»Tanz als Symbol — Symbole im Tanz«

Arbeitstagung am Freitag, 30. August 2002 in Zürich

 

 

Seither ist (unter anderem) dieses wichtige Buch erschienen:

Julia Zimmermann, Teufelsreigen – Engelstänze. Kontinuität und Wandel in mittelalterlichen Tanzdarstellungen, Frankfurt am Main [u.a.]: Lang 2007 (Mikrokosmos 76); 455 Seiten und 30 Abbildungen.

 

Programm:

(Zum Betrachten der Exposés auf die Namen klicken)

   
  10.00 Paul Michel Begrüssung durch den Präsidenten der Gesellschaft;
Einführendes Referat: "Für und wider die Tanzerei"
  10.30 Richard Merz Geistlose Unnatur des klassischen Ballettes?
  Kaffeepause
       
  11.45 Christina Thurner Wenn Symbole nicht mehr tragen. Flüchtige Zeichen und
      ihre Reflexion im postmodernen Tanz
       
  Mittagspause
  14.30 Matthias Sträßner Lyrik und Tanztheorie im Wandel
  15.30 Ursula Pellaton Getanze Kreise zwischen Ritual und Bühnenaufführung
  Kaffeepause
       
  17.00 Erika Schneiter Symbole im Tanz der Höfischen Gesellschaft der
      Renaissance und des Barock
      Anschließend an das Referat: tänzerische und musikalische
     

Darstellung: Courante, Bourée, Sarabande, Gigue.

 

Exposés

   
 

Richard Merz

»Geistlose Unnatur des klassischen Ballettes?«


Im kirchlich christlichen Kontext wird der Tanz mit seiner unvermeidlichen Körperlichkeit weitgehend als Verführung zum Sündhaften, ja, als das Sündhafte überhaupt gesehen. Dagegen hat der Tanz im 20. Jahrhundert einen mit andern Podiumskünsten gleichwertig anerkannten Rang im Kulturganzen gefunden. Mit einer Ausnahme: Das klassische Ballett. Es hat zwar den Ruf, bei einem gewissen Publikum beliebt zu sein; im ernsthaften Kunstdiskurs aber wird ihm meist jegliche Relevanz abgesprochen, dies nicht zuletzt auch im Kreis der Tanzschaffenden selbst. So stellt sich die Frage: Sind grosse klassische Choreographien wie zum Beispiel "Dornröschen" oder "La Bayadère" leere Formen von Bewegungsdekoration oder sind sie echter, Gehalt und Sinn vermittelnder Kunstausdruck?
   
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Christina Thurner

»Wenn Symbole nicht mehr tragen. Flüchtige Zeichen und ihre Reflexion im postmodernen Tanz«


Die (post)moderne Kunst und Theorie hat die Bedeutungs- und Verweiskraft des Symbols in Zweifel gezogen. Aus diesem Zustand des Zweifels heraus hat sie einen neuen Zeichengebrauch der Flüchtigkeit, der Unbeständigkeit, des fehlenden Referenten entwickelt. Gerade der Tanz als materiell flüchtige, nonverbale Kunstform bot sich an, diese neue Symbolik zu reflektieren. Eine solche Reflexion wurde denn in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im sogenannten postmodernen Tanz vielfach, auf ganz unterschiedliche Weise durchexerziert. Am Beispiel eines Stücks von Amanda Miller und ihrem Ballett Freiburg Pretty Ugly mit dem Titel "Unspeakable Home" von 2001 soll gezeigt werden, wie der Tanz die buchstäbliche Unhaltbarkeit symbolischer Zeichen demonstriert und dabei die Instabilität und Flüchtigkeit selbst tänzerisch zum flüchtigen Symbol erhebt. Der Titel von Millers Stück bezieht sich auf die letzte Zeile von Samuel Becketts Gedicht "neither" und steht für die Bewegtheit und Flüchtigkeit des Daseins. Während die Behausungen der Menschen als unwägbar thematisiert werden, scheinen sich die Körper der Tanzenden vom materiellen Aussen emanzipiert zu haben, sie sind selbst meisterhaft behaust. So schreibt auch der Tanz wortlos, flüchtig, aber dennoch nachhaltig an der historischen Theorie des Symbolischen mit.

   
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Matthias Sträßner

»Lyrik und Tanztheorie im Wandel«


Die Zusammenhänge zwischen Literatur- und Tanzgeschichte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind heute fst vergessen. Damals entwickelte sich eine fruchtbare Korrespondenz zwischen Literaten und Vertretern der neuen Ballettästhetik, des sogenannten "ballet d'action" oder auch des sog. "pantomimischen Balletts". Das "ballet d'action" fand - von Diderot vorformuliert - schließlich seinen Höhepunkt in der Theorie und Praxis des französischen Ballettreformators Jean-Georges Noverre, dessen "Lettres sur la danse, et sur les ballets" weite Verbreitung fanden. Auch wenn dieser Austausch zunächst vor allem im Bereich des Theaters stattfindet, hat er doch auch Auswirkungen auf Epik und Lyrik. Am Beispiel von 'Tanzgedichten' aus verscheidenen Epochen soll gezeigt werden, wie sich Lyrik und Tanztheorie verändern. Von besonderem Interesse ist dabei Schiller: Hier kommt es zum Vergleich von Tanzgeddichten aus der frühen Zeit der "Anthologie" und aus dem letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts.

   
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Ursula Pellaton

»Getanze Kreise zwischen Ritual und Bühnenaufführung«


Das besondere Interesse gilt den stark divergierenden Bedeutungen des einfachen Grundmusters. So soll das Spektrum möglichst breit sein und von Tänzen der Byaka-Pygmäen im zentralafrikanischen Regenwald bis zu historischen Gesellschaftstänzen in Europa und von traditionellen Ballettwerken bis zum Tanztheater von Pina Bausch reichen. Dabei wird sich zeigen, wie Sinn und Aussage des Kreises bald als selbstverständliche Erfahrung lebt, bald gemeinsames kulturelles Wissen voraussetzt, bald in ihrer Entstehung vorgeführt wird.

   
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Erika Schneiter

»Symbole im Tanz der Höfischen Gesellschaft der Renaissance und des Barock«


Der höfische Tanz in der Renaissance verkörperte wie in jeder Erscheinungsform ursprünglich die Bewegungsfreude, die durch den menschlichen Körper Gestalt annimmt und in eine Form gebracht werden kann. Aber gleichzeitig sollten mit ihm weitere Ziele und Zwecke angestrebt werden. So wandelte er sich vom aristokratischen Vergnügen zu einem Mittel der Sozialisierung und Disziplinierung ihrer Mitglieder, diente der Erziehung zu Anstand und Eleganz; seine Formen waren Zeichen einer gesellschaftlichen Oberschicht. Tanz wurde zur Selbstdarstellung eines Herrscherhauses in politischen Belangen genutzt. Dies geschah in aufwendigen Spektakeln, die in Frankreich im Ballet de Cour gipfelten, in Italien in Intermedi. Deren überaus prunkvolle Inszenierungen verbanden eigenes Mitwirken und Kunsstgenuss in Musik, Dichtung, Dichtkunst und Tanz, und sie dienten meist der Vermittlung von Botschaften. Im späten 17. Jahrhundert wurden zwei Gattungen von Tanz unterschieden: hier die "Danse pure" im Balltanz, dort das "Ballet" als Vermittler von Inhalten, Aussagen. Auf der Bühne des 18. Jahrhunderts fanden diese beiden Richtungen wieder zueinander, vermittelten allgemein verstandene Bedeutungen, hingegen meist ohne die Brisanz der polotischen Indoktrination, einfach als Diverstissement.
Anschließend an das Referat: tänzerische und musikalische Darstellung: Courante, Bourée, Sarabande, Gigue. Cembalo von....