Teufel

Die ursprüngliche Version befindet sich im Buch

»Spinnenfuß & Krötenbauch. Genese und Symbolik von Kompositwesen«
Schriften zur Symbolforschung, hg. von Paul Michel, Band 16, 472 Seiten mit 291 schwarz-weißen Abbildungen
PANO Verlag, Zürich 2013
ISBN 978-3-290-22021-1

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Kurzer Überblick über die Geschichte des Teufels

Das Wort Satan bezeichnet jemanden, der (durch Anklage) anfeindet, verfolgt. (Im Hintergrund steht vielleicht die Angst der altorientalischen Fürsten vor Verleumdung.) Satan ist nicht der Name einer Person oder konkreten Gestalt, sondern bezeichnet eine Funktion (vgl. Sacharja 3,1ff.: Satan als Mitglied des himmlischen Hofstaats), deshalb wird das Wort in der hebräischen Bibel auch mit dem Artikel (ha-satan) als Appellativ, nicht als Eigennamen verwendet. Satan hat auch nichts Dämonisches, er ist kein Versucher (Ausnahme: 1 Chronik 21,1), sondern er veranlasst einen Test wie bei Hiob oder er bewirkt allenfalls äusseres Übel aufgrund von moralischem Übel. Auch die Schlange, die Eva und Adam verführt, ist im ursprünglichen Bibel-Text (Genesis 3,1ff.) einfach ein Tier. Erst in späterer Zeit werden die Dämonen (Azazel, Belial, Samael, Elilim, Schedim; sie werden von den Alttestamentlern als "vorisraelitische mythische Reste" abqualifiziert) mit der Satans-Vorstellung vermengt.

In der Literatur der Rabbinnen findet sich auch die Vorstellung, dass der Satan unter verschiedenen Gestalten die Menschen zur Sünde verführt, indem er ihren ›bösen Trieb‹ reizt.

[Hermann Strack] / Paul Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, 6 Bde., München 1922–1961; Band I, S. 136–149.

Die griechischen Übersetzer der hebräischen Bibel und Paulus gebrauchen für Satan das Wort diabolos, d.h. ›der Durcheinanderwerfer‹ (Verwirrer, Faktenverdreher); das deutsche Wort Teufel kommt daher. Neu ist im Neuen Testament, dass der Teufel listig bestrebt ist, den Menschen zum Abfall von Gott zu bewegen, ja sogar ihn in seine Gewalt zu bringen.

Deutlich ist das in der Geschichte der Versuchung Jesu, in der Satan als eigenständige widergöttliche Macht agiert (Mt 4,1–10 par. Luk 4,1–12), oder in Ausdrücken wie 1. Korinther 7,5: damit euch der Satan nicht versucht; Lukas 22, 3 Es fuhr aber der Satan in Judas, genannt Iskariot.

Der Teufel ist im Neuen Testament ein Widersacher Gottes, "der Böse", "der Arge", "der Feind", er ist Machthaber über widergöttliche Gewalten wie Krankheit und Tod. Jesu Wirken will zur Entmächtigung Satans führen, was am Ende der Zeiten sich dann erfüllt (Apokalypse 20,10: Und der Teufel, der sie verführte, wurde geworfen in den Pfuhl von Feuer und Schwefel)

In den Evangelien und Briefen ist nie von der äusseren Gestalt des Satan die Rede, hingegen wird er in der Apokalypse als Drache  bezeichnet, was Anlass zur bildlichen Ausgestaltung gibt.

Die Vorstellung von einem eigenen, finsteren Reich des Teufels drängte sich in den ersten Jahrhunderten des Christentums immer mehr in de Vordergrund. Entsprechend erstarkten auch die von der Kirche und Priesterschaft wohltätig bereitgestellten Schutzmittel gegen die teuflische Macht: präventiv: katechetischer Unterricht, Predigt, Taufe, Gebet mit Kreuzeszeichen, Abtötung des Fleisches; kurativ: Beicht, Buße, Exorzismus, Exkommunikation. (Eventuell war ja auch auch umgekehrt die einträgliche Verwaltung dieser Mittel der Nährboden für die Ausbildung eines rabiaten Teufelsglaubens.)

Mit der Ausgestaltung eines Dogmas erhält der Teufel dort auch seinen Platz. Und es entstehen ausgeklügelte Hilfskonstruktionen, die Gott die Allmacht sichern, aber gleichwohl dem Teufel seinen Einfluss zugestehen; die das Böse in der Welt wegdiskutieren, es aber dennoch als gefährliche Größe gelten lassen.

Allmählich wird die Person des Teufels fratzenartig ausgestaltet, er bekommt Helfershelfer. Die Phantasien grassieren in Anekdoten und geistlichen Schauspielen. Sie konkretisieren sich dann grausam in den Hexenverfolgungen.

Welche Ausmaße der Teufelsglauben (auch bei den Protestanten) im 16. Jahrhundert angenommen hat, zeigt die zuerst 1569 erschienene, in der Ausgabe 1575 1136 Seiten starke Sammelpublikation:

Theatrum Diabolorum, Das ist: Warhaffte eigentliche und kurtze Beschreibung, Allerley grewlicher, schrecklicher und abschewlicher Laster, so in diesen letzten, schweren und bösen Zeiten, an allen orten und enden fast bräuchlich, auch grausamlich im schwang gehen, Darauß ein jeder frommer Christ sonderlich zusehen und fleissig zu lernen, wie daß wir in disem elenden und müheseligen Leben, nit mit Keysern, Königen, Fürsten und Herrn, oder anderen hohen, Potentaten, sondern mit dem aller mächtigsten und stärckesten Fürsten dieser Welt, dem Teuffel, zu kämpffen und zustreiten, Welcher aller List und heimlichen Tück gantz voll, schleichend (als S. Petrus sagt) umbher gehet, wie ein wütender, brüllender Löwe, uns zuverschlingen, Also daß er uns täglich un allen augenblick anführen, und endlich mit Leib und Seel in Abgrundt der Hellen stürtzen müge. Und derwegen seine grausame Tyranney und Wüterey recht lernen erkennen, Gott umb hilff und beystande seiner Göttlichen Gnaden und heiligen Geistes von hertzen anruffen, alle gifftige Pfeil, tödtliche Geschosse aufzufahen, außzuschlahen, und in Christo Jesu, unserm einigen Heylandt, uberwinden, Victoriam und das Feldt behalten. Allen Treuhertzigen, denen irer Seelen heyl und Seeligkeit angelegen, mit gantzem Ernst und höchstem fleiß zubetrachten. […]. Gebessert und gemehret mit vier newen, als Sabbaths, Eydts, Sorg und Melancholisch Teuffeln, so zuvor bey diesem Druck nie gesehen noch ausgangen sampt einem neuwen, nützlichen und nohtwendigen Register. Getruckt zu Franckfurt am Mayn, durch Peter Schmidt, etc. Anno M D LXXV

digital in der BSB: http://www.bsb-muenchen-digital.de/~db/1014/bsb10148087/images/index.html

Zusammenfassung bei Roskoff II, 378–427. – Vgl. Teufelbücher in Auswahl, hg. v. Ria Stambaugh, Berlin: de Gruyter 1970-1980 (Ausgaben deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts; Bände 23; 33; 41; 77; 88)

Begründung der Vielgestalt

Die stets neu aufgemischte Vielgestalt des Teufels zeigt einerseits an, dass er die Negation des éinen Gottes ist, aber auch, dass er ein Verwirrer ist.

Schon im Hymnus »Pange lingua« des Venantius Fortunatus (2. Hälfte des 6.Jhs.) wird der Teufel als vielgestaltiger Verderber (multiformis perditor) bezeichnet.

Der Jesuit Petrus Thyraeus (1546–1601) hat eine einleuchtende Begründung dafür gefunden, warum sich der Teufel als Kompositwesen zeigen muss. Er schreibt in seinem Traktat über die Erscheinungsweisen der Geistwesen (Caput IX, § 162–163, p.23), dass die teuflischen nie als Taube oder Lamm auftreten, weil die göttliche Majestät es nicht zulässt, dass böse Geister eine Gestalt, die Gottes ist, annehmen; umgekehrt hätten sie einen solchen Hass auf die Kreaturen, dass sie keine Ähnlichkeit mit ihnen haben wollten. Und so erscheinen sie nicht als Tiere, sondern bilden Monstra nach: von Centauren, Chimären, Harpyen, des dreiköpfigen Cerberus und tausend anderer Ungeheuer.

Reverendi P. Petri Thyraei ... De variis tam spirituum quam vivorum hominum prodigiosis apparitionibus, et nocturnis infestationibus libri tres, Coloniae Agrippinae  ex officina Mater. Cholini, sumptibus Gosuini Cholini, 1594.

Eine der interessantesten Teufelsdarstellungen findet sich auf dem Titelblatt einer umfänglichen Buchs von Erasmus Francisci (1627–1694), dessen Titel schon vielsagend ist:

Der Höllische Proteus/ oder Tausendkünstige Versteller/ vermittelst Erzehlung der vielfältigen Bild-Verwechslungen Erscheinender Gespenster/ Werffender und poltrender Geister/ gespenstischer Vorzeichen der Todes-Fälle/ Wie auch Andrer abentheurlicher Händel/ arglistiger Possen und seltsamer Aufzüge dieses verdammten Schauspielers/ und/ Von theils Gelehrten/ für den menschlichen Lebens-Geist irrig-angesehenen Betriegers/ (nebenst vorberichtlichem Grund-Beweis der Gewissheit/ dass es würcklich Gespenster gebe) abgebildet durch Erasmum Francisci … Nürnberg/ in Verlegung Wolffgang Moritz Endters. Anno M.DC.XC

In der Vorrede verwendet er zur Erklärung der teuflischen Vielgestalt ein Gleichnis: Wenn ein Kriegsgefangener sich noch mitten im Krieg befreit hat, wird er sich feindlichen Nachstellungen durch Verstellung zu entziehen suchen:

er braucht allerley List/ und Rencke/ steckt falsche Flaggen/ oder Standarten auf/ giebt sich/ durch das heimlich erkundschafftete Wort/ für Freund aus/ und fůr gut Keyserisch/ indem er/ im Hertzen einen Türcken/ oder Tarter/ oder auf Raub/ Mord und Brand ausgegangenen Frantzosen verbirgt. – In gleichem Zustande der Unsicherheit stehet das gantze menschliche Geschlecht gegen dem Satan/ als seinem abgesagtem Feinde. Denn ob gleich unser König und oberster Feldher / Christus/ uns von der Gewalt desselben erlöset und frey gemacht: seynd wir darum doch nicht ausser der Nothwendigkeit gestellet/ uns/ biß zum Ende deß Streits/ wol fürzusehen/ daß wir nicht wiederum durch seine Netze/ Larven/ und betriegliche Verstellungen/ in die vorige Dienstbarkeit verführet werden: weil dieser hellische Leu [vgl. 1.Petrusbrief 5,8] immerdar seine Klauen wider uns ausbreitet/ bald in den Leuen- bald in den Drachen- oder Schlangen-Balg sein feindseliges Vorhaben verkleidet/ und mit allerley betrieglichen Erfindungen an uns setzet; damit er unserer Seelen/ oder zum wenigsten unserer Leibes-Gesundheit/ einen Abbruch thun möge.

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/2e/Hoellischer_Proteus.jpg

Die Vielgestalt auf dem Titelkupfer soll demnach dynamisch gelesen werden als permanenter Gestaltwandel. (Die Dreiköpfigkeit ist wohl als Verspottung der Trinität zu sehen, die Engelsflügel spielen  auf den Fall Luzifers [Jesaja 14,12 im Kombination mit Lukasevangelium 10,18] an.) – Auch die Gespenster, die nach der Meinung von Erasmus Francisci keineswegs Einbildungen sind, sondern echte böse Wesen, sind vielgestaltig:

Es stellen sich aber die Gespenster (durch welche ich allhie eigentlich die böse/ und keine gute Himmels-Geister/ verstehe) in vielerley Gestalt vor; er scheinen / bald wie ein Mensch/ bald wie ein Thier/ Vogel/ oder sonst etwas: allerdings wie die Poeten dem Proteo anzutichten pflegen/ daß er sich in allerley Figuren könne verstellen.

Er zitiert die Geschichte von Aristaeus, der seine Mutter Kyrene fragt, warum alle seine Bienenvölker gestorben seien; diese verweist ihn auf den Seher Proteus, der ihm das Geheimnis preisgeben werde, den er dazu aber mit Gewalt fesseln müsse:

Es narrt dich Wechselgestalt alsbald mit Fratzen von Tieren.
Plötzlich wird er ein borstiges Schwein, dann ein grimmiger Tiger,
Dann ein blauschuppiger Drache und gelbgemähnter Löwe;
Oder er erhebt sich in prasselnder Flamme ...
(Vergil, Georgica IV, 406ff.)

Es gibt in der Antike offenbar kein Bild, das Proteus in seinen Verwandlungen darstellt, möglicherweise überstieg dies die Vorstellungskraft der Künstler. Hingegen hat Sebastian Brant für seine Ausgabe der Werke Vergils 1502 einen Holzschnitt angeregt, der den Gestaltwandel notdürftig ins Bild bannt:

Publij Virgilij maronis opera cum quinque vulgatis commentariis […] expolitissimisque figuris atque imaginibus nuper per Sebastianum Brant superadditis, […], Straßburg: Grieninger 1502; fol. CXVIIIrecto.

Die Vorrede des Erasmus Francisci sagt weiter: Ein rechter Proteus mag am füglichsten der Satan getituliret werden; wie er/ auch auf dem Titel dieses Buchs/ beydes den Namen/ und das Konterfeyt des Protei führet: sintemal er nicht allein seine verborgene Tücke/ mit allerley Farben gar scheinheilig anstreicht und zieret/ sondern auch die Menschen mit mancherley gespenstischen Gestalten betriegt/ oder vexirt.

Der ganze Text > http://www.zeno.org/nid/2000478524X

Dies ist eine  durch die Kenntnis der Antike angeregte, gelehrte Erklärung der Vielgestalt des Teufels; eine trivialere ist die, dass das Dämonische, Angsterregende mittels eines Kompositwesens dargestellt werden kann, dessen Anblick uns frappiert, vexiert, fasziniert – allenfalls auch zum Lachen bringt.

Dass die Darstellung des Teufels hässlich gemeint war, erhellt aus folgender hübschen Legende: Ein Maler malte das Bild der seligen Jungfrau so herrlich, als er es vermochte, den Teufel aber so hässlich (turpis), als er konnte. Als er einst auf in großer Höhe auf dem Gerüst steht, stellt ihn der Teufel zur Rede und befiehlt ihm, in nicht derart zu verhöhnen. Wie sich der Maler weigert, reisst der Teufel das Gerüst um. Da streckt das Marienbild die Hand aus und hält ihn so lange, bis man Leitern gebracht hat, so dass er unverletzt herabsteigen kann. (Joseph Klapper, Erzählungen des Mittelalters in deutscher Übersetzung und lateinischem Urtext, Breslau 1914; Nummer 52)

Schauplätze der Begegnung mit dem Teufel

Es gibt einige prominente Szenen, wo sich der Teufel zeigt.

Gott spricht mit Satan über Hiob. Die Geschichte von Hiob wird gerahmt durch ein Vorspiel im Himmel: 

Hiob 1,6 Es begab sich aber eines Tages, da die Gottessöhne kamen und vor den Hern traten, kam auch der Satan unter ihnen. 8 Der Herr sprach zum Satan: Hast du Acht gehabt auf meinen Knecht Hiob? Denn es ist seinesgleichen nicht auf Erden, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das Böse. 9 Der Satan antwortete und sprach: Meinst du, dass Hiob Gott umsonst fürchtet? 10 Hast du doch ihn, sein Haus und alles, was er hat, ringsumher beschützt. Du hast das Werk seiner Hände gesegnet, und sein Besitz hat sich ausgebreitet im Lande. 11 Aber strecke deine Hand aus und taste alles an, was er hat: was gilt’s, er wird dir ins Angesicht absagen! 12 Der Herr sprach zum Satan: Siehe, alles, was er hat, sei in deiner Hand; nur an ihn selbst lege deine Hand nicht. 

Satan bekommt vom Herrn zugebilligt, Hiobs Frömmigkeit auf die Probe zustellen, indem er ihm die Reichtümer entzieht. (Es wird dann auch ein Test für den etwas antiquierten Frömmigkeitstyp seiner Freunde werden.)

Hans Leonhard Schäufelein (c. 1480 – 1540) – http://www.zeno.org/nid/20004276418

 

Jesus wird in der Wüste vom Teufel versucht.  Die Geschichte (Matthäus 4,1–10 parallel Lukas 4,1–12) enthält einige Kompliaktionen. (Warum merkt Satan nicht, dass er dem Messias gegenüber chancenlos ist? Geht es darum, Jesus dadurch zu verherrlichen, dass er den Versuchungen widersteht? Soll Jesus durch die vielen biblischen Parallelen als ›neuer Moses‹ dargestellt werden? Geht es darum, die Kraft der hl. Schrift zu demonstrieren?)

Matthäus 4,1 Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. 2 Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. 3 Und der Versucher trat zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. 4 Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben (5.Mose 8,3): »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.«

5 Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels 6 und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben (Psalm 91,11-12): »Er wird seinen Engeln deinetwegen Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.« 7 Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben (5.Mose 6,16): »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.«

8 Darauf führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit 9 und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. 10 Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben (5.Mose 6,13): »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.« 11 Da verließ ihn der Teufel.

 

Die Emeis. Dis ist das buch von der Omeissen, […]  von dem hochgelerten doctor Joanes Geiler von Keisersperg […] Straßburg, Johannes Grüninger 1517; fol XVIII verso –  5,5 x 7,5 cm

Eine ganzseitige Darstellung mit allen drei Versuchungs-Szenen des Meisters Hans Furtenbach steht in:

Euangelia mit vszlegungg Des hochgelerten Doctor Keiserspergs: vnd vß dem Plenarium vnd sunst vil guotter Exempel Nutzlich/ […] Straßburg: Johann Grüninger 1517; Fol. XLI recto


> http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0001/bsb00014615/images/index.html?seite=79&fip=193.174.98.30

Die Vision des heiligen Antonius in der Wüste.  Als Folge der akedía, d.h. einer sich in der langen Einsamkeit einstellenden Mutlosigkeit, erscheinen den Wüstenmönchen gelegentlich Dämonen – oder gar der Leibhaftige.

Der bedeutendste Ahnvater des asketischen Lebens ist Antonios der Große, genannt »Stern der Wüste«. Er wurde ca. 251 in Mittelägypten geboren; die Eltern waren bereits Christen. Er verschenkte sein Erbe und begann am Rande seines Heimatdorfes ein asketisches Leben. Um dem Zulauf der Menge zu entfliehen, verlegt er später seinen Sitz in die Libysche Wüste, in eine Nekropole. Wiederum folgt die ihn verehrende Menge nach, und er zieht weiter auf einen Berg in die Einsamkeit. Im Alter von über 100 Jahren stirbt er (356).

Bekannt ist die Darstellung der Versuchung des hl. Antonius auf dem Isenheimer Altar des Mathias Grünewald (1506 / 1515):

http://www.wga.hu/art/g/grunewal/2isenhei/3view/3view2r.jpg

Hier der Stich von Martin Schongauer (um 1450 – 1491):

(aus: Wikimedia/commons

Hier der Kupferstich von Lucas Cranach dem Älteren (1472–1553) aus dem Jahr 1506:


Der Text, aus dem das Bild entwickelt wurde: Athanasius der Große (298–373) hat eine Vita des Antonius verfasst. Da heisst es:

[Kap. 7] Daher ging er mit sich zu Rate, wie er sich an eine noch härtere Lebensführung gewöhnen könne. Gar viele bewunderten ihn, er selbst aber ertrug die Mühe leicht. Denn die Bereitwilligkeit seiner Seele, die ihr so lange innewohnte, hatte eine treffliche Verfassung in ihm zustande gebracht, so daß er, wenn er von anderen auch nur den kleinsten Anstoß erhalten hatte, daraufhin einen glühenden Eifer zeigte; er wachte so lange, daß er oft sogar die ganze Nacht schlaflos zubrachte, und dies nicht etwa einmal, sondern oft und oft; darüber wunderten sich dann die anderen. Nahrung nahm er einmal des Tages zu sich nach Sonnenuntergang; bisweilen aß er nur alle zwei, oft aber auch bloß alle vier Tage; er lebte von Brot und Salz, als Getränk diente ihm nur Wasser. Von Fleisch und Wein bei ihm nur zu reden ist überflüssig, da man dergleichen nicht einmal bei den anderen Frommen fand. Zum Schlafen begnügte er sich mit einer Binsenmatte; meist aber legte er sich auf die bloße Erde zur Ruhe.

[Kap. 8] So meisterte sich Antonius. Dann wanderte er weg zu Gräbern, die weit von dem Dorfe lagen, einen von seinen Bekannten bat er, ihm von Zeit zu Zeit, aber nur in langen Zwischenräumen, Brot zu bringen; dann ging er in eines der Gräber hinein und blieb, nachdem jener die Türe hinter ihm geschlossen hatte, allein drinnen. Da hielt es der böse Feind nicht aus, er fürchtete, Antonius möchte in kurzem auch die Wüste mit seiner Askese erfüllen, und so ging er in einer Nacht hin mit einer Schar von Dämonen und schlug ihn so heftig, daß er sprachlos vor Qualen auf dem Boden lag. Antonius versicherte nachher, die Schmerzen seien so grausam gewesen, daß man behaupten könne, Schläge von Menschenhand hätten niemals eine solche Pein verursacht. Durch Gottes Fürsorge aber – denn der Herr verläßt die nicht, welche auf ihn hoffen – erschien am nächsten Tage sein Freund, um ihm Brote zu bringen; er öffnete die Türe und sah ihn wie tot am Boden liegen; da hob er ihn auf und trug ihn in die Kirche des Dorfes und legte ihn auf die Erde. Viele von seinen Verwandten und die Leute aus dem Dorfe setzten sich neben Antonius, den sie tot glaubten. Um Mitternacht aber kam dieser zu sich, erwachte, und wie er sie alle schlafen sah, während nur sein Vertrauter wach war, da winkte er diesem, zu ihm zu kommen und bat ihn, er möge ihn wieder aufheben und zu den Gräbern bringen, ohne jemand aufzuwecken.

[Kap. 9] Er wurde von ihm weggetragen und war so wieder allein innen, nachdem die Türe wie vorher verschlossen worden war. Stehen konnte er wegen der Schläge nicht, also betete er im Liegen; nach dem Gebete aber rief er laut: ›Hier bin ich wieder, Antonius; ich fürchte eure Schläge nicht; wenn ihr mich auch noch ärger quält, nichts wird mich trennen von der Liebe zu Christus‹. Dann stimmte er den Psalm an: ›Wenn sich auch aufstellt ein Heerlager gegen mich, nicht wird sich fürchten mein Herz‹. So dachte und sprach der Asket; der höllische Feind aber, voll Haß gegen das Gute, wunderte sich, daß Antonius es nach den Schlägen gewagt hatte, wiederzukommen; er rief seine Hunde zusammen und rief berstend vor Zorn: ›Seht ihr, daß wir ihn weder durch den Geist der Unzucht noch durch Schläge zum Schweigen gebracht haben! Im Gegenteil, er ist sogar noch frech gegen uns. Wohlan, wir wollen ihm anders beikommen!‹ Denn leicht ist es für den Teufel, alle möglichen Gestalten zur Sünde anzunehmen, Da machten sie nachts einen solchen Lärm, daß der ganze Ort zu erbeben schien. Es war, als ob die Dämonen die vier Mauern des kleinen Baues durchbrechen und eindringen wollten; dazu verwandelten sie sich in die Gestalten von wilden Tieren und Schlangen; und gar bald erfüllte sich der Platz mit Erscheinungen von Löwen, Bären, Leoparden, Stieren und Nattern, Aspisschlangen, Skorpionen und Wölfen. Jedes von diesen Untieren bewegte sich nach seiner besonderen Art: Der Löwe brüllte, als wollte er anspringen, der Stier schien mit den Hörnern zu stoßen, die Schlange ringelte sich, aber sie kam nicht, der Wolf stürmte los, blieb aber wie festgebannt; der Lärm aller dieser Erscheinungen zugleich war wirklich schrecklich und ihre Wut grimmig. Antonius, von ihnen zerpeitscht und zerstochen, fühlte zwar heftigen körperlichen Schmerz, aber ohne Zittern und wachsam in seiner Seele lag er da; er seufzte infolge seiner leiblichen Pein, aber klaren Geistes und voll Hohn rief er: ›Wenn ihr Macht hättet, genügte es, wenn auch nur einer von euch käme. Aber da der Herr euch die Kraft genommen hat, versucht ihr durch eure Menge vielleicht Furcht einzuflößen. Ein Zeichen eurer Schwäche ist es, daß ihr die Gestalt von wilden Tieren nachahmt.‹ Und voll Mut sagte er weiter: ›Wenn ihr es vermögt und Gewalt empfangen habt gegen mich, dann zaudert nicht, sondern kommt heran! Wenn ihr aber nicht könnt, warum verwirrt ihr euch selbst umsonst? Denn ein Siegel ist für uns und eine sichere Mauer der Glaube an unseren Herrn.‹ Sie aber versuchten alles Mögliche und knirschten mit den Zähnen gegen ihn, weil sie sich selbst verspotteten und nicht den Antonius.

[Kap. 10] Der Herr aber vergaß auch da nicht seines Ringens, sondern kam zu seinem Beistand. Denn als Antonius aufblickte, sah er das Dach geöffnet, und ein Lichtstrahl kam auf ihn herab. Die Dämonen wurden plötzlich unsichtbar, die Pein in seinem Körper hörte sogleich auf, und das Haus war wieder unbeschädigt wie zuvor. Antonius aber merkte die Hilfe, atmete auf, er wurde von seinen Schmerzen erleichtert und fragte die Erscheinung: ›Wo warst du? Warum bist du nicht zu Anfang gekommen, um meine Qualen zu beendigen?‹ Und eine Stimme ertönte zu ihm: ›Antonius, ich war hier, aber ich wartete, um dein Kämpfen zu sehen. Da du den Streit bestanden hast, ohne zu unterliegen, werde ich dir immer hilfreich sein, und ich werde dich berühmt machen allerorten‹. Als er dies hörte, stand er auf und betete. Er gewann soviel Kraft, daß er merkte, jetzt mehr Stärke zu besitzen als vorher. Damals war er nahe an fünfunddreißig Jahre alt.

Athanasius, Leben des heiligen Antonius = Ausgewählte Schriften Band 2. Aus dem Griechischen übersetzt von Anton Stegmann. (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 31) München 1917.

Reich bebilderte Literatur zur Ikonographie:  Michael Philipp, (Ausstellung und Katalog), Schrecken und Lust. Die Versuchung des heiligen Antonius von Hiernonymus Bosch bis Max Ernst, München: Hirmer 2008.

In der »Vita sancti Guthlaci« (8.Jh.) wird beschrieben, wie teuflische Dämonen in die Zelle des Heiligen eindringen. Bild :  St Guthlac, tormented by demons, is handed a scourge by St Bartholomew, Guthlac Roll, 1210, British Library.

 

Der Teufel als Versucher der Menschen. Es gibt viele Bilder, in denen der Teufel Menschen versucht. Oft wird er als kleines Wesen dargestellt, das dem Menschen die Anregung zur schlechten Tat einbläst. Das Einblasen hat als moraltheologischen Hintergrund die Lehre von der suggestio: Der Widersacher flüstert nur ein, aber der Mensch muss zustimmen (consentire), und wird so zum Sünder.  Als anschauliches Hilfsmittel hält der Teufel hie und da einen Balsebalg in Händen (oder Pfoten). Das Einblasen ist eine Parodie auf die Inspiration der heiligen Schriftsteller, denen eine Taube den zu schreibenden Text ins Ohr einbläst. Gelegentlich legt er Schlingen aus, um die Menschen zu fangen (vgl. Ps 18,6 Des Totenreichs Bande umfingen mich, und des Todes Stricke überwältigten mich.)

 

aus: Der selen trost mit manigen hübschen Exempeln durch die zehen gebot und mit ander guoten lere, Ausgsburg: Anton Sorg 1478. – Schramm, Bilderschmuck der Frühdrucke, Band 4, Nr. 394.

Israhel van Meckenem (um 1440/1445 – 1503), Wer hat in unserer Ehe die Hosen an? Vgl. Gerhard Jaritz, Die Bruoch, in: Gertrud Blaschitz / H.Hundsbichler / G.Jaritz / E.Vavra, Symbole des Alltags, Alltag der Symbole. FS Harry Kühnel, Graz: ADVA 1992, S.395–416.
Die Erfindung des Schießpulvers wird ebenfalls auf teuflische Einflüsterung zurückgeführt:

Anno do. 1380. ward die zesamenfüegung zweyer widerwertigen materien Schwäbel vnd Salpetre erstlich erfunden/ vnd das Büchsenpuluer angefangen zu machen. […] Diß vnedel mörderisch kleinot sol von einem Münch erfunden vnnd in die welt außgangen seyn.  Gemeiner loblicher Eydgnoschafft Stetten / Landen vnd Völckeren Chronik wirdiger thaaten beschreybung […] durch Johann Stumpffen beschriben […] Zürich bey Christoffel Forschouer M.D.XLVII. Band II, 419 recto. –  © privat

Sündenregister. Die alte Vorstellung von Satan, der nur Sünder anzeigt und vor Gericht klagt, hat einen Reflex in den Szenen, wo der Teufel Sünden auf einem Zettel notiert. Es gibt nicht nur das ›Buch der Lebendigen‹, in das die Gottesfürchtigen eingetragen sind, sondern auch eine negative Bilanz in der himmlischen Buchhaltung: … vnd die Bücher wurden auffgethan/ Vnd ein ander Buch ward auffgethan/ welchs ist des Lebens/ vnd die Todten wurden gerichtet nach der Schrifft in den Büchern/ nach jren wercken. (Apokalypse 20,12; Luther 1545).

Hans Weiditz zugeschrieben: Der Teufel notiert, dass (was) die beiden Betschwestern tratschen, statt den Rosenkranz zu beten. – Zeno.org

 

Der Teufel holt Menschen in sein Reich. Dass der Teufel Sünder oder ihm durch dumme Schwüre versprochene Menschen leibhaftig abholt, wird of geschildert.

In der Schedelschen Weltchronik (1493) wird (zu einem ungenannten Datum; fol. CLXXXIX verso) berichtet: Ein boßgaftige zawbrerin was in engelland die wardt nach irem tod dieweil die briester die psalm sungen von den teüfeln erschröckenlich gezerret vnnd auff ein scheühlich pferd gesetzt. durch die luft hingefüert vnd wol vier meyl ein erschrökenlichs forchtsams geschray gehöret.

 

Liber cronicarum cum figuris et imaginibus ab initio mundi, auctore Hartmanno Schedelio, Nürnberg: Koberger 1493. Fol. CLXXXIX verso

Heinrich Wirri von Solothurn (nachgewiesen bis 1572) verfasst um 1550/55 ein Flugblatt mit dem Titel "Ein wunderbarliche warhafftige seltzame geschicht / von einem Pfaffen vnd seiner Kellerin / wie sie jm der Teufel angesicht seiner augen hinweg fůrt. Ordenlich beschriben in reimens weiß / vnd zů einer warnung allen frommen Mägdten oder töchteren."

Ein verarmter Mann hat eine hübsche Tochter. Ein Priester ("ein Pfaff") in der Nachbarschaft hat ein Auge auf sie geworfen und bietet ihr an, seine "Kellerin" (Hausmagd) zu werden und verspricht ihr ein Leben in Wonnen. Ihr schwant nichts Gutes, doch er beschwichtigt sie, auch habe er ja die Macht die Sünden zu vergeben; ausserdem sei doch die Ehe ein mühseliger Stand. Sie lässt sich überreden und lebt sieben Jahre "im sauß".  Danach "kam der Teüfel vngestalt | Stieß auf des Pfaffen hauß mit gwalt | Die Kellerin er zuo handen nam | Der Pfaff eben auß der Kirchen kam | Die Magdt hort er greüselich schreyen." Der Teufel lässt sich durch die jämmerlichen Klagen des Priesters nicht abbringen, die Frau in die Hölle zu führen.  

 

Wickiana PAS II 12/31 – auf Wikicommons

Die 1371/72 entstandene, für die Erziehung von jungen Frauen gedachte Exempelsammlung »Le livre du chevalier de La Tour Landry pour l’enseignement de ses filles« wurde von Marquart vom Stein ins Deutsche übersetzt und erschien als: »Der Ritter vom Turn von den Exempeln der gotsforcht und erberkait«, Basel: Michael Furter 1493. Darin liest man folgendes Exemplum:

Es waren vff eyn zyt zwey eegemecht [Ehegatten] jn eyner statt/ Die da beyd gar lichtlich erzürnet vnnd gar offt gegen eynander jn vneynikeit bewegt wurden/ Die hatten nun eynen jungen knaben der [eyn] torheit hatt begangen/ dem huobent sy an zuo fluochen so ser das das kynd zornig wart/ vnd jnen torliche antwurt gab/ Der maß das vatter vnd muoter über es so größlich erzürnet wurden/ Das sy es jn irem zorn dem tüfel ergaben/ Der kam vff das vnnd erfasset es by synen armen/ vnnd warff es nyder zuo der erden/ Vnd wo er es begreiff fieng es an zuo brynnen so ser das es syn arm vnd hend verlor.

Der Illustrator (man vermutet den jungen Albrecht Dürer) geht über den Text hinaus: sein Teufel scheint den Jungen nach dem gängigen Muster wegschleppen zu wollen, was ja auch dem Fuch der Eltern entspricht.  Faksimile-Neudruck: Unterschneidheim: Uhl 1970. [G vj a]

Der Teufel beim Partikulargericht.  Im »Hortus deliciarum« der Herrad von Landsberg (Ende des 12. Jh.) ergreift einer von zwei Teufeln die aus dem Seele des Reichen  entweichende Seele (fol. 123v). Diese Geschichte vom reichen Prasser und armen Lazarus (Lukasevangelium 16, 19–31) ist ein indirekter biblischer Beleg für die Lehre vom  der Abwägung der guten und bösen Taten eines Menschen unmittelbar nach dessen Tod. Das Konzil von 1274 erklärte, und das Konzil von Florenz bestätigte dies 1439, dass die von aller Sünde freien Seelen bei ihrem Tod sogleich in den Himmel aufgenommen werden, aber die Seelen derjenigen, die in Todsünde sterben ohne durch Buße Genugtuung geleistet zu haben, alsbald in die Hölle hinabsteigen. Dieses Gericht ist zu unterscheiden vom Jüngsten Gericht, vor dem sich dann alle Menschen nochmals rechtfertigen müssen. (Denzinger Nr. 857f. und 1304–1306.) Die ›Erfindung‹ des Partikulargerichts führte wie diejenige des Fegefeuers zu einer sozialpsychologischen Entspannung: Die Toten sind wirklich tot, und das erübrigt die peinigende Frage, was sie denn bis zum Jüngsten Gericht treiben und ob sie allenfalls wiederkehren?

Heinrich Denzinger / Peter Hünermann, Enchiridion symbolorum, definitionum et declarationum de rebus fidei et morum = Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, 37. Auflage, Freiburg usw.: Herder 1991.

Vor allem die Sterbebüchlein des Spätmittelalters (›ars moriendi‹) lieben die Szene, wo Teufel und Engel sich um den Sterbdenden scharen und ihn mit Anfechtungen zu bedrängen bzw. mit Ermutigeungen stärken versuchen. In einer Darstellung (Falk S.15) ist der Sterbende in einer mittleren Zone (in der Terminologie der Comics würde man von einem ›Panel‹ sprechen) inmitten begleitender Mitmenschen dargestellt; in einer oberen Zone halten ihm Engel auf Spruchbändern Sätze entgegen wie z.B. "Gottes barmherzikait ist bereit | den den ir sund ist leit" , während Teufel in der unteren Zone mit Sätzen wie "Sich du hast so vil sünde getan | du pist nit wert genade zu empfahen" jeder Hoffnung zu berauben suchen.

Ars moriendi. Die Teufel versuchen den Sterbenden mit ihren Zurufen in ihr Reich zu ziehen. Aber ein Engel nimmt die als kleines Kind (›eidolon‹) dargestellte Seele im Empfang. Aus: Franz Falk, Die deutschen Sterbebüchlein von der ältesten Zeit des Buchdruckes bis zum Jahre 1520, Köln: Bachem 1890. – Vgl. Jezler 1994, S. 262–265.

Wilhelm Busch zeichnet 1872 den Kampf zwischen einem Teufelchen und einem Engel um die aus dem Kamin ausfahrende Seele der Frommen Helene und schreibt: "Es siegt der Geist der Unterwelt. | Er fasst die arme Seele schnelle | und fährt mit ihr zum Schlund der Hölle."

 

Christus befreit die Gerechten aus der Unterwelt  (Harrowing of Hell / La Descente aux Limbes). Im Credo heisst es: crucifixus, mortuus, et sepultus, descendit ad inferos; tertia die resurrexit a mortuis – gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten. Dass Christus ins Totenreich hinabgestiegen sei, steht so nirgends in der Bibel. Wie viele fromme Geschichten stammt auch diese aus dem Umfeld der kanonischen Schriften, aus dem apokryphen Nikodemusevangelium, das eine starke Wirkung auf die Frömmigkeit gehabt hat. Das Konzil von Trient setzte es dann 1558 auf den Index.

Edgar Hennecke, Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung,
3., völlig neubearb. Aufl. von Wilhelm Schneemelcher, Tübingen: Mohr 1959–1964; Band 1, S. 348–353. Vgl. die Website von Hans Zimmermann, Görlitz (www.12koerbe.de), dessen Übersetzung hier mitverwendet wird.


Die vor-christlichen Gerechten, d.h. Adam, Seth, die Erzväter, die Propheten und Johannes der Täufer befinden sich in der Unterwelt und erwarten die prophezeite baldige Ankunft von Gottes Sohn. Es kommt zu einem Disput zwischen Hades und Satan (Ob es sich bei dieser Doppelung um einen literarischen Trick handelt, um die Überlegungen zu dialogisieren, oder um eine Spaltung des Bösewichts, um ihm das Machtmonopol zu nehmen?): Satan glaubt an das rein menschliche Wesen Jesu und ist deshalb sorglos, während Hades wegen dessen vollbrachten Totenerweckungen Bedenken trägt, Jesus könne in der Unterwelt alle Toten erwecken (und sie so den dortigen Machthabern rauben).

"Während Satan und Hades so miteinander sprachen, ertönte eine gewaltige Stimme, wie Donner sprechend: Öffnet, ihr Herrscher, eure Tore, gehet auf ewige Pforten! Einziehen wird der König der Herrlichkeit" (Ps 23,7–10 Vg.).

Obwohl Hades befiehlt, die Tore zu verrammeln: "kam herein der König der Herrlichkeit, und alle dunklen Winkel des Hades wurden licht. Sofort schrie Hades: Wir wurden besiegt, wehe uns! Aber wer bist du, der da hat solche Vollmacht und Gewalt? Da packte der König der Herrlichkeit Satan am Kopfe und übergab Ihn den Engeln mit den Worten: Mit Eisenketten fesselt ihm Hände und Füße, Hals und Mund!"

Jesus führt alle in der Unterwelt gefangenen Gerechten aus der Vorhölle heraus und ins Paradies.

Der Text ist bereits szenisch angelegt, und so verwundert es nicht, dass die mittelalterlichen Oster- und Passionsspiele die Szenen aufgenommen haben.  In den Osterfeiern bitten die Christus begleitenden Engel drei Mal die Antiphon Tollite portas (Öffnet die Tore …), und die Teufel fragen Quis es iste rex gloriae? (Wer ist dieser König der Herrlichkeit?)

Das Redentiner Osterspiel, mittelniederdeutsch / nneuhochdeutsch, übersetzt und kommentiert von Brigitta Schottmann, (RUB 9744), Stuttgart: Reclam 1975; Verse 513ff.

Vgl. den Artikel »Höllenfahrt Christi« von E. Lucchesi Palli in: Engelbert KIRSCHBAUM / Wolfgang BRAUNFELS u.a. (Hgg.), Lexikon der christlichen Ikonographie, Freiburg 1968–1976, Band I, Sp. 322–331.

Höllenfahrt Christi und Befreiung der Gerechten des Alten Bundes; Albrecht Dürer, Die große Passion, 1510

Die Geschichte von der Befreiung der Gerechten aus der Vorhölle hat ein Nachspiel: Die Teufel entdecken den Einbruch Jesu und sind darob emp‚ört. Sie ratschlagen, wie sie wieder in den Besitz der entwendeten Hölleninsassen €kommen können und strengen einen Prozessƒ gegen Jesus wegen Diebstahls an. Aber der Rechtsstreit zwischen Luzifer und Jesus ist eine Fiktion: der »Processus Belial« des Jacobus de Theramo († 1417) ist eine modellhafte Inszenierung des kanonisch-rechtlichen Prozess-Verfahrens, in der alle Problemfälle (zum Beispiel die Befangenheit von Gottvater, der deshalb nicht als Richter amten kann!) abgehandelt werden. Die Drucke aus der Inkunabelzeit sind mit hübschen Bildern geschmückt, in denen die Teufel ihren Platz haben. Vgl. Jezler 1994, S. 354–367.

Digitalisate:
Strassburg: Heinrich Knoblochtzer, 1478
http://tudigit.ulb.tu-darmstadt.de/show/inc-iii-232

Augsburg, 1490
http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00028929/image_1


 

Der Teufel wird ausgelacht

• Ein Eniblattdruck des Barthel Beham (um 1502 bis 1540) zeigt einen Schlagabtausch zwischen einem Teufel und einer Frau. Der Text sagt (die Rollenzuteilung stammt vom Herausgeber):

Der Teüffel wolt auff buolschafft gan
Eyn alts weyb sach er in eyner ecken stan
T: »Was suochstu da du allter karr« (evtl. tönernes Geschirr)
W: »Was geets dich an du scheützlicher narr«
T: »Sag du mir du altes rybeyßen (Reibeisen; böses, zänkisches Weib)
Kanst mich nit in Pfarrhoff weysen«
W: »Was hastu verloren darinnen«
T: »Ich wolt bsehen ob ich eyn alte huor oder zwuo möcht finden«
Das alt weyb huob an zuofluochen
W: »Wiltu mirs dahynden in der arßkerben suochen
Far schon du alter lorber sack
Hast nit sorg/ ich gib dir eyn schlag«
Da erwüscht sy eyn langen prügel
W: »Ich pewt dirs recht du altes fallentybel«
[mit dir nehm ich’s auf, du altes fallendes Übel, d.h. Epilepsie als Beschimpfung]
T: »Belzepock bin ichs genant
Kayn pößer weyb hab ich mein tag [zu meinen Lebzeiten] erkant
Hüedt euch vor dem alten huoren
Welcher hatt eyn sölchen nagenden wuoren [nagender Wurm?]
Der man [Ehemann] leydt mer peyn und quel [Qualen]
Er hatt hie [hier] Fegfewr vnd Hell«

Geisberg I, 161
Max Geisberg, The German Single-Leaf Woodcut: 1500-1550. 4 Bde. Revidiert und hrsg. von Walter L. Strauss. New York 1974.
http://www.zeno.org/Kunstwerke/B/Beham,+Barthel%3A+Teufel+und+Weib

Zunächst würde man das Blatt in die frauenfeindliche Tradition einreihen: Einer solchen Frau kann nicht einmal der Teufel schaden, und ihr Ehemann ist zu bedauern. Aber die Frau verhindert doch sehr streitbar, dass der Teufel im Pfarrhaus sich die Konkubine eines Priesters holt, wohl um sie zur Hölle zu führen. Das Stück oszilliert irgendwie zwischen Misogynie und Frauensolidarität.

• Zum letzten Kapitel der Apokalpyse zeichet Tobias Stimmer (1539–1584) einen von Christus gefesselten Teufel, der sich in seine Hölle verkriecht und so dem Betrachter nur noch seinen Arsch zeigen kann. Der Titel besagt: "Höll wa ist dein macht." angelehnt an den Satz "Tod, wo ist dein Stachel – Hölle, wo ist dein Sieg?" (1.Korintherbrief 15,55). Die Verse von Fischart lauten:

Du alte Schlang/ was rasselst lang
Mit deiner Kätten/ machst vns bang?
Christus hat doch durch seine Wunden
Dich verwunden vnd gebunden:
Drum pleiben wir von dir entbunden/
Dieweil wir sind mit jm verbunden:
Dan sein Tod/ hat den Tod verschlunden.

Neue Künstliche Figuren Biblischer Historien Und zu Gotsförchtiger ergetzung andachtiger Hertzen mit artigen Reimen begriffen durch J. F. G. M / grüntlich von Tobia Stimmer gerissen, Basel: Gwarin 1576. Nachdruck München 1923.

 

Es gäbe noch mehrere Szenen:

 

• Der Höllensturz Luzifers: Jesaja 14,12ff. Lukas 10,18 und Apokalypse 8,20
Karl-August Wirth, Artikel »Engelsturz«, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. V (1960), Sp. 621–674.
https://www.rdklabor.de/w/?oldid=93201

• Der Sturz der Teufel anlässlich des Jüngsten Gerichts (Ausgangspunkte: Matthäus 25,31–46 und Apokalypse 20,11–15; das Buch Henoch, Augustinus, »Civitas Dei«, Bücher 20–22)

• Der Kampf des Erzengels Michael mit dem Teufel – vgl. das Bild des Zürcher Nelkenmeisters oder das von Dürer

• Die Teufel als Peiniger in der Hölle (Ein prächtiges Bild findet sich im »Hortus deliciarum« der Herrad  von [Landsberg, Äbtissin von] Hohenburg, († ca. 1196), fol. 255r = Pl. 146; Herrad of Hohenbourg, Hortus Deliciarum, ed. Rosalie Green, M. Evans, C. Bischoff, M. Curschmann, (Studies of the Warburg Institute 36), 2 vols., London / Leiden 1979.
http://www.heiligenlexikon.de/Fotos/Hoelle.jpg

• Der Unkraut säende Teufel (Matthäus 13,24–30)
Bild des Mömpeglarder Altars

Exorzismus-Szenen; oft dargestellt ist die Austreibung der Dämonen durch Jesus in Gadara bzw. Gerasa (Markus 5,1–20: VND es war daselbs an den Bergen eine grosse herd Sew an der weide / Vnd die Teufel baten jn alle / vnd sprachen / Las vns in die Sew faren / Vnd als bald erleubet jnen Jhesus. Da furen die vnsaubern Geiste aus / vnd furen in die Sewe / Vnd die herd stürtzte sich mit einem sturm ins meer / Jr war aber bey zwey tausent / vnd ersoffen im meer – Parallelstellen: Matthäus 8,28–34; Lukas 8,26–39) 

The Holkham Bible; British Library, Additional MS 47682; ca. 1327-1335;
Digitalisat mit genauer Beschreibung: https://www.bl.uk/manuscripts/FullDisplay.aspx?ref=Add_MS_47682

Vgl. das Fastentuch in Gurk.

 

Der Teufel kommt auf die Liste der aussterbenden Arten

Es ist oft schwerer zu erklären, warum ein Konzept im Laufe der Geistesgeschichte verschwindet, als warum es erscheint; so auch der Konjunkturabschwung des Teufels seit dem Ende des 17.Jahrhunderts. Warum wurde Satan allmählich aus einer wirklichen Person ausserhalb der Menschen zum Abstraktum ›das Böse‹? Dies hängt (1) sicherlich mit einem Wandel des Frömmigkeitstypus in der Epoche der Frühaufklärung zusammen. An die Stelle einer Moraltheologie des Schreckens, in der der Teufel seine Rolle hatte, trat eine Frömmigkeit der Liebe zum einigen gütigen Gott und das Gewissen als Instanz für das moralische Urteil.  Ferner (2) kommt um 1700 die sog. ›Natürliche Theologie‹ auf, die im Gegensatz zur Offenbarungstheologie dem menschlichen Erkenntnisvermögen eine vernünftiges Urteil auch über Dinge der Religion zutraut.  Sodann haben (3) dem Teufel neue hermeneutische Prämissen den Garaus gemacht: Am Ende des 17. Jhs. erkennt man in der Bibelauslegung, dass die biblischen Autoren, auch Jesus selbst sich der Redeweise ihrer Umwelt bedienen, das heisst idiomatische Redeweisen und Mythen verwenden, die nur aus ihrem zeitbedingten Verständnis heraus verständlich sind und nicht naiv wörtlich genommen werden dürfen. Damit wird eine Begründung des Teufelsglaubens auf der Basis eines wörtlichen Verständnisses der Bilbel obsolet. – In der »Encyclopédie« (1751 ist der Eintrag Diable gerade noch eine halbe Spaltelang und nichtssagend; auch ein Urteil.

Die polemischen Schriften für und wider den Teufelsglauben, die durch die Aberglaubenkritik von Balthasar Bekker (1634 – 1698) ausgelöst wurden und dann vor allem in den 1770er Jahren grassierten, sind ausführlich dargestellt bei Roskoff, II, S. 427–613.

Balthasar Bekker, Die Bezauberte Welt: Oder Eine gründliche Untersuchung Des Allgemeinen Aberglaubens/ Betreffend/ die Arth und das Vermögen/ Gewalt und Wirckung Des Satans und der bösen Geister über den Menschen/ Und was diese durch derselben Krafft und Gemeinschafft thun …, Amsterdam 1693. (Zweite Übersetzung aus dem Holländischen: Leipzig 1781/1782)
Digital: http://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/61061/

Die Säkularisation des Teufels hat niemand besser ins Wort gefasst als Mephistopheles (und der muss es wissen!) mit seiner zynischen (wie anders?) Bemerkung:

Die Hexe tanzend.
Sinn und Verstand verlier’ ich schier,
Seh’ ich den Junker Satan wieder hier!


Mephistopheles.
Den Nahmen, Weib, verbitt’ ich mir!

Die Hexe.
Warum? Was hat er euch gethan?

Mephistopheles.
Er ist schon lang’ in’s Fabelbuch geschrieben;
Allein die Menschen sind nichts besser dran,
Den Bösen sind sie los, die Bösen sind geblieben.
(Goethe Faust I, Vers 2509)

In der jüngeren Theologie stellt sich die Frage, ob der Teufel eine reale, übernatürliche Person ist oder eine Personifikation des Bösen in uns, das eine Eigendynamik hat und den Menschen allenthalben machtvoll anficht. Man kann die Frage aber auch so zuspitzen: Ist es für das moralische Handeln von Belang, ob der Teufel als wirkliches Wesen oder Symbol verstanden wird? Wird Gott bzw. wird der Mensch durch eine der beiden Vorstellungen als nicht schuldhaft gerechtfertigt? (Und was ist damit erreicht?) Welche der beiden Optionen führt zu einem gerechteren Handeln, welche zu einer psychischen Entlastung?

Selbstverständlich lebt ›der Leibhaftige‹ – wie Umfragen ergeben haben – bei aller Entmythologisierung weiter. Der seit 1992 gültige Katechismus der katholischen Kirche hält in § 395 fest: Er ist ein Geschöpf.  Es ist weitaus müheloser zu sagen: »Die Schlange hat mich verführt, deshalb habe ich davon gegessen« (Genesis 3,13) als zuzugestehen, dass das Böse ein Teil meiner eigenen Persönlichkeit ist. Es ist bequemer, die Schuld auf ein Kompositwesen draussen zu projizieren als sich selbst als unentknäuelbares Kompositwesen anzuerkennen. In diesem Sinne war "das Wort ›Teufel‹ eine Wohlthat: man hatte einen übermächtigen und furchtbaren Feind, — man brauchte sich nicht zu schämen, an einem solchen Feind zu leiden." (Friedrich Nietzsche, Der Antichrist, § 23)

 

Literaturhinweise

Artikel mehrerer Autoren »Teufel«, in: TRE = Theologische Realenzyklopädie, Band 33, Seiten: 113-147, Berlin/ New York: de Gruyter 2002.

Gustav Roskoff, Geschichte des Teufels. Eine kulturhistorische Satanologie von den Anfängen bis ins 18. Jahrhundert, Leipzig 1869; Reprint: Nördlingen: Greno 1987. [Immer noch reichhaltig, obwohl aus dem 19.Jh. stammend]

Peter Jezler (Hg.), Himmel – Hölle – Fegefeuer. Das Jenseits im Mittelalter, Zürich: Verlag NZZ 1994. [Katalog zur Ausstellung des Schweizerischen Landesmuseums mii reichhaltigem, sorgsam nachgewiesenen  Bildmaterial]

Jeffrey Burton Russell, Biographie des Teufels. Das radikal Böse und die Macht des Guten in der Welt, Wien: Böhlau 2000 (Englisch: The prince of darkness, 1988).

Kurt Flasch, Der Teufel und seine Engel. Geschichte einer Verführung, München: C.H. Beck 2015.