JapanesenspieleViktor Weibel:Die Schwyzer Japanesenspiele – eine Plattform für Projektionen
Der Schwyzer Schriftsteller Meinrad Inglin (1893-1971) schreibt in seinem Roman »Werner Amberg«: »Eines Tages im Januar blickten zweitausend Zuschauer von einer Tribüne auf dem Hauptplatz des Dorfes angespannt zur Spielbühne hinüber, wo vier buntfarbige Herolde mit Fanfaren den Kaiser aus dem märchenhaften alten Reich der Sonne herbeiriefen. Der Gerufene, unser Fasnachtskaiser, der Fünfzigste (in der echten Aufführung ist es der 44. Kaiser; aber man feierte damals 50 Jahre Japanesengesellschaft), zog durch den schneeweiss blitzenden Wintertag mit einem hoffärtigen, von Gold und gelber Seide leuchtenden Gefolge herbei und begab sich, stürmisch bejubelt, in die für ihn hergerichtete Bühnenloge, um gnädigst dem grossen Volksschauspiele beizuwohnen, mit dem das Jubiläum unserer Fasnachtsgesellschaft gefeiert wurde, jener ruhmreichen Gesellschaft, die der Urgrossvater Bartholomäus Bising vor fünfzig Jahren gegründet hatte. Ich sass im Raum hinter der Bühne bei den Geigern des Dorforchesters, das unter Professor Ölmann die Begleitmusik spielte, aber ich hielt es da hinten nicht mehr aus und lief dem Professor im nächsten unbewachten Augenblick davon. Fiebernd vor Schaulust stahl ich mich unter die Zuschauer.« (Meinrad Inglin: Werner Amberg. Die Geschichte seiner Jugend. Zürich 1949, S. 165 f.) Der Schüler der Realschule am örtlichen Kollegium sieht das Stück, das in Bildern zeigt, wie ein Volk aus dem Norden Besitz vom Land nimmt. Das Gründervolk – es sind offensichtlich nicht die Alemannen, sondern die Helvetier – zieht aus in ein lockendes Land und kehrt geschlagen zurück. Ein Berggeist lässt das zurückgekehrte Volk in wechselnden Bildern in die Zukunft blicken. Heimat und Herkommen werden gepriesen. Die Idee zu dieser Episode in seinem Roman lieferte Inglin das Stück »Das Glück in der Heimat« von Jakob Grüninger, das zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens der Schwyzer Japanesengesellschaft während der Fasnacht im Jahr 1907 auf dem Schwyzer Hauptplatz aufgeführt wurde. Es war ein Riesenspektakel, das an vergangene Grosstaten der Japanesengesellschaft erinnern sollte, indem es gar manches seinerzeit Dargestellte wieder auf die Bühne brachte.
Dabei griff der Autor Jakob Grüninger, seines Zeichens Geistlicher und Direktor des kantonalen Lehrerseminars tief in die Kiste der Historie. Das Bild der Schlussapotheose mag einen Eindruck von der Grösse der Bühne und des Spielvolks liefern.
Die Spielerinnen und Spieler rekrutierten sich aus der Gemeinde Schwyz und das ist heute noch so, wenn man an ein neues Spiel geht. Meinrad Inglins Familie ist eng mit der Geschichte dieser Theater spielenden Fasnachtsgesellschaft verbunden.
Sein Urgrossvater Ambros Eberle war Kanzleidirektor, Druckereibesitzer und Verleger der Schwyer Zeitung. Er gründete und betrieb das Hotel Axenstein in Morschach oberhalb des Vierwaldstätter Sees gegenüber dem Rütli. Die politische Karriere beendete er als Regierungsrat und Nationalrat. Er gehörte zu den Gründern der Gesellschaft, die anfänglich als lockere Verbindung einiger Freunde des tollen Lebens bekannt war und sich ab 1863 den Namen Japanesengesellschaft gab. Ambros Eberle schrieb in der Folge auch die ersten grossen Stücke der Japanesen. Ehrfürchtig wird er in den späteren Protokollen »Vater der Japanesen« genannt. Übrigens gehörte er zu den Initianten, die zum 100. Geburtstag von Friedrich Schiller den Mitenstein am See vor dem Rütli zum Gedenkstein für den Dichter machten. Die Inschrift »Dem Sänger Tells, F. Schiller, Die Urkantone 1859« soll von Eberle stammen. Auch Inglins früh verunglückter Vater war Mitglied dieser Gesellschaft. So verwundert es nicht, dass diese Gesellschaft literarisch verändert im Roman Werner Amberg erscheint, der ja wesentlich auf dem Fundament Inglins eigener Kindheit und Jugend ruht. Noch weniger überrascht, dass zwei Cousins und Urgrossenkel Ambros Eberles, nämlich der Theatermann Oskar Eberle (1902–1956) 1947 und Meinrad Inglin 1952 selber je ein Stück für die Japanesen geschrieben haben. Eberles Stück heisst »Vivelun Taikun« und zeigt u.a. kurz nach dem Krieg auf, dass man sich vor heimlichen Fröntlern schützen muss. Stadt und Land werden ebenfalls thematisiert. Die Landbevölkerung dabei ermuntert, sich selber treu zu bleiben. Meinrad Inglins Stück heisst »Volksfriedenskongress in Jeddo-Schwyz«. Es geht um den kalten Krieg und die Friedensschalmeien, die man von der damaligen Sowjetunion hörte. Man vernimmt dagegen aber, welche Länder durch Sowjetrussland um ihre Unabhängigkeit gebracht worden sind. Wer sind nun diese Japanesen und was sollen sie im Schwyz, das japanesisch zu Yeddo-Schwyz wird? Yeddo eine Variante für das alte Edo bzw. Tokyo in Japan. 1857 gaben ein paar ›Freunde des tollen Lebens‹ auf dem Hauptplatz von Schwyz eine Revue mit dem Titel »Circus Carneval« zum Besten.
Die Zirkusleute kamen phantasievoll von der kaiserlichen Tanzdiele in China über den Kaukasus und das Huiloch, das ist ein Hof oberhalb von Schwyz, auf den Hauptplatz, um hier ihre Kunst vorzuführen. Ein Jahr zuvor gastierte der Zirkus Knie in Schwyz. Man sah nun an der Fasnacht Das diplomatische Geheimniß. Secretum diplomaticum, den Verfassungsverletzer. Mortifex constitutionalis, Die Mobilisierung. Wakelatrix militaris …, den Schweizerfresser. Leo hallensins usw. Damit werden auf dem Plakattext politisch-gesellschaftliche Vorkommnisse und Institutionen karikiert und glossiert. Neue Errungenschaften wie die Eisenbahn und der Telegraph werden genannt. Sogar Internationales kommt mit dem Schweizerfresser zur Sprache. Es geht um den Neuenburger Handel. Der Leo hallensis ist niemand anderer als der Preussenkönig Friedrich Wilhelm IV. Also viel Politisches und Zeitkritisches. Damit sind wir mitten in einem Themenbereich der Schwyzer Fasnacht. Diese hat in ihren intrigierenden Maschgeraden, so heissen die maskierten Gestalten, ein beliebtes und innovatives Instrument der Karikierung und Kritik gesellschaftlicher Vorgänge. Da kann man zum Beispiel als Teufel vom Leder ziehen und Lokales, Schweizerisches, Weltweites und Kirchliches glossieren. 1860 führten dieselben Leute in Schwyz die Revue »Der Kongreß und die Moden« auf. Es treten seltsame Figuren wie Justifas, Eisenbart, Bramarbas auf. Das zeigt die schon früh erkennbare Wahl von sprechenden, witzigen Namen für einzelne Spielfiguren. Namen können beim geneigten Zuschauer bereits gewisse Vorstellungen in bestimmter Richtung auslösen. Aha, das muss etwas mit der Justiz zu tun haben, der Justifas; mit dem dürfte nicht gut Kirschen essen sein, dem Eisenbart; jener wird unkontrolliert drauflos schwatzen, etwa ein Journalist?, Bramarbas. Indem man verschiedene Moden vorführt, kann man einerseits die zum Teil sehr ahistorisch gesehene eigene Geschichte feiern, andererseits auch Pfeile gegen politisch Missliebiges abschiessen. Vor allem möchte man keine Vögte haben. Vögte mag man in Schwyz nicht, besonders gegen den Steuervogt konnte man nie genug wettern. Auch den Schulvogt, dem man die obligatorische Schule verdankte, war man nicht immer gewogen. Die Sage mit der Gründungsgeschichte der Eidgenossenschaft und den bösen Vögten ist in den Köpfen der Leute fest verankert. Und so ist Vogt zum Inbegriff des ausbeutenden, schikanierenden Bösen geworden. Mit dem Spiel »Der Kongreß und die Moden« ist man gemäss Zeitungsbericht bei den Schwyzern angekommen und das Spielfeuer entwickelt sich zum Dauerbrenner. 1863 schreibt Ambros Eberle (1820-1883) das Stück »Die Schweiz in Japan. Grosses japanesisch-schweizerisches Volksfest in Jeddo-Schwyz«.
Das wird ein Erfolg und gleich danach gibt man sich feste Statuten und auch den bleibenden Namen »Japanesengesellschaft«. Im Stück Eberles kommt der Taikun mit Kaiserin nach Schwyz, weil sich viele in die Japanesen verliebt hätten. Japan begann sich in jener Zeit gegenüber dem Ausland zu öffnen und eben hatte sich eine Gesandtschaft aus der Schweiz nach Japan aufgemacht, um ebenfalls zu einem Freundschafts- und Handelsvertrag zu kommen. Das hat Eberle zum Anlass genommen, etwas japanisch oder wie man damals normalerweise schrieb etwas japanesisch Gefärbtes auf die Freilichtbühne auf dem Hauptplatz zu bringen. Eberle ist gut informiert und bringt vieles, was damals auf der Agenda war, kritisch und ironisch auf die Bühne. Weil man wusste, dass die Schweizer Legation Humbert einen Kratten voller Geschenke nach Japan mitführte, bringen die Schwyzer im Spiel dem Taikun Geschenke, die dieser aber nicht mag, einen guten alten Käse, ein Schwyzer Pfiiffli, einen Melkstuhl, eine Rätsche, Hörner und Klauen. Die Schwyzer Abgesandten werden darum zum Tod verurteilt, doch gelingt es in letzter Minute sich zu versöhnen. Ein Kolonne von Schweizer Bauern tritt mit Trommeln und Pfeifen auf und ihr Anführer sagt unter anderem man sei hier:
Ein wahrer Versöhnungsspruch, denn Schwyz litt immer noch daran, dass es zu den Verlierern des Sonderbundskrieges von 1847 gehörte und die neue Verfassung, die ja von den freisinnigen Gegnern entworfen worden war, 1848 hochkant bachab geschickt hatte. Der Satz des Bauernführers ist ein Bekenntnis zur übrigen Schweiz, und man doppelte in Schwyz 1867 gleich nach, indem man in Schwyz das Eidgenössische Schützenfest ausrichtete. Die auftretenden Bauern retten die Schwyzer also. Den Kaiser freut’s und er sagt:
Ein Kaiser aus Japan wird im urdemokratischen Schwyz Bürger! Die Schwyzer unterwerfen sich seinem Diktat – wenigstens zur Fasnachtszeit. Danach hockt er wieder in der Requisitenkammer und wartet auf seinen Auftritt am Dreikönigstag, wenn die Reichsversammlung der Japanesen stattfindet. Man traf und trifft sich dazu in den Drei Taikunen (Gasthaus Dreikönigen), im Weissen Tibetanerpferd (Hotel Wysses Rössli) oder in anderen Teehäusern von Schwyz. Während der Fasnacht lebt die Monarchie in Schwyz, japanesisch Yeddo-Schwyz. Nun darf man nicht meinen, man hätte damals Japan so gut gekannt, dass man sich in Schwyz an der Fasnacht echt japanisch hätte geben können. Nein, das Wissen um dieses ferne, sich während Jahrhunderten nach aussen abschottende Land war geprägt von vielem Rätselhaften und von Missverständnissen. Deshalb war für die Schwyzer Verantwortlichen alles, was jenseits von Indien lag, genug östlich, um das schon immer an der Fasnacht beliebte Fremde und Orientalische einzubauen. Japanische Besucher haben vor allem nach den 1950er Jahren bemängelt, dass da manches gar nicht echt japanisch sei, was man zu sehen bekomme. Es gab aber auch Fürsprecher, die verstanden, dass Fasnacht eben ihre eigenen Gesetze hat. Immerhin wurde im Juni 2005 eine Delegation der Japanesen vom japanischen Botschafter zu einem Dîner in die Botschaft in Bern eingeladen. Ich habe das selber erlebt und das lebhafte Interesse des damaligen Botschafters am japanesischen Tun mitbekommen. Zurück wieder zu jenen Anfängen: Ins Fremde kann man sich vieles hineindenken, kann es nach Belieben wirken und sich entfalten lassen – es ist das wahre Tummelfeld für Projektionen. Die Spielfreude der Japanesen hat jetzt schon über 150 Jahre überdauert und man plant auf 2012 ein weiteres Spiel. Meist dienten diese Spiele dazu, den Schwyzern und anderen Schaulustigen von der Freilichtbühne her den Spiegel vorzuhalten. Dazu eignet sich schon einmal die Projizierung des Standes Schwyz in ein fernöstliches Reich gut. Da kann es diktatorisch zu und hergehen. Das lieben die Schwyzer in Realität gar nicht, aber an der Fasnacht macht das merkwürdigerweise Spass und man unterwirft sich gern dem närrischen Joch. Der Kaiser kommt, man führt zu seiner Ergötzung ein Spiel auf, kommt in Bedrängnis, aber wieder heil davon. Der Kaiser mahnt am Ende und freut sich, dass alles zu einem guten Ende gekommen ist. Freude herrscht! Schliesslich ist die Zeit der Fasnacht eine Zeit des Frohsinns und der Ausgelassenheit, deren Bedeutung der kennt, der noch weiss, wie bremsend und regulierend die vorkinziliäre Fastenzeit ins tägliche Leben eingegriffen hat. Wenn ich in die letzten Jahrzehnte zurückblicke, so waren es 1935 im Stück »We d’Krisis zum Tüfel gad« von Msgr. Dr. Paul Styger der Faschismus und der Kommunismus, die der Stückeschreiber ins Zentrum stellte. Es treten Hitler, Mussolini und Stalin auf, daneben der schmächtige Ghandy, der neben den Grossmäulern gar nicht zum Sprechen kommt. Im Stück tritt auch die Krisis als hässliche Hexe mit grossem Kropf auf. Sie möchte man vertreiben. Damit sind die wesentlichen Ängste jener Jahre auf der Bühne. Sie dröhnen in den Sprüchen der Hitler, Mussolini und Konsorten über den Hauptplatz. Der Teufel soll sie holen. Später war es der Atom- und Sputnikschreck, der kurz nach dem Ungarnaufstand von Japanesenspiele – Plattform für Projektionen 1956 den Schwyzern und den übrigen Eidgenossen in die Knochen gefahren ist. Die Angst vor einem neuen Weltkrieg geht um. Panzer fahren im japanesischen Yeddo-Schwyz auf. Der Helvetia, dem Symbol für Staat und Heimat, geht es im Stück »Urständ« von 1958 von Paul Kamer (1919–1999) beinahe an den Kragen. Es gilt, sich auf die eigenen Kräfte zu besinnen und Bewährtes nicht kurzsichtig auf den Müll der Geschichte zu werfen. Das Böse und Diktatorische, das als fremde Macht einbricht, muss vertrieben werden.
1963 ist es das Frauenstimmrecht, das den Autor Paul Kamer dazu animierte, im Stück »Trumpf und Bock« die Welschen Jasskarten mit der Dame als dritthöchster Karte gegen die Deutschschweizer mit lauter Männern (anstatt der Dame gibt’s hier den Ober) antreten zu lassen. Es herrscht Zwietracht zwischen den Männern und den Frauen. Es wird auf die Bühne um den Sieg gejasst. Die Frauen obsiegen, und die Männer müssen zugeben, dass sie nicht die Herren der Schöpfung sind. Allerdings verzichten im Stück die Frauen noch auf Macht, aber ein erster Warnschuss an die Patriarchen war das. Politisch ist damals die Frauenfrage in eine heisse Phase getreten. 1970 erklärt Paul Kamer im Stück »dr Blätz« an sechs der bekanntesten Schwyzer Fasnachtsfiguren die Schwyzer Seele. Jede der Figuren steht für bestimmte Charaktereigenschaften. Verbindende Figur ist der Blätz, der harlekinartig, wie er ist, den Süden, aber durch sein schellendes Geröll und denn Tannreisigbesen den Norden verkörpert. Damit wird Schwyz charakterisiert, dass zwar im Norden der Alpen liegt, aber schon früh seine Fühler über den Gotthard ins Tessin und nach Italien ausgestreckt hat. Zum einen allerdings als Herrschaft im Tessin, zum anderen aber nach Italien durch Handel und Soldwesen. 1975 steht im Stück »Schwyz anno Zwäituusig« ein gewaltiger Computer auf der Bühne. Alles scheint vereinheitlicht und uniformiert werden zu können. Die Angst vor der heimlichen Manipulation geht um. Der Datenflotteri, übersetzt der Datenscheisser, beherrscht seine Maschine, und wer in sie gerät, der kommt als Maschinenwesen heraus. Nur das Kind – ihm steht die Welt noch offen, in ihm kann man sich eine positive Zukunft noch phantasievoll vorstellen – es sprengt die Kraft der Maschine. Der Kaiser ist glücklich darüber, denn in der Jugend liegt die Hoffnung. Man muss Sorge zu ihr tragen.
1980 erscheint im Spiel »Import – Export« auf der Fasnachtsbühne der Chräpflitatsch. Das war der Übername einer hausierenden Frau. Der Autor Paul Kamer aber macht diese Frau, die auch Kalender verkaufte, zur Zeit. Der Hesonusode, der Kaiser der Japanesen, wird an die UNO weggewählt. Die Schwyzer plagt der Übermut, nur noch Rendite zählt. Darum Ausverkauf des Tafelsilbers. Der Chräpflitatsch aber hat den Überblick und kann den Schwyzern zeigen, wie wenig sie selber erfunden und vollbracht haben. Vieles, sehr vieles musste von aussen kommen. Bescheidenheit ist angesagt. Das symbolische Zeichen dafür wird eine einfache, keimende Kartoffel. Am Ende kommt mit grossem Knall der Kaiser wieder auf die Bühne. Wieder einmal sind die Schwyzer davongekommen. Die nächsten Spiele des Autors Marcel Gaberthuel sind kabarettistischer und in Einzelnummern wird glossiert, was sich in unserem Land an Dummheiten und Überheblichkeiten manifestiert. Ein W. R. Bung wirbt für alles und jedes, was man vermarkten könnte. In einem anderen Spiel kitzelt ein Herr Eigensatz, der am Ende als Teufel entlarvt wird, die Selbstsüchtigkeit der Schwyzer, will sagen der Menschen, bis zu dem zu erwartenden Geht-nicht-Mehr. Weil man in einem weiteren Spiel den japanesischen Kaiser nur als Anwesenden vermutet, aber nicht erkennt, weiss man nicht, wie man sich verhalten soll und stellt deshalb allerlei Dummheiten an. Das gibt Anlass, zum Beispiel das Problem der Sammelklagen in den USA gegen die Schweizer Banken aufs Tapet zu bringen, aber auch gewisse politische Dummheiten anzuprangern. Im letzten Spiel, dem Jubiläumsspiel zum 150-jährigen Bestehen der Gesellschaft, wird die Hybris des Menschen am Beispiel des Stammzellenforschers Zellokar Würgeli, der das Heil bringen soll, ins Zentrum gestellt. Zum Glück spielt die Frau Fasnacht dabei einen grossen Streich, und alles kommt wie üblich zum guten Ende. In der personifizierten Fasnacht – man kennt sie als vollgefressenen Dickwanst in der Malerei – wird hier ganz positiv die Freude und Lust am Schabernack als Lebenselixier gepriesen. Wir sind wieder, schon wieder davongekommen, seufzt da der Schwyzer glücklich. Ob er aber etwas gelernt hat? Ein nächstes Spiel wird das zeigen.
Jöretönel, ein Bergbäuerlein aus dem Muotathal, Karlifranz, der Lehrer. Der eine steht für den Bauerstand, aber vor allem für guten Naturverstand, der andere für den Bürger und den Intellektuellen, dem es aber manchmal an der nötigen Bescheidenheit fehlt. Die beiden sind befreundet, sparen aber dennoch nicht mit gegenseitigen Gifteleien. Vor allem sind sie auf der Bühne, um zu kommentieren, was sich da abspielt. Sie vertreten damit eigentlich den Zuschauer und sind gleichzeitig Bindeglied zwischen dem Geschehen auf der Bühne und den Zuschauern. Mit ihnen kann man sich identifizieren, von ihnen kann man sich aber auch distanzieren. Die periodischen Japanesenspiel sind nur ein Teil der reichen Schwyzer Fasnachtswelt. Daneben gibt es die jährlich an 4 Tagen auftretende Rott der Maschgeraden. Sie tanzen durchs Dorf, verteilen Orangen und andere verspeisbare Dinge, sitzen in die Wirtshäuser und halten mit ihrem spassigen Intrigieren die Leute. Das Intrigieren ist eine Art Stegreifspiel. Der Maschgerad muss auf die Leute, die er zufällig trifft eingehen können, allerlei wissen und aufs Tapet bringen und dabei auch Schabernack treiben können. Dabei tut er so als ob, gibt vor, er sei und kenne, führt das Gegenüber auf falsche Fährten und letztlich ist’s ihm gleich, ob man ihn erkennt oder nicht. Sein Lohn? – Ein gutes Glas Weisswein. Damit Prost.
Literaturhinweis:Viktor Weibel, Hesonusode. Theater, Geschichte und Fasnachtskultur. 150 Jahre Japanesengesellschaft Schwyz, Schwyz: Triner 2006.
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