vent.

Gefesselte Wolkenhände blasen nicht

Perpetuus nulli datur usus (Horaz, Epist. II,2, Vers 175: ≈ Kein Besitztum währt ewig)

P. Paris Gille OSB (1623–1701), Novum Tres Inter Deas Junonem, Venerem Et Palladem Paridis Judicium In Quo Denuo Expositum Pomum Posthabitis Cæteris, Soli Decernitur Optimæ, Emblematicè sub oculos datum, Salisburgi: Mayr 1694
> http://diglib.hab.de/drucke/xb-4f-386/start.htm

Die Windmühle steht bei fehlendem Wind still (die den Blasbalg bewegenden Hände sind gebunden); die mit Pfauenfedern versehenen Windmühlen-Flügel bedeuten den Stolzen, Genießerischen, der offenbar auf den Antrieb wartet...

Die Subscriptio rät, die nicht konstant wirkende Glücksgöttin vor dem Tod noch zu nutzen.

Nachher folgt ein langes lateinisches Gedicht.

Wer treibt die Kometen an?

Dass Kometen üble Vorzeichen sind, berichten die Flugblätter des 16. Jahrhunderts massenhaft. Die Dokumente in der Sammlung von Johann Jakob Wick (1522–1588) oder die Illustrationen im »Wunderwerck« von Conrad Lycosthenes (1557) zeigen indessen nur die Gestalt dieser Erscheinungen am Himmel: Fackeln, Kriegerheere, feuerspeiende Drachen. Als Ursachen gilt, dass Gott das sündhafte Leben der Menschen mit Unwetter, Pestilenz, Erdbeben, Krieg bestrafen möchte, ihnen aber vorher durch solche Hinweise eine Chance gibt, sich zu bessern. Die Konstellation deutet M. Brotbeyhel als Vorzeichen neuerlicher türkischer Feldzüge; das war um 1532 aktuell.

Ganz aussergewöhnlich ist das Bild auf dem Titelblatt des Hefts: Nicht der Allmächtige treibt den Kometen über das Himmelszelt, sondern ein Skelett mit Blasbalg.

Bedeütung des vngewonlichen gesichts/ so genennt ist ain Comet / Welcher / nach dem abnemenden Vierthayl des Mons / am tag Ruperti vnd daruor nit weyt vom Mon / im zaichen des Löwen / vnd darnach vil tag auch gesehen worden / Durch Maister Mathiam Brotbeyhel von Kauffbewren beschriben. M.D.XXXII.

Von der Trägheit des Gemüts

Eine furienhaft aussehende Frau mit wehendem Haar bläst einem auf dem Bett schlafenden, bekleideten Mann mit einem Blasbalg ins Ohr.

Franciscus Petrarcha. Von der Artzney bayder Glück/ des guoten vnd widerwertigen. Vnnd weß sich ain yeder inn Gelück vnd vnglück halten sol. Auß dem Lateinischen in das Teütsch gezogen. Mit künstlichen fyguren durchauß/ gantz lustig vnd schön gezyeret. Mit Künigklicher May. Gnad vnd Priuilegio. Gedruckt zuo Augspurg durch Heynrich Steyner. M. D. XXXII.
> http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00084729/image_7

2. Buch, Kapitel 109: De torpore animi — Von der tragheit des gemüets

Der personifizierte Schmerz (vom Petrarcameister visualisiert als der auf dem Bett Liegende) beklagt sich: Ich bin trege vnnd faul etwas zuo arbaytten vnnd zuo thuon.

• Im Text von Petrarca (1304–1374) sagt die Ratio/Vernunft zum Trägen u.a.: Hinc te amor igitur, illinc metus excitet, utraque res insomnis.Derhalben soll dich hie die lieb/ dort die forcht erwecken/ wölche zway ding baide wacker vnnd vnschläfferig seindt (Übersetzung von Georg Spalatin 1532). Handelt es sich bei der den Schlafenden weckenden Gestalt um die Furcht?

• Oder ist es die Personifikation der Acedia, eine der sieben Todsünden, die ihm die Trägheit einbläst? (> Thomas von Aquin, Summa, 2/IIae Pars, quaestio 35.)

Die Tiere auf der Brust und der Delphin als Kopfkissen sind bislang ungedeutet.

Zum Thema der Acedia – Trägheit – Faulheit warten wir (März 2023) gespannt auf das Buch von Johannes Hartau.

Und Dürer – und Vasari ?

Vielleicht hat die Reihe der Beispiele einige Hinweise gegeben, wie man diesen ohne Textbeigabe angefertigten Kupferstich von Albrecht Dürer (1471–1528) deuten kann, wozu es schon viele Ansätze gibt.

(Das ganze Bild auf Wiki Commons)

Gängig ist die Deutung, es sei eine Kombination von zwei der 7 Todsünden: Acedia (Trägheit, repräsentiert durch den am Ofen müßig Dösenden) und Luxuria (Wollust, repräsentiert durch die nackte Frau).

Auf dem Hintergrund der oben zitierten Stelle aus Petrarcas »De remediis utriusque fortunae«*** könnte man auch deuten: Die Furcht (in Gestalt des einblasenden Mönsterchens) und die Liebe (in Gestalt der Frau) versuchen den Müßigen zu wecken.

***) Die erste nördlich der Alpen erschienene (von Sebastian Brant betreute) Gesamtausgabe des lateinischen Werks von Petrarca erschien 1496 in Basel bei Amerbach in hoher Auflage.

Rätselhaft und zu vielen Deutungen anregend ist die skurrile Pinselzeichnung (ca. 1541/42) von Georgio Vasari (1511–1574), der Dürers Kupferstich gekannt hat. Hier bläst das dämonische Wesen dem Dösenden in den Mund – aber was? Phantasien?

David Zagoury in: Journal of the Warburg and Courtauld Insitutes, LXXXI (2018), p.249.

PM, Fassung vom Juli 2023