Garten-Allegorien
Münchener Sendbrief(eingerückt sind hier die allegorischen Auslegungen) Item daz her nach geschriben stet daz ist ein sant prif. Dyß ist ein prif, den schreib sy mir, do der feyel wuchs. Der hohwirdig gruß Maria und daz demutig nydern [nydern : niedrig machen (Phil 2, 7)] unsers herren Jhesus Christus geb dir zu enpfohen den trost und wunsamikeit des gruß und ein tyffe demütykeit, dy dich ewiglich erhöhe in dem ewigen leben. Und wyss, lybe tochter: Es ist yczund selten kein fogel, wye übel er syngt, er ticht iczund etwas, sych zu erlusten, und wesunder nun, wan dy wunicklichen tag dez meyen und des sumers kumen. Dez geleichen thu du auch. Und ab du als wol nicht kanst, als du gern wolst, ye doch so thu nach deinem vermugen und tycht in deiner wetrachtung etwaz gen der mynickleichen zeit der genaden. Merck wy du dein hercz nu geben hast zu einem wurcz garten deinem gesponssen Christo,
Und dar umb syh in dein hercz und merck, wy der gart gestalt sey, ab nychcz dar innen sey, daz deinem lib mag myßfallen. Gedenck, daz der czaun umb den gartten nit löcheret sey, daz ist, daß dein außwendig synn weslossen sein, wann durch dy löcher schlyffen gar gern [außwendig synn : äussere Sinne: Sinnesorgane vs. innere Sinne: geistige Kräfte]
Und schölch tir zu wüllen den burtz gartten deines hertzen, daz dein gespanß nit dar innen wont. Wirff dy steyn, daz ist zeitliche unnücz wekumernüß und sorgffelykeit [sorgffelykeit : Sorge], auß deinem herczen, daz dy plumen der tugent do mit nicht ver druckt werden. Vnd gedenck auch, daz du den wurcz gartten deines herrczen zyrest als man denn yczund pfligt zu thun.
Nym deinen gespanssen zu einem gerttner. Der wirt dir in dein hercz pflanczen dreyerley feyel.
Nu was wol richen plümen und myniklicher wolrichender kreuter der mynikleych gertner in dein garten pflanczen wirt, ist daz du in wol wirst digen [digen (= dîhen) : gedeihen geraten] mit dem mist der dymutigkayt, daz du wirst, hoff ich, enpfinden, mer wenn ich oder iemant daz mag wol schreyben. Den du alz ein pin [pin (= bîn) : Biene] und fleug offt in den garten auff ein ietleichs plumlein und saug dar auß alle susigkeyt und waz gucz [gucz = guotes] dar innen beschlossen ist. Mein liebe tochter, mein begerung wer, daz ich dich fast [fast : schnell, sehr] kond rayczen czu gotlicher lieb. Aber ich hofft, du habst und scholst nu vil lernen in dem lebendigen puch. Nu befilh ich dich deinem mynykleyhen gesponssen in sein mynireichs verwuntes hercz. Quelle: München, UB, cod. ms. 277, 193v–196v (nordbair. um 1470) Edition in: Dietrich Schmidtke, Studien zur emblematischen Erbauungsliteratur des Spätmittelalters. Am Beispiel der Gartenallegorie, (Hermaea NF 44), Tübingen 1980; Seite 499f. Hinweise: Anselm Salzer, Die Sinnbilder und Beiworte Mariens in der deutschen Literatur und lateinischen Hymnenpoesie des Mittelalters, mit Berücksichtigung der patristischen Literatur. Eine literar-historische Studie, (1886–1894); Nachdruck: Darmstadt: wbg 1967. Stephan Beissel, Geschichte der Verehrung Marias in Deutschland während des Mittelalters, 1909. Dietrich Schmidtke, Artikel »Wurzgarten des Herzens« in: Verfasserlexikon, Band 10 (1999), Sp. 1460/61. Heinrich Seuse O.P., Brief Nr. VIVineae florentes odorem dederunt, et vox turturis audita est in terra nostra. (Cant 2,12f.) Also stet geschriben in der minne buoch. Wer ein fruhtlosen winterhalden saehi hin glentzen von gebluomter gezierde in sumerlicher schonheit, und einen swartzen rappen, mit fulem avsse erzogen, horti in des lieben turteltúblis art verwandlet sin, der moehte wol dem schoenen herren zarten, der so grossú wunder allein mag erzúgen. Mit welen froeden wennent ir, daz sich der herre in dem schoenen wingarten ergienge, der sieh so reht wol gestellet hetti, und wie wol ovch sinen getrúwen knehten ze muote weri, so der suesse smack als rehte wol trahti, daz er umb sich allen menschen lust brehti und die leiden slangen von siner kraft vertribi? Ach, ir jungen, schoenen, zarten wingarten des himelschen vatters, ir schoenen lútseligen turteltúbli des goettelichen gemahels, gedenkend, wie lange ir wueste sint gelegen, wie manigen schoenen tag ir muessig sint gewesen, - und woelte got, daz ir muessig waerint gesin und nút mit dornen und mit bramen waerint erfúllet, die ir nu so arbeitseliklieh us rútent! Owe, ir kalten winde úppiger worten, ir starcken riffen zerganklicher minne, ir tiefen sne boeser unreiner geselleschaft, waz hant ir ebenlich versumet und mordes begangen an so manigem menschen! Wie reht selig der ist, der von úch gelidiget ist und mit der liehten sumerzit eins tugenthaften lebens durlúhtet ist! Minú zarten kint, waz sol ich úch me schriben, denn daz minú ovgen hein manigen froelichen ovgenblik getan, so ich gie úber die schoenen heide florieren al durch die bluomen hin, und ich horte die himelschen harpfen der lieben voegellin iren zarten, schoenen, minnenklichen scboepfer loben, daz es durch den luft uf trang? Aber gewerlich, ob in beiden so froewet sich min hertze, so úwer anevangens heilig leben in so maniger gebluemter gezierde also suesseklich in guotem lúmden smacket, da von die ewig wissheit wirt gelobet und die menschen gebessret. Wan ir aber noch nút erstarcket sint, so sont ir úwer selbes dester bas war nemen, und sont úch selber umbzúnen als ein junges zwi vor dem vih aller menschen geselleschaft, die dis sinnes nút sint. Eines dinges sont ir vorhin gewarnet sin: so die schoenen wingarten beginnent bluegen, daz ovch denne die bremen und die leiden kaefer beginnent stúrmen; und da der boese geist mit ime selber nút kann zuo komen gegen eime gesitten menschen, da reisset er aber sin gesinde zuo mit bittern schalkhaften worten oder mit boesen raeten, mit valschem wissagen in liep oder in leit. Und daz ist nút unbillich, wanne wissent fúr war, daz úch in keinem abbrechende uwers eigen willen niemer so we geschiht, im beschehe noch vil wirs, so er von siner eigen stat scheiden muos, die er so lange, so geruweklich hat besessen. Und dar umb, mine jungen kint, mine zarten userwelten kint, stant vast in gotte und heint reht ein gantzes getruwen in got, wan er lat úwer nút! Ach, luogent, er ist als reht tugenthaft, er ist als reht hertzklich guetig, daz er es an sime milten hertzen nút moehte vinden, daz er den menschen moehte lan, der sich gentzlich an in mag gelan. Eya, minneklicher ewiger vatter, ich bevilhe dir dine kint in dine goetteliche wissheit, daz du sú zúhest nach dime aller liebsten willen. Amen. Quelle: Heinrich SEUSE, Grosses Briefbuch, Nr. VI; in: Karl Bihlmeyer (hg.), H.S., Deutsche Schriften, Stuttgart 1907, S.425f. Madonna im RosenhagSTEFANO DA ZEVIO (†1451), Maria im Rosenhag, bei einem Brunnen, begleitet von der hl. Katherina von Alexandrien (Attribute Schwert und Rad) und mehreren Engeln Mit Kommentar > http://www.wga.hu/frames-e.html?/html/s/stefano/m_rosary.html Maria im Hortus ConclususVerena Zollers Wirk-Teppich aus dem Benediktinerkollegium Sarnen, datiert 1554 > https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4f/Hortus_conclusum.....jpg Anna Rapp Buri / Monica Stucky-Schürer in: Zs f Schwz Archäologie und Kunstgeschichte 52 (1995), S. 137–150. Digitalisat [mit präzisen Deutungen und weiteren Beispielen] »Canticum Canticorum« – Allegorische AuslegungBlockbuch, entstanden um 1465 Der Bräutigam (XPC) spricht: Quae habitas in hortis amici auscultant fac me audire vocem tuam (Cant. 8,13) Die Braut (Maria) spricht: Nova et vetera servavi tibi, dilecte mi (Cant 7,13) Teile daraus: Coloriertes Exemplar (BSB datiert Ca. 1469/70) Mit transliterierten Textanfängen Faksimile (ohneTranskription, Stellennachweis und Kommentar): Canticum canticorum. … editio archetypum anni circiter millesimi quadringentesimi sexagesimi quinti imitans., Berlin: Officina Ganymedes 1922. (Drucke der Marées-Gesellschaft 34) Literaturhinweise:Wolfgang Stammler, Der allegorische Garten, in: ders., Wort und Bild, Berlin: E.Schmidt 1962, S. 106–116. – Wieder abgedruckt in: Landschaft und Raum in der Erzählkunst, hg. von Alexander Ritter, Darmstadt: Wiss. Buchges., 1975 (Wege der Forschung 418), S. 248–261. Peter Ochsenbein, Artikel »Hortulus Animae«, in: Verfasserlexikon, Band 4 (1983), Sp. 147–154. [keine Allegorie; nur der Titel dieses Gebetsbuchs ist metaphorisch.] Andrea Pearson, Gardens of Love and the Limits of Morality in Early Netherlandish Art. Brill's Studies in Intellectual History 296. Leiden: Brill 2019. [nicht eingesehen] |