Band 15: Unmitte(i)lbarkeit. Gestaltungen und Lesbarkeit von Emotionen

Unmitte(i)lbarkeit. Gestaltungen und Lesbarkeit von Emotionen

Herausgegeben von Paul Michel, 502 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Pano-Verlag, Zürich 2005 (ISBN: 3-907576-79-9 – CHF 34.80 / € 22).

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Emotionen – sind das Spuren, die wir leiblich wahrnehmen, wenn wir von einem Widerfahrnis affiziert werden? Oder sind es Antworten auf Situationen? Oder Botschaften? Sind Emotionen uns überhaupt direkt zugänglich (wie es uns unsere Intuition glauben machen will), oder erschließen sie nicht viel eher nur in ihren Darstellungen: als Körpersymptom, als Wort-Etikette, als symbolische oder allegorische Gestalt, als Erzählung? Emotionen sind ein Gemenge von Spontaneität und Konventionalität, von anthropologischer "Basis" und historischem Wandel. Wie werden wir einer Emotion inne – an uns selbst, an anderen? Doch immer bereits als einer gedeuteten. Und diese Deutung wird von vielen Faktoren mitbestimmt: die Situation; Mimik und Stimmfärbung; die Sprache mit ihren Wörtern und Metaphern, die uns zu Gebote stehn; Geschichten aus der eigenen Kultur, in denen prototypische Situations-Emotions-Muster geschildert werden; sozial gelernte Konventionen, wann man diese oder jene Emotion haben soll oder darf; psychologisches Halbwissen.Das Reden über Emotionen ist stets angesiedelt in "Diskursen": unserer modernen Psychologie liegen historisch voraus die Rhetorik, die kirchliche Bußpraxis, die Moraldidaxe, die Medizin mit ihrer Säftelehre, und vor allem die Poesie. Welchen Einfluss haben dies Diskussionsfelder auf die Vorstellung von Emotionen? Und wie gehen wir mit unseren Emotionen um? Welche werden in welchen Kulturen gefördert und eingeübt, welche zurückgebunden und gezügelt, gedrosselt und abgewürgt? Wie funktioniert die Sublimierung der kruden Affekte zu kulturellen Höchstleistungen?

Aus dem Inhalt:

  • Emotionen. Erscheinungsformen, Diskursfelde, Beeinflussung. Eine Bestandesaufnahme des Herausgebers
  • Wolfgang Marx: Berge des Wahnsinns, Gipfel der Leidenschaft. Navigationsversuche im Raum der möglichen Gefühle
  • Klaus Rink: Episodische Information als Schlüssel zum Verständnis normaler und pathologischer Gefühlsreaktionen
  • Doris Lier: Aktaion und das Herzrasen. Vom Erschließungscharakter der Emotion im psychologischen Symbol
  • Hans-Jürgen Diller: Affection, passion, feeling, stirring. Towards a pre-history of the category ‘emotion’
  • Ursula Stadler: Gefühlssymbolik in chinesischen Schriftzeichen
  • Katalin Horn: Brot (Nahrung) als Zeichen von Emotionen im Märchen
  • Thomas Honegger: Liebe. Die literarische Darstellung eines Gefühls in der höfischen Literatur des Mittelalters. Am Beispiel des Lai de l’ombre
  • Georges Güntert: Die bildliche und rhythmische Gestaltung der Affekte in Ariosts Orlando Furioso und in Tassos Gerusalemme Liberata
  • Christina Vogel: Emotionen im Dienst der universalen Symbolik Simone Weils
  • Jürg Häusermann: Echte Gefühle
  • Sascha Demarmels: Emotionalisierung-Strategien auf Schweizer Abstimmungsplakaten im 20. Jahrhundert
  • Ursula Kundert: Ad evigilationem brutarum mentium. Emotionen als wirkungs-mächtige erzählte Kategorien im Renner Hugos von Trimberg
  • Ursula Renz: Der mos geometricus als Antirhetorik. Spinozas Gefühlsdarstellung vor dem Hintergrund seiner Gefühlstheorie
  • Thomas Krumm: Die emotionale Konstituierung von Fremdheit. Am Beispiel des Alien-Motivs.
  • Béatrice Kropf: Musik zur Darstellung von Emotionen im Tristan-Roman Gottfrieds von Straßburg
  • Hans Meierhofer: Tonartensymbolik
  • Nicole Schwyzer: Der gezügelte Mann. Symbol für Weibermacht oder Inszenierung von Affektkontrolle?
  • Christine Göttler: Der Sacro Monte von Varallo als Laboratorium der Emotionen. Das irdische Paradies, Adams Sünde, die Hölle und die Passion
  • Martin Städeli: Freispruch auf Bewährung. Der Fall der Emoticons.

(Quellenangabe des Bilds im Buch) 

Nachtrag zur Forschungsliteratur:

Hilge Landweer und Ursula Renz (Hgg.), Klassische Emotionstheorien von Platon bis Wittgenstein, Berlin: de Gruyter 2008.

An der FU Berlin bestand 2007–2014 das Forschungszentrum »Languages of Emotion«, siehe: http://www.loe.fu-berlin.de/