Stelzenläufer

 

Jakob Bornitz (ca. 1560–1602):

Jacobi Bornitii emblemata ethico politica, ingenuâ atque eruditâ interpretatione nunc primùm illustrata per M. Nicolaum Meerfeldt, Moguntiae (Mainz): Bourgeat 1669.
> https://archive.org/stream/jacobibornitiiem00born#page/n3/mode/2up

Das lat. Epigramm enthält zwei Fehler (†).

FUIMUS TROES
Aëra quod lustras pedibus, lustravimus unos †
Nunc scipione fultus, vix solùm geto ††

Kommentar:

Fuimus Troes ≈ Es ist alles aus mit uns (Vergil, Aen. II, 325); das war idiomatisch; vgl. Erasmus, »Adagia« 850. I, IX, 50: Hic loquendi color in Graecanicis tragoediis adeo passim obvius est, ut tanquam in adagium abierit …

quod – ist zu übersetzen etwa mit ›was das anbetrifft, dass‹ (aer masc. würde als Relativpronomen im Akk. quem erfordern.

unos – Konjektur: &nos = et nos, weil sonst der Hexameter nicht aufginge. Indessen: mit seinen zwei Einsilblern am Schluss nicht eben elegant. — Florentius Schilling (s. unten) hat stattdessen olim.

†† getopeto in der Parallelüberlieferung bei Florentius Schilling. — so zu konjizieren (petere hier ›vermittelst der Füße … einen Ort aufsuchen‹, Georges); frei übersetzt: Jetzt kann ich mich, auf einen Stock gestützt, kaum recht über den Boden hin bewegen.

sŏlum – Boden (›allein‹ wäre sōlus); so wird die Gegenüberstellung von Luft und Erde, aera – solum, sinnfällig. Übersetzung: Jetzt auf einen Gehstock gestützt, erreiche ich kaum den Boden.

Versmaß: Das Distichon besteht aus Hexameter und jambischem Senar; vgl. Horaz, Epoden 16.

Übersetzung: Was das anbelangt, dass Du die Lüfte durchwanderst; die haben auch wir durchwandert;
Jetzt kann ich mich, auf einen Stock gestützt, kaum recht über den Boden hin bewegen.

Hier die Fassung von Florentius Schilling, Todten-Gerüst, das ist: Wolgegründte Ehren-Gedächtnuss, hochadelicher Cavalliern, Herren und Frauen, deren ... Herkommen, ... Thaten und ... Tod in unterschiedlichen Leich-Predigten ... vorgestellet worden, etc. Sulzbach 1681, S. 188.
> https://books.google.ch/books....scipion...de&source=gbs_navlinks_s

Das ist nach meiner Teutsch=Poetischer Dolmetschung:
Du gehest auf hohen Steltzen im hohen Lufft/
Auf nidrig Krucken schleiche ich zur Todten=Krufft.
Wie du jetz gehst/ bin ich auch gangen/ stoltz von jahren/
Wirst alt wie ich/ so wirst mein Krucken auch erfahren.

Besten Dank für die freundliche Hilfe an: Thomas G., Peter St., Darko S., Barbara B.-K., Julia F., Silvan M., Florentius Schilling

Schlusspunkt von Andreas H.:

Wie du stelzt
sei dein Entzücken,
Bald schon holperst du
an Krücken.

Der du durch die Lüfte stelzt,
Dir dabei enorm gefällst.
Sieh auf meinen krummen Rücken,
Bald schon sind die Stelzen Krücken.


Daniel Cramer (1568–1637)

Octoginta emblemata moralia nova, Francofurtum: Jennis 1630.

1. Cor. 10,12 Wer sich lesset düncken / Er stehe / Mag wol zusehen / das er nicht falle (Lutherbibel 1545)

Wer sich erhebt vnd düncken läst/
    Er steh auff besten Füssen:
Wenn ers versicht/ steht er nicht fest/
    Muß bald die Erde küssen.

https://archive.org/details/octogintaemblema00cra


Conrad Meyer (1618–1689)

Trau nicht zuvil dem glük;
Es laßt nicht seine tük:
Ain hoch gefaßter won [Wahn]
Bekommt den fall zu lon.

H. Jacob Catsen Kinder-Lustspiele, durch Sinn- und Lehrbilder geleitet zur Underweisung in guten Sitten/ auß dem Nider- in das Hochteutsche gebracht durch H. Johann Heinrichen Amman; und mit Kupferstükken geziert, vermehret und verlegt durch Conrad Meyern, Mahlern in Zürich, Getrukt im Jahr Christi 1657.— Nr. 11
> http://dx.doi.org/10.3931/e-rara-9837

Ausgangspunkt war der Text von Jacob Cats (1577–1660) in dessen Traktat »Hovwelyck, dat is de gantsche gelegtheydt des echten staets« (1625):

De kinders die op stelten gaen,
Zijn rechte beelden von de waen:
Wy soecken meest al hooger schijn,
Als wy in rechte waerheyt zijn.

Das hatte J. J. Amman so übersetzt:

Die Kinder auf den steltzen gehn/
darbey ist unser wahn zu sehn:
wir suchen mehrteils höhern schein
alß wir in rechter waarheit seyn.

Ob Conrad Meyer (1618–1689) das bei Cats gedruckte großformatige Wimmelbild im Stil von Pieter Brueghel d.Ä. (Kinderspiele 1650) gekannt hat, sei dahingestellt.

https://archive.org/details/houwelyckdatisde00cats/page/n14/mode/1up


Johann Michael Dilherr (1604–1669)

Gefährlicher Hochmuth — Warnung vor Hoffarth und Ehrgeitz; welcher ein gemeines Laster ist.

Wer will närrisch grösser sein:
Schadt ihm selbst; legt unehr ein.

Johann Michael Dilherr, Heilig-Epistolischer Bericht/ Licht/ Geleit und Freud. Das ist: Emblematische Fürstellung/ Der Heiligen Sonn- und Festtäglichen Episteln: In welcher Gründlicher Bericht/ von dem rechten Wort-Verstand/ ertheilet; Dem wahren Christenthum ein helles Licht furgetragen; Und ein sicheres Geleit/ mit beigefügten Gebethen und Gesängen/ zu der himmelischen Freude/ gezeiget wird, Nürnberg: Endter 1663; S. 46ff.

Texte aus dem Umfeld des Bildes:

Halte weiter nicht von dir/
Als dir zuläst die Gebühr.
    Wer sich stets will höher machen;
    Macht/ daß andre seienr lachen.

Wer aber höher wil hinan;
Gar leicht in Schaden kommen kan:
   Gleich wie ein junger Knab/
Der auf die Steltzen sich begab/
Und fiel sich dann zu tod herab.


[Loncin = Pseudonym von Albert Joseph Conlin (1669–1753)] : Hoffärtiger Narr

Der christliche Welt-Weise beweinent die Thorheit der neu-entdeckten Narrn-Welt, welcher die in disem Buch befindliche Narrn zimblich durch die hächel ziecht, jedoch alles mit sittlicher Lehr und H. Schrifft untermischet […], Der ander Theil 1707.
> https://archive.org/details/derchristlichewe00conl

Der Hoffarts Geist besitzet mich,
Und quälet mich so jämmerlich,
Indem vor Hoffart mir bild ein,
Daß kein Mensch mehr als ich könn sein,
Ich glaub daß ich den Göttern gleich
Ja Jupiter selbst vor mir weich.


De Hovaardige Nar

De gekheydt der wereldt, wysselyk beschreven en kluchtig vertoondt, in hondert narren en derselver narren poetzen ... Tweede Deel, Amsterdam: Jansoons von Waseberge 1721.
> https://books.google.ch/books?id=......=de&source=gbs_navlinks_s


 

Mehr zu Emblemen hier: http://www.symbolforschung.ch/emblem